Arbeitsrecht

(Landes) Disziplinarrecht, Aberkennung des Ruhegehalts, Unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst, Fehlende Mitwirkung an polizeiärztl. Untersuchung zur Dienstfähigkeit (Schweigepflichtentbindung, Vorlage von Befunden), Außerdienstliche Straftaten (Betrug, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelten sowie falscher Versicherung an Eides statt)

Aktenzeichen  M 13L DK 18.5284

Datum:
9.5.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11671
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 13
BayDG Art. 14
BeamtStG § 47
BayDG Art. 54
BayBG Art. 65

 

Leitsatz

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Auf die Disziplinarklage des Klägers hin wird auf die Disziplinarmaßnahme der Aberkennung des Ruhegehalts des Beklagten gemäß Art. 13 BayDG erkannt.
I. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens sind weder i.S.v. Art. 53 Abs. 1 BayDG geltend gemacht noch sind solche ersichtlich. Insbesondere ist dem Beklagten jeweils Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt worden.
II. Dem Beklagten wird in der Disziplinarklage folgendes zur Last gelegt:
„1. Im Zeitraum vom 14.03.2013 bis 01.07.2013 bezeichnete der Beklagte sich auf seiner Profilseite im Online-Karriereportal XING.de als staatlich vereidigter Dolmetscher und Übersetzer für die Sprachen Albanisch, Italienisch und Englisch, obwohl er wusste, dass er weder öffentlich bestellt noch beeidigt und damit nicht befugt war, diese Bezeichnung zu führen.
In gleicher Sache wurde der Beklagte mit Urteil des Amtsgericht München vom 27.11.2013 (Az. 821 Cs 125 … …; Bl. 77 ff. d.A1) wegen Missbrauchs von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen gem. § 132a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 25 Euro verurteilt. Die von ihm eingelegte Revision hat das OLG München mit Beschluss vom 11.03.2014 als unbegründet verworfen (Az.: 4 OLG 12 … …; Bl. 67 ff. d.A1). Das Urteil ist seit dem 12.03.2014 rechtskräftig.
2. Der Beklagte war vom 19.10.2013 bis zu seiner Ruhestandsversetzung am 30.04.2016 dienstunfähig erkrankt.
Mit Schreiben der Abteilung Personal, P2/3, vom 13.03.2014 (Bl. 10 f. d.A2), ihm zugestellt am 19.03.2014, wurde der Beklagte gebeten, aktuelle Befundberichte und Behandlungsberichte verschlossen bzw. eine Schweigepflichtentbindungserklärung seines bzw. seiner behandelnden Arztes bzw. Ärzte an das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei, Ärztlicher Dienst, R. Str. 130, … M1., zu Händen Herrn Dr. G., zu übersenden, damit eine zielgerichtete Untersuchung stattfinden könnte.
Der Bitte um eine Schweigepflichtentbindungserklärung hat der Beklagte mit Schreiben vom 28.03.2014 (Bl. 44 f. d.A2) widersprochen. Dabei führte er aus, dass nach seiner Auffassung eine Begutachtung zu diesem Zeitpunkt nicht zielführend sei. Nach Rücksprache mit seinen behandelnden Ärzten sei davon auszugehen, dass seine Dienstfähigkeit in überschaubarer Zeit wieder vollständig hergestellt werden könne. Zudem sei am 07.04.2014 ein Termin zur Begutachtung hinsichtlich des weiteren Behandlungsverlaufs vorgesehen, über den der Beklagte den Dienstherrn spätestens am 08.04.2014 in Kenntnis setzten wollte. Letzteres tat er nicht.
Mit Schreiben der Abteilung Personal vom 22.08.2014 (Bl. 31 ff. d.A2), ihm zugestellt am 29.08.2014, wurde der Beklagte zur Überprüfung seiner Dienstfähigkeit am 04.09.2014 zur polizeiärztlichen Untersuchung bei Herrn Dr. G., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vorgeladen. Er wurde darauf hingewiesen, dass er nach Art. 128 Abs. 1 BayBG i.V.m. § 26 Abs. 1 BeamtStG und Art. 65 BayBG sowie nach der in § 35 Satz 2 BeamtStG normierten Gehorsamspflicht verpflichtet ist, sich auf Verlangen des Dienstvorgesetzten polizeiärztlich untersuchen zu lassen. Ihm wurde ferner erläutert, dass er verpflichtet ist, den Anordnungen des Polizeiarztes Folge zu leisten, d.h. die nach Ansicht des Polizeiarztes erforderlichen Untersuchungen, insbesondere auch eine Labordiagnostik, durchführen zu lassen und vorhandene fachärztliche Befunde vorzulegen bzw. beizubringen, soweit dies der Polizeiarzt für erforderlich hält. Des Weiteren wurde der Beklagte darüber belehrt, dass für den Fall, dass er seiner Verpflichtung nicht nachkommt, der Tatbestand eines Dienstvergehens (§ 47 BeamtStG) erfüllt sein kann.
Der Beklagte wurde gebeten, vorhandene aktuelle Befundberichte seiner behandelnden Ärzte und Atteste (ggf. Facharztbefunde, Krankenhaus/Kur-Entlassungsbericht, OP-Bericht, evtl. Gastroskopiebericht, EKG-Kurven, Röntgenbilder usw.), die im Zusammenhang mit seiner Erkrankung bereits angefertigt wurden, sowie eine Aufstellung über eingenommene Medikamente und eine ggf. vorhandene Brille zur Untersuchung mitzubringen.
Am polizeiärztlichen Untersuchungstermin vom … …2014 um …:30 Uhr erschien der Beklagte, wirkte jedoch nicht mit. Er legte weder Befunde vor noch gab er eine Schweigepflichtentbindungserklärung ab (Bl. 36 ff. d.A2).
Mit Gesundheitszeugnis vom 12.09.2014 (Bl. 36 f. d.A2) stellte der Polizeiarzt fest, dass der Beklagte aufgrund der anhaltenden ausgeprägten nervlichen Angegriffenheit nicht mehr den besonderen gesundheitlichen Anforderungen eines Vollzugsbeamten gerecht wird. Sowohl die aktuelle Dienstfähigkeit als auch die Polizeidienstfähigkeit könnten aufgrund einer anhaltenden Belastungs- und Anpassungsstörung nicht mehr positiv bestätigt werden. Im Zusammenhang mit seiner seit 19.10.2013 bestehenden Fehlzeit, den in der Vorgeschichte deutlich erhöhten Fehlzeiten der letzten Jahre und aufgrund des persönlich gewonnenen Eindrucks sei aus gutachterlicher Sicht nicht mehr davon auszugehen, dass der Beklagte seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate wiedererlangen wird. Von seiner Seite sei die Übermittlung aussagekräftiger Behandlungsberichte bzw. die Erteilung einer Schweigepflichtentbindungserklärung, wie bereits bei der Untersuchung am … …2013, abgelehnt worden. Auch nach wiederholter und ausführlicher Aufklärung über die Untersuchungsumstände durch den Gutachter hätte keine adäquate Kooperation vom Beklagten zur Klärung des Gesundheitszustandes erzielt werden können. Er machte für die aktuelle Arbeitsunfähigkeit eigenanamnestisch diverse körperliche und psychische Gesundheitsstörungen geltend. Aus gutachterlicher Sicht sei die aktuelle privatärztlicherseits attestierte Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichend überprüfbar. Wie bereits am 28.07.2014 mitgeteilt, sei eine entsprechende psychiatrische Begutachtung in Anbetracht der langen Arbeitsunfähigkeit seit dem 13.10.2013 zwingend auf die Kooperation des Gutachtenprobanden und die Vorlage aussagekräftiger Befunde angewiesen.
Der Beklagte habe dem Polizeiarzt mitgeteilt, dass ihm ein Dienstantritt bis auf weiteres nicht möglich sei. Zudem sehe er sich derzeit selbst gesundheitlich nicht in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Des Weiteren teilte der Beklagte mit, dass er eine weitere stationäre Behandlung plante. Zudem habe der Beklagte seit 19.10.2013 bereits mehrere ambulante und stationäre Behandlungen durchgeführt. Inwieweit weitere therapeutische Maßnahmen in diesem Zusammenhang zielführend sein könnten, bleibe dem Gutachter aber verborgen, da Schweigepflichtentbindungserklärungen bzw. aussagekräftige Befunde nicht vorlägen und laut eigenen Angaben auch in Zukunft nicht zur Verfügung gestellt werden würden.
Ebenfalls am …09.2014 meldete der Beklagte sich telefonisch bei der Abteilung Personal, P2/3, und teilte mit, dass er sich am 16.09.2014 wieder in stationäre Behandlung begeben würde (Bl. 66 f. d.A2).
Der Beklagte erklärte, dass das PP … von weiteren Maßnahmen, wie der letzten polizeiärztlichen Untersuchung am 04.09.2014, Abstand nehmen solle, da seine Weiterbehandlung noch etwas andauern würde. Auf den Vorhalt der gleichen Aussage des Beklagten im April 2014 und des Rechts des Dienstherrn, Kenntnis darüber zu erlangen, wie lange eine Arbeitsunfähigkeit fortdauere, ob die derzeitigen Behandlungen ausreichend seien sowie ob fürsorgerische Maßnahmen indiziert seien, antwortete er, dass er über die voraussichtliche Dauer der Behandlung keine Aussagen treffen wolle. Vielmehr teilte er mit, dass er schon viel gearbeitet und nun das Recht habe, sich zu therapieren. Er wollte nicht dem Dienstherrn und dem Polizeiarzt darüber Auskunft geben, wann er in stationärer oder ambulanter Behandlung sei. Es störe ihn, dass sein Dienstherr Kenntnis darüber haben wolle, ob er zu Hause sei oder nicht. Zudem wollte er nicht, dass Berichte über seine detaillierten körperlichen und seelischen Zustände an den Polizeiarzt gelangten.
Mit Schreiben der Abteilung Personal, P2/3, vom …09.2014 (Bl. 64 f. d.A2), ihm zugestellt am 10.10.2014, wurden dem Beklagten die Feststellungen des Gesundheitszeugnisses vom 12.09.2014 mitgeteilt.
Gleichzeitig erhielt er in Anbetracht seiner gesundheitlichen Situation letztmalig Gelegenheit, durch die Vorlage aktueller Befund- und Behandlungsberichte seiner behandelnden Ärzte an einer amtsärztlichen Begutachtung mitzuwirken. Dabei wurde er auf Art. 65 Abs. 2 BayBG hingewiesen, wonach ein Beamter, sofern Zweifel über seine Dienstfähigkeit bestehen, verpflichtet ist, sich nach Weisung des Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen zu lassen und, soweit ein Amtsarzt dies für erforderlich hält, beobachten zu lassen. Im Übrigen wurde der Beklagte darüber belehrt, dass ansonsten im Falle seiner Verweigerung seine Ruhestandsversetzung zu betreiben sei. Er wurde aufgefordert, einen Befundbericht an das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei, Ärztlicher Dienst der Polizei, zu Händen Herrn Dr. G., … Str. …, … M., zu übersenden, der neben der entsprechenden Diagnostik, den bisherigen therapeutischen Maßnahmen und den noch ausstehenden therapeutischen Behandlungen auch Aussagen darüber treffe, ob er derzeit arbeitsfähig, zumindest für den Innendienst, sei bzw. ab wann voraussichtlich mit der Aufnahme von Innendienst (Bürodienst) gerechnet werden könne. Vorsorglich wurde dem Beklagten empfohlen, dieses Schreiben seinen behandelnden Ärzten und dem Sozialdienst des Krankenhauses zu übergeben, bei dem er derzeit in Behandlung ist. Dennoch erfolgte bislang keine Reaktion vom Beklagten auf das Schreiben vom 24.09.2014.
3. Obwohl der Beklagte wusste, dass er verpflichtet ist, im Falle einer länger andauernden Arbeitsunfähigkeit sich unverzüglich (weiter) krank zu melden und spätestens an dem auf das Ende der bisherigen Krankmeldung folgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, hat er hiergegen mehrfach verstoßen:
a. Laut Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 30.07.2014 (Bl. 21 d.A2) war der Beklagte bis einschließlich 08.08.2014 dienstunfähig erkrankt.
Am Freitag, den 08.08.2014, teilte er PHKin … telefonisch mit, dass er sich weiterhin in stationärer Behandlung befände und seine Ärztin erst wieder am Montag, den 11.08.2014, Dienst verrichte (Bl. 22 d.A2).
Der Beklagte vereinbarte deshalb mit PHKin …, von einem anderen Arzt eine Krankschreibung bis Montag, den 11.08.2014, und von seiner behandelnden Ärztin ab Montag, den 11.08.2014, einzuholen. Später am gleichen Tag noch informierte er jedoch den Mitarbeiter im Sachbereich Innendienst der Verkehrspolizeiinspektion Verkehrsunfallaufnahme, POK …, dass der Arzt ihm keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen würde und er bis Montag, den 11.08.2014, warten müsste. Der Beklagte sicherte jedoch zu, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am Montag, den 11.08.2014, an die Dienststelle zu übersenden.
Bis zum 19.08.2014 lag dieser keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von ihm vor, noch hatte er sich telefonisch dort gemeldet. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, mit der er vom 30.07.2014 bis 19.08.2014 krankgeschrieben wurde, war auf den 11.08.2014 datiert, lag der Dienststelle jedoch erst am 22.08.2014 vor (Bl. 23 d.A2).
b. 33 Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 19.08.2014 (Bl. 59 d.A2), nach der der Beklagte bis zum 19.09.2014 weiterhin dienstunfähig erkrankt war, lag dem Dienstherrn bis mindestens 08.09.2014 nicht vor.
c. 34 Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Bl. 68 d.A2), nach der der Beklagte bis zum 13.11.2014 weiterhin dienstunfähig erkrankt war, ging der Dienststelle erst am 17.10.2014 zu, obwohl die vorangegangene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 12.09.2014 (Bl. 61 d.A2) nur bis einschließlich 13.10.2014 galt.
4. Mit Schreiben vom 24.02.2015 (Bl. 83 ff. d.A2) wurde dem Beklagten bezugnehmend auf den unter Ziffer I.2. geschilderten Sachverhalt letztmalig durch die Abteilung Personal, P2/3, die Gelegenheit gegeben, bis zum 20.03.2015 aktuelle aussagekräftige Befund- und Behandlungsberichte seiner behandelnden Ärzte vorzulegen, um damit seiner Mitwirkungspflicht zur Durchführung einer amtsärztlichen Begutachtung nachzukommen.
Diese dienstliche Aufforderung hat der Beklagte bis zu seiner Ruhestandsversetzung nicht befolgt, obwohl er aufgrund des unter Ziffer I.2. geschilderten Sachverhalts seine Pflichten insofern kannte und nochmals mit Schreiben vom 24.02.2015 auf die Pflicht zur Mitwirkung gem. Art. 65 Abs. 2 BayBG hingewiesen wurde.
Zudem wurde dem Beklagten mit Schreiben vom 24.02.2015 das Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom 12.09.2014 übersandt. Darin hält Herr M2. Dr. G. ausdrücklich fest, dass aus gutachterlicher Sicht die ihm privatärztlich ausgestellte Arbeitsunfähigkeit nicht ausreichend überprüfbar sei und eine entsprechende psychiatrische Begutachtung in Anbetracht seiner langen Arbeitsunfähigkeit seit dem 13.10.2013 zwingend auf seine Kooperation und die Vorlage aussagekräftiger Befunde angewiesen sei. Die Übermittlung aussagekräftiger Behandlungsberichte bzw. die Erteilung einer entsprechenden Schweigepflichtentbindung sei jedoch vom Beklagten, wie bereits im Rahmen der Untersuchung am 08.08.2013, erneut am 04.09.2014 im Rahmen der Begutachtung beim Ärztlichen Dienst der Polizei abgelehnt worden. Auch nach wiederholt ausführlicher Aufklärung über die Untersuchungsumstände durch Herrn M2. Dr. G. konnte keine adäquate Kooperation vom Beklagten zur Klärung seines Gesundheitszustandes erzielt werden.
5. Gemäß Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 02.03.2015 (Bl. 92 d.A2), ausgestellt von Frau Dr. med. M., war der Beklagte bis einschließlich 31.03.2015 krankgeschrieben.
Seit dem 01.04.2015 legte er keine weiteren Atteste vor, blieb jedoch dennoch dem Dienst fern und war für seine Dienststelle nur schwer zu erreichen. Am 23.04.2015 um 11:14 Uhr kam zwar ein telefonischer Kontakt zwischen dem Beklagten und seiner Dienststelle zustande (Bl. 96 d.A2). Dabei gab er u.a. an, seit 15.04.2015 in stationärer Behandlung zu sein. Des Weiteren sagte er zu, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem 15.04.2015 sowie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum vom 01.04.2015 bis 14.04.2015 von seiner Hausärztin zusenden zu wollen.
Eine Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erfolgte jedoch entgegen seiner Zusagen bis heute nicht. Zudem ist eine etwaige Arbeitsunfähigkeit vom Beklagten polizeiärztlich weder nachgewiesen noch bestätigt, so dass er seit dem 01.04.2015 bis zu seiner Ruhestandsversetzung am 30.04.2016 vorsätzlich unberechtigt dem Dienst ferngeblieben ist.
6. Mit Schreiben des Polizeipräsidiums M., Abteilung Personal, P 2/3, vom 22.07.2015 (Bl. 129 ff. d.A2) wurde zur Klärung der Dienstfähigkeit des Beklagten eine amts-/polizeiärztliche Untersuchung am 16.09.2015 um 08.30 Uhr angeordnet. Als Ersatztermin wurde der 22.09.2015 um 08.30 Uhr bestimmt. Die Untersuchungsanordnung wurde dem Beklagten am 24.07.2015 zugestellt.
Am 16.09.2015 erschien der Beklagte mit zweistündiger Verspätung beim Ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei, so dass die vorgesehene Begutachtung des Ärztlichen Diensts nicht mehr möglich war und verschoben werden musste (Bl. 145 d.A2).
Aufgrund der Nichteinhaltung des Untersuchungstermins vom 16.09.2015 hatte der Beklagte den Ersatztermin am 22.09.2015 wahrzunehmen. Dieser Termin wurde auf seine Bitte hin in Absprache zwischen dem Beklagten und Dr. G. auf 09.30 Uhr verschoben. An diesen Termin wurde der Beklagte mit Schreiben vom 16.09.2015 (Bl. 145 d.A2), ihm zugestellt am 19.09.2015, seitens des Polizeipräsidiums M., Abteilung Personal, P 2/3, nochmals erinnert. Er erschien jedoch nicht zu dem Untersuchungstermin (Bl. 154 d.A2).
Mit Schreiben des Polizeipräsidiums M., Abteilung Personal, P 2/3, vom 05.10.2015 (Bl. 156 ff. d.A2) wurde ein weiterer Ersatztermin am 14.10.2015, 09.00 Uhr, angeordnet. Die Untersuchungsanordnung wurde dem Beklagten am 10.10.2015 zugestellt. Zum Untersuchungstermin erschien er nicht (Bl. 160 d.A2).
Bei keiner der drei angeordneten Untersuchungen erfolgte die Nichteinhaltung des Untersuchungstermins entschuldigt, obwohl der Beklagte mit Schreiben vom 22.07.2015 (Bl. 129 ff. d.A2) und vom 05.10.2015 (Bl. 156 ff. d.A2) insofern ausdrücklich über seine Pflichten belehrt und auf dienstrechtliche Folgen im Falle der Nichtbeachtung hingewiesen worden war.
7. Mit Urteil des Amtsgerichts München vom 25.09.2017 (Bl. 238 ff. d.A1), rechtskräftig seit 16.02.2018, wurde der Beklagte wegen Betrugs in Tatmehrheit mit zwei tatmehrheitlichen Fällen des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in Tatmehrheit mit falscher Versicherung an Eides statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten (Einzelstrafen: Ziffer 7.a Freiheitsstrafe von 8 Monaten; Ziffer 7.b jeweils Geldstrafe von 15 Tagessätzen; Ziffer 7.c Geldstrafe von 100 Tagessätzen), ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt (Az.: 124 Js 217481/15).
Hintergrund sind folgende Sachverhalte:
a. Der Beklagte war bis zum 26.05.2014 Mitgeschäftsführer der Firma K. B. GmbH.
Nachdem er bereits als Geschäftsführer der Firma ausgeschieden war, meldete er sich im Dezember 2014 bei dem Insolvenzverwalter für den Verein Polizeiheim S. eingetragener Verein, … 2, … München. Über das Vermögen des Vereins wurde am 01.12.2014 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Beklagte teilte dem Insolvenzverwalter … P. mit, dass er als Geschäftsführer der K. B. GmbH im Namen der Firma K. B. GmbH handeln würde und am Abschluss eines Pachtvertrages für das Polizeiheim S. Interesse hätte. Der Zeuge P. ging davon aus, dass diese tatsächlich falschen Angaben vom Beklagten der Wahrheit entsprechen würden.
Es wurde ein Pachtvertrag für den 04.12.2014 bis zum 31.03.2015 mit einem monatlichen Pachtzins i.H.v. 2.000 € netto ausgehandelt. Zusätzlich sollte eine Kaution von 15.000 € geleistet werden. Diese Konditionen bestätigte der Beklagte am 04.12.2014, obwohl er wusste, dass er nicht mehr befugt war, für die Firma K. B. GmbH Verträge einzugehen.
Im Vertrauen auf die Zahlungsbereitschaft und Zahlungswilligkeit der Firma K. B. GmbH und vom Beklagten wurden ihm bereits am 04.12.2014 der Schlüssel zum Vereinsheim übergeben. Tatsächlich leistete er, da er von Anfang an wusste, dass durch ihn die Firma K. B. GmbH nicht wirksam verpflichtet werden konnte, wie von Anfang an beabsichtigt keinerlei Zahlungen auf den Pachtvertrag. Auch die Kaution wurde vom Beklagten nicht entrichtet.
Es entstand zulasten des Vermögens des Vereins Polizeiheim S. bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Heim wieder herausgegeben wurde, ein Schaden von 9.289,67 €, was dem Pachtzins vom 04.12.2014 bis zum 31.03.2015 entspricht.
b.  Für den Betrieb des Berggasthofes stellte der Beklagte wiederum irreführend im Namen der K. B. GmbH am 01.12.2014 bis 31.01.2015 die Zeugin A. als Servicekraft ein. Es wurde ein Nettolohn von 1.500 € vereinbart. Allerdings führte der Beklagte als Arbeitgeber keine Sozialleistungen ab und meldete die Zeugin A. auch nicht an. Dies erfolgte vielmehr erst durch den wirklichen Geschäftsführer R. Ende Januar 2015, als dieser von diesem Sachverhalt Kenntnis erlangte. Je Monat hätten 459,11 € verbeitragt werden müssen, also eine Gesamtsumme von 918,22 €.
Der Beklagte war wiederum nicht befugt, Arbeitnehmer für die K. B. GmbH einzustellen. Gegenüber der Zeugin A. betonte er zudem, dass er persönlich den Gasthof führen würde.
c. Der Beklagte gab am 18.04.2016 die eidesstattliche Versicherung, Geschäftsnummer des AG München 74 … … ab. Im Vermögensverzeichnis gab er entgegen der tatsächlichen, ihm bekannten Umstände an, dass er kein Erwerbsgeschäft führen würde. Auch aus der Kategorie „sonstige Ansprüche“ ergab sich kein Erwerbsgeschäft.
Tatsächlich hatte der Beklagte jedoch am 01.05.2015 das Gewerbe „L.“ in die Handwerksrolle eintragen lassen. Er war als Handwerker tätig und hatte hierdurch Einkünfte.
So stellte der Beklagte am 16.02.2016 der K. GbR zwei Rechnungen für Leistungen bis zum 05.02.2016 über 4.150 € und für Leistungen bis zum 21.01.2016 über 1.250 € aus. Im Namen der Firma K. wurden auch am 30.03.2016 an den Beklagten 137,50 € für seine Tätigkeit überwiesen. Auf diesen Rechnungen bat der Beklagte um Zahlung des Betrags auf sein Konto bei der Sparkasse München, IBAN DE8370.695*
Dieses Konto hatte der Beklagte bei der eidesstattlichen Versicherung jedoch ebenfalls nicht angegeben.
Auch von anderen Personen erhielt er Zahlungen, so von der Zeugin W. auf die Rechnung Nr. 11 am 29.02.2016 einen Betrag von 436,97 € und vom Zeugen K. am 21.03.2016 einen Betrag von 1.850 €.
Am Tag der eidesstattlichen Versicherung erhielt der Beklagte auf eine Rechnung gegenüber dem Zeugen R. (Rechnungsdatum 01.04.2016) einen Betrag von 1.067,50 €.
Das Tagesentgeldsaldo für das Konto IBAN DE9070.416, das auf der eidesstattlichen Versicherung angegeben worden war, betrug am 18.04.2016 754,91 € und nicht wie vom Beklagten angegeben „ca. 58 €“.
Der Beklagte wusste damit, dass die von ihm getätigten Angaben in der eidesstattlichen Versicherung falsch waren.“
IV. Hinsichtlich des Sachverhalts unter III. 1. wurde das Disziplinarklageverfahren mit Beschluss vom 9. Mai 2022 in der mündlichen Verhandlung gemäß Art. 54 BayDG beschränkt, so dass die darin zur Last gelegten Handlungen nicht weiter Gegenstand sind. Auf die Beschlussbegründung in der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2022 wird Bezug genommen.
V. Der dem Beklagten in der Disziplinarklage im Übrigen zur Last gelegte Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts fest.
Hinsichtlich des Sachverhaltskomplex 7. besteht gemäß Art. 55, 25 Abs. 1 BayDG Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen im – in der Disziplinarklage zutreffend wiedergegebenen – Urteil des Amtsgerichts München.
In den übrigen Sachverhaltskomplexen ergibt sich der Sachverhalt aus den vorgelegten Akten des Polizeipräsidiums M..
Insbesondere liegen nach Aktenlage ab dem 1. April 2015 keine ärztlichen Atteste mehr vor. Es kann insoweit dahinstehen, ob dem Bescheid vom 26. August 2015 über den Verlust der Bezüge nach Art. 9 BayBesG nach Art. 25 Abs. 2 BayDG eine Indizwirkung zukommt (vgl. hierzu die Erwägungen des BVerwG vom 21.4.2016 – 2 C 13/15 – juris Rn. 12 ff. zur – von Art. 25 BayDG in Bezug auf eine Bindungswirkung abweichende – Regelung in § 14 LDG BW, dass vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zumindest eine Belehrung über die Bindungswirkung erforderlich ist).
Der Beklagte ist den Vorwürfen zudem weder im Disziplinarverfahren noch im Klageverfahren substantiiert entgegengetreten. Dem in der mündlichen Verhandlung erhobene pauschalen Vorwurf, der Kläger habe schon im Strafverfahren nur die belastenden Umstände ermittelt, war – auch angesichts der Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen im Strafurteil – nicht weiter nachzugehen. Offenkundig vermischt der Beklagte die Rolle der Polizei als Hilfsorgan der Staatsanwaltschaft bei der Strafverfolgung und die Rolle als Dienstherr. Dafür, dass der Kläger als Dienstherr gezielt und einseitig im Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ermittelt und für das Verfahren wesentliche Umstände nicht ermittelt habe, sind keine Anhaltspunkte für das Gericht ersichtlich.
VI. Der Beklagte hat durch den ihm vorstehend zur Last gelegten Sachverhalt ein einheitliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG während seiner Zeit als aktiver Beamter begangen, das auch noch disziplinarisch verwertet werden kann (Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 a) BayDG).
1. Durch das unter 7. dargestellte Verhalten hat der Beklagte als Beamter auf Lebenszeit außerdienstlich gegen seine Pflicht zur Beachtung der Gesetze nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 266a Abs. 1, 156 StGB begangen und sich dadurch ansehens- und vertrauensschädigend i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verhalten.
Aufgrund der jeweiligen Strafandrohung bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren ist das unter Nr. 7. zur Last gelegte außerdienstliche Verhalten von disziplinarischer Relevanz im Sinne von § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG (vgl. std. Rspr.; BVerwG, B.v. 18.6.2014 – 2 B 55/13 – juris Rn. 11 m.w.N.).
2. Mit dem dem Beklagten unter III. 2., 4. und 6. zur Last gelegten Verhalten verstieß er gegen seine Gehorsamspflicht gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG und die Mitwirkungspflicht nach Art. 128 Abs. 1 Satz 3 BayBG i.V.m. § 26 Abs. 1 BeamtStG, Art. 65 Abs. 2 BayBG im Zusammenhang von Dienst(un) fähigkeitsprüfungen, indem er nicht hinreichend an der polizeiärztlichen Untersuchung mitwirkte.
Dabei stellt sich nicht nur als pflichtwidrig dar, am 22. September 2015 und 14. Oktober 2015 nicht bzw. am 16. September 2015 verspätet zum jeweils rechtmäßig angeordneten Untersuchungstermin zu erscheinen.
Auch im Übrigen wirkte er entgegen seiner Pflicht nach Art. 65 Abs. 2 BayBG nicht hinreichend mit bzw. kam im Zusammenhang mit der angeordneten Untersuchung ergangenen Weisungen nach Art. 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nicht nach. So unterließ es der Beklagte, entgegen der Weisung, u.a. im Schreiben vom 22. August 2014, dem Polizeiarzt entsprechende Befundberichte oder Atteste der ihn behandelnden Ärzte im Zusammenhang mit der vorliegenden Erkrankung vorzulegen oder eine entsprechende Schweigepflichtentbindung abzugeben.
Insofern kann dahinstehen, ob sich die Mitwirkungspflicht unmittelbar als sog. minus aus der Pflicht des Art. 65 Abs. 2 BayBG, sich untersuchen zu lassen, aus der allgemeinen dienstrechtlichen Treuepflicht oder aus den hierzu explizit ergangenen Weisungen in den genannten Schreiben des Dienstherrn ergibt (vgl. a. VGH Mannheim, B.v. 7.8.2008 – 4 S 1068/08 – beck-online). Die dienstrechtliche Treuepflicht umfasst insoweit auch die Verpflichtung, an der für die Durchführung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs erforderlichen Klärung des eigenen Gesundheitszustands mitzuwirken und dazu beizutragen, seinen Dienstvorgesetzten die Überzeugung zu vermitteln, dass er dienstfähig ist (VGH Mannheim, a.a.O.). Die gebotene Mitwirkung kann insoweit auch die Verpflichtung einschließen, einen behandelnden Privatarzt gegenüber dem Amtsarzt von seiner Schweigepflicht zu entbinden (VGH Mannheim, a.a.O.). Ein Beamter ist daher – jedenfalls für den Fall einer entsprechend ausdrücklichen Aufforderung durch seinen Dienstherrn – nicht nur verpflichtet, sich im Rahmen einer amts- und polizeiärztlichen Prüfung der Dienstfähigkeit ärztlich untersuchen und beobachten zu lassen, sondern auch, hierfür die geforderten Unterlagen behandelnder Ärzte mitzubringen oder aber eine geforderte Entbindung von der Schweigepflicht der behandelnden Ärzte dem Amts- bzw. Polizeiarzt gegenüber zu erteilen (vgl. auch Baßlsperger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern – Kommentar, Stand März 2020 Bd. II, Art. 65 BayDG Rn. 7e).
Wegen des grundrechtlich verbürgten Rechts auf informationelle Selbstbestimmung muss jedoch auch die Anordnung, behandelnde Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, rechtlichen Anforderungen genügen, insbesondere notwendig sein, die Dienstfähigkeit abschließend beantworten zu können (VGH Kassel, B.v. 15.3.2012 – 1 A 2521/18 – beck-online Rn. 77 m.w.N.). Der beauftragte Amtsarzt muss also ohne Kenntnis der vorangegangenen Krankheitsgeschichte außer Stande sein, die Dienstfähigkeit vollständig beurteilen zu können (Sächs. OVG, B.v. 17.11.2015 – 3 BS 164/05 – beck-online). Sodann stellt sich vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die Frage nach dem notwendigen Umfang der Schweigepflichtentbindung (VGH Kassel, a.a.O. Rn. 78).
Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Untersuchungsanordnung und genannten Aufforderungen zur Schweigepflichtentbindung bzw. Vorlage von ärztlichen Befunden im Zusammenhang damit sind vorliegend nicht ersichtlich. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung erklärte, über seine Dienst(un) fähigkeit habe auch ohne die Schweigepflichtentbindung entschieden werden können, sein Dienstvorgesetzter und die Personalabteilung hätten von seinem psychischen Zustand Kenntnis gehabt, ist dem nicht zu folgen. Etwaige einzelne Angaben des Beklagten seinem Dienstvorgesetzten oder der Personalabteilung gegenüber reichen in keiner Weise aus, insbesondere nicht im Spektrum psychischer Erkrankungen, hinreichend das Vorliegen einer Dienst(un) fähigkeit festzustellen. Der Polizeiarzt hat insoweit vorliegend ausdrücklich mehrfach darauf hingewiesen, dass die entsprechende psychiatrische Begutachtung zwingend auf die Kooperation des Gutachtenprobanden und die Vorlage aussagekräftiger Befunde angewiesen sei (vgl. Schreiben vom 28.7.2014 und 12.9.2014).
3. Das unter III. 3. zur Last gelegte Verhalten stellt einen Verstoß gegen Art. 95 Abs. 1 BayBG i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 UrlV vom 24. Juni 1997 in der bis 31. Dezember 2017 gültigen Fassung i.V.m. Pkt. 3a) des polizeilichen Merkblatts und damit einen Verstoß gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bzw. die Gehorsamspflicht nach § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dar.
4. Durch das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst im Zeitraum vom 1. April 2015 bis zur Ruhestandsversetzung zum Ablauf des 30. April 2016 hat der Beklagte gegen seine allgemeine Dienstleistungspflicht aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG gehandelt sowie seine Pflicht gemäß Art. 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG zur Befolgung dienstlicher Anordnungen verletzt. Zudem stellt die Nichtvorlage ärztlicher Atteste einen Verstoß gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BayBG, § 21 Abs. 2 UrlV in der damals geltenden Fassung dar. Auf diese Vorgaben war der Beklagte durch das Merkblatt für neue Dienstkräfte unter B. 3. a) zudem ausdrücklich hingewiesen worden. Gleichzeitig ist ein solches Verhalten ansehens- und vertrauensschädigend, vgl. § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG.
a) Bei tatsächlicher Dienstunfähigkeit kann der Vorwurf unerlaubten Fernbleibens vom Dienst zwar entfallen. Die bloße Behauptung des Beamten insoweit reicht dafür jedoch nicht aus. Vielmehr steht die unterbliebene Vorlage entsprechender Atteste entgegen der gesetzlichen Verpflichtung einer solcher Annahme entgegen (vgl. BVerwG, U.v. 12.11.2020 – 2 C 6/19 – juris Rn.20 zur fehlenden amtsärztlichen Feststellung nach entsprechender Anordnung; VG München, U.v. 17.12.2021 – M 13L DK 18.4442 – UA Rn. 12 – noch nicht veröffentlicht)). Hat der Beamte entsprechende Atteste über seine Erkrankung und Dienstunfähigkeit nicht gemäß der Vorgaben der UrlV oder jeweiliger Einzelfallanordnungen vorgelegt, so kann er sich nicht durch Berufung auf eine Dienstunfähigkeit vom Vorwurf unerlaubten Fernbleibens entlasten. Die vorangegangene Befassung des Polizeiarztes, u.a. mit Stellungnahme vom 12. September 2014, reicht dabei nach Auffassung des Gerichts nicht aus, Aussagen über den fraglichen Zeitraum zu treffen, mit der Folge, im fraglichen Zeitpunkt von einer Dienstunfähigkeit auszugehen.
b) Dem steht nicht entgegen, dass die fehlende Mitwirkung an der Dienst(un) fähigkeitsprüfung gemäß Art. 65 BayBG i.V.m. Art. 128 BayBG zur Fiktion der Dienstunfähigkeit führen kann. Der auf den ersten Blick bestehende Widerspruch, in Situationen wie vorliegend würde dann einerseits die Dienstunfähigkeit eines Beamten – zum Zwecke der Ruhestandsversetzung – angenommen, gleichzeitig aber – zum Zwecke der Verlustfeststellung von Bezügen bei unerlaubtem Fernbleiben vom Dienst – hingegen dessen Dienstfähigkeit, ist durch eine klare zeitliche und auch rechtliche Zäsur aufzulösen. Bis zum Eintritt der Fiktion der Dienstunfähigkeit nach Art. 65 BayBG ist mangels entsprechender Atteste von einer noch fortbestehenden Dienstfähigkeit auszugehen, mit der Folge eines unerlaubten Fernbleibens vom Dienst. Erst nach Eintritt der Fiktionswirkung und darauf beruhender Ruhestandsversetzung entfällt der Vorwurf unerlaubten Fernbleibens.
c) Selbst aber bei Annahme, der Beklagte wäre wegen Dienstunfähigkeit – u.a. angesichts einer Stellungnahme des Polizeiarztes vom 12. September 2014 – nicht unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben, hätte er sich dienstpflichtwidrig verhalten, da er nachhaltig seiner Verpflichtung zur Vorlage von ärztlichen Attesten nicht nachkam, sondern ein Jahr nicht nur dem Dienst fernblieb, sondern sich gänzlich seinem Dienstherrn entzog, die Frage der Dienst(un) fähigkeit zu klären.
d) Ergänzend wird auf die Ausführungen in der Begründung des bestandskräftigen Bescheids vom 26. August 2015 über den Verlust der Bezüge wegen schuldhaften Fernbleibens vom Dienst gemäß Art. 9 BayBesG Bezug genommen und von einer wiederholenden Darstellung abgesehen.
5. Der Beklagte handelte jeweils schuldhaft. Anhaltspunkte für Schuldausschließungs- oder Rechtsfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.
VII. Das (einheitliche) Dienstvergehen nach Art. 47 Abs. 1 BeamtStG wiegt derart schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 BayDG, dass ein endgültiger und vollständiger Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten eingetreten ist. Wäre der Beklagte noch im Dienst, wäre er aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Folglich ist ihm als Ruhestandsbeamten das Ruhegehalt i.S.v. Art. 13 BayDG abzuerkennen, Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG. Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, seinem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten des Beklagten als Gesichtspunkte der Maßnahmebemessung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG wäre bei einem aktiven Beamten die Höchstmaßnahme auszusprechen.
Der Maßnahmebemessung liegen dabei die in Art. 14 BayDG genannten und in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, U.v. 28.7.2021 – 16a D 19.989 – beck-online Rn. 83 f.) bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13 BDG (U.v. 29.5.2008 – 2 C 59.07 – juris; U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 61; U.v. 18.1.2017 – 16a D 14.1992 – juris Rn. 34) entwickelten Kriterien zugrunde.
1. Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist die Schwere des Dienstvergehens, wobei von der schwersten Dienstpflichtverletzung auszugehen ist.
a) Das unerlaubte Fernbleiben vom Dienst vom 1. April 2015 bis zum 30. April 2016 bildet dabei als innerdienstliche Dienstpflichtverletzung den Schwerpunkt.
Der Rechtsprechung folgend, ist bei einem unerlaubten Fernbleiben vom Dienst über den hier vorliegenden Zeitraum von über einem Jahr deutlich von der Höchstmaßnahme auszugehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.4.2002 – 1 D 17.01 – beck-online). Dies gilt nach Auffassung des Gerichts auch dann, wenn dem Beklagten (nur) fahrlässiges Verhalten und nicht Vorsatz zur Last gelegt würde, weil er sich selbst für dienstunfähig gehalten haben mag.
In der Disziplinarklage hat der Kläger hierzu zutreffend zusammengefasst und zitiert: Grund für diese disziplinäre Beurteilung ist, dass das Gebot, überhaupt zum Dienst zu erscheinen, Grundpflicht eines jeden Beamten ist. Ohne die Dienstleistung ihrer Mitarbeiter könnte die Verwaltung die ihr gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben nicht erfüllen. Verweigert ein Beamter den Dienst für einen längeren Zeitraum oder wiederholt – auch für kürzere Zeitspannen -, so ergibt sich die Notwendigkeit, das Beamtenverhältnis einseitig zu lösen, regelmäßig schon aus der Dauer der Dienstverweigerung sowie aus dem Umstand, dass das Erfordernis der Dienstleistung und damit die Bedeutung ihrer Unterlassung für jedermann leicht zu erkennen ist. Setzt sich der Beamte gleichwohl über diese Erkenntnis hinweg, offenbart er ein so hohes Maß an Pflichtvergessenheit und an fehlender Einsicht in die Notwendigkeit eines geordneten Dienstbetriebs, dass in aller Regel seine Entfernung aus dem Dienst die Folge sein muss (vgl. BVerwG, Urteil v. 18.05.1994 – 1 D 79-93, VG Berlin, Urteil v. 11.09.2012 – 85 K 10.11 OB, juris, Rn. 51 ff.).
Selbst wenn der Auffassung gefolgt würde, wegen einer nicht auszuschließenden Dienstunfähigkeit sei der Tatbestand des unerlaubten Fernbleibens vom Dienst nicht erfüllt, käme den Dienstpflichtverletzungen im Rahmen der Verhinderung einer ordnungsgemäßen Dienst(un) fähigkeitsprüfung ein entsprechend vergleichbares Gewicht zu, da dieses Verhalten dann kausal und ausschlaggebend wäre, ob dem Beamten ein Vorwurf des unerlaubten Fernbleibens zu machen wäre oder nicht. Hierbei handelte der Beklagte jedenfalls vorsätzlich.
Bei der im Übrigen gebotenen Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls kommt der Frage, wie stark die psychische Konstitution des Beklagten auf dessen Dienstpflichterfüllung eingewirkt hat, keine wesentlich mildernde Bedeutung zu. Schließlich hat der Beklagte über einen sehr langen Zeitraum in seiner leicht einsehbaren Kernpflicht vollständig versagt, dem Dienstherrn im Rahmen des Beamtenverhältnisses zu ermöglichen zu prüfen, ob er dienstfähig sei oder nicht. Dafür, dass der Beklagte schon nicht einsichtsfähig oder steuerungsfähig vergleichbar § 21 StGB gewesen wäre, liegen keine Anhaltspunkte vor.
b) Das außerdienstliche vorsätzliche Fehlverhalten wiegt ebenso sehr schwer.
Der Strafrahmen eröffnet hier bereits einen Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50/13 – juris Rn. 15 ff.), der konkrete Strafausspruch mit zehn Monaten Freiheitsstrafe spricht für die Ausschöpfung dieses Rahmens unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls (vgl. zur Bedeutung des Strafausspruchs: BVerwG, a.a.O. Rn. 18). Im Strafurteil wird ausgeführt, es sei dem Beklagte darauf angekommen, sich in Höhe des monatlichen Pachtzinses zu bereichern und sich durch die Tat eine Einnahmequelle von gewissem Umfang und gewisser Dauer zu eröffnen. Es sei ein hoher Schaden eingetreten. Zu Gunsten sei zu berücksichtigen, dass die Taten bereits lange zurücklägen und der Beklagte zum Tatzeitpunkt erheblich psychisch beeinträchtigt gewesen wäre.
2. Der Schwere des Dienstvergehens stehen keine gewichtigen Milderungsgründe gegenüber.
a) Der Beklagte ist sowohl strafrechtlich als auch disziplinarisch bereits – teilweise einschlägig – vorbelastet. Weder das Strafverfahren noch die disziplinarische Ahndung haben dem Beklagten hinreichend zur Pflichtenmahnung gedient.
Das knappe Persönlichkeitsbild vom 19. September 2016 zeichnet ebenso kein für den Beklagten günstiges Bild. Auch die vorangegangenen ausführlichen Persönlichkeitsbilder vom 10. April 2012 und 11. Juni 2013 sind nicht geeignet, mildernde Wirkung zu entfalten. Hierin sind bereits deutlich Verhaltensweisen und Grundhaltungen beim Beklagten beschrieben, die sich in den zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen niederschlage, z.B. seiner Haltung seinem Dienstherrn und Weisungen gegenüber, der Vorlage geforderter Unterlagen etc.. Positiv zu bemerken ist aber unter anderem das dem Beklagten bescheinigte über dem Durchschnitt liegende Fachwissen. Eine – vorliegend nicht gegebene – langjährige pflichtgemäße Dienstausübung wäre – selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen – für sich genommen regelmäßig aber nicht geeignet, derartige Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09. 3029 – juris Rn. 96).
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte zudem deutlich zum Ausdruck gebracht, welche Einstellung er gegenüber dem Dienstherrn und insbesondere der Personalabteilung hat. Erkennbar besteht seitens des Beklagten keinerlei Vertrauen in seinen Dienstherrn, vielmehr hat er schwerwiegende Vorwürfe erhoben, die strafrechtlichen Verurteilungen seien zu Unrecht aufgrund Einflussnahme des Klägers erfolgt. Vor dem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwieweit die Allgemeinheit oder der Dienstherr noch ein Restvertrauen in den Beklagten setzen könnten, der sich durch sein Verhalten über einen sehr langen Zeitraum vollständig seines Dienstherrn entzogen hatte.
b) Die beim Beklagten während des Dienstvergehens bestandene – und auch vom Strafgericht in Bezug genommene – Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit kann den Beklagten angesichts der sehr schweren und nachhaltigen, aber derart leicht einsehbaren Kernpflichtverletzung und den ständigen Hinweisen der Personalabteilung nicht durchgreifend entlasten.
c) Letztlich ist auch die Dauer des Disziplinarverfahrens nicht geeignet, sich durchgreifend mildernd auszuwirken. Der Verbleib im Beamtenverhältnis allein aufgrund einer zu langen Verfahrensdauer ist nicht mit dem Zweck des Disziplinarrechts vereinbaren, nämlich dem Schutz der Integrität des Berufsbeamtentums und der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, wenn die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass wegen eines schwerwiegenden Dienstvergehens die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen es aus, dass ein Beamter, der durch gravierendes Fehlverhalten im öffentlichen Dienst untragbar geworden ist, gleichwohl weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn hoheitliche Befugnisse ausüben kann, weil das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat (BVerwG, B.v. 12.7.2018 – 2 B 1.18 – juris Rn. 9). Bei mittlerweile im Ruhestand befindlichen Beamten gilt dies entsprechend für die Aberkennung des Ruhegehalts. Eine Fortführung der Alimentierung ist nicht hinnehmbar, wenn ein Beamter einen vollständigen Vertrauensverlust wegen Dienstpflichtverletzungen zu einer aktiven Zeit erlitten hat. Ein solcher wird durch zeitliches Fortschreiten nicht wiederhergestellt.
VIII. Die Aberkennung des Ruhegehalts als Höchstmaßnahme ist insoweit auch verhältnismäßig. Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten stehen dem nicht entgegen. Es ist der Allgemeinheit gegenüber nicht vertretbar, dass der Dienstherr dem Beklagten weiterhin Ruhegehalt zahlt, obwohl der Beklagte ihn über seine Dienstfähigkeit im Unklaren lässt. Aufgrund des vollständigen Vertrauensverlusts der Allgemeinheit und des Dienstherrn in den Beklagten ist die Aberkennung des Ruhegehalts geeignet, erforderlich und auch angemessen, um auf das sehr schwere Dienstvergehen zu reagieren.
IX. Ergänzend wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Klageschrift verwiesen und von einer wiederholenden Darstellung abgesehen.
X. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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