Arbeitsrecht

Kostenrecht: Gerichtskostenbefreiung für das Jobcenter

Aktenzeichen  L 12 SF 224/19 E

Datum:
4.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2779
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 2 Abs. 3, § 66
SGB X § 64
SGG § 197a, § 183

 

Leitsatz

1. Gehören in einem Rechtszug weder Kläger noch Beklagter zu den in § 183 SGG genannten Personen, sind grundsätzlich Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes zu erheben, auch wenn ein Jobcenter als Kläger oder Beklagter beteiligt ist. (Rn. 13)
2. Von der grundsätzlichen Gerichtskostenpflicht zu trennen ist die parteibezogene Befreiung von den Gerichtskosten. Jobcenter sind nach § 2 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 S. 2 HS 1 SGB X von den Gerichtskosten befreit. (Rn. 14 – 16)

Tenor

Auf die Erinnerung vom 21.06.2019 wird die Gerichtskostenfeststellung vom 28.03.2019 aufgehoben.

Gründe

I.
Streitig ist, ob der Erinnerungsführer als Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende Kostenschuldner der Gerichtskosten für das Verfahren L 15 AS 636/17 ist.
Im Verfahren L 15 AS 636/17 vor dem Bayerischen Landessozialgericht (nachfolgend BayLSG) war streitig ein Auskunftsverlangen des damaligen Berufungsklägers und hiesigen Erinnerungsführers (nachfolgend Ef.) nach § 60 Abs. 2 SGB II gegenüber der Berufungsbeklagten als möglicher Schuldnerin eines Unterhaltsanspruchs des Leistungsbeziehers.
Mit Annahme des gerichtlichen Vergleichsvorschlages durch die Ef. mit Schriftsatz vom 16.07.2018 und durch die Berufungsbeklagte mit Schriftsatz vom 10.09.2018 endete das Berufungsverfahren. Mit Beschluss vom 28.03.2019 wurden die Kosten des Verfahrens dem Ef. und der Berufungsbeklagten je zur Hälfte auferlegt und der Streitwert auf 5.000,00 € festgesetzt.
Mit Gerichtskostenfeststellung vom 28.03.2019 wurden beim Ef. hälftige Gerichtskosten aus einem Streitwert von 5.000,00 € in Höhe von 146,00 € erhoben. Die Zahlung ging am 07.05.2019 ein.
Der Ef. hat am 21.06.2019 Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 28.03.2019 eingelegt. Er sei als Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X von den Gerichtskosten befreit. Verwiesen werde auf den Beschluss des BayLSG vom 24.07.2018, Az. L 12 SF 106/17, sowie vom 19.02.2014, Az. L 7 AS 381/12. Auch habe das BSG in einem Verfahren des Ef. gegen einen Vermieter trotz Klageabweisung Gerichtskosten gemäß Kostenrechnung vom 31.01.2014 im Verfahren B 14 AS 15/13 R erstattet.
Der Erinnerungsgegner (nachfolgend Eg.) hat mit Schriftsatz vom 01.07.2019 vorgetragen, dass der Kostenansatz dem Kostenbeamten obliege. Eine für den Kostenbeamten verbindliche Entscheidung des Gerichts der Hauptsache, dass das Verfahren kostenfrei sei, liege nicht vor. Der genannte Beschluss vom 24.07.2018 betreffe Träger der Sozialhilfe. Der Ef. sei aber kein Träger der Sozialhilfe. Das BayLSG habe bereits mit Beschluss vom 07.11.2017, Az. L 7 SF 55/07 AS, entschieden, dass die Formulierung in § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X, „§ 197a SGG bleibt unberührt“, zur Gerichtskostenpflicht führe.
Der Ef. hat hierzu mit Schriftsatz vom 02.10.2019 ausgeführt, dass er als Träger der Grundsicherung nach § 64 Abs. 3 S. 2 SGB X von den Gerichtskosten befreit sei. Der Verweis auf § 197a SGG meine nicht, dass der Ef. die Gerichtskosten dennoch zu tragen habe; hierzu werde auf die Kommentierung von Roos, in: v. Wulffen/Schütze zu § 64 SGB X verwiesen. Auch werde auf den Beschluss des Thüringer Landessozialgerichts vom 18.03.2015, Az. L 6 SF 71/15 B, hingewiesen.
Die Gerichtsakten zum Verfahren L 15 AS 636/17 lagen vor.
II.
Die Erinnerung ist zulässig und begründet.
1. Eine Erinnerung gemäß § 66 Abs. 1 GKG kann nur auf eine Verletzung des Kostenrechts gestützt werden (vgl. Bundesgerichtshof, Beschlüsse vom 13.02.1992, Az.: V ZR 112/90, und vom 20.09.2007, Az.: IX ZB 35/07; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.06.2006, Az.: VI E 2/06; ständige Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts – BayLSG -, vgl. z.B. Beschluss vom 01.08.2014, Az.: L 15 SF 90/14 E und vom 15.12.2016, Az.: L 15 SF 331/16 E; Hartmann, Kostengesetze, 48. Aufl. 2018, § 66 GKG, Rdnr. 18; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2016, § 66, Rdnr. 13), nicht aber auf die (vermeintliche oder tatsächliche) Unrichtigkeit einer im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidung. Damit ist im Erinnerungsverfahren zwar der Einwand unbeachtlich, das Gericht der Hauptsache habe fälschlicherweise aufgrund von § 197a Abs. 1 SGG die Anwendbarkeit des GKG bejaht und auf dieser Grundlage u.a. einen Streitwertbeschluss nach § 63 GKG erlassen. Eine Verletzung des Kostenrechts kann aber in Hinblick auf eine Gerichtskostenbefreiung des in Anspruch genommenen Kostenschuldners vorliegen, da nach § 2 Abs. 5 S. 1 GKG Kosten auch dann nicht zu erheben sind, wenn sie einem von den Gerichtskostenbeteiligten befreiten Beteiligten auferlegt worden sind (s.a. Thüringer LSG, Beschluss vom 04.05.2018 – L 1 SF 289/16 B).
2. Wegen grundsätzlicher Bedeutung wurde das Verfahren dem Senat übertragen (§ 66 Abs. 6 S. 2 GKG), der ohne die die Mitwirkung ehrenamtlicher Richter entscheidet (§ 66 Abs. 6 S. 3 GKG).
3. Der Ef. ist von der Zahlung von Gerichtskosten im Verfahren L 15 AS 636/17 befreit.
a) Grundsätzlich besteht nach § 197a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 183 SGG für Verfahren L 15 AS 636/17 Gerichtskostenpflicht, da weder der Ef. als Berufungskläger noch die Berufungsbeklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören. Kosten sind nach den Vorschriften des GKG zu erheben.
b) Von der grundsätzlichen Erhebung von Gerichtskosten nach den Vorschriften des GKG gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 GKG zu trennen ist die Frage, ob der Ef. von der Pflicht zur Zahlung der Gerichtskosten befreit ist.
Gemäß § 2 Abs. 3 S. 1 GKG bleiben bundesrechtliche Vorschriften, durch die für Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und den Gerichten der Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit eine sachliche oder persönliche Befreiung von Kosten gewährt ist, unberührt.
Gemäß § 64 Abs. 3 S. 2 HS 1 SGB X in der Fassung vom 23.12.2016 (in Kraft ab 01.01.2020) sind in den Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die Träger der Eingliederungshilfe, der Sozialhilfe, der Grundsicherung für Arbeitsuchende, der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Jugendhilfe und der Kriegsopferfürsorge von den Gerichtskosten befreit. § 64 Abs. 3 S. 2 HS 1 SGB X beinhaltet eine personen- bzw. parteibezogene Gerichtskostenbefreiung (BSG, Beschluss vom 11.06.2008 – B 8 SO 45/07 B (PKH-Beschluss), Rn. 7; Groth, Gerichtskostenfreiheit von Sozialhilfe- und Grundsicherungsträgern im sozialgerichtlichen Verfahren, SGb 2007, 536, 537).
Die Bestimmung in § 64 Abs. 3 S. 2 HS 2 SGB X, dass § 197a SGG unberührt bleibe, bewirkt vor diesem Hintergrund zweierlei: Zum einen bleibt das Verfahren gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 SGG grundsätzlich gerichtskostenpflichtig (BSG, Beschluss vom 28.01.2016 – B 13 SF 3/16 S, Rn. 8; Thüringer LSG, Beschlüsse vom 02.05.2018 – L 1 SF 226/16 B und L 1 SF 292/16 B sowie vom 04.05.2018 – L 1 SF 289/16 B und L 1 SF 291/16 B unter Aufgabe des Beschlusses vom 18.03.2015 – L 6 SF 71/15 B), d.h. gegenüber anderen Beteiligten, die nicht aufgrund besonderer Vorschriften von den Gerichtskosten befreit sind, kann eine Erhebung von Gerichtskosten erfolgen (Stotz, in: jurisPK-SGG, § 197a Rn. 29). Zum anderen sind nach § 197a Abs. 3 SGG die Absätze 1 und 2 für Träger der Sozialhilfe anwendbar, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.
c) Eine Erhebung von Gerichtskosten gegenüber dem Ef. scheidet nach § 2 Abs. 3 und 5 S. 1 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 S. 1 SGB X aus.
Der nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG anwendbare § 2 Abs. 5 S. 1 GKG hindert die Erhebung von Kosten gegenüber Beteiligten, die von den Kosten befreit sind. Die Kostenbefreiung des Ef. ergibt sich aus § 2 Abs. 3 GKG i.V.m. § 64 Abs. 3 S. 1 SGB X. Diese gilt für den Ef. unabhängig davon, dass es sich bei dem Verfahren L 15 AS 636/17 nach § 197a Abs. 1 S. 1 GKG um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren handelte und eine Kostenentscheidung nach § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 1 VwGO sowie eine Streitwertentscheidung nach § 63 GKG zu ergehen hatte. Ein Fall des § 197a Abs. 3 SGG liegt nicht vor, es handelte sich schon nicht um eine Erstattungsstreitigkeit.
Die Gerichtskostenfeststellung vom 28.03.2019 verstößt daher gegen § 2 Abs. 5 S. 1 GKG und war aufzuheben.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Er ergeht gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).


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