Arbeitsrecht

Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegen von Zulassungsgründen

Aktenzeichen  L 10 AL 69/17 NZB

Datum:
25.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 111120
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB III § 38, § 2 Abs. 2 S. 2 Nr. 3
SGG § 144, § 145

 

Leitsatz

1. Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens von Zulassungsgründen.
2 Im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zu prüfen, ob das SG inhaltlich zutreffend entschieden hat. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 10 AL 107/16 2017-03-29 Urt SGBAYREUTH SG Bayreuth

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 29.03.2017 – S 10 AL 107/16 – wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wird abgelehnt.

Gründe

I.
Streitig ist der Eintritt einer Sperrzeit von einer Woche.
Nach Erhalt der Kündigung am 31.03.2016 (zum 31.05.2016) – diese enthielt den Hinweis, dass zur Aufrechterhaltung ungekürzter Ansprüche auf Arbeitslosengeld der Kläger verpflichtet sei, sich unverzüglich nach Erhalt der Kündigung persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden – meldete sich dieser am 17.05.2016 persönlich arbeitslos und arbeitssuchend. Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.07.2016 den Eintritt einer Sperrzeit vom 01.06.2016 bis 07.06.2016 fest und bewilligte mit Bescheid vom 09.06.2016 Arbeitslosengeld ab 08.06.2016 in Höhe von 25,59 € täglich. Der Kläger sei der Pflicht zur Arbeitsuchendmeldung erst verspätet nachgekommen. Er hätte sich bereits am 05.04.2016 melden müssen. Ein wichtiger Grund für sein Verhalten sei nicht erkennbar, unverschuldete Unkenntnis sei nicht gegeben. Am 29.08.2016 nahm der Kläger eine neue Beschäftigung auf (Arbeitsvertrag vom 12.04.2016).
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, es liege ein wichtiger Grund vor bzw. ihn treffe kein Verschulden. Auf den Internetseiten der Beklagten müsse er sich nicht „durchklicken“, sie seien im Übrigen für den Laien nicht immer verständlich. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 29.03.2017 abgewiesen. Ein wichtiger Grund für die verspätete Meldung habe nicht vorgelegen. Der Hinweis im Kündigungsschreiben sei eindeutig gewesen. Der erst nachträgliche Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages sei ohne Bedeutung. Eine spätere Aussage einer Mitarbeiterin der Beklagten zur Rechtzeitigkeit der Arbeitsuchendmeldung ändere an der verspäteten Meldung nichts. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.
Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt. Das SG weiche von der obergerichtlichen Rechtsprechung (BSGE 95, 8, BSGE 95, 191) ab. Die hiernach erforderliche Verschuldensprüfung anhand eines subjektiven Fahrlässigkeitsbegriffes habe das SG nicht ausdrücklich vorgenommen; allenfalls aus dem Kontext der Urteilsgründe scheine sich eine Verschuldensprüfung zu ergeben. Er habe sich auf den Internetseiten der Beklagten unter der Rubrik „Arbeitslosmeldung“ informiert, wonach diese Meldung spätestens am ersten Tag der Beschäftigungslosigkeit erfolgen müsse. Zudem habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hinsichtlich der Frage, ob der Hinweis des Arbeitgebers im Kündigungsschreiben den Wortlaut des § 38 Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) wiedergeben oder auf diesen verweisen müsse.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).
Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 11.Aufl., § 144 RdNr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).
Vorliegend macht der Kläger ein Abweichen des SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung geltend. Diese Abweichung liegt aber nicht vor, denn eine Divergenz liegt nur dann vor, wenn das SG einen eigenen, von der obergerichtlichen Rechtsprechung abweichenden Rechtssatz aufgestellt und der obergerichtlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprochen hat (vgl. zum Ganzen: Leitherer a.a.O. § 160 RdNr. 13ff). Einen solchen eigenen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz hat das SG jedoch nicht gebildet. Ein bloßer Rechtsirrtum des SG im Einzelfall genügt hingegen nicht (vgl. Leitherer a.a.O.). Im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zu prüfen, ob das SG inhaltlich zutreffend entschieden hat. Unabhängig davon hat das SG die vom Kläger angesprochene Verschuldensprüfung – wenn auch in knapper Form – vorgenommen: Es hat hinsichtlich der Kenntnis des Klägers von der Meldeobliegenheit auf den Hinweis des Arbeitgebers im Kündigungsschreiben sowie darauf hingewiesen, dass der Kläger seine irrige Rechtsmeinung zum spätesten Meldezeitpunkt selbst zu vertreten habe, weil er sich selbst eine Lösung zurecht gelegt habe, aber sich nicht unverzüglich an die Fachbehörde gewandt habe. Unabhängig davon ist noch darauf hinzuweisen, dass sich der vorgelegte Ausdruck aus dem Internetauftritt der Beklagten auf die Arbeitslosmeldung, nicht aber auf die Arbeitssuchendmeldung bezieht, der Kläger somit wohl unter einem unzutreffenden Begriff gesucht hat.
Zudem macht der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Die Antwort auf die Frage, ob der Arbeitgeber den Wortlaut des § 38 SGB III im Rahmen seiner Hinweispflicht wiedergeben oder auf § 38 SGB II hinweisen müsse, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III. Hiernach sollen Arbeitgeber Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses über die Verpflichtung zur Meldung nach § 38 Abs. 1 SGB III bei der Agentur für Arbeit informieren. Die Verpflichtung zur Meldung wird als „Arbeitssuchendmeldung“ (im Gegensatz zur persönlichen Arbeitslosmeldung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld) bezeichnet und diese Bezeichnung hat der Arbeitgeber im Kündigungsschreiben auch verwandt. Eine Pflicht zur Wiedergabe des genauen Wortlautes der Vorschrift oder zu einem Verweis auf diese ergibt sich aus dieser Regelung eindeutig nicht. Ob der tatsächlich vom Arbeitgeber verwendete Wortlaut zutreffend ist, ist an dieser Stelle nicht zu prüfen; dies hat lediglich für die Frage der Kenntnis von der Pflicht zur Arbeitssuchendmeldung und für die Frage des Vorliegens fahrlässigen Verhaltens Bedeutung.
Ein Verfahrensfehler wird vom Kläger nicht geltend gemacht und ist für den Senat auch trotz der knappen Urteilsgründe nicht ersichtlich.
Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Prozesskostenhilfe war mangels hinreichender Erfolgsaussicht nicht zu bewilligen (§ 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung -ZPO-).


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