Arbeitsrecht

Kein Versorgungsanspruch aus einer Tätigkeit als berufsmäßiger Bürgermeister, wenn 10-jährige Wartezeit nicht erfüllt ist

Aktenzeichen  3 BV 16.2340

Datum:
24.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
KommJur – 2018, 215
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KWBG Art. 15 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Art. 25 Abs. 1 S. 4
BeamtStG § 6
BayBeamtVG Art. 3 Abs. 1, Art. 67 Abs. 4
VwGO § 130b S. 2

 

Leitsatz

1. Kommunale Wahlbeamte können nicht auf eine lebenslange Alimentation durch den Dienstherrn setzen, sondern sind typischerweise auf weitere Erwerbseinkommen angewiesen. (22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gegen die Wartezeitregelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Von den statusrechtlichen Bestimmungen des Beamtenstatusgesetzes kann durch Landesrecht abgewichen werden. Die Begrenzung von Versorgungslasten ist ein legitimes gesetzgeberisches Ziel. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Regelung hat ihren Grund auch darin, dass die Voraussetzungen für den Eintritt in den Ruhestand für kommunale Wahlbeamte unabhängig vom Erreichen einer Altersgrenze geregelt sind. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auf dem Gebiet des Versorgungsrechts ist es grundsätzlich ausgeschlossen, mittels der Analogie Ansprüche dem Grunde nach herzuleiten. Auch eine extensive oder ergänzende Auslegung mit diesem Ziel ist ausgeschlossen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 K 16.00805 2016-10-18 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 125 Abs. 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet. Der Senat sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil er die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 130b Satz 2 VwGO).
Ergänzend sei im Hinblick auf das Berufungsvorbringen ausgeführt:
Einen Anspruch auf Versorgung aus seiner Tätigkeit als berufsmäßiger erster Bürgermeister hat der Kläger nicht, weil er wegen Nichterfüllung der Wartezeit des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KWBG nicht aus diesem Amt in den Ruhestand getreten ist, sondern gemäß Art. 15 Abs. 1 KWBG kraft Gesetztes entlassen wurde. Damit sind keine „negativen versorgungsrechtlichen Konsequenzen“ verbunden, es fehlt nur an positiven Auswirkungen dieser Tätigkeit auf die Versorgung, weil sich kein Rechtsanspruch auf eine weitere bzw. höhere Versorgung herleiten lässt. Insoweit kommt die vom Bevollmächtigten des Klägers befürwortete „entsprechende Anwendung der einschlägigen Bestimmungen“ aus Rechtsgründen nicht in Betracht (Art. 49 KWBG i.V.m. Art. 3 Abs. 1, 2 BayBeamtVG). Zwar besteht für das Versorgungsrecht kein generelles Analogieverbot. Allerdings sind an die Feststellung einer Gesetzeslücke ebenso strenge Anforderungen zu stellen wie an die Feststellung der Grundsätze, die zur Ausfüllung einer bestehenden Gesetzeslücke herangezogen werden sollen. Angesichts des Perfektionsstrebens des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Versorgungsrechts ist es grundsätzlich ausgeschlossen, mittels der Analogie Ansprüche dem Grunde nach herzuleiten. Auch eine extensive oder ergänzende Auslegung mit diesem Ziel ist ausgeschlossen (vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz, § 3 BeamtVG Rn. 70 f. m.w.N.). Der Verweis darauf, dass das gesetzgeberische Motiv, Frühpensionierungen zu erschweren (LT-Drs. 9/10481), auf den Kläger, bei dem eine Wiederwahl aus Altersgründen von vornherein ausgeschlossen war, nicht zutreffe, führt weder auf eine verdeckte Gesetzeslücke noch begründet es den behaupteten Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Denn eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Die damals geltende Fassung des Art. 39 Abs. 2 Satz 2 GLKrWG, nach der zum berufsmäßigen ersten Bürgermeister und zum Landrat nicht gewählt werden kann, wer am Tag des Beginns der Amtszeit das 65. Lebensjahr vollendet hat, ist mit der Bayerischen Verfassung vereinbar (BayVerfGH, E.v. 19.12.2012 – Vf. 5-VII-12 – VerfGHE 65, 268). Einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BV) wegen der Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften des AGG hat der Verfassungsgerichtshof ebenso verneint wie eine Verletzung der allgemeinen Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter und den Eingriff in die Freiheit der Berufswahl für verhältnismäßig angesehen.
Die Regelung über die Wartezeit von zehn Jahren entbehrt nicht des sachlichen Grundes. Sie begrenzt die Versorgungslasten der Kommunen und hat ihren Grund auch darin, dass die Voraussetzungen für den Eintritt in den Ruhestand für kommunale Wahlbeamte unabhängig vom Erreichen einer Altersgrenze geregelt sind (Kuhn/Söldner, PdK Bayern, KWBG, Erl. 6.3.1). Im Fall des Klägers kam wegen § 5 Abs. 4 Nr. 2 SGB VI eine Nachversicherung des Zeitraums in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht in Betracht; eine Sonderstellung von Beamten und Richtern auf Lebenszeit erschien dem Gesetzgeber auch sonst nicht gerechtfertigt (LT-Drs. 9/10841). Zutreffend hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die Regelung, dass der kommunale Wahlbeamte abweichend von Art. 21 KWBG ohne Einhaltung der Wartefrist in den Ruhestand tritt, wenn ein Rückkehrrecht zum früheren Dienstherrn bestand, voraussetzt, dass sich der Beamte bei Antritt des Wahlamts noch im aktiven Dienst befand (Art. 25 Abs. 1 Satz 4 KWBG). Für nach dem Erreichen der Altersgrenze für den gesetzlichen Ruhestandseintritt begonnene Tätigkeiten besteht keine entsprechende Sonderregelung. Es ist insoweit auch nicht ersichtlich, dass der Normgeber aufgrund eines bindenden Verfassungsauftrags, des Gleichheitssatzes oder einer Grundrechtsbestimmung der Bayerischen Verfassung zum Erlass einer bestimmten Regelung verpflichtet wäre. Eine solche unsubstantiierte Rüge ermächtigt den Senat keinesfalls, den Gesetzesvorbehalt des Art. 3 Abs. 1 BayBeamtVG zu übergehen. Versorgungsansprüche können nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nur nach Maßgabe eines Gesetzes zugesprochen werden.
Auch mit dem Hilfsantrag kann der Kläger nicht durchdringen. Die Befristung des Übergangsgeldanspruchs auf das Erreichen der Altersgrenze in Art. 67 Abs. 4 Satz 2 BayBeamtVG ist nicht zu beanstanden. Der Kläger verkennt, dass kommunale Wahlbeamte nicht auf eine lebenslange Alimentation durch den Dienstherrn setzen können, sondern typischerweise auf weitere Erwerbseinkommen angewiesen sind (BVerfG, B.v. 17.11.2004 – 2 BvL 10/02 – juris Rn. 40).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132 Abs. 2, 191 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 127 BRRG nicht vorliegen.


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