Aktenzeichen M 15 K 18.1957
Leitsatz
Während ein (lediglich) wichtiger Grund i.S.v. § 7 Abs. 3 BAföG vorliegt, wenn dem Auszubildenden unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nicht mehr zugemutet werden kann, ist ein Grund erst dann unabweisbar und damit zwingend, wenn es bei der gebotenen Interessenabwägung schlechterdings unerträglich erscheint, den Auszubildenden unter den gegebenen Umständen an der zunächst aufgenommenen Ausbildung festzuhalten (hier: unabweisbarer Grund verneint bei Fachrichtungswechsel nach krankheitsbedingter Pause und nicht nachgewiesenem Druck). (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Im vorliegenden Verfahren konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden wer-den, da sich die Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Ausbildungsförderung für den Zeitraum …2017 bis …2018, sodass sich der Bescheid vom 30. Juni 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 22. März 2018 als rechtmäßig erweisen und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung des Widerspruchsbescheids, der das Gericht folgt, Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
1. Bei einem Fachrichtungswechsel wird Ausbildungsförderung gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 BAföG für die andere Ausbildung nur bei Vorliegen eines wichtigen bzw. unabweisbaren Grundes geleistet. Sofern der Auszubildende die Fachrichtung mehrmals wechselt, müssen die Voraussetzungen für die Förderung einer anderen Ausbildung bei jedem einzelnen Wechsel vorgelegen haben. Anderenfalls erlischt der Förderungsanspruch endgültig. Insbesondere kann nach dem Gesetzeszweck ein Förderungsanspruch nicht dadurch neu entstehen, dass der Auszubildende nochmals einen Fachrichtungswechsel vornimmt, für den ein wichtiger bzw. unabweisbarer Grund anzuerkennen wäre (vgl. a. zum systematischen Zusammenhang von § 7 Abs. 1 und Abs. 3 BAföG BVerwG, U.v. 9.6.1983 – 5 C 122.81 – juris Rn. 10; Buter in Rothe/Blanke, BAföG, Stand Juli 2019, § 7 Rn. 39; BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 12 C 14.2417 – juris Rn. 11).
1.1 Bei dem ersten von der Klägerin vorgenommenen Wechsel vom Studium der Biologie zum Studium der Rechtswissenschaften handelt es sich um einen Fachrichtungswechsel im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 3 BAföG, da beide Studiengänge an Ausbildungsstätten derselben Ausbildungsstättenart (Hochschule) absolviert wurden (vgl. Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 6. Aufl. 2016, § 7 Rn. 120). Beim – wie hier – erstmaligen Fachrichtungswechsel bis zum Beginn des dritten Fachsemesters wird das Vorliegen eines wichtigen Grundes nach § 7 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 BAföG vermutet, sodass der Förderanspruch insoweit fortbestand.
1.2 Bei dem folgenden Wechsel vom Studium der Rechtswissenschaften zum Studium der Pädagogik fehlte es dagegen an einem unabweisbaren Grund nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BAföG (vgl. a. den ablehnenden bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2016).
1.2.1 Entscheidend für die Frage, wie viele Fachsemester der Auszubildende in der vorangegangenen Ausbildung verbracht hat, und damit, ob ein wichtiger Grund ausreichend oder nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 BAföG ein unabweisbarer Grund erforderlich ist, ist grundsätzlich die formelle Immatrikulation in einen bestimmten Studiengang, unabhängig davon, ob die Ausbildung in diesem Fach tatsächlich wahrgenommen wird (vgl. BVerwG, B.v. 8.5.2008 – 5 B 102.07 – juris Rn. 3; Buter in Rothe/Blanke, BAföG, § 7 Rn. 44; Tz. 7.3.20 BAföGVwV). Semester, in denen der Auszubildende von der Ausbildungsstätte offiziell beurlaubt war, werden hingegen nicht mitgezählt, weil in dieser Zeit die Ausbildung unterbrochen ist. Der Fachrichtungswechsel fand vorliegend, da die Klägerin von der Möglichkeit einer ggf. rückwirkenden Beurlaubung keinen Gebrauch machte, nach Beginn des vierten Semesters statt, sodass § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG (wichtiger Grund) nicht anwendbar war.
Die Annahme eines unabweisbaren Grundes setzt voraus, dass es dem Auszubildenden aus subjektiven, in seiner Person liegenden, oder aber objektiven Gründen unmöglich ist, das Studium in der gewählten Fachrichtung fortzuführen. Erforderlich sind folglich außergewöhnliche Umstände. Dem Auszubildenden muss im Ergebnis keine Möglichkeit der Wahl zwischen einer Fortsetzung der begonnenen Ausbildung und einem Wechsel der Fachrichtung bleiben (BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 5 C 6.03 – juris Rn. 8 ff.; BayVGH, B.v. 6.3.2017 – 12 ZB 16.2386 – juris Rn. 7). Während ein (lediglich) wichtiger Grund vorliegt, wenn dem Auszubildenden unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nicht mehr zugemutet werden kann, ist ein Grund erst dann unabweisbar und damit zwingend, wenn es bei der gebotenen Interessenabwägung schlechterdings unerträglich erscheint, den Auszubildenden unter den gegebenen Umständen an der zunächst aufgenommenen Ausbildung festzuhalten (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 12 C 14.2417 – juris Rn. 12; B.v. 13.3.2012 – 12 CE 11.2829 – juris Rn. 33).
1.2.2 Aus dem Vortrag der Klägerin, nach der erkrankungsbedingten Pause von einem Jahr in einem ohnehin schon langen Studium fast wieder von vorne beginnen zu müssen, ist weder eine subjektive noch eine objektive Unmöglichkeit erkennbar. Auch die Angabe der Klägerin, dem Druck nicht gewachsen zu sein, ohne eine entsprechende subjektive Unmöglichkeit durch fachärztliche Atteste nachzuweisen, vermag die strengen Voraussetzungen nicht zu erfüllen. Folglich war der Förderanspruch bereits mit dem Fachrichtungswechsel vom Studium der Rechtswissenschaften zum Studium der Pädagogik erloschen.
1.3 Lediglich ergänzend wird ausgeführt, dass auch in Hinblick auf das Studium der Biologie ab dem Sommersemester 2017 der insoweit erforderliche wichtige Grund nach § 7 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BAföG nicht vorlag.
1.3.1 Soll bei einem Doppelstudium anstelle der Förderung für das bisherige Hauptfach eine Förderung für eine andere Fachrichtung erfolgen, ist es erforderlich, dass der Auszubildende nach außen erkennbar von der einen Fachrichtung in die andere Fachrichtung des Doppelstudiums als Hauptfach übergeht und ein wichtiger bzw. unabweisbarer Grund für den insoweit vorliegenden Fachrichtungswechsel gegeben ist (vgl. a. HessVGH, B.v. 3.11.1986 – 9 TG 529/84 – FamRZ 1988, 218-220; Steinweg in Ramsauer/Stallbaum, BAföG, 7. Aufl. 2020, § 7 Rn. 128).
Insbesondere ist das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 7 Abs. 3 BAföG auch dann erforderlich, wenn der Auszubildende in eine Fachrichtung zurückkehrt, in der er bereits zu einem früheren Zeitpunkt seine Ausbildung betrieben hatte, sofern es sich nicht um eine bloße Unterbrechung der Ausbildung handelt (Buter in Rothe/Blanke, BAföG, § 7 Rn. 39; BVerwG, U.v. 12.12.1985 – 5 C 56.82 – juris Rn. 12). Eine solche liegt nur vor, wenn der Auszubildende seine Ausbildung zeitweilig nicht mehr betreibt, das ursprüngliche Ausbildungsziel jedoch nach der Vorstellung, die er bei Ausführung seines Entschlusses gehabt und nach außen erkennbar gemacht hat, nicht aufgibt, sondern nach dem Zeitraum der Unterbrechung weiterverfolgen will (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1985 – 5 C 56.82 – juris Rn. 13).
1.3.2 Aus den vorgelegten Unterlagen ergibt sich schon nicht eindeutig, dass ein Hauptfachwechsel der Universität angezeigt wurde und nach außen erkennbar stattgefunden hat. Jedenfalls ist ein wichtiger Grund für einen solchen Wechsel nicht erkennbar, der mangels Fortsetzung eines nur unterbrochenen Studiums vorliegen müsste. Aus dem Schreiben der Klägerin an die Beklagte im Zusammenhang mit der Antragstellung vom 27. Januar 2016 (Bl. 9 BA), wonach sie ihr erstes Studium (Biologie) aufgrund psychischer Probleme nicht mehr habe weiterverfolgen können, und der Angabe „Abbruch wegen Krankheit“ im Rahmen des tabellarischen Werdegangs (Bl. 10 BA), ergibt sich, dass die Klägerin bei ihrem Entschluss zum Fachrichtungswechsel von Biologie zu Rechtswissenschaften nicht davon ausging, die Ausbildung in der Fachrichtung Biologie lediglich zu unterbrechen und später wieder aufzunehmen. Auch wurden – unabhängig davon, dass eine Anrechnung früherer Studienleistungen für die Annahme einer bloßen Studienunterbrechung nicht relevant ist – entgegen des klägerischen Vortrags lediglich einzelne Studienleistungen in Höhe von insgesamt 14 ECTS-Punkten, also weniger als ein Semester des Biologiestudiums an der Universität … angerechnet.
Nach alledem war die nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfreie Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.