Arbeitsrecht

Kündigung wegen Fernbleibens vom Arbeitsplatz zwecks Versorgung eines kranken Hundes

Aktenzeichen  5 Sa 59/16

Datum:
21.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 116129
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 275 Abs. 3, § 612a, § 616

 

Leitsatz

Selbst unterstellt, ein Arbeitnehmer habe bei schwerer Erkrankung eines Haustiers und fehlender anderer Versorgungsmöglichkeit sowie zwingender Versorgungsnotwendigkeit während der Arbeitszeit ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 Abs. 3 BGB, wäre eine Kündigung wegen der Leistungsverweigerung nicht gem. § 612a BGB nichtig, wenn der Arbeitnehmer die das Leistungsverweigerungsrecht begründenden Umstände dem Arbeitgeber nicht zuvor ausdrücklich mitgeteilt hat. (red. LS Ulf Kortstock)

Verfahrensgang

16 Ca 3403/15 2015-12-17 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 17.12.2015, Az.: 16 Ca 3403/15, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2, b, c ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
Die Berufung erweist sich als unbegründet. Im Einzelnen gilt Folgendes:
1. Die Kündigung ist nicht unwirksam auf Grund eines Formverstoßes. Die Beendigung von Arbeitsverhältnissen durch Kündigungen bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 623 BGB). Die Kündigungserklärung muss in einer schriftlich verfassten Urkunde enthalten sein. Gemäß § 126 Abs. 1 BGB ist dafür die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers erforderlich. Soweit der Kläger behauptet, das Kündigungsschreiben vom 10.06.2015 sei nicht durch die Geschäftsführerin unterschrieben, handelt es sich um eine ins Blaue hinein aufgestellte Behauptung, da es der Kläger unterlässt, näher zu erklären, wie er zu dieser Erkenntnis kommt, insbesondere im Hinblick darauf, als von der Beklagten im Prozess erklärt worden ist, dass die Unterschrift von der Geschäftsführerin stamme. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen, dass die Unterschrift auf dem Arbeitsvertrag die der Kündigungserklärung fast ausnahmslos entspricht. Der Kläger hätte daher näher darlegen müssen, warum er die Erkenntnis hat dass die Geschäftsführerin das Kündigungsschreiben nicht unterschrieben habe. Aufgrund der Behauptung ins Blaue hinein liegt damit keine Tatsachenbehauptung vor, die einem Beweis zugänglich wäre. Vielmehr stellt der Kläger eine Mutmaßung an, deren nachzugehen die Erhebung eines Ausforschungsbeweises darstellen würde.
2. Die Kündigung erweist sich auch nicht wegen eines Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612 a BGB als unwirksam.
a) Auch bei Arbeitsverhältnissen bei denen das Kündigungsschutzgesetz nicht zur Anwendung gelangt, gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Bundesverfassungsgericht 27.01.1998 in NzA 1998, 470 ff. sowie des Bundesarbeitsgerichts vom 21.02.2001 in AP Nr. 12 zu § 242 BGB Kündigung) ein durch Art. 12 GG gebotener Mindestschutz des Arbeitnehmers vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Dieser darf zwar nicht dazu führen, dem Arbeitgeber im Ergebnis die nach dem Kündigungsschutzgesetz geltenden Maßstäbe der Sozialwidrigkeit doch wieder aufzuerlegen. Andererseits ist ihm aber sowohl durch zivilrechtliche Generalklausel (§§ 138, 242 BGB) wie auch durch verschiedene Einzelnormen u.a. die sittenwidrige, rechtsmissbräuchliche gesetzeswidrige oder auch sonstige Kündigungen bei der er nicht mindestens ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme wahrt, verwehrt. Hierzu zählt auch die Kündigung, deren Ausspruch gegen das in § 612 a BGB festgelegte Maßregelungsverbot verstößt (BAG vom 23.04.2009 in AP Nr. 40 zu § 611 BGB „Persönlichkeitsrecht“).
b) Nach § 612 a BGB bedarf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Als Maßnahme in diesem Sinne kommt auch der Ausspruch einer Kündigung in Betracht (BAG vom 23.04.2009 a.a.O.). Weiter bedarf es eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Benachteiligung und der Rechtsausübung, wobei die zulässige Rechtsausübung der tragende Beweggrund, d.h. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme sein muss.
Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass § 616 BGB auch solche Fälle umfasst, in denen der Arbeitnehmer sich auch um bei ihm im Haushalt lebende Tiere kümmern muss, wenn diese einer ärztlichen Betreuung bedürften. Hieraus alleine ergibt sich jedoch noch nicht die Unwirksamkeit der Kündigung. § 612 a BGB erfordert wie schon in der Gesetzesüberschrift zum Ausdruck gebracht und wie auch das Bundesarbeitsgericht in der oben genannten Entscheidung fordert eine Maßregelung. Die Wahrnehmung des Rechtes durch den Arbeitnehmer muss der tragende Grund für die Kündigung sein. Demnach ist zu fordern, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber alle Umstände darlegt, die es rechtfertigen, dass der Arbeitnehmer sich zu Recht auf § 616 BGB beruft. Nur wenn der Arbeitgeber die Voraussetzungen des § 616 BGB nachvollziehen kann, unterliegt eine nachfolgende Kündigung dem Maßregelungsverbot. Hierzu wäre allerdings Voraussetzung, dass der Kläger dargelegt hätte, dass er der beklagten Partei nicht nur mitgeteilt hat, dass der Hund erkrankt sei und ärztlicher Behandlung bedürfe, sondern dass er darüber hinaus explizit mitgeteilt hat, dass eine anderweitige Versorgung des Hundes wie z.B. durch seine Lebensgefährtin nicht möglich war. Darüber hinaus hätte der Kläger den Arbeitgeber informieren müssen, dass die medizinische Versorgung zwingend innerhalb der Arbeitszeit zu erfolgen habe und nicht außerhalb der Arbeitszeit möglich ist. Hiervon kann allerdings aufgrund des bisherigen Sachvortrag des Klägers in der 1. Instanz, als auch in der 2. Instanz nicht ausgegangen werden. Die erkennende Kammer hat dem Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 21.07.2016 Gelegenheit gegeben hierzu Stellung zu nehmen. Im Kammertermin hat sich der Kläger lediglich dahingehend geäußert, dass er der Beklagten mitgeteilt habe, dass sein Hund erkrankt sei und dieser daher eine tierärztliche Behandlung benötige. Weitere Erklärungen durch den Kläger erfolgten offensichtlich nicht.
Die Kündigung erweist sich daher nicht unwirksam im Hinblick auf §§ 612 a, 616 BGB. Die Kündigung erweist sich aus den gleichen Gründen auch nicht als sittenwidrig. Insoweit kann auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden.
3. § 1 des Arbeitsvertrages ist auch nicht widersprüchlich und stellt auch keine überraschende Klausel im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB dar. Dabei spielt es keine entscheidende Rolle, ob es sich bei dem Vertragsverhältnis um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis oder ein befristetes Arbeitsverhältnis gehandelt hat. Handelt es sich um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis ist die Vereinbarung einer Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB nicht zu beanstanden. Handelt es sich um befristetes Arbeitsverhältnis im Sinne von § 15 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG kann dieses einer ordentlichen Kündigung unterworfen werden, wenn dies beide Parteien in dem Arbeitsvertrag vereinbaren (§ 15 Abs. 3 TzBfG) In diesem Rahmen ist auch die Kündigung mit der nach § 622 Abs. 3 BGB vorgesehen Kündigungsfrist möglich.
Die Klausel ist weder widersprüchlich noch überraschend, da sie zum einen klar ist und den gesetzlichen Gestaltungsmöglichkeiten entspricht.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97 ZPO.
4. Für die Zulassung der Revision bestand kein gesetzlich begründeter Anlass (§ 72 Abs. 2 ArbGG).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben