Arbeitsrecht

Leistungen, Schadensersatz, Behinderung, Schlussrechnung, Untersagung, Werklohn, Vergabeverfahren, Frist, Ersatzvornahme, Anlage, Eintragung, Feststellung, Wirksamkeit, Ausschreibung, erbrachte Leistungen, Aufhebung der Ausschreibung, Zahlung von Werklohn

Aktenzeichen  2 O 16039/18

Datum:
28.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50340
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Gründe

A) Die Widerklage ist im Hauptantrag zulässig, aber unbegründet. Der Hilfsantrag ist schon unzulässig. Die Widerklage war deshalb durch Teilurteil abzuweisen.
I. Der Widerklage-Hauptantrag ist zulässig.
Insbesondere liegen die besonderen Voraussetzungen für eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO vor. Die Beklagte begehrt in einem anhängigen Verfahren Feststellung eines Rechtsverhältnisses, von dessen Bestehen bzw. Nicht-Bestehen die Entscheidung des übrigen Rechtsstreits (teilweise) abhängig ist.
Die Beklagte begehrt mit ihrem Antrag die Feststellung eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO. Unter Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache zu verstehen. Darunter sind auch einzelne auf einem umfassenderen Rechtsverhältnis beruhende Ansprüche oder Rechte zu verstehen, nicht dagegen einzelne Vorfragen. Auch ein Kündigungsgrund kann das Rechtsverhältnis darstellen, wenn die Kündigung selbst bereits zu bestimmten Rechtsfolgen führt. Dies ist bei § 8 Abs. 3 VOB/B und § 8 Abs. 1 VOB/B der Fall (vgl. BGH, Urt. v. 7.3.2013 – VII ZR 223/11 = NJW 2013, 1744). Die Widerklage bezieht sich also im Hauptantrag auf ein Rechtsverhältnis.
Auch die weiteren Voraussetzungen von § 256 Abs. 2 ZPO sind erfüllt. Insbesondere besteht Vorgreiflichkeit. Die begehrte Feststellung muss sich dafür nach der obergerichtlichen Rechtsprechung grundsätzlich auf einen Gegenstand beziehen, der über den der Rechtskraft fähigen Gegenstand des Rechtsstreits hinausgeht. Es ist allerdings ausreichend, wenn Vorgreiflichkeit für mehrere selbstständige Ansprüche aus dem Rechtsverhältnis besteht, mögen die klageweise geltend gemachten Ansprüche auch in ihrer Gesamtheit die Ansprüche erschöpfen, die sich aus dem Rechtsverhältnis überhaupt ergeben können. Das gilt für selbständige Ansprüche im Rahmen einer Klage, aber auch für selbständige Ansprüche aus Klage und Widerklage (vgl. BGH, a.a.O.) Insoweit muss Vorgreiflichkeit hier bejaht werden. Es kommt nämlich nicht nur für die klageseits geltend gemachten Vergütungsansprüche, insbesondere wegen nicht-erbrachter Leistungen, auf die Frage der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung der Beklagten an, sondern auch für die ihr von behaupteten und als überschießend geltend gemachten Gegenansprüche wegen Mehrkosten der Fertigstellung.
Dass die Kammer bei Entscheidung über die Zwischenfeststellungswiderklage nicht zwingend über das Bestehen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes entscheiden muss, ist unerheblich. Die Zulässigkeit der (Zwischenfeststellungs-)Klage kann nicht vom gerichtlich gewählten Begründungsweg abhängig sein (vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2007 – VII ZR 27/06 = NJW-RR 2008, 262). Im Übrigen erfolgt durch eine Entscheidung über die Zwischenfeststellungsklage zudem in jedem Fall eine Klärung über die an den Kündigungsgrund geknüpfte Rechtsfolge.
II. Der Widerklage-Hauptantrag ist unbegründet.
Die Kündigung vom 3.7.2018 hat das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht wirksam beendet. Auf das Bestehen eines Kündigungsgrundes kommt es dabei nicht an. Die Kündigung konnte hier weder als außerordentliche Kündigung, noch als ordentliche Kündigung Wirkung entfalten. Sie ist schon aus formalen Gründen nach § 174 S. 1 BGB unwirksam.
Nach § 174 S. 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft eines Bevollmächtigten unwirksam, wenn der Bevollmächtigte keine Vollmacht vorlegt und der Erklärungsempfänger das Rechtsgeschäft deswegen unverzüglich zurückweist. Auch eine Genehmigungsmöglichkeit besteht danach nicht mehr (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 78. Aufl. § 174 Rn. 6).
Auf das tatsächliche Bestehen einer Vollmacht des Erklärenden kommt es dabei ebensowenig an wie auf die Rechtsnatur der Vollmacht. Dass es sich um eine Erklärung handeln muss, die nach den Umständen für einen Dritten abgegeben wird, ist selbstverständlich, hat aber für die Anwendung von § 174 BGB unmittelbar keine Bedeutung. Dass dies offensichtlich der Fall war, wie die Beklagte anführt, spielt hier deshalb bei der Prüfung von § 174 BGB keine Rolle.
1. Das Schreiben vom 4.8.2017 ist als Zurückweisung im Sinne von § 174 S. 1 BGB anzusehen.
Erforderlich dafür ist ein Verhalten, aus dem sich ergibt, dass die empfangene Erklärung wegen des fehlenden urkundlichen Nachweises der Bevollmächtigung zurückgewiesen wird. Die Zurückweisung (nur) aus anderen Gründen genügt nicht. Das Vorbringen weiterer Einwände schadet dagegen nicht (vgl. Paland-Ellenberger, BGB, a.a.O. § 174 Rn. 4, § 109 Rn. 5). Nicht erforderlich ist auch, dass die Nicht-Vorlage einer Vollmachtsurkunde ausdrücklich gerügt wird oder ausdrücklich eine Zurückweisung erklärt wird. Die Zurückweisung kann sich insbesondere auch daraus ergeben, dass die Vertretungsmacht als solche in Frage gestellt wird (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2012 – V ZB 5/12)
Insoweit ist hier von einer Zurückweisung auszugehen. Die Klägerin hat die „fehlende Vollmacht“ der Kündigungserklärenden gerügt. Im Hinblick auf das Fehlen einer Vollmachtsurkunde muss dies bei Berücksichtigung der Parteiinteressen so verstanden werden, dass jedenfalls auch beanstandet wird, dass kein Nachweis einer Vollmacht durch Vorlage einer Vollmachtsurkunde vorliegt. Vollmacht meint hier offensichtlich (jedenfalls auch) Vollmachtsurkunde. Die Beklagte hat die Erklärung der Klägerin erkennbar auch in diesem Sinne verstanden. In ihrer Erwiderung auf die Zurückweisung geht sie nicht auf eine Vollmachtserteilung ein, sondern auf den Nachweis der Vollmacht in Form des Organisationsplans.
Dass die Klägerin hilfsweise von einer freien Kündigung ausgegangen ist und immer noch ausgeht, steht dieser Auslegung nicht entgegen. Primär hat die Klägerin die Kündigungserklärung zurückgewiesen.
2. Die Zurückweisung ist als unverzüglich anzusehen. Die Reaktion auf die schriftliche Kündigung vom 3.8.2017 erfolgte bereits am 4.8.2017 und damit ohne schuldhaftes Zögern im Sinne von § 121 BGB.
3. § 174 S. 1 BGB ist vorliegend auch anwendbar. Es liegt kein Fall einer gesetzlichen oder organschaftlichen Vertretungsmacht vor, für welche § 174 S. 1 BGB nicht gilt. Die Unterzeichnerin der Kündigung ist unstreitig kein organschaftlicher Vertreter. Staatliche Verwaltungsregelungen, wie sie die Beklagte hier ins Feld führt, begründen auch keine gesetzliche Vertretungsmacht, so dass § 174 BGB insoweit grundsätzlich anwendbar bleibt (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 78. Aufl. § 174 Rn. 4).
Die vorliegende Situation kann auch nicht mit einer organschaftlichen Vertretungsmacht verglichen werden. Dass die Unterzeichnerin im Organigramm der … die Anlage K22 aufgeführt wird und dieses im Internet abrufbar ist, genügt nicht. Die Herausnahme der organschaftlichen Vertretung aus dem Anwendungsbereich findet seine sachliche Grundlage darin, dass die von § 174 BGB vorausgesetzte Unsicherheit über die Berechtigung zur Vornahme der Handlung nicht besteht, weil die organschaftliche Vertretung mit einer Eintragung in einem öffentlichen Register verbunden ist (insoweit bejaht der BGH, Urteil vom 9.11.2001 – LwZR 4/01, die Anwendung von § 174 BGB beim vertretungsberechtigten Gesellschafter der GbR). Bei einer Darstellung über den Aufbau eines Unternehmens oder einer Behörde wie einem Organigramm besteht eine solche Sicherheit aber nicht. Abgesehen davon enthält das Organigramm wie Anlage K22 auch gerade keine Angaben zu den Vertretungsbefugnissen der aufgeführten Personen.
4. Auch § 174 S. 2 BGB ist nach Auffassung der Kammer nicht einschlägig.
Nach § 174 S. 2 BGB ist eine Zurückweisung nach S. 1 ausgeschlossen, wenn der Empfänger von der Bevollmächtigung in Kenntnis gesetzt worden ist. Eine solche Benachrichtigung ist hier unstreitig nicht erfolgt.
Allerdings wird es in der Rechtsprechung und Literatur teilweise für ausreichend erachtet – und darauf beruft sich die Beklagte -, wenn der als Vertreter Auftretende eine Position bekleidet oder eine Tätigkeit ausübt, die in der Regel mit der Vollmacht für das einseitige Rechtsgeschäft verbunden ist, und der Geschäftsgegner davon Kenntnis hat (vgl. BAG, Urteil vom 20.9.2006 – 6 AZR 82/06; … BGB, 78. Aufl. § 174 Rn. 7). Dieser Fall soll dem § 174 S. 2 BGB gleichgesetzt werden.
Die Kammer schließt sich dieser Auffassung dem Grunde nach an. Allerdings muss nach hiesigem Dafürhalten sichergestellt sein, dass eine solche Ausnahme im Einklang mit dem Zweck des § 174 S. 1 BGB steht, dass der Empfänger einer einseitigen Willenserklärung gerade nicht nachforschen müssen soll, welche Stellung der Erklärende hat und ob damit das Recht zur Kündigung verbunden zu sein pflegt (so auch BAG a.a.O.). Es genügt daher nicht, dass der Vertreter eine Position innehat, die üblicherweise zu Erklärungen wie der vorgenommenen befugt. Zu fordern ist auch, dass der Erklärungsempfänger ohne Weiteres Klarheit über die Position des Vertreters hat und auch diesbezüglich keine Nachforschungen anstellen muss (unklar insoweit … a.a.O.). Der Gesetzgeber stellt grundsätzlich auf das Inkenntnissetzen durch den Vertretenen und damit ein Tätigwerden des Vertretenen ab. Im Zweifel soll eine bestehende Unsicherheit durch ihn beseitigt werden, weil ihm dies unschwe – durch die einfache Vorlage einer Vollmachtsurkunde – möglich ist.
Jedenfalls deshalb muss vorliegend eine Anwendung von § 174 S. 2 BGB ausscheiden. Die Klägerin kannte die Stellung der Unterzeichnerin der Kündigung bei der Abgabe der Erklärung der Kündigung nicht. Sie ergab sich auch nicht aus der Kündigungserklärung selbst. Ausgewiesen war die Unterzeicherin dort nur als „Ltd. Regierungsdirektorin“. Es war dabei auch die erste Erklärung der Unterzeichnerin in der laufenden Vertragsbeziehung der Parteien. Insbesondere war die Klägerin deshalb auch nicht durch die Unterzeichnung des Auftragsschreibens als in Kenntnis gesetzt anzusehen. Weder war dieses von der gleichen Person unterzeichnet, noch führen die unterzeichnenden Personen auch nur die gleiche Dienstbezeichnung. Der Auftrag war von dem „Ltd. … unterzeichnet.
Insoweit kann letztlich offen bleiben, ob die von der Beklagten vertretene Auffassung, man könne aus der Stellung der Unterzeichnerin der Kündigungserklärung als Leiterin der Abteilung Recht/Grunderwerb, wie sie sich aus dem Organigramm ergibt, ableiten, dass sie üblicherweise zur Kündigung bezüglich (wohl) sämtlicher Auftragsverhältnisse der … berechtigt sei, zutreffend ist. Die Kammer neigt aber auch insoweit dazu, der Beklagten nicht zu folgen. Es zeigt sich zwar in der Darstellung durchaus eine ranghohe Position der Unterzeichnerin der Kündigung. Welche Aufgaben der Unterzeichnerin der Kündigung im Einzelnen übertragen sind, ergibt sich aber gerade nicht aus dem Organigramm. Insbesondere ist völlig unklar, wie die Kompetenzen zwischen den verschiedenen Abteilungen verteilt sind. Das Organigramm musste für die Klägerin bei genauerer Betrachtung sogar eher Zweifel aufwerfen. Der Leitende Baudirekt …, der das Auftragsschreiben unterzeichnet hat (unterzeichnen musste?), hat offensichtlich eine höhere Stellung als die Unterzeichnerin der Kündigung, da er zugleich Vertreter des Präsidenten der … ist. Auch insoweit bestand im Grunde also genau die Unklarheit, auf welche sich der Erklärungsempfänger nach der Wertung des § 174 BGB nicht einlassen muss.
5. Das Verhalten der Klägerin kann auch nicht als treuwidrig angesehen werden. Dass die Klägerin vor der Kündigung über Monate mit Mitarbeitern der … kommuniziert hat, ohne deren Bevollmächtigung zu hinterfragen und eine Vollmachtsurkunde anzufordern, lässt die Zurückweisung auch nicht im Ansatz als treuwidriges Verhalten erscheinen. Es waren andere Mitarbeiter und es ging um andere Inhalte.
III. Der Widerklage-Hilfsantrag ist bereits unzulässig.
Die Frage der Beendigung eines Vertrags durch eine (ordentliche) Kündigung betrifft zwar ein Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32, Auflage, § 256 ZPO, Rn. 4).
Es bestehen allerdings Bedenken, ob die Vorgreiflichkeit gewahrt ist.
Jedenfalls hat die Beklagte aber kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass das Vertragsverhältnis zwischen ihnen beendet ist und (falls keine außerordentliche Kündigung der Beklagten vorliegt) abzurechnen ist, wie wenn durch die Beklagte ordentlich gekündigt wurde. Durch eine Entscheidung über den Hilfsantrag wird insoweit keine weitergehende Klärung des Streits herbeigeführt.
IV. Über die Widerklage war durch Teilurteil nach § 301 ZPO zu entscheiden.
Die Widerklage war entscheidungsreif, der Rechtsstreit im Übrigen bedarf dagegen einer (umfangreichen) Beweisaufnahme.
Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen besteht nicht. Die Widerklage ist als Zwischenfeststellungswiderklage teilurteilsfähig (vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2005 – IX ZR 162/04 = NJW 2006, 915). Durch die Zwischenfeststellung wird das abgeurteilte Rechtsverhältnis für den Streit zwischen den Parteien insgesamt geklärt.
B) Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten. Dementsprechend war auch eine Entscheidung über eine vorläufige Vollstreckbarkeit nicht veranlasst.


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