Arbeitsrecht

Klage auf Sozialkassenbeiträge – Streitgegenstand

Aktenzeichen  10 AZR 476/18

Datum:
27.11.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2019:271119.U.10AZR476.18.0
Normen:
§ 46a Abs 4 S 3 ArbGG
§ 253 Abs 2 Nr 2 ZPO
§ 690 Abs 1 Nr 3 ZPO
§ 5 TVG
§ 7 Abs 1 SokaSiG
Anl 26 SokaSiG
Anl 32 SokaSiG
Art 9 Abs 3 GG
Art 12 Abs 1 GG
Art 14 Abs 1 GG
Art 20 Abs 3 GG
Art 20 Abs 2 GG
Art 2 Abs 1 GG
Spruchkörper:
10. Senat

Leitsatz

1. Eine Klage auf Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft, der ein Mahnverfahren vorausgegangen ist, ist auch ohne Anspruchsbegründung nach § 46a Abs. 4 Satz 3 ArbGG hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn bereits der Mahnantrag im Weg einer vorweggenommenen Anspruchsbegründung die für eine bestimmte Klage erforderlichen Angaben enthält.
2. In einem Mahnantrag, mit dem Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft geltend gemacht werden, müssen die verfolgten Ansprüche unter Berücksichtigung der Beitragsart hinreichend individualisiert sein, um den Anforderungen des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO zu genügen.
3. Die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft ist berechtigt, Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft für gewerbliche Arbeitnehmer mit einer sog. Durchschnittsbeitragsklage auf der Grundlage der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Durchschnittslöhne geltend zu machen.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Wiesbaden, 19. Oktober 2017, Az: 4 Ca 157/16, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 20. Juli 2018, Az: 10 Sa 1545/17, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 20. Juli 2018 – 10 Sa 1545/17 – unter Zurückweisung der Revision im Übrigen insoweit aufgehoben, als es die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. Oktober 2017 – 4 Ca 157/16 – in Höhe eines 87.064,92 Euro übersteigenden Betrags zurückgewiesen hat.
2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 19. Oktober 2017 – 4 Ca 157/16 – teilweise abgeändert, soweit es den Beklagten verurteilt hat, an den Kläger einen 87.064,92 Euro übersteigenden Betrag zu zahlen. Insoweit wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.
2
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Er nimmt den Beklagten auf der Grundlage der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in der jeweils maßgeblichen Fassung (VTV) auf Durchschnittsbeiträge für mindestens zwei gewerbliche Arbeitnehmer in der Zeit von Dezember 2010 bis Mai 2016 sowie für mindestens eine Angestellte in der Zeit von November 2013 bis Juni 2016 und August 2016 iHv. insgesamt noch 87.070,00 Euro in Anspruch.
3
Der nicht originär tarifgebundene Beklagte unterhält im bayerischen A einen Gewerbebetrieb, in dem arbeitszeitlich überwiegend Bautätigkeiten iSd. VTV ausgeführt werden.
4
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte schulde die geltend gemachten Beiträge, weil er mit seinem Baubetrieb den Verfahrenstarifverträgen unterfalle. An sie sei er aufgrund des SokaSiG gebunden, das verfassungsgemäß sei.
5
Der Kläger hat nach Rücknahme der Klage hinsichtlich der Beiträge für eine Angestellte für Juli 2016 beantragt,
        
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 87.070,00 Euro zu zahlen.
6
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Klage für unzulässig gehalten, weil der Kläger nicht berechtigt sei, die Klageforderung auf der Grundlage von Durchschnittsbeiträgen zu berechnen. Für eine solche auch als Mindestbeitragsklage bezeichnete Klage bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Die Verteilung der Darlegungslast führe zu einer unzulässigen Ausforschung. Indem sich der Kläger erst im Verlauf des Rechtsstreits auf das SokaSiG gestützt habe, habe er die Klage in unzulässiger Weise geändert. Das SokaSiG scheide als Geltungsgrund für die Verfahrenstarifverträge ohnehin aus, weil es verfassungswidrig sei.
7
Nach Verbindung der ursprünglich sieben Rechtsstreitigkeiten, denen jeweils ein Mahnverfahren vorausging, hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben. Die dagegen eingelegte Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte weiterhin sein Ziel, dass die Klage abgewiesen wird.


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