Arbeitsrecht

Kürzung des Anwärtergrundbetrages, Ausbildungsverzögerung durch Nichtbestehen der Laufbahnprüfung, kein besonderer Härtefall bei Unterhaltsverpflichtung für ein Kind

Aktenzeichen  B 5 K 20.1365

Datum:
28.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 49548
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BBesG § 66 Abs. 1
BBesG § 66 Abs. 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
I.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesverwaltungsamt hat zu Recht das Vorliegen eines Härtefalles nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 BBesG verneint. Auch sonstige rechtliche Bedenken gegen die vorgenommene, in § 66 Abs. 1 BBesG geregelte Kürzung der Anwärterbezüge bestehen nicht (vgl. BVerwG, U.v. 9.3.1989 – 2 C 59/86 – NVwZ 1989, 874; HessVGH, U.v. 28.7.1993 – 1 UE 1210/88 – IÖD 1994, 3).
Nach § 66 Abs. 1 BBesG kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle den Anwärtergrundbetrag auf bis zu 30 Prozent des Grundgehalts, das einem Beamten der entsprechenden Laufbahn in der ersten Stufe zusteht, herabsetzen, wenn der Anwärter die vorgeschriebene Laufbahnprüfung nicht bestanden hat oder sich die Ausbildung aus einem vom Anwärter zu vertretenden Grunde verzögert. Dass der Kläger die vorgeschriebene Laufbahnprüfung nicht bestanden hat, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Die rechtliche Anknüpfung in § 66 Abs. 1 BBesG an den rein tatsächlichen Vorgang des Nichtbestehens der Laufbahnprüfung steht sowohl mit dem Wortlaut als auch mit dem Sinn und Zweck der Regelung in Einklang. Die Kürzung der Anwärterbezüge soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine sparsame Verwendung von Steuermitteln in den Fällen ermöglichen, in denen die reguläre Ausbildungsdauer überschritten wird. Zugleich soll damit der Verwaltung eine zusätzliche Möglichkeit gegeben werden, auf einen baldigen Abschluss der Ausbildung hinzuwirken (vgl. BT-Drs. 7/1906 S. 91). Andererseits soll mit dieser Regelung der zunehmenden Neigung der Dienstherren entgegengewirkt werden, Anwärter, die die Prüfung nicht bestanden haben, eher zu entlassen, als ihnen für die Dauer des verlängerten Vorbereitungsdienstes die vollen Anwärterbezüge weiter zu gewähren (vgl. BT-Drs. 8/1606 S. 19).
Diese Auslegung entspricht auch dem besonderen Zweck des Vorbereitungsdienstes, den Beamten auf Widerruf für den Beruf auszubilden (vgl. § 6 Abs. 4 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes – BBG -, § 10ff. der Bundeslaufbahnverordnung – BLV -), zu dem ihm die Laufbahnprüfung den Zugang eröffnet. Mit der Möglichkeit, die Prüfung abzulegen, ist dieser Zweck erreicht. Die Unterhaltssicherung durch die Gewährung von Anwärterbezügen tritt demgegenüber weit zurück (BVerwG, U.v. 14.11.1985 – 2 C 35/84 -, BVerwGE 72, 207, 211 m.w.N.). Darüber hinaus steht dem Gesetzgeber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. u.a. BVerfG, B.v. 7.7.1982 – 2 BvL 14/78, 2 BvL 2/79, 2 BvL 7/82 – BVerfGE, 61, 43, 62f.; B.v. 15.10.1985 – 2 BvL 4/83 – BVerfGE 71, 39, 50, 52f.) und des Bundesverwaltungsgerichts (u.a. U.v. 10.2.1983 – 2 C 43.81 – Buchholz 235 § 42 Nr. 4 und v. 25.2.1988 – 2 C 65.86 – Buchholz 240.1 Nr. 2 = ZBR 1988, 389) bei Regelungen des Besoldungsrechts eine verhältnismäßig weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Das gilt in besonderem Maße im Hinblick auf Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst, deren Besoldung nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich gewährleistet ist, sondern lediglich eine Hilfe zum Bestreiten des Lebensunterhalts während der Ausbildungszeit darstellt (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 25.11.1982 – 2 C 12.81 – Buchholz 235 § 12 Nr. 2 sowie B.v. 27.3.1985 – 2 B 9.84 – Buchholz 235 § 60 Nr. 1; v. 30.8.1985 – 2 B 49.84 – Buchholz 235 § 62 Nr. 4; v. 15.2.1988 – 2 B 21.88 – Buchholz 240 § 59 Nr. 3; v. 13.6.1988 – 2 B 82.88 – Buchholz 240 § 62 Nr. 5, sowie v. 31.1.1989 – 2 B 2.89). Der Gesetzgeber ist deshalb in diesem Bereich in noch stärkerem Maße als sonst berechtigt, typisierende und generalisierende Regelungen zu treffen. Hieran gemessen begegnet die Vorschrift des § 66 Abs. 1 BBesG und die darin zum Ausdruck kommende Anknüpfung an die bloße Tatsache des Nichtbestehens der Prüfung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (BVerwG, U.v. 9.3.1989, a.a.O.).
Weiterhin ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass im Fall des Klägers ein besonderer Härtefall im Sinne des § 66 Abs. 2 Nr. 2 BBesG nicht zu erblicken ist.
Sind die tatbestandlichen Erfordernisse für eine Kürzung erfüllt, so hat die Behörde nach § 66 Abs. 1 BBesG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Bei der Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens ist es notwendig, für unterschiedliche Sacherhalte auch unterschiedliche Kürzungsbeträge vorzusehen, wie es etwa in den einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu § 66 BBesG geschehen ist. Demensprechend sieht Nr. 66.1.2.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesGVwV) eine Kürzung der Anwärterbezüge um 15 Prozent in der Regel vor, wenn der Anwärter die vorgeschriebene Laufbahnprüfung oder Zwischenprüfung nicht bestanden hat, ohne Genehmigung einer solchen Prüfung ferngeblieben oder von dieser zurückgetreten ist oder aus Gründen, die er zu vertreten hat, das Ziel eines Ausbildungsabschnitts nicht erreicht hat, einen Ausbildungsabschnitt unterbrochen hat oder nicht zur Laufbahnprüfung zugelassen worden ist. Eine Kürzung um 30 Prozent ist nach Nr. 66.1.2.2 BBesGVwV in der Regel vorzunehmen, wenn der Anwärter wegen eines Täuschungsversuchs oder eines Ordnungsverstoßes von der Laufbahnprüfung ausgeschlossen worden ist. Die Grenzen zwischen dem Absehen von einer Kürzung und dem vollen Ausschöpfen des Kürzungsrahmens sind fließend, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sind zu beachten (vgl. HessVGH, U.v. 28.7.1993 – 1 UE 1210/88 – juris, Rn. 25).
Nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 BBesG ist von der Kürzung in besonderen Härtefällen abzusehen. In dieser Vorschrift wird dem Gesichtspunkt der Fürsorge Vorrang eingeräumt, d.h. liegt ein solcher Härtefall vor bzw. tritt er später ein, so ist stets von einer Kürzung abzusehen. Der Begriff des „besonderen Härtefalls“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der objektiv zu beurteilen ist und der dazu dient, atypische Sachverhalte zu erfassen. Die Frage, ob der besondere Härtefall vom Beamten zu vertreten ist oder nicht, ist ohne Belang (vgl. VG Ansbach, U.v. 22.7.2003 – AN 1 K 03.00189 – juris, Rn. 59; OVG MV, U.v. 18.3.2004 – 2 L 309/02 – juris, Rn. 38).
Besondere Härtefälle können sich beispielsweise aus ungewöhnlichen persönlichen oder familiären Problemlagen ergeben, etwa einer längeren schweren Erkrankung des Ehegatten, oder wenn der Beamte durch von ihm nicht zu vertretende Umstände während seiner Ausbildung erheblich beeinträchtigt war (vgl. VG Ansbach, U.v. 22.7.2003 – AN 1 K 03.00189 – juris, Rn. 60 m.w.N.; Reich in: Reich/Preißler, Bundesbesoldungsgesetz, 1. Aufl. 2014, § 66 BBesG, Rn. 5). Demensprechend ist nach Nr. 66.2 der BBesGVwV der Einzelfall daraufhin zu prüfen, ob sich aus dem persönlichen Umfeld des Anwärters – insbesondere aus häuslichen, sozialen oder wirtschaftlichen Gründen – oder aus besonderen Umständen, die der Anwärter nicht zu vertreten hat, während der Ausbildung oder Prüfung ein besonderer Härtefall erkennen lässt.
Derartige Umstände liegen hier nicht vor.
Die Beklagte hat bei der hier in Rede stehenden Kürzung eindeutig eine Ermessensentscheidung getroffen. Das ergibt sich schon daraus, dass sie den gesetzlichen Rahmen für eine Kürzung nicht voll ausgeschöpft hat (vgl. VGH BW, U.v. 27.11.1979 – IV C 2822/77 – juris, Rn. 33). Zudem ist in Rechnung zu stellen, dass § 66 Abs. 1 BBesG eine Kürzung des Anwärtergrundbetrages bis auf 30 Prozent des Grundgehalts, das einem Beamten der entsprechenden Laufbahn in der ersten Dienstaltersstufe zusteht, ermöglicht. Hiervon hat das Bundesverwaltungsamt mit der Kürzung des Anwärtergrundbetrages um 15 Prozent durchaus maßvoll Gebrauch gemacht und im Übrigen den entsprechend der einschlägigen Verwaltungsvorschriften für das Nichtbestehen der Laufbahnprüfung regelmäßigen Kürzungsbetrag in Abzug gebracht.
Darüber hinaus ist die finanzielle Situation des Klägers nicht geeignet, einen besonderen Härtefall zu begründen. Weil dem Anwärter kein Amt im statusrechtlichen Sinn übertragen ist und die Anwärterbezüge als Besoldung nicht zugleich zu Dienstbezügen werden, besteht für den Beamten auf Widerruf auch kein Anspruch auf die sog. „Vollalimentation“. Hinzu kommt, dass es der dem Gesetzgeber eingeräumte weite Regelungsspielraum zulässt, für besondere Statusverhältnisse ein anderes Besoldungsniveau festzulegen als für Lebenszeitbeamte. Im Hinblick darauf, dass während der Zeit des Widerrufsbeamtenverhältnisses die Ausbildung im Vordergrund steht und nur eine sehr eingeschränkte Dienstleistung für den Dienstherrn erbracht wird, gewährt das Gesetz dem Anwärter nur einen auf die besonderen Verhältnisse und insoweit eingeschränkten Unterhalt (vgl. VG München, U.v. 4.2.1992 – M 5 K 91.599 – BeckRS 1992, 31156651).
Die dem Kläger vorliegend verbleibenden Geldleistungen erfüllen auch weiterhin ihre Funktion als anwärterspezifische Unterhaltsleistung. Ausweislich der insoweit unbestrittenen Ausführungen der Beklagtenseite verbleibt dem Kläger auch nach Vornahme der Kürzung ein gesetzliches Netto von rund 1.390,00 Euro. Diese Einkünfte ermöglichen es dem Kläger weiterhin für den zu zahlenden Kindesunterhalt in Höhe von 322,00 Euro aufzukommen. Dass die Beklagtenseite im Rahmen der Prüfung nach § 66 Abs. 2 Nr. 2 BBesG einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt hätte, ist nicht ersichtlich. Zwar macht die Klägerseite geltend, dass das Bundesverwaltungsamt fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass es sich bei dem unterhaltspflichtigen Kind des Klägers um ein gemeinsames Kind mit seiner jetzigen Ehefrau handele, während es tatsächlich aus erster Ehe des Klägers stamme. Dafür bestehen aber nach Aktenlage keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Vielmehr wird im Rahmen des Widerspruchsbescheids ausdrücklich ausgeführt, dass die Unterhaltsverpflichtung für ein Kind nach Art und Höhe nicht ungewöhnlich sei. Darüber hinaus ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagtenseite den Kläger hinsichtlich der Bestreitung des Mietzinses für die Ehewohnung auf die finanzielle Unterstützung seiner vollzeitbeschäftigten Ehefrau verweist. Auch unter Berücksichtigung seiner Kreditverpflichtungen für eine Kfz-Finanzierung unterschied sich die finanzielle Lage des Klägers damit nicht wesentlich von derjenigen anderer Anwärter. Einen Ausnahmefall, der die Bejahung eines besonderen Härtefalles begründen könnte, hat die Beklagte vorliegend nach alledem zur Recht verneint.
II.
Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch die Beklagte vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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