Arbeitsrecht

Minderung des Reisepreises bei Veränderung des Ankunftsflughafens und Notwendigkeit eines Bahntransfers

Aktenzeichen  132 C 1229/19

Datum:
22.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RRa – 2019, 163
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 651g Abs. 3 S. 2, § 651m
ZPO § 495a

 

Leitsatz

Die Veränderung des Ankunftsflughafens und die damit aufgrund eines notwendig werdenden Bahntransfers einhergehende Verlängerung der Reisezeit um sechseinhalb Stunden berechtigen zu einer Minderung des Reisepreises, die pro Stunde verlängerter Reisezeit 7,5% des Reisetagespreises beträgt. Die Vorverlegung der Abreisezeit in die frühen Morgenstunden mit einer Beeinträchtigung der Nachtruhe des letzten Urlaubstages berechtigt zu einer weiteren Minderung um 25% des Reisetagespreises.   (Rn. 7 – 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 65,08 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.12.2018 zu zahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 132,86 Euro festgesetzt

Gründe

A.
Eine Sachentscheidung ist zulässig. Die Klage ist am Wohnsitz der Beklagtenpartei erhoben, die Klageforderung hält sich im Rahmen der Zuständigkeit des Amtsgerichts. Es wurde im vereinfachten Verfahren verhandelt. Mündliche Verhandlung war nicht beantragt. Die Parteien waren darauf hingewiesen worden, dass das Gericht nach Ablauf von Schriftsatzfristen bei Entscheidungsreife nach Sachlage entscheiden kann.
Nach Sachlage besteht inzwischen Entscheidungsreife. Der letzte Vergleichsvorschlag des Gerichts wurde von Beklagtenseite nicht angenommen.
B.
In der Sache ist die Klage teilweise begründet.
I. Die Entscheidung richtet sich wegen der Buchung nach dem 01.07.2018 nach aktuellem Reisevertragsrecht. Dann war der Reisepreis um den ausgesprochenen Betrag gemäß § 651g Abs. 3 S.2 i.V.m. § 651m BGB gemindert: Die Abänderung des Rückflugs stellte eine erhebliche Änderung wesentlicher Eigenschaften der Rückreise dar, schon weil der Ankunftsflughafen abgeändert wurde. Die dann vereinbarte Ersatzrückreise ist im Vergleich zur ursprünglich geschuldeten nicht von mindestens gleichwertiger Beschaffenheit, da die Rückreise statt ca. 2h dann ca. 8 – 9 h dauerte und in den frühen Morgenstunden begann.
Dass der Reisenden dem zugestimmt hatte, führt nicht zu einer Gleichwertigkeit der vereinbarten Reisen: Selbst wenn der Reisende so auch für die Hinreise über einen Fly& Rail-Gutschein verfügte und so auch bei Hinreise kostenlos zum Flughafen vor Ort anreisen konnte, macht dies die Rückreise weder kürzer noch weniger beschwerlich. Von außen betrachtet wird dem Reisenden so nur die Notwendigkeit genommen, u.U. nach Rückreise nochmal beim Flughafen vor Ort vorbei zu fahren, um dort sein Auto abzuholen, und trägt der Gutschein für die Hinreise nur dazu bei, die Beschwerlichkeit der Rückreise nicht noch weiter zu erhöhen. Dass der Reisende die Rückfahrt vom falschen Flughafen zum richtigen Flughafen ersetzt bekommt, ist reiserechtlich eine Selbstverständlichkeit.
1. Die Höhe der Minderung ergibt sich dann zum einen durch die Annahme einer Minderung von 7,5% des Reisetagespreises für jede Stunde, die die Reise länger dauern musste und wegen des mehrfachen Wechsels des Reisemittels beschwerlicher war.
Ein Ansatz von nur 5% hält das Gericht nicht für angezeigt, da es sich nicht um eine bloße Verspätung handelte, bei der man dann typischerweise am Flughafen und damit mit erheblicher Bewegungsfreiheit mit Warten beschäftigt ist. Anders als von Beklagtenseite gesehen kommt deswegen auch eine Übertragung der Rechtsprechung, dass eine Verzögerung im Flugreiseverkehr um bis zu 4 h hinzunehmen sei und bloße Unannehmlichkeit darstelle, nicht in Betracht: Betroffen war der Transport als solches, bei dem typischerweise erhebliche Bewegungseinschränkungen gegeben sind. Durch die neue Reisevereinbarung verzögerte sich nicht nur die Rückreise, sondern unausweichlich wurde der Aufenthalt im Beförderungsmittel deutlich länger und die Reise damit deutlich beschwerlicher.
Deswegen ist nur die Dauer abzuziehen, die die Reise ursprünglich ohnehin gedauert hätte. Die sich ergebende Differenz ist dann, wenn sie nicht unerheblich ist, voll anzusetzen. Das Gericht setzt für diese Differenz im konkreten Fall 6 1/2 h an, da nicht sicher absehbar war, ob ein Bus im öffentlichen Nahverkehr zum Bahnhof auf die Minute genau ankommen und deswegen der nächste Zug erreicht würde oder ein Zug eine Stunde später genommen werden müsste, so dass diese Unsicherheit als Nachteil eine teilweise Berücksichtigung rechtfertigt.
2. Die Höhe der Minderung ergibt sich dann zum zweiten durch die Vorverlegung der Abreise in die frühen Morgenstunden, die so auch die Nachtruhe vom letzten Urlaubstag auf den Abreisetag erheblich beeinträchtigte. Da mit der Zeit, die man sich vor Abflug einzufinden hat und dem Zeitaufwand des Transports vom Hotel zum Flughafen auch nicht unerheblich Zeiten betroffen waren, die als Kernnachtzeit anzusehen sind, rechtfertigt dies eine weitere Minderung um 25%.
Bei einem Tagesreisepreis von 88,25 Euro beläuft sich dies in der Summe dann auf den zugesprochenen Betrag.
II. Eine Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit ist nicht begründet. Die Vertragsveränderung führt dazu, dass nur § 651m BGB gilt, nicht aber § 651k BGB, so dass nur Minderung in Betracht kommt, nicht aber Schadensersatz.
III. Ein Ersatz von Aufwendungen zur schnelleren Rückreise ist nicht begründet. Wenn man sich mit einer Vertragsänderung einverstanden erklärt, gilt dann die neue Vereinbarung, so dass auch eine eigene Abhilfe zur Herstellung des alten Erfolgs ausscheidet.
IV. Die Voraussetzungen dafür, dass der Reisende herausgefordert war, sofort einen Anwalt einzuschalten sind nicht vorgetragen. Die Nebenforderung ist unbegründet.
C.
Die Kostenfolge ergibt sich aus dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen, § 92 Abs. 1 S1 ZPO.
D.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich wegen der Höhe des in der Hauptsache zugesprochenen Betrags (nicht über 1.250 Euro) nach §§ 708 Nr.11. Eine Schutzanordnung nach § 711 ZPO unterbleibt, da die für die Statthaftigkeit einer Berufung erforderliche Beschwer (s.o.) nicht erreicht ist, § 713 ZPO.
E.
Der Streitwert ergibt sich aus dem von der Klagepartei verfolgten wirtschaftlichen Interesse und damit aus der Höhe der Klageforderung bei Einleitung des Verfahrens (§ 3 ZPO)


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