Arbeitsrecht

Keine Berücksichtigung eines hypothetischen Werdegangs in einer anderen Laufbahn

Aktenzeichen  M 21 K 15.5873

Datum:
18.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG BeamtVG § 4, § 31 Abs. 1 S. 1, § 36, § 45
BBG BBG § 150

 

Leitsatz

1. Die Unfallfolgen sind nach § 45 BeamtVG nicht fristgerecht angezeigt worden, wenn der Beamte zwar unmittelbar nach dem Unfall als Unfallfolge „starke Nervosität, Schlaflosigkeit, Blutdruckschwankungen, und abnorme Erlebnisreaktion“ anzeigt, dann jedoch außerhalb der 10-jährigen Ausschlussfrist “depressive Episode” oder “posttraumatische Belastungsstörung” als Unfallfolgen anführt. (redaktioneller Leitsatz)
2. Es gibt keine gesetzliche Regelung für die Berechnung der Höhe der Versorgungsbezüge auf der Grundlage eines hypothetischen beruflichen Werdegangs einschließlich hypothetischer Beförderungen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Festsetzung eines Unfallruhegehalts auf der Basis einer fiktiven aktiven Besoldung in der Lokomotivführerlaufbahn.
Ein Anspruch des Klägers auf Unfallruhegehalt gemäß § 36 BeamtVG scheitert schon dem Grunde nach jedenfalls an der Nichteinhaltung der Meldefrist des § 45 BeamtVG.
Nach § 45 Abs. 1 BeamtVG sind Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG wird nach Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist Unfallfürsorge nur gewährt, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass eine den Anspruch auf Unfallfürsorge begründende Folge des Unfalls erst später bemerkbar geworden ist. Die Meldung muss dann innerhalb von drei Monaten ab diesem Zeitpunkt erfolgen.
Die Dienstunfälle des Klägers, auf die er sich vorliegend beruft, haben in den Jahren 1990 und 1991 stattgefunden. Zwar hat der Kläger diese jeweils unmittelbar angezeigt, allerdings jeweils nur mit den Folgen „starke Nervosität, Schlaflosigkeit, Blutdruckschwankungen, abnorme Erlebnisreaktion“. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers verlangt § 45 BeamtVG aber nicht nur die Anzeige des Unfalls als solchen. Fristgerecht anzuzeigen sind ferner auch (sämtliche) Unfallfolgen, aus denen Ansprüche auf Unfallfürsorge erwachsen können (vgl. BVerwG, U. v. 28.2.2002 – 2 C 5.01 – DÖD 2002, 254; B. v. 11.7.2014 – 2 B 37.14 – Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 7; VG München, U. v. 5.6.2009 – M 21 K 07.4500). Zwar bezieht sich der Wortlaut des § 45 Abs. 1 BeamtVG zunächst tatsächlich nur auf Unfälle als solche und nicht zugleich auch auf einzelne Unfallfolgen. Aus der Zusammenschau mit der Regelung des § 45 Abs. 2 BeamtVG, die explizit auf Unfallfolgen Bezug nimmt, wird aber deutlich, dass neben dem Unfallgeschehen auch Unfallfolgen anzuzeigen sind. Diese sind nämlich dann, wenn mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls nicht habe gerechnet werden können innerhalb von drei Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem mit einer solchen Möglichkeit gerechnet werden konnte, anzuzeigen, wobei insgesamt eine Ausschlussfrist von zehn Jahren anknüpfend an den Unfall selbst besteht.
Die Ausschlussfrist von zehn Jahren ist vorliegend, hinsichtlich der Erkrankungen, derentwegen er aus dem Dienst ausgeschieden ist, verstrichen. Eine weitere Unfallfolge, etwa in Gestalt der bei der Ruhestandsversetzung diagnostizierten depressiven Episode oder gar der vom Kläger angeführten posttraumatischen Belastungsstörung ist nicht erfolgt.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass er in den 1990er Jahren nicht gewusst habe, dass er auch weitere Unfallfolgen melden müsse. Die Regelung des § 45 BeamtVG war in ihren wesentlichen Bestandteilen auch damals schon geltendes Recht. Die fehlende Rechtskenntnis des Klägers stellt – anders als eine etwaige, hier nicht gegebene falsche Rechtsauskunft – kein außerhalb des Willens des Berechtigten liegender Umstand im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. BeamtVG vor (vgl. BVerwG, U. v. 12.9.1963 – II C 224.61 – Buchholz 232 § 150 BBG Nr. 3; Plog/Wiedow, BBG, § 45 BeamtVG Rn. 11; Wilhelm, in: Fürst, GKÖD,§ 45 BeamtVG Rn. 11).
Daher ist die Gewährung eines Unfallruhegehalts bereits mangels Einhaltung der Frist des § 45 Abs. 2 BeamtVG ausgeschlossen.
Soweit der Kläger hinsichtlich der Höhe der Versorgungsbezüge – gleich ob als Unfallruhegehalt oder im Rahmen des Ruhegehalts nach § 4 BeamtVG – eine Berechnung auf Grundlage eines hypothetischen beruflichen Werdegangs beansprucht, gibt es hierfür keine gesetzliche Grundlage. Es mag zwar sein, dass der Kläger infolge der Dienstunfälle aus den Jahren 1990 und 1991 die Laufbahn gewechselt hat. Allerdings sehen die Vorschriften der §§ 30 ff. BeamtVG, die die Fürsorgepflicht des Dienstherrn konkretisieren und die Ansprüche der Beamten auf Unfallfürsorge abschließend regeln, für diese Fälle die vom Kläger gewünschte hypothetische Berechnung nicht vor. Auch aus Bestandsschutzüberlegungen kann die vom Kläger gewünschte Rechtsfolge nicht hergeleitet werden, zumal er auch nicht eine Berechnung der Versorgungsbezüge anhand der zuletzt in der Laufbahn der Lokomotivführerinnen und Lokomotivführer innegehabten Besoldungsgruppe A 7 – nur insoweit kann überhaupt nur von Bestandsschutz gesprochen werden – begehrt, sondern vielmehr auch hypothetische Beförderungen hin zur höchsten Besoldungsgruppe der Laufbahn (A 9) angenommen wissen will.
Nach alldem steht dem Kläger weder der im Hauptantrag noch der im Hilfsantrag geltend gemachte Anspruch zu. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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