Arbeitsrecht

Kostenentscheidung, Gewerbeaufsichtsamt, Verwaltungsgerichte, Befähigung zum Richteramt, Kostenbescheid, Kostenverzeichnis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Gebührenrahmen, Aufsichtsführenden, Rechtsmittelbelehrung, persönliche Schutzausrüstung, Streitwertfestsetzung, Summarische Prüfung, Grundverfügung, Ermessenserwägungen, Prozeßkostenhilfeverfahren, Behördenakten, Arbeitgeberpflichten, Des Arbeitgebers, Rechtsschutzgarantie

Aktenzeichen  W 6 K 19.1327

Datum:
7.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 37665
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KG Art. 1 Abs. 1
KG Art. 2
KG Art. 6 Abs. 1 S. 1
KG Art. 6 Abs. 2
KG Art. 10
KG Art. 12 Abs. 3
KG Art. 16 Abs. 5
Tarif-Nr. 7.II.9/2.6 KVz
GefStoffV § 7
GefStoffV § 8
GefStoffV § 19 Abs. 3
Anhang I Nr. 2.4.3 Abs. 4 GefStoffV
Nr. 2.15 TRGS. 519
Nr. 18 TRGS. 519
§ 114 VwGO,

 

Leitsatz

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Klage, über die aufgrund Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.
1. Die Klägerin legte mit Schriftsatz an das Gericht vom 26. September 2019 mit Verweis auf das Schreiben des Beklagten vom 16. September 2019 „Widerspruch gegen die Kostenentscheidung“ ein und bat um „Rücknahme“ derselben. Ihr Rechtsschutzbegehren ist deshalb in entsprechender Anwendung des § 88 VwGO als Anfechtungsklage gegen die Kostenentscheidung vom 16. September 2019 auszulegen. Diese ist unter Bezugnahme auf den Grundbescheid des Beklagten vom 12. September 2019 (Einstellung der Demontage) mit Rechtsbehelfsbelehrung:gesondert ergangen. Die Kostenentscheidung kann gemäß Art. 12 Abs. 3 Kostengesetz (KG) selbstständig angefochten werden.
Eine dahingehende Auslegung des klägerischen Begehrens, wonach auch die Grundverfügung vom 12. September 2019 selbst von der Klage umfasst sein soll, verbietet sich hingegen. Die Klägerin wendet sich ausdrücklich nur gegen die Kostenentscheidung. Da die Grundmaßnahme in der Sache durch Erfüllung erledigt ist, wäre eine entsprechende Anfechtungsklage im Übrigen unzulässig.
Die Anfechtungsklage gegen den Kostenbescheid vom 16. September 2019 ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Kostenbescheid vom 16. September 2019 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kostenentscheidung, insbesondere die Festsetzung der Gebühren und Auslagen, enthält keine selbständige, d.h. vom Bestand der Grundverfügung losgelöste Rechtsverletzung der Klägerin (dazu 2.1). Aber auch die Grundverfügung ist in der Sache nicht zu beanstanden (dazu 2.2.).
2.1 Grundlagen für die Kostenentscheidung sind die Art. 1 Abs. 1, Art. 2 und Art. 6 KG sowie Art. 10 KG.
2.1.1
Nach Art. 1 Abs. 1 KG erheben die Behörden des Staates für ihre Tätigkeit, die sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt vornehmen (Amtshandlungen), Kosten (Gebühren und Auslagen).
Zur Zahlung der Kosten ist verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst hat, im Übrigen diejenige Person, in deren Interesse die Amtshandlung vorgenommen wird (Art. 2 KG). Danach ist die für ihre Beschäftigten verantwortliche Klägerin zur Kostentragung verpflichtet, da sie durch Nichteinhaltung arbeitsschützender Vorgaben der GefStoffV (näher dazu unter 2.2) die vorläufige Einstellung der Demontagearbeiten durch den Beklagten veranlasst hat.
2.1.2
Die Höhe der Gebühren bemisst sich gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG nach dem Kostenverzeichnis (KVz).
In der Kostenentscheidung vom 16. September 2019 nannte der Beklagte die laufende Tarif-Nr. 7.II.0/2.1 bzw. Nr. 7.II.0/2.2 KVz, worin für Anordnungen nach § 22 Abs. 3 Satz 1 ArbSchG je nach Schwere des Verstoßes ein Gebührenrahmen von 75,00 EUR bis 2.500,00 EUR bzw. von 150,00 EUR bis 5.000,00 EUR vorgesehen ist. Im Rahmen der Klageerwiderung verwies die Beklagte zudem auf die Tarif-Nr. 7.II.9/1.4 KVz. Darin ist für Maßnahmen nach § 23 Abs. 1 und 2 ChemG ein Gebührenrahmen von 150,00 EUR bis 5.000,00 EUR vorgesehen.
Einschlägig ist für die hier im Vordergrund stehende GefStoffV, die für die Einstellung von Bauarbeiten wegen Verstößen beim Umgang mit Gefahrstoffen wie Asbest in § 19 Abs. 3 GefStoffV eine spezielle Rechtsgrundlage vorsieht, jedoch die Tarif-Nr. 7.II.9/2.6 KVz. Diese bietet einen Gebührenrahmen von 75,00 EUR bis 5.000,00 EUR.
Die maßgebliche Tarif-Nr. 7.II.9/2.6 KVz hat der Beklagte zwar nicht benannt. Dies ist aber – auch im Hinblick auf die getroffene Ermessensentscheidung – hier letztlich ohne rechtliche Relevanz, weil der Verwaltungsakt auch durch eine Auswechslung der Rechtsgrundlage (dazu BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19/18 – NVwZ-RR 2020, 113 Rn. 24) vorliegend nicht in seinem Wesen geändert wird. In jedem Falle bewegt sich die Höhe der gegenüber der Klägerin festgesetzten Gebühr an der Untergrenze des vom Beklagten benannten wie auch des tatsächlich einschlägigen Gebührenrahmens, so dass unter diesem Gesichtspunkt kein Nachteil für die Klägerin erkennbar ist. Der Austausch der Tarif-Nr. des KVz führt auch nicht zu einer Wesensänderung des Kostenbescheids. Das ArbSchG, das ChemG sowie die GefStoffV enthalten sämtlich Normen für die Anordnung der erforderlichen Maßnahmen zur Erfüllung der sich für den Arbeitgeber zum Schutz der Arbeitnehmer ergebenden Pflichten; die den konkreten Befugnisnormen zugrundeliegenden jeweiligen Ermessenserwägungen sind gleichlaufend; für die nachfolgende Gebührenbemessung gilt dies entsprechend.
2.1.3 Bei der Ermittlung der Gebühr innerhalb eines Gebührenrahmens sind nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG der mit der Amtshandlung verbundene Verwaltungsaufwand aller beteiligten Behörden und Stellen und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten zu berücksichtigen.
Nach Maßgabe dieser Gesichtspunkte ist die vom Beklagten festgesetzte Gebühr in Höhe von 500,00 EUR nicht zu beanstanden, da sie sich im unteren Bereich des Gebührenrahmens bewegt. Darüber hinaus ist in der Kostenermittlung des Beklagten vom 16. September 2019 (Seite 12 der Behördenakte) in nachvollziehbarer Weise dargestellt, wie die Gebühr von 500,00 EUR anhand des mit der Amtshandlung verbundenen Verwaltungsaufwandes und der Bedeutung der Angelegenheit ermittelt worden ist, nämlich unter Zugrundelegung eines Verwaltungsaufwands von vier Stunden eines Mitarbeiters des mittleren Dienstes, wobei für eine Stunde Dienst 48,00 EUR veranschlagt worden sind, und einer geschätzten Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin von 800,00 EUR wegen fehlender Absturzsicherung und Fehlens eines Sachkundigen nach der TRGS 519 vor Ort. Nach Maßgabe des § 114 Satz 1 VwGO rechtserhebliche Ermessensfehler bei der Ermittlung und Festsetzung der letztlich auf 500,00 EUR festgesetzten Gebühr sind nicht ersichtlich.
2.1.4
Auch die Erhebung der Auslagen in Höhe von 19,83 EUR begegnet keinen Bedenken. Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 KG gehören die Auslagen zu den Kosten. Nach Art. 10 Abs. 1 Nr. 4 KG werden an Auslagen auch Reisekosten im Sinne der Reisekostenvorschriften erhoben. Hiervon umfasst sind gem. Art. 4 Nr. 1 und Nr. 3 des Bayerischen Reisekostengesetzes (BayRKG) die ausweislich der Kostenermittlung des Beklagten vom 16. September 2019 anteilig angesetzten Fahrtkosten sowie das Tagegeld.
2.2 Die Kostenentscheidung vom 16. September 2019 ist für sich danach im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Klägerin fühlt sich indes auch deshalb belastet, weil nach ihrer Auffassung die Anordnung vom 12. September 2019 zur Einstellung der Demontagearbeiten zu Unrecht ergangen ist.
Die zumindest summarische Überprüfung der Grundverfügung in Konstellationen der vorliegenden Art wurzelt im allgemeinen Rechtsstaatsprinzip und hat ihre konkrete Ausgestaltung in Art. 16 Abs. 5 KG gefunden. Nach Art. 16 Abs. 5 KG werden Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung durch die Behörde nicht entstanden wären, nicht erhoben. Mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG wäre es nicht zu vereinbaren, bei unanfechtbarer oder erledigter Grundverfügung den insoweit betroffenen Rechtmäßigkeitszusammenhang zwischen dieser Grundverfügung und der selbstständig ergangenen Kostenentscheidung vollständig auszublenden. Denn dann bliebe ungeprüft, ob eine Kostenbelastung überhaupt veranlasst war, insbesondere bei erkennbar rechtswidriger Grundverfügung.
Nach Maßgabe der nachfolgenden summarischen Prüfung ist jedoch auch die Grundverfügung vom 12. September 2019 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, sodass auch insoweit die Kostenerhebung keinen rechtlichen Bedenken unterliegt.
2.2.1
Die Anordnung vom 12. September 2019, die Demontagearbeiten der asbesthaltigen Dacheindeckung sofort zu unterlassen, bis ein Sachkundiger nach der TRGS 519 zum Umfang mit asbesthaltigen Materialien vor Ort ist (Nr. 1 des Bescheids), hat ihre Rechtsgrundlage in § 19 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 3 GefStoffV.
Neben der Grundpflicht für den Arbeitgeber, Gesundheit und Sicherheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten (vgl. § 3 ArbSchG), gibt es eine Reihe speziellerer gesetzlicher Vorgaben, die neben dem ArbSchG stehen und in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich Maßgaben treffen, die (auch) den Arbeitsschutz regeln und von den Bestimmungen des ArbSchG unberührt bleiben (vgl. § 1 Abs. 3 ArbSchG). Hierzu zählt insbesondere die sowohl auf das ArbSchG als auch auf das ChemG gestützte GefStoffV (Wiebauer in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, 70. EL Stand Juni 2015, § 1 ArbSchG Rn. 101).
Die für den Umgang mit asbesthaltigen Materialien einschlägige GefStoffV hat unter anderem zum Ziel, den Menschen vor stoffbedingten Schädigungen durch Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu schützen (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GefStoffV). Die Bestimmung des § 19 Abs. 3 GefStoffV, die die Anordnungsbefugnis nach § 23 ChemG um weitere Maßnahmen ergänzt (Kothe in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht – 2. Band, 4. Aufl. 2018, § 179 Rn. 66), erlaubt der zuständigen Behörde konkrete Anordnungen und Befugnisse zur Durchsetzung der Arbeitgeberpflichten nach der GefStoffV. Gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 GefStoffV kann die zuständige Behörde im Einzelfall Maßnahmen anordnen, die der Hersteller, Lieferant oder Arbeitgeber zu ergreifen hat, um die Pflichten nach den Abschnitten 2 bis 5 dieser Verordnung zu erfüllen. Dabei kann sie nach § 19 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 3 GefStoffV insbesondere anordnen, dass der Arbeitgeber die Arbeit, bei der die Beschäftigten gefährdet sind, einstellen zu lassen hat, wenn der Arbeitgeber die zur Bekämpfung der Gefahr angeordneten notwendigen Maßnahmen nicht unverzüglich oder nicht innerhalb der gesetzten Frist ergreift. Bei Gefahr im Verzug können die Anordnungen auch gegenüber weisungsberechtigten Personen erlassen werden (§ 19 Abs. 3 Satz 2 GefStoffV).
Wenngleich der Beklagte in der Begründung des Bescheids vom 12. September 2019 offenbar noch auf die Regelung des § 20 GefStoffV in der Fassung vom 23. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3758) verweist, welche ab 1. Dezember 2010 durch die geltende Neufassung der GefStoffV vom 26. November 2010 (BGBl. I, 1643, 1644) ersetzt wurde, ist vorliegend alleine § 19 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 3 GefStoffV n.F. die einschlägige und zutreffende Grundlage zur Einstellung der Demontagearbeiten. Ein Austausch der Rechtsgrundlage durch das Gericht (dazu BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19/18 – NVwZ-RR 2020, 113 Rn. 24) führt insoweit weder zur Wesensänderung des behördlichen Bescheids, noch ist dadurch die Rechtsverteidigung der Klägerin beeinträchtigt. Die Anordnungsbefugnis des § 19 Abs. 3 GefStoffV n.F. entspricht – in angepasster Form – der Regelung des § 20 Abs. 3 GefStoffV a.F. (vgl. BR-Drs. 456/10, S. 96). Ferner hat der Beklagte zumindest in der Klageerwiderung vom 19. November 2019 ausführlich auf § 19 Abs. 3 GefStoffV n.F. Bezug genommen und insoweit seine Ermessenserwägungen im Verfahren ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO).
2.2.2
Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 3 GefStoffV zur vorübergehenden Einstellung der die Beschäftigten gefährdenden Arbeiten lagen vor, da die Klägerin jedenfalls zum Zeitpunkt der Kontrolle des Gewerbeaufsichtsamts arbeitnehmerschützende Pflichten nach Abschnitt 3 und 4 der GefStoffV nicht erfüllte und deshalb die konkrete Gefahr der Freisetzung krebserzeugender Asbestfasern und somit eine Gefährdung der Gesundheit der Beschäftigten bestand.
2.2.2.1 Gemäß § 7 Abs. 1 GefStoffV darf der Arbeitgeber eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen lassen, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung nach § 6 durchgeführt und die erforderlichen Schutzmaßnahmen nach Abschnitt 4 (§§ 8 bis 15 GefStoffV) ergriffen worden sind. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 GefStoffV muss der Arbeitgeber, um die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten bei allen Tätigkeiten mit Gefahrstoffen zu gewährleisten, unter anderem die erforderlichen Maßnahmen nach der GefStoffV ergreifen, wobei er die nach § 20 Abs. 4 GefStoffV bekannt gegebenen Regeln und Erkenntnisse zu berücksichtigen hat. Einschlägig ist insoweit die TRGS 519 für Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten mit Asbest (Ausgabe Januar 2014, GMBl 2014 S. 164-201 vom 20.03.2014 [Nr. 8/9] zuletzt geändert und ergänzt: GMBl 2019 S. 786-798 [Nr. 40] vom 17.10.2019). Die TRGS 519 konkretisiert im Rahmen ihres Anwendungsbereichs die Anforderungen der Gefahrstoffverordnung (vgl. Nr. 1 Abs. 4 TRGS 519).
Daneben finden sich in § 8 GefStoffV Vorgaben zu allgemeinen Schutzmaßnahmen. Gemäß § 8 Abs. 4 GefStoffV hat der Arbeitgeber sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist. Nach § 8 Abs. 5 Satz 1 GefStoffV muss der Arbeitgeber sicherzustellen, dass Gefahrstoffe so aufbewahrt oder gelagert werden, dass sie weder die menschliche Gesundheit noch die Umwelt gefährden. Schließlich bestimmt § 8 Abs. 8 GefStoffV, dass der Arbeitgeber bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen nach Anhang I Nr. 2 (Asbest) auch die betreffenden Vorschriften des Anhangs I Nr. 2 bis 5 zur GefStoffV zu beachten hat.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben steht nach der hier gebotenen und ausreichenden summarischen Prüfung außer Frage, dass der Klägerin am 12. September 2019 diverse Verstöße gegen arbeitsschutzrechtliche Bestimmungen der GefStoffV sowie der TRGS 519 zur Last fielen.
2.2.2.2 So verstieß die Klägerin zum Zeitpunkt der behördlichen Kontrolle gegen die Vorgaben des Anhangs I Nr. 2.4.2 Abs. 3 Satz 2 GefStoffV und Nr. 2.15 TRGS 519, da während der Durchführung der Arbeiten mit Asbest keine weisungsbefugte sachkundige Person als Aufsichtsführender vor Ort war. Die in der objektbezogenen Anzeige der Klägerin gemäß Anlage 1.3 zur TRGS vom 5. September 2019 benannten Sachkundigen Herr W. und Herr L. waren zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht auf der Baustelle anwesend. Wenngleich zu diesem Zeitpunkt nach dem Vorbringen der Klägerin bereits keine Demontagearbeiten der Asbestplatten mehr stattgefunden haben, wurden ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Lichtbilder zumindest noch Nebenarbeiten im Sinne der Nr. 2.1 Abs. 1, Nr. 2.4 TRGS 519 in unmittelbarer Nähe zu den nicht verpackten Asbestzementplatten ausgeführt, sodass die zuvor von der Klägerin benannten Sachkundigen auch noch vor Ort hätten sein müssen.
Stattdessen gab sich während der Kontrolle ein Mitarbeiter der Klägerin Herr K. als aufsichtsführende Person zu erkennen. Zwar konnte die Klägerin für diesen im Laufe des gerichtlichen Verfahrens einen auf 22. März 2019 datierten Sachkundenachweis nachreichen. Dies kann die Klägerin jedoch nicht entlasten. Denn weder wurde Herr K. dem Gewerbeaufsichtsamt vor oder während der Ausführung der Arbeiten als (weitere) sachkundige aufsichtsführende Person nachgemeldet, noch konnte sich Herr K. vor Ort gegenüber dem Gewerbeaufsichtsamt als Sachkundiger ausweisen. Schließlich ist auch deutlich, dass Herr K. seine – durch Teilnahme an einem anerkannten Lehrgang formal erworbene – Sachkunde auf der Baustelle vor Ort zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht einbringen konnte oder durfte, da er die in Nr. 5.2 Abs. 3 Nr. 1 und 3 TRGS 519 vorgegebenen Aufgaben eines Aufsichtsführenden nicht wahrnahm. Denn erkennbar wurden die Arbeiten bereits begonnen bzw. fortgesetzt, ohne dass sichergestellt war, dass die in der von der Klägerin vorgelegten Gefährdungsbeurteilung (§ 6 GefStoffV) und dem Arbeitsplan festgelegten Schutzmaßnahmen getroffen waren, und ohne dass die Beschäftigten während der Arbeit die vorgesehenen Schutzmaßnahmen beachteten und die persönlichen Schutzausrüstungen benutzten.
2.2.2.3 Hinsichtlich des Tragens persönlicher Schutzausrüstung bestimmt Anhang I Nr. 2.4.3 Abs. 4 GefStoffV beim Umgang mit Asbest, dass den Beschäftigten geeignete Atemschutzgeräte, Schutzanzüge und, soweit erforderlich, weitere persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen sind und dass der Arbeitgeber sicherzustellen hat, dass die Beschäftigten die persönliche Schutzausrüstung verwenden. In Nr. 9.2 TRGS 519 ist für den Atemschutz je nach Asbestkonzentration das Benutzen bestimmter Atemschutzgeräte vorgesehen. Nach Nr. 9.3 TRGS 519 müssen Beschäftigte geeignete Schutzanzüge tragen. Entsprechende Anforderungen benannte die Klägerin auch in ihrer dem Gewerbeaufsichtsamt vorgelegten Gefährdungsbeurteilung (§ 6 GefStoffV) sowie in der Betriebsanweisung (§ 14 GefStoffV).
Wie der Beklagte nachvollziehbar und plausibel darlegte, haben Mitarbeiter der Klägerin jedoch zum Zeitpunkt der Kontrolle in unmittelbarer Nähe zu nicht verpackten, offen gelagerten Asbestplatten Arbeiten (vermutlich Sortierarbeiten) ohne persönliche Schutzausrüstung ausgeführt. Die dem Gericht vorliegenden Lichtbilder der Situation vor Ort (Seite 6a und 8a der Behördenakte) dokumentieren und bestätigen dies.
Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt der Kontrolle noch Asbestplatten demontiert wurden, da die Mitarbeiter der Klägerin jedenfalls noch im Zusammenhang mit dem Abbruch erforderliche Nebenarbeiten (Nr. 2.1 Abs. 1, Nr. 2.4 TRGS 519) in unmittelbarer Nähe zu nicht verpackten Asbestplatten ausführten. Die Klägerin bestritt die fehlende Verwendung von Schutzausrüstung auch nicht näher, sondern wandte nur ein, die vom Gewerbeaufsichtsamt angefertigten Fotoaufnahmen der Mitarbeiter widersprächen dem Datenschutz. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin durch eine etwaige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ihrer Mitarbeiter schon nicht in eigenen Rechten verletzt wäre, wurde auch nicht näher dargelegt und ist es auch sonst nach Maßgabe summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass die zum Zwecke der Beweissicherung (vgl. Art. 26 BayVwVfG) angefertigten Fotos dem Datenschutz widersprechen.
2.2.2.4 Schließlich verstieß die Klägerin aufgrund der offenen Lagerung der demontierten Asbestplatten gegen § 7 Abs. 2 Satz 1 und 2 GefStoffV. Der Arbeitgeber hat demnach sicherzustellen, dass durch Verwendung verschließbarer Behälter eine sichere Lagerung, Handhabung und Beförderung von Gefahrstoffen auch bei der Abfallentsorgung gewährleistet ist. Die Vorgaben des § 8 Abs. 4 GefStoffV i.V.m. Nr. 18 Abs. 3, Nr. 18.1 Abs. 1 und 2 TRGS 519 konkretisieren dies für Asbest. Asbesthaltige Abfälle sind in geeigneten, sicher verschließbaren und gekennzeichneten Behältern ohne Gefahr für Mensch und Umwelt zu sammeln, zu lagern und zu beseitigen. Sie sind am Anfallort in geeigneten, sicher verschließbaren und gekennzeichneten Behältnissen ohne Gefahr für Mensch und Umwelt so zu sammeln, dass jegliche Freisetzung von Asbest und asbesthaltigen Stäuben (z.B. durch Umfüllen, Kippen, Werfen) vermieden wird. Eine Auflistung hierfür geeigneter Behälter findet sich in Nr. 18.1 Abs. 2 TRGS 519. Dementsprechend sah die von der Klägerin vorgelegte Gefährdungsbeurteilung (§ 6 GefStoffV) sowie die Betriebsanweisung (§ 14 GefStoffV) ein unmittelbares Verpacken der Asbestabfälle am Anfallort in sog. Big Bags und ein Verladen in Containern vor.
Während der Kontrolle vor Ort konnte das Gewerbeaufsichtsamt indes neben dem Gebäude bereits demontierte asbesthaltige Wellfaserzementplatten unverpackt und aufgestapelt vorfinden. Auch auf dem Dach lagen unverpackte Asbestplatten. Die in der Behördenakte enthaltenen Lichtbilder (Seiten 6a, 8a und 9) bestätigen dies. In der Replik vom 5. Dezember 2019 führt die Klägerin diesbezüglich aus, noch am gleichen Tag seien die Plattensäcke von einer Firma geliefert und unter Aufsicht von Herrn K. gepackt worden. Die Klägerin räumt damit implizit ein, dass die demontierten Platten zunächst vorschriftswidrig gesammelt und gelagert wurden.
2.2.2.5
Der Beklagte wirft der Klägerin schließlich auch ein rechtswidriges Zertrümmern von Teilen der Asbestzementplatten vor. Es seien Teile der Zementplatten mit einem Hammer zerbrochen worden, um an die Verschraubungen zu gelangen. Der Vorgang selbst habe aber nicht beobachtet und eindeutig geklärt werden können. Aufgrund der bereits festgestellten Verstöße kann es im Rahmen der summarischen Prüfung letztlich offenbleiben, ob der Klägerin auch ein Verstoß gegen Anhang I Nr. 2.4.3 Abs. 7 GefStoffV und bzw. oder Nr. 16.1 Abs. 5 TRGS 519 zur Last fiel.
2.2.2.6 Wie die vom Beklagten vorgelegten Lichtbilder zeigen, trugen die Mitarbeiter der Klägerin die zum Schutz vor asbesthaltigem Staub vorgesehene Schutzausrüstung vor Ort nicht, obwohl sowohl neben als auch auf dem Dach nicht fachgerecht verpackte Asbestabfälle gelagert waren. Demnach bestand – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch die für Maßnahmen nach § 19 Abs. 3 GefStoffV erforderliche Gefahr der möglichen Freisetzung krebserzeugender Asbestfasern und somit eine Gefährdung der Gesundheit der Beschäftigten. Da die zur Beseitigung der Gefahr notwendigen Maßnahmen nicht unverzüglich ergriffen werden konnten, durfte der Beklagte deshalb in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens die vorübergehende Einstellung der Demontagearbeiten anordnen, bis ein anwesender Sachkundiger gemäß der TRGS 519 die Beseitigung der Mängel veranlasst. Aufgrund Gefahr in Verzug konnte dies gegenüber einer weisungsberechtigten Person vor Ort erfolgen (§ 19 Abs. 3 Satz 2 GefStoffV).
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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