Arbeitsrecht

Keine Ansprüche aus einer Brautgeldabrede (Morgengabe) nach türkischem Recht ohne zivilrechtliche Eheschließung

Aktenzeichen  002 F 808/15

Datum:
11.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Ingolstadt
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG FamFG § 266 Abs. 1 Nr. 1
EGBGB EGBGB Art. 6, Art. 13 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Ansprüche aus einer Brautgeldabrede (Morgengabe) zwischen türkischen Staatsangehörigen nach gescheitertem Verlöbnis bestimmen sich analog § Art. 13 Abs. 1 S 1 EGBGB nach türkischem Recht. Sie sind zwar vertragsrechtlicher Natur; der speziell familienrechtliche Charakter einer Brautgeldabrede führt jedoch dazu, dass sie dem insoweit spezielleren Verlöbnisstatut zu unterstellen ist. Die Rom III-VO gilt hingegen nicht, da die Beteiligten keine (gültige) Ehe abgeschlossen haben. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine nach türkischem Recht wirksame Vereinbarung einer Morgengabe beinhaltet ein Schenkungsversprechen für den Fall der Scheidung und setzt eine wirksame Eheschließung voraus. (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine religiöse Eheschließung (Imam-Ehe) entfaltet nach türkischem Recht vor Durchführung der standesamtlichen Trauung keine Rechtswirkung. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Zahlungspflicht des Bräutigams auf der Grundlage einer „tatsächlichen Eheschließung“, d.h. ein Ausgleich für die Durchführung des Geschlechtsverkehrs und den damit verbundenen Ehrverlust der Frau nach Trennung entsprechend einer im islamischen Rechts möglichen „Talak-Scheidung“ zur Verhinderung einer voreiligen oder willkürlichen Trennung ist wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Die Braut, die sich in dem Wissen, nicht wirksam verheiratet zu sein, in eine Lebensgemeinschaft mit dem Bräutigam begibt, ist nicht schutzwürdig (Beschwerde eingelegt beim OLG München unter Az. 33 UF 222/17). (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin vom 26.05.2015 auf Zahlung einer „Morgengabe” wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
3. Der Verfahrenswert wird auf 10.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin beansprucht die Zahlung einer vom Antragsgegner versprochenen „Morgengabe“.
Die Beteiligten, beide türkische Staatsangehörige, waren verlobt. Im Rahmen einer religiösen Ehezeremonie schlossen sie am 27.12.2014 eine von beiden unterschriebene sog. Morgen oder auch Brautgabevereinbarung, nach der sich der Antragsgegner zur Zahlung eines „mehir“ an die Antragstellerin in Höhe von 10.000,00 € „mit der Bedingung späterer Zahlung“ verpflichtete. Die „spätere“ Zahlung sollte die Antragstellerin im Falle der Trennung beanspruchen können.
Die Antragstellerin zog unmittelbar nach der religiösen Hochzeit zum Antragsgegner. Zu der für den 18.03.2015 vorgesehenen standesamtlichen Trauung kam es jedoch nicht mehr. Vielmehr trennten sich die Beteiligten bereits am 16.02.2015 wieder.
Die Antragstellerin beantragt,
den Antragsgegner zur Zahlung von 10.000,00 € zu verpflichten.
Sie trägt vor, der Antragsgegner sei aufgrund der vereinbarten „Morgengabe“ zur Zahlung verpflichtet. Die Morgengabe sei – unabhängig vom Bestehen einer zivilrechtlichen Ehe – im Rahmen der religiösen Eheschließung vereinbart und mit Trennung der Beteiligten fällig geworden. Der Antragsgegner habe die Antragstellerin am 16.02.2015 körperlich misshandelt, indem er sie dreimal ins Gesicht geschlagen und aus der Wohnung verwiesen habe. Die Antragstellerin sei hierdurch zutiefst gedemütigt, zumal sie sich dem Antragsgegner aufgrund der religiösen Eheschließung noch vor der standesamtlichen Eheschließung hingegeben habe.
Der Antragsgegner beantragt die Antragsabweisung Er trägt vor, am 27.12.2014 habe die Verlobungsfeier stattgefunden; er sei dann mit der religiösen Feier konfrontiert worden. Er habe zwar etwas unterschrieben, doch sei ihm erklärt worden, dass dies nur gelte, wenn die staatliche Trauung vollzogen werde. Die Ehe sei nicht vollzogen worden; die Antragstellerin habe nicht in I. bleiben wollen und sei von sich aus wieder zu ihren Eltern zurückgekehrt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Rechtsgutachtens durch den Sachverständigen Prof. Dr. Ali Yarayan, Leiter der Forschungsstelle für Türkisches Recht am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Erlangen.
Bzgl. der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Antragstellerseite vom 26.5., 12. und 14.9. Sowie 29.10.2015 und 4. und 20.2., 16.03., 07.04. und 27.09.2016, der Antragsgegnerseite vom 05.08. und 6.011.2015, sowie 17.06.2016, die schriftlichen Ausführungen des 002 F 808/15 – Seite 3 Sachverständigen vom 27.01., 14.03., 29.3., 13.04. und 24.04.2016 sowie die Erörterungen in den Terminen vom 23.09. und 18.11.2015, sowie 16.03.2016 verwiesen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht – Familiengericht – Ingolstadt international, örtlich und funktional zuständig §§ 105, 266 I Nr. 1 FamFG; §§ 112 Nr. 3, 113 I 2 FamFG iVm. § 12 ZPO). Es handelt sich um eine Familiensache i. S. des § 266 I Nr. 1 FamFG: Die Beteiligten waren nach übereinstimmenden Angaben der Beteiligten verlobt; der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung des Brautgeldes steht hiermit in unmittelbarem Zusammenhang, auch wenn es sich nicht um einen Anspruch aus dem Verlöbnis handelt. Das Familiengericht Ingolstadt ist damit international und örtlich zuständig, da der Antragsgegner in I. wohnt.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
2.1 Nachdem beide (ehemals) Verlobten türkische Staatsangehörige sind, bestimmt sich der Anspruch der Antragstellerin – wie auch von beiden Beteiligten angenommen – analog Art. 13 I S. 1 EGBGB nach türkischem Recht (Palandt, Kommentar zum BGB, 76. Aufl. 2016, EGBGB Art. 13, Rn. 30; OLG Hamm, 22.04.2016, 3 UF 262/15). Der geltend gemachte Anspruch als solcher ist zwar vertragsrechtlicher Natur; der speziell familienrechtliche Chrarakter einer Brautgeldabrede führt jedoch dazu, dass sie dem insoweit spezielleren Verlöbnisstatut zu unterstellen ist (OLG Hamm, 13.01.2011, 18 U 88/10). Die Rom III-VO gilt hingegend nicht, da die Beteiligten keine (gültige) Ehe abgeschlossen haben.
2.2 Ein Anspruch auf Zahlung der Morgengabe ist nach dem maßgeblichen türkischen Recht vorliegend nicht gegeben. Dieses setzt zu seiner Wirksamkeit zwingend das Vorliegen einer rechtswirksamen, d. h. standesamtlichen, Eheschließung voraus. Das Gericht folgt insoweit den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen in seinem Rechtsgutachten; ein Anlass zur Erholung des beantragten weiteren Gutachtens war insoweit nicht gegeben. Dass es zum Thema „Morgengabe“ – in der Türkei wie auch in Deutschland -unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt, ist bekannt und in liegt in der Natur von Rechtsfragen.
a) Die Morgengabe ist im türkischen Recht nicht mehr (wie früher und heute noch in islamischen Rechtsordnungen) Voraussetzung einer Eheschließung; sie ist jedoch im Koran vorgesehen und daher aus religiösen oder kulturellen Gründen regelmäßig Bestandteil der 002 F 808/15 – Seite 4 Hochzeit gläubiger türkischer Staatsangehöriger. Auch wenn das türkische Zivilrecht die Morgengabe nicht mehr vorsieht, ist deren Vereinbarung auf Grund des Rechts der Ehegatten, Rechtsgeschäfte miteinander abzuschließen, grundsätzlich möglich (Art. 193 des tOGB). Die Vereinbarung eines „mehir“ wird vom türkischen Kassationshof unter Bezugnahme darauf, dass die Parteien wissen, dass es nach türkischem Eherecht des „mehir“ für die Eheschließung nicht (wie in einigen islamisch-religiös geprägten Rechtsordnungen) bedarf, als Schenkungsversprechen nach Art. 238 tOBG) gewertet (vgl. Nachweise im Gutachten, dort S. 3/4 – Bl. 128/129 und 132 d. A.). Die im türkischen Recht (anders als im deutschen Recht nach § 518 BGB) genügende Schriftform gem. § 288 tOGB (vgl.. OLG Nürnberg, 25.01.2001, 7 WF 3677/00) ist vorliegend gewahrt; das entsprechende Dokument enthält die nach Art. Art. 14 I tOGB erforderlichen Unterschriften der beiden Beteiligten.
b) Weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer wirksamen Vereinbarung eines „mehir“ ist jedoch der Abschluss einer Ehe. Der türkische Kassationshof hat insoweit in einer Vielzahl von Entscheidungen (vgl. Gutachten S. 6 – Bl. 131) entschieden, dass die Morgengabe ein Schenkungsversprechen der Eheleute sei. Dies gilt insbesondere für die – hier vorliegende -aufgeschobene Morgengabe, diese ist nach dem Grundsatzurteil des Kassationshofes vom 2.12.1959, Az. 1959/14 und 1959/30, auf das die späteren Entscheidungen regelmäßig verweisen, ein Schenkungsversprechen für den Fall der Scheidung (vgl. Gutachten S. 8 – Bl. 133 d.A.). Mangels Eheschließung ist es zum Bedingungseintritt „Scheidung“ nicht gekommen.
aa) Die vorliegende Brautgabevereinbarung kann vorliegend keine Rechtswirkungen entfallen, da es an der hierfür erforderlichen Ehe fehlt. Die Beteiligten waren nur verlobt; zu einer -wirksamen – d. h. standesamtlichen Eheschließung ist es nicht gekommen. Die Morgengabe wurde im Zusammenhang mit der geschlossenen kirchlichen und der geplanten standesamtlichen Hochzeit vereinbart und setzt als ehevertragliche Regelung (so auch der eigene Vortrag der Antragstellerin im Schriftsatz vom 29.10.2015 (S. 53 d.A.) für ihre Wirksamkeit das Bestehen einer Ehe voraus.. Dies ergibt sich letztlich auch aus der Formulierung in der Schenkungsabrede, nämlich der Bezeichnung als „mehir“ = Morgengabe oder auch Brautgabe, sowie der Formulierung „mit der Bedingung der späteren Bezahlung“, die nur dahingehend ausgelegt werden kann, dass die Morgengabe im Fall der Trennung oder Scheidung nach Eheschließung zu zahlen ist. Ähnlich wie ein Ehevertrag, der die Beziehungen der Beteiligten während der Ehe oder nach deren Scheitern für den Fall der Scheidung regelt, zwar vor der Eheschließung abgeschlossen werden kann, seine Wirkungen jedoch erst entfaltet, wenn es zu einer Eheschließung gekommen ist, setzt auch der Anspruch auf Erfüllung des Brautgabeversprechens das Vorliegen einer – gültigen – Ehe voraus. Gem. Art. 108 tZGB besteht in der Türkei die obligatorische Zivilehe; eine solche wurde vorliegend nicht abgeschlossen.
bb) Dem Vortrag der Antragstellerin, es komme hierbei nicht auf die standesamtliche Eheschließung, sondern nur die näheren Umstände bei der religiösen Eheschließung an (SS vom 29.10.2015, Bl. 55 d. A.), kann hingegen nicht gefolgt werden. Sofern die Vereinbarung der bei Trennung zu zahlenden Morgengabe Bestandteil einer (nur) kirchlichen (ohne 002 F 808/15 – Seite 5 standesamtliche) Eheschließung war, ist diese nichtig: Nach dem türkischen Zivilrecht ist eine kirchliche Trauung erst nach Durchführung der standesamtlichen Trauung und unter Vorlage des Ehescheins zulässig (vgl. Art. 110, 143 tZGB). Reine Imam-Ehen sind hingegen (auch wenn das strafrechtliche Verbot der religiösen Voraustrauung durch das türkische Verfassungsgericht im Mai 2015 offenbar zwischenzeitlich als unverhältnismäßig aufgehoben wurde – vgl. Bl. 111 d.A. – nach wie vor) verboten und entfalten für sich jedenfalls keine Rechtswirkungen ( Dies übersieht Prof Rumpf wenn er in dem vorgelegten Privatgutachten, dort S. 4 – Bl. 167 d. A. -ausführt, dass ein Zahlungsanspruch bestehe, wenn es zu einer religiösen Eheschließung und anschließend wieder zur Trennung gekommen ist). Dies schlägt auch auf die im Rahmen der religiösen Eheschließung getroffene Morgengabevereinbarung durch. Voraussetzung eines Anspruchs aus dem Brautgabeversprechen ist in jedem Fall das Vorliegen einer – nach dem Heimatrecht der Beteiligten – gültigen Ehe. Die vorliegende Imam-Ehe ist jedoch nichtig, weil die zwingend vorangehende standesamtliche Eheschließung nicht erfolgt ist. Mangels Ehe keine Brautgabe. Nachdem die Imam – Ehe nichtig ist, kommt es auch auf den Inhalt des von Seiten des Antragstellervertreters ins Feld geführten Videos und die dortigen Ausführungen des Imam nicht mehr an. Diese können als so geschehen unterstellt werden; einer Beweiserhebung bedurfte es insoweit nicht.
Entgegen dem Vortrag des Antragstellervertreters hat auch nicht etwa der türkische Kassationshof eine andere Rechtsauffassung vertreten und den Abschluss einer Imam-Ehe für die Wirksamkeit der Morgengabevereinbarung genügen lassen (vgl. Bilge Özkan in FamRZ 1998, 625) : Dieser hat lediglich erklärt, dass ein Vertrag, der nach islam.-religiösen Regelungen – trotz Kenntnis, dass diese grundsätzlich nach geltendem türkischen Recht rechtlich unerheblich sind – abgeschlossen wird, im Rahmen der gewährten Vertragsfreiheit als Schenkungsversprechen gültig ist und insoweit auch unerheblich ist, ob nach der Ziviltrauung überhaupt noch eine wirksame religiöse Eheschließung stattgefunden hat oder nicht. Der Kassationshof hat damit nur die Unerheblichkeit des Vorliegens einer religiösen Trauung festgestellt; nicht aber dass die Vereinbarung eines „mehir“ auch ohne Zivilehe möglich sei. Soweit die Antragstellerseite sich auf angeblich anders lautende Entscheidungen des Kassationshofes – insbesondere die Entscheidung vom 03.04.2014, Az. 2014/4841, sowie die Entscheidungen aus dem Jahr 2005, – bezieht, und hieraus folgert, die Morgengabe sei auch bei einer bloßen religiösen Ehe und nicht standesamtlich verheirateten Beteiligten zugesprochen worden sei, ist entsprechend den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen (vom 14.03.2016, dort S. 16 – Bl. 183 d.A. und im Termin vom 16.03.2016 -Bl. 193/194 d. A., sowie vom 24.04.2016 – Bl. 244 fd.A.) darauf hinzuweisen, dass es in dem -immobilienrechtlichen – Fall aus 2014, sowie dem Verfahren 2005/4042 jeweils um eine bereits vollzogene Schenkung ging und es für den Kassationshof auf die Frage, ob die Morgengabe ohne standesamtliche Eheschließung wirksam sei, nicht ankam (vgl. auch OLG Nürnberg, 25.01.2001, 7 WF 3677/00 zur Rückforderung eines bereits geleisteten – vom OLG als sittenwidrig angesehenen – Brautgeldes); im Verfahren 2005/12279 ging um die Frage der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung .
cc) Im Übrigen ist auf folgendes hinzuweisen: Auch wenn man der Ansicht der Antragstellerseite folgt, der Begriff „Eheleute“ beziehe sich auch auf die Verlobten als künftige Eheleute, verbleibt es gleichwohl dabei, dass das vorliegende aufgeschobene Schenkungsversprechen („sonra ödenmek sarti ile“) unter der Bedingung einer späteren Scheidung steht (vgl. Gutachten S. 4 – Bl. 129 d.A. unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des türkischen Kassationshofes). Die Trennung der Beteiligten nach religiöser Eheschließung reicht nicht aus, da die religiöse Eheschließung nichtig ist und die Morgengabevereinbarung als deren Bestandteil ihr Schicksal teilt, da ansonsten die zwingenden gesetzlichen Regelungen, wonach eine religiöse Ehe erst nach standesamtlicher Heirat durchgeführt werden darf, unterlaufen würden.
c) Soweit antragstellerseits vorgetragen wird, die Morgengabe sei unabhängig von der rechtlichen Wirksamkeit der kirchlichen oder gar einer standesamtlichen Trauung vereinbart worden, ist dem ebenfalls nicht zu folgen:
aa) Es ist der Antragstellerseite zuzugeben, dass ein Zahlungsversprechen auch völlig unabhängig von ehelichen Beziehungen und mit anderen Motivationslagen vereinbart werden kann. Ein solches liegt aber nicht vor (bb), bzw. ist nichtig (cc)
aa) Hiergegen spricht zum einen bereits der Zusammenhang mit der (nichtigen) kirchlichen Trauung einschließlich des Hinweises, dass die Antragstellerin nach Trennung für 4 Monate und 10 Tage nach Trennung nicht heiraten dürfe (Schriftsatz vom 14.09.2016 – Zweck des Heiratsverbots: vor der Scheidung gezeugter Nachwuchs soll erkennbar sein), sowie die Bezeichnung als „mehir“. Die Brautgabe war als Rechtsfolge der Trauung ausgelegt. Eine Brautgabe ohne Braut ist schwer vorstellbar. Ferner wäre diese aus sich heraus nicht verständlich, insbesondere der Zeitpunkt einer evtl. Fälligkeit der Forderung („Bedingung späterer Bezahlung“) nicht erkennbar. Dieser ergibt sich nur aus dem Zusammenhang mit der Eheschließung. Im Übrigen weist auch der Antragstellervertreter in seinem Schriftsatz vom 07.04.2016, dort S. 17 – Bl. 220 d. A. wörtlich darauf hin, die Vereinbarung sei den „ehebedingten (unbenannten) Zuwendungen“ zuzuordnen.
bb) Soweit – wie (später – zunächst wurde auf eine angeblich wirksame religiöse Eheschließung hingewiesen, auf deren Scheitern mit Trennung der Beteiligten es als Bedingungseintritt für die Fälligkeit der Morgengabe ankomme – vgl. Schriftsatz vom 12.09.2015 – Bl. 41 d.A.) von Antragstellerseite vorgetragen – ein von einer Eheschließung unabhängiges Schenkungsversprechen oder abstraktes Schuldanerkenntnis abgegeben werden sollte, ist dies nach türkischem Recht zwar grundsätzlich möglich. Insoweit ergibt jedoch der Blick auf die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung, dass diese nichtig ist (vgl. auch KG Berlin, 07.04.2015, 13 WF 57/15 – Bl. 222 fd.A. -( hier waren die Beteiligte allerdings auch zivilrechtlich gültig verheiratet), wonach regelmäßig entscheidend ist, welche Ziele und Absichten mit der 002 F 808/15 – Seite 7 Vereinbarung der Morgengabe verfolgt wurden und von welchen Vorstellungen sich die Beteiligten dabei haben leiten lassen. Allein die Verwendung des Wortes „mehir“ führe noch nicht zu einem automatischen und bedingungslosen Zahlungsversprechen; vielmehr sei die Vereinbarung anhand ihres Sinns und Zwecks auszulegen (vgl. aaO, Bl. 226 d. A.).
Grundlage für die in der streitgegenständlichen Vereinbarung niedergelegte Zahlungspflicht (mit der „Bedingung späterer Zahlung“) des Antragsgegners war offenbar die „tatsächliche Eheschließung“, d. h. ein Ausgleich für die Durchführung des Geschlechtsverkehrs und den damit verbundenen Ehrverlust der Frau nach Trennung entsprechend einer im islamischen Rechts möglichen „Talak-Scheidung“ (Verstossung durch den Mann), wie sich aus dem Antragsschriftsatz vom 26.05.2015 und erneut 12.09.2015 („wo die Ehe vollzogen wurde“ – Bl. 3 d. A.; „die Beteiligten haben die Ehe bereits vor offizieller zivilrechtlicher Eheschließung vollzogen“; die Antragstellerin, die sich aufgrund des Bestehens einer wirksamen religiösen Ehe dem Antragsgegner als Frau hingegeben hat, wurde durch die Trennung zutiefst gedemütigt“ -Bl. 4 d.A.; „…so kam es zu einem Vollzug der Ehe“ u. „hat …natürlich auch Geschlechtsverkehr stattgefunden“ – Bl. 40 d.A.; „indem er sie drei Mal ins Gesicht geschlagen hat …am selben Tage aus der Wohnung verwiesen – Bl. 3 d. A.) wie auch der Erwiderung im Schriftsatz der Gegenseite vom 05.08.2015 („die Beteiligten haben nicht den Geschlechtsakt vollzogen“ – Bl. 30; „die Antragsgegnerin … ist gegangen“ – Bl. 31). Danach sollte die Zahlungsvereinbarung quasi als Vertragsstrafe oder Entschädigung für die „Entehrung“ aufgrund des erfolgten Geschlechtsverkehr gemeint sein und/oder als Mittel, eine (voreilige oder willkürliche) Trennung des Antragsgegners zu unterbinden. Eine derartig motivierte Vereinbarung ist jedoch sittenwidrig und damit nichtig: Die Talak-„Scheidung“ ist kein Bestandteil des türkischen Rechts; vielmehr kann die – weitere Rechtsfolgen auslösende – Scheidung nur durch richterliches Urteil erfolgen; sie ist auch kein Scheidungsgrund nach den Art. 129-134 tZGB; die Vereinbarung einer Entschädigung oder Zahlungspflicht für die Durchführung einer solchen „Scheidung“ ist mit der gesetzlichen Regelung im türkischen Recht zum Vorliegen einer Ehe sowie zu den Voraussetzungen einer Scheidung mit den dort festgelegten Scheidungsgründen und -folgen nicht vereinbar und damit nichtig. Im Übrigen würde – unabhängig vom türkischen Recht – eine derartige Entschädigungsregelung gem. Art. 6 EGBGB als mit der hiesigen Rechtsordnung nicht vereinbar anzusehen sein (Höhe der zwischen den Familien ausgehandelten Morgengabe als „Marktwert“ der Frau oder „Kranzgeld“ (in Deutschland abgeschafft, nachdem dieses entgegen früheren Moralvorstellungen als verfassungswidrig angesehen wurde) und Strafe für die Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft als sittenwidriger Verstoß gegen §§ 1, 2 GG – ebenso AG Darmstadt 15.05.2014, 50 F 366/13) – nicht gefolgt wird der Argumentation des OLG Düsseldorf im Beschluss vom 03.01.1997, 1 UF 111/96, das offenbar die Frage des Vollzugs des Geschlechtsverkehrs auch zum Maßstab für die Bemessung der Höhe der Brautgabe gemacht hat (vgl. Bl. 95 d.A).; ebenfalls nicht gefolgt wird insbesondere auch OLG Köln 23.03.2006, 21 UF 144/05, das davon ausgeht, der „mehir“ Anspruch sei „mit dem geschlechtlichen Vollzug der Ehe entstanden). Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Realität auch heute oft noch so aussieht, dass der „Preis“ des Mädchens zwischen den Familien ausgehandelt wird und für dieses nach Vollzug des Geschlechtsverkehrs und Beendigung der Verbindung, ggf. auch durch „Verstoßung“ die Aussichten auf eine spätere Heirat deutlich verringert sind .Insofern soll die Zubilligung der Morgengabe offenbar in manchen Entscheidungen den Schutz derartiger Frauen bewirken – vgl. in OLG Hamm, 04.07.2012, 8 UF 37/12: „Morgengabe dient nicht nur der finanziellen Absicherung der Frau sondern stellt gewissermaßen auch eine Gegengabe für die Erfüllung der ehelichen Pflichten durch die Ehefrau dar“ – wobei das Gericht sogar selbst auf die „ethische Bedenklichkeit“ hinweist, sowie OLG Stuttgart, 29.01.2008, 17 UF 239/07: Morgengabe schütze, insbesondere wenn sie besonders hoch bemessen ist, die Frau vor leichtfertiger einseitiger Verstoßung durch den Ehemann. Diese Entscheidungen waren aber mit dem vorliegenden Fall insofern nicht vergleichbar, als nach Heimatrecht wirksame Ehen bestanden, die Morgengabe Bestandteil des – gültigen! – Ehevertrags bzw wie im Fall des OLG Hamm sogar gesetzlich geregelt war und die Scheidung nach Heimatrecht eben auch durch Verstoßung ausgesprochen werden konnte . Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Eine derartige „Ehe“ und damit besondere Schutzwürdigkeit der Antragstellerin lag gerade nicht vor. Vielmehr hat diese sich in dem Wissen, nicht wirksam verheiratet zu sein, in eine Lebensgemeinschaft mit dem Antragsgegner begeben.
cc) Soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Schriftsatz vom 04.02.2016 darauf hinweist, zahlreiche deutsche Urteile hätten keinen Verstoß gegen den ordre-public gesehen, kann dem so nicht pauschal gefolgt werden. Den entsprechenden Entscheidungen lag ein anderer Sachverhalt zugrunde, insbesondere bestand in sämtlichen Fällen eine wirksame Ehe. In den genannten Fällen wurde die Morgengabe zudem nicht – wie offenbar hier – als finanzieller Ausgleich für eine „Wertminderung“ der Frau durch den vollzogenen Geschlechtsverkehr oder eine Art Schmerzensgeld für die Entehrung im Rahmen der Talak-„Scheidung“ gesehen, sondern stellte sich als finanzielle Absicherung ähnlich einer Unterhaltszahlung oder güterrechtlichen Regelung (vgl. Grundsatzurteil des BGH 09.12.2009, XII ZR 107/08; OLG Hamm, 22.04.2016, 3 UF 262/15) dar. Soweit dies nicht der Fall war (s. o.) folgt das Gericht der dort genannten Ansicht nicht.
2.3 Auch bei einer Anwendung deutschen Rechts wäre die Vereinbarung nichtig: Als ehevertragliche oder Schenkungsvereinbarung wegen Verstosses gegen die Formvorschrift notarieller Beurkundung; als abstraktes Schuldversprechen wegen Sittenwidrigkeit vgl. oben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 113 II FamFG, 91 I ZPO; die Festsetzung des Verfahrenswertes aus § 35 FamGKG.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben