Arbeitsrecht

Keine Fortsetzung des Verfahrens nach Klagerücknahme

Aktenzeichen  M 25 K 15.987

Datum:
16.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 129201
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 3, § 92, § 153
StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Will sich ein Kläger nach Erlass eines Einstellungsbeschlusses (§ 92 Abs. 3 VwGO) mit der Beendigung dieses Verfahrens nicht abfinden, kommt als Rechtsbehelf nur der auf die Unwirksamkeit der Klagerücknahme gestützte Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens in Betracht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Widerruf einer Prozesshandlung kommt in Betracht, wenn ein Restitutionsgrund iSd § 580 ZPO vorliegt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit im Verfahren M 25 K 13.1665 durch die Klagerücknahme am 28. Januar 2015 beendet worden ist.
II. Die Klägerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage auf Fortsetzung des Verfahrens und Einbürgerung der Klägerin hat keinen Erfolg.
Das Klageverfahren M 25 K 13.1665, dessen Fortsetzung die Klägerin begehrt, ist durch die Klagerücknahme am 28. Januar 2015 beendet. Gründe für eine Unwirksamkeit der Klagerücknahme liegen nicht vor.
1. Das Verfahren M 25 K 13.1665 ist beendet. Die Klägerin hat ihre Verpflichtungsklage auf Einbürgerung in der Form der Versagungsgegenklage in der mündlichen Verhandlung am 28. Januar 2015 wirksam zurückgenommen.
1.1. Soweit sich die Klägerin mit der Beendigung dieses Verfahrens nicht abfinden will, kommt als Rechtsbehelf nur der auf die Unwirksamkeit der Klagerücknahme gestützte Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens in Betracht (BVerwG, B.v. 23.10.1998 – 7 B 234/98 – juris Rn. 5). Eine Nichtigkeits- oder Restitutionsklage nach § 153 VwGO i.V.m. §§ 579, 580 ZPO bzw. im Beschlussverfahren ein entsprechender Antrag ist dagegen nicht statthaft und damit unzulässig, da es sich bei der Einstellung des Verfahrens nach Klagerücknahme nicht um eine der Wiederaufnahme zugängliche Entscheidung nach § 153 VwGO handelt (BVerwG, B.v. 23.10.1998, a.a.O.).
1.2. Die Klage auf Fortsetzung des Verfahrens ist zwar statthaft (BVerwG, B.v. 23.10.1998, a.a.O.) und somit zulässig, aber unbegründet. Denn die Klagerücknahme ist wirksam und das Verfahren M 25 K 13.1665 rechtskräftig beendet.
1.2.1. Prozesserklärungen, zu denen auch die Rücknahmeerklärung zählt, sind zwar grundsätzlich weder anfechtbar noch widerrufbar. In der Rechtsprechung ist jedoch geklärt, dass die Prozessbeteiligten sich an ihren Erklärungen nicht ausnahmslos festhalten lassen müssen, und es ist anerkannt, dass Prozesshandlungen unter bestimmten Umständen widerrufen werden können.
1.2.2. Ein Widerruf kommt insbesondere in Betracht, wenn ein Restitutionsgrund i.S. des § 580 ZPO vorliegt (BVerwG, B.v. 7.8.1998 – 4 B 75-98 – NVwZ-RR 1999, 407).
Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 578, 580 ZPO sind nicht gegeben.
Die Beklagte hat den Einbürgerungsantrag aus zwei selbstständig tragenden Gründen abgelehnt. Der Einbürgerung der Klägerin stünde das Verbot der Mehrstaatigkeit (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG) entgegen und der Lebensunterhalt könne nicht ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Sozialgesetzbuch bestritten werden, was die Klägerin auch zu vertreten habe (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG).
Hinsichtlich des ersten Ablehnungsgrunds hat die Klägerin keinen Wiederaufnahmegrund im o.g. Sinn geltend gemacht, sondern lediglich ihr bisheriges Vorbringen zur Zumutbarkeit der Aufgabe der ukrainischen Staatsangehörigkeit wiederholt. Bereits aus diesem Grund hat die Klage auf Fortsetzung des Verfahrens keine Aussicht auf Erfolg. Auf die Vorbestellung vom 1. Februar 2015 kommt es hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts nicht mehr an. Diese ist damit in keinem Fall eine Urkunde, die als Erkenntnis- oder Beweismittel der Klägerin diese in den Stand versetzt hätte, eine günstigere Entscheidung in dem zwischenzeitlich beendeten Rechtsstreit herbeizuführen.
Abgesehen davon stellt die Vorbestellung vom 1. Februar 2015 keine Urkunde i.S.v. § 580 Nr. 7b ZPO dar. Die Vorschrift setzt insbesondere voraus, dass die Urkunde schon zur Zeit jenes Prozesses vorhanden war. Damit scheiden grundsätzlich alle Urkunden aus, die – wie vorliegend – erst nach Rechtskraft des ergangenen Urteils oder nach der letzten Tatsachenverhandlung errichtet worden sind (BVerwG, U.v. 16.3.1965 – III C 122.64 – BverwGE 20, 344, 346). Ein Ausnahmefall für Urkunden, die ihrer Natur nach nicht im zeitlichen Zusammenhang mit den durch sie bezeugten Tatsachen errichtet werden können und die Tatsachen beweisen, die einer zurückliegenden Zeit angehören (BVerwG, U.v. 16.3.1965, a.a.O.), ist nicht ersichtlich.
1.2.3. Ein Widerruf kommt ferner dann in Betracht, wenn es mit dem Grundsatz von Treu und Glauben, der das gesamte Recht unter Einschluss der Verwaltungsgerichtsordnung beherrscht, unvereinbar wäre, einen Beteiligten an einer von ihm vorgenommenen Prozesshandlung festzuhalten (BVerwG, B.v. 7.8.1998, a.a.O., m.w.N.). Auch diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die Klägerin trägt hierzu nichts vor, und es ist nichts dafür ersichtlich, dass es mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, die Klägerin an ihrer Klagerücknahmeerklärung festzuhalten. Die Rechtslage wurde mit der Klägerin ausführlich erörtert. In diesem Zusammenhang wurde auch eine vorläufige Rechtsauffassung des Gerichts zu den Erfolgsaussichten der Klage geäußert. Dies ist Ausdruck der sich aus § 86 Abs. 3 VwGO ergebenden gerichtlichen Hinweis- und Fürsorgepflicht. Im Rahmen der umfangreichen Erörterung der Sach- und Rechtslage hatte die Klägerin ausreichend Gelegenheit, ihren Rechtsstandpunkt geltend zu machen. Weshalb bei diesem Sachverhalt ein Festhalten der Klägerin an ihrer Klagerücknahmeerklärung mit Treu und Glauben unvereinbar sein sollte, erschließt sich nicht.
An der Wirksamkeit der Klagerücknahme bestehen somit zur Überzeugung des Gerichts keine Zweifel.
Damit ist die Klagerücknahme wirksam und das Verfahren M 25 K 13.1665 beendet.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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