Arbeitsrecht

Kürzung der Versorgungsbezüge wegen Versorgungsausgleichs, Irrelevanz von Scheidungsgründen für Versorgungskürzung

Aktenzeichen  3 ZB 20.3078

Datum:
13.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 33583
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 5
BayBeamtVG Art. 92
VersAusglG § 35

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 1 K 20.1368 2020-12-08 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 36.315,31 Euro festgesetzt.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung wendet sich der 1951 geborene Kläger, der mit Ablauf des 31. August 2002 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde, weiter gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge wegen Versorgungsausgleichs nach Art. 92 BayBeamtVG. Das Verwaltungsgericht gab der Klage unter entsprechender Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide teilweise statt, soweit die Versorgungskürzung den Betrag von monatlich 501,03 Euro ab dem 1. März 2018 überschritten hat. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.
Der auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie eines Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Solche sind nur zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen können. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
1.1 Das Verwaltungsgericht führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen des Art. 92 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG vorlagen. Für eine fortdauernde Aussetzung der Kürzung nach dem sog. Pensionistenprivileg gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG in der vor dem 1. September 2009 geltenden Fassung sowie zuletzt gemäß Art. 102 Abs. 2 Satz 1 BayBeamtVG habe ab dem 1. November 2017 keine Rechtsgrundlage mehr bestanden, da ab diesem Zeitpunkt der geschiedenen Ehefrau von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte gewährt worden sei.
§ 35 Abs. 1 VersAusglG eröffne keine Möglichkeit, von der Versorgungskürzung abzusehen. Denn die Voraussetzung der Norm – der Erwerb eines Anrechts, aus dem der Ausgleichspflichtige im Unterschied zu den abgegebenen Anrechten noch keine Leistung beziehen könne – sei nicht gegeben. Denn entsprechend dem Beschluss des Amtsgerichts H. vom 20. November 2019 habe der Kläger im Wege der internen Teilung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund und bei der VBL K. Anrechte erworben, aus denen er seit dem 1. März 2018 auch Leistungen beziehen könne (S. 689 f. sowie S. 673 ff., 692 ff. der Versorgungsakte). Im Zeitraum vom 1. November 2017 bis 28. Februar 2018 habe wiederum bereits die gesetzliche Voraussetzung des „aus einem Versorgungsausgleich erworbenen Anrechts“ nach § 35 Abs. 1 VersAusglG nicht vorgelegen, da während dieses Zeitraums noch die versorgungsausgleichsrechtliche Regelung des Endurteils des Amtsgerichts H. vom 28. September 2004 Wirkung entfaltet habe, in welchem die Anrechte der früheren Eheleute entsprechend dem damals geltenden Recht saldiert worden seien, wodurch der Kläger keine eigenen Anrechte erworben habe. Die Regelung des § 35 Abs. 1 VersAusglG erfülle jedoch allein den Zweck, Nachteile gegenüber dieser früher geltenden Rechtslage auszugleichen und den Ausgleichspflichtigen so zu stellen, als seien die Anrechte im Versorgungsausgleich saldiert und nicht einzeln geteilt worden.
Auch der klägerische Einwand, dass seine Scheidung durch den im Jahre 2001 erlittenen Dienstunfall und die hierdurch hervorgerufene psychische Erkrankung kausal herbeigeführt worden sei, sodass der Beklagte auch für die Scheidungsfolgen einzustehen habe, greife nicht durch. Denn die Versorgungskürzung sei bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 92 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG zwingend, ohne dass Raum für Billigkeitserwägungen – etwa im Hinblick auf die Gründe der Scheidung – bleibe. Überdies werde im deutschen Scheidungsrecht allein auf das Scheitern der Ehe abgestellt (§ 1565 BGB), welches damit vom sog. Zerrüttungsprinzip ausgehe, dessen Charakteristikum es u.a. sei, dass die Gründe für das Scheitern der Ehe, insbesondere ein etwaiges Verschulden, keine Beachtung fänden und folglich auch nicht festgestellt oder gar aufgeklärt werden müssten. Aufgrund der Einheit der Rechtsordnung könnten ein etwaiges Verschulden bzw. bestimmte Verursachungsbeiträge für eine Scheidung auch in anderen Rechtsbereichen – wie etwa vorliegend – keine rechtlichen Konsequenzen zeitigen. Folge einer Scheidung sei vielmehr zwingend die Durchführung eines Versorgungsausgleichs nach Maßgabe des Versorgungsausgleichsgesetzes (§ 1587 BGB), mit der weiteren Folge der Kürzung der beamtenrechtlichen Versorgung nach Art. 92 BayBeamtVG. Vor dem Hintergrund des beschriebenen Zerrüttungsprinzips könne und müsse hier offenbleiben, ob die Scheidung des Klägers ihre Ursache allein in dem Dienstunfall vom 8. März 2001 habe, zumal diese Frage auch im Rahmen des Art. 92 BayBeamtVG keine Tatbestandsvoraussetzung darstelle. Insofern habe auch keine Veranlassung bestanden, den vom Kläger in der Anlage zum Schriftsatz vom 21. September 2020 vorgelegten „Beweisen“ für eine vor dem Dienstunfall angeblich intakte Ehe nachzugehen, was im Übrigen jedoch bereits deshalb äußerst fragwürdig erscheine, da die vormalige Ehefrau des Klägers mit Schreiben an Dr. K. vom 7. Oktober 2001 neben ihrer Hoffnung, die Ehe noch zu retten, auch unmissverständlich klargemacht habe, dass die „Ehe bisher bestimmt nicht leicht gewesen sei“, da ihr Mann „sie oft schlecht behandelt habe“. Für sie bedeute seine Erkrankung, dass sich ihre Lebenssituation „noch mehr verschlechtert“ habe. Dies lasse sich auch nicht durch ärztliche Gutachten widerlegen, zumal es sich hierbei schon nicht um eine medizinische Fragestellung handele. Abschließend sei auch nicht ansatzweise erkennbar, dass den Dienstherrn ein Verschulden an dem Dienstunfall des Klägers, der durch einen rechtswidrigen schuldhaften Angriff eines Schülers herbeigeführt worden sei, oder gar an dessen Scheidung treffe.
1.2 Daran anknüpfend trägt der Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags im Wesentlichen lediglich erneut vor, es wäre ohne den Dienstunfall weder zur Scheidung noch zum Versorgungsausgleich gekommen. Deswegen müsse der Freistaat Bayern aus Billigkeitserwägungen die Kürzung weiterhin aussetzen, da er als Dienstherr die Folgen der Scheidung zu tragen habe. Mit diesem Einwand wiederholt der Kläger alleinig seinen bisherigen Sachvortrag, ohne sich mit den zutreffenden und ausführlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts in der gebotenen Weise substantiell auseinanderzusetzen. Der Kläger befasst sich weder mit der die Entscheidung tragenden Feststellung, dass es an einer rechtlichen Grundlage für sein Begehren fehle (UA S. 8), noch mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 92 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG kein Raum für Billigkeitserwägungen bestehe (UA S. 10).
Soweit der Kläger in seiner Zulassungsbegründung (S. 5) meint, im Zeitraum vom 1. November 2017 bis 28. Februar 2018 habe die gesetzliche Voraussetzung des „aus einem Versorgungsausgleich erworbenen Anrechts“ nach § 35 Abs. 1 VersAusglG nicht vorgelegen, giebt er die Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts (UA S. 9) wieder, stellt diese aber nicht ansatzweise mit schlüssigen Gegenargumenten infrage.
2. Schließlich liegt auch der geltend gemachte Verfahrensfehler (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) in Form eines Verstoßes gegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht vor. Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe es trotz Beweisangebots unterlassen, den vom Kläger in der Anlage zum Schriftsatz vom 21. September 2020 vorgelegten „Beweisen“ für eine vor dem Dienstunfall intakte Ehe nachzugehen und fachärztliche Begutachtungen zum Beweis dieser Tatsachen einzuholen, vermag der Kläger keinen zur Zulassung der Berufung führenden Aufklärungsmangel in Form eines Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO darzutun. Ein Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) grundsätzlich nicht, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat. Die Aufklärungsrüge dient nicht dazu, Beweisanträge zu ersetzen, die ein Beteiligter hätte stellen können, jedoch zu stellen unterlassen hat. Dass ein Beweisantrag – wie vorliegend – nicht gestellt wurde, ist nur dann unerheblich, wenn sich dem Gericht auch ohne ausdrücklichen Beweisantrag eine weitere Ermittlung des Sachverhalts hätte aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 16.3.2011 – 6 B 47.10 – juris Rn. 12). Dies zeigt das Zulassungsvorbringen schon vor dem Hintergrund der fehlenden Entscheidungserheblichkeit (UA S. 10: „Insofern bestand auch keine Veranlassung, … den vorgelegten Beweisen … nachzugehen, …“) nicht auf.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 GKG. Danach ist bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis – wie vorliegend – der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge werden dem Streitwert – außer in Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen – hinzugerechnet. Der Kläger begehrt nach der Teilstattgabe im erstinstanzlichen Verfahren nunmehr im Zulassungsverfahren die Aussetzung der Kürzung seiner Versorgungsbezüge in Höhe von monatlich 501,03 Euro. Daraus ergibt sich zunächst ein dreifacher Jahresbetrag in Höhe von 18.037,08 Euro. Fällig waren ab 1. November 2017 bis zu Klageerhebung folgende weitere Beträge: 2 x 678,60 EUR (in 2017), 2 × 694,55 Euro (vgl. VG-Akte S. 71) und 10 x 501,03 Euro (in 2018), 12 x 501,03 Euro (in 2019) sowie 9 x 501,03 Euro (in 2020 bis zur Klageerhebung). Mithin ergeben sich fällige Beträge in Höhe von 18.278,23 Euro und insgesamt ein Betrag von 36.315,31 Euro, der der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen war.
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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