Arbeitsrecht

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen.

Aktenzeichen  3 BV 121/20

Datum:
13.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 6521
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1, § 82 Abs. 1, § 100 Abs. 1
BetrVG § 76, § 81 Abs. 1 Nr. 10

 

Leitsatz

1. Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung der Mitglieder einer Einigungsstelle wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn diese offenkundig unzuständig ist. Dies ist dann der Fall, wenn ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen. Das Mitbestimmungsrecht soll die Angemessenheit des innerbetrieblichen Lohngefüges und seine Transparenz gewährleisten. Das Mitbestimmungsrecht erfasst alle geldwerten Leistungen, bei denen die Bemessung nach bestimmten Grundsätzen oder nach einem System erfolgt. Auch bei diesen soll das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit sicherstellen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle der Beteiligten mit dem Regelungsgegenstand „Long-Term-Incentives“ wird Herr G. G., G. G. Konfliktmanagement GmbH in J-Stadt, bestellt.
2. Die Anzahl der von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzer wird auf 2 festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten zu 2) und 3) unterhalten in A-Stadt einen Gemeinschaftsbetrieb mit ca. 590 Mitarbeitern und stellen Hörgeräte her. Der Antragsteller ist der für den Gemeinschaftsbetrieb errichtete Betriebsrat.
Bis 2016 war die Beteiligte zu 2) die Muttergesellschaft der H. Pte Ltd mit Sitz in Singapur. Nunmehr ist die Beteiligte zu 2) die Tochtergesellschaft der Beteiligten zu 3), die Beteiligte zu 3) die Tochtergesellschaft der H. Pte Ltd. Mehrheitseigner der H. Pte Ltd ist der Investor I..
I. unterhält Bonusprogramme für Mitarbeiter ihrer verschiedenen Portfoliounternehmen mit dem Ziel gewinnbringender Unternehmensveräußerungen, so auch für die H. Pte Ltd und ihre Konzernunternehmen. Im Jahr 2015 ließ sich I: durch den Vorstandsvorsitzenden der H. Pte Ltd verschiedene Positionen im Konzern benennen, welche strategisch von hervorgehobener Bedeutung und erfolgskritisch seien. Bei den Beteiligten zu 2) und zu 3) wurden insgesamt 12 solcher Positionen ermittelt. Den damaligen Stelleninhabern bot die H. Pte Ltd die Teilnahme am sog. Exit-Bonus-Programm an. Der Exit-Bonus, auch als „Long Term Incentive“ bezeichnet, wurde fällig, wenn I. in den folgenden 3 bis 5 Jahren ihre Unternehmensanteile gewinnbringend veräußert (mit einem Veräußerungserlös, der den Kapitaleinsatz mindestens um das Dreifache übersteigt) oder ein Börsengang erfolgt. Ein beispielhaft vorgelegtes Angebotsschreiben vom 06.05.2015 führt in der Kopfzeile die H. Pte Ltd auf, daneben als Kontakt das „Department HR“ mit einer Telefonnummer mit Erlanger Vorwahl.
Es lautet auszugsweise:
„Mit ihrer Unterstützung möchte die J.-Gruppe durch die Umsetzung und Realisierung des Full Potential Plans („FPP“) ihr volles Potential freisetzen. (…) Dabei spielen Ihre Fähigkeiten und Ihr Tätigkeitsbereich eine entscheidende Rolle bei der Erreichung der von uns angestrebten Ziele.
Die Umsetzung des FPP verlangt natürlich ein Ausmaß an Einsatz und Engagement, das über den normalen Umfang Ihrer Beschäftigung hinausgeht. (…)“
Im Übrigen wird auf den Inhalt des Schreibens vom 06.05.2015 Bezug genommen (Anlage AG1, Bl. 66 ff. d.A.).
Im Jahr 2019 trat mit Gründung einer neuen Muttergesellschaft der H. Pte Ltd die Voraussetzung für die Zahlung des Exit-Bonus‘ ein. Im März 2019 sowie im März 2020 zahlten die Beteiligten zu 2) und 3) sodann jeweils einen Exit-Bonus an insgesamt 11 Beschäftigte aus, wobei diese 11 Beschäftigten nicht deckungsgleich mit den im Jahr 2015 benannten Stelleninhabern sind.
Ein Informationsbegehren des Antragstellers zu den Details der Sonderzahlung lehnten die Beteiligten zu 2) und zu 3) zunächst ab. Sodann ließ der Antragsteller mit E-Mail vom 10.07.2020 den Beteiligten zu 2) und 3) weitere Fragen übermitteln, welche diese mit E-Mail vom 17.07.2020 beantworteten (Anlagen ASt 1 und 2, Bl. 5 ff. d.A.). Mit Beschluss vom 19.08.2020 erklärte der Antragsteller die Verhandlungen für aussichtslos und gescheitert. Mit Schreiben vom 13.10.2020 forderte der Antragsteller die Beteiligten zu 2) und zu 3) auf, sich mit einer Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand „Long-Term-Incentive“ einverstanden zu erklären, was diese mit Schreiben vom 16.10.2020 ablehnten (Anlagen ASt. 3 und 4, Bl. 11 ff. d.A.).
Der Antragsteller hält hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Boni das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG für einschlägig. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es sich um ein Bonusprogramm der I. oder der H. Pte Ltd handele. Die Tatsache, dass in den Angebotsschreiben ausdrücklich auf die persönlichen Fähigkeiten der jeweiligen Mitarbeiter Bezug genommen worden sei, spreche für eine entsprechende Mitwirkung der Beteiligten zu 2) und zu 3), da nur diese über entsprechende Kenntnisse verfügt hätten. Gleiches gelte für den Umstand, dass die Erlanger Personalabteilung in den Schreiben genannt sei. Im Übrigen reiche es auch ohne unmittelbare Mitwirkung der Beteiligten zu 2) und zu 3) aus, wenn wenigstens die Möglichkeit bestanden habe, auf die Auswahlentscheidung und die Vergabekriterien einzuwirken. Das Mitbestimmungsrecht sei nicht davon abhängig, ob ausländische Gesellschafter des Arbeitgebers über den Kopf der Geschäftsführer hinweg Leistungen an die Arbeitnehmer gewährten.
Ein kollektiver Tatbestand sei unabhängig von der Zahl der Begünstigten gegeben, weil es um die Lohngerechtigkeit gehe und nicht um individuelle Besonderheiten der einzelnen Arbeitsverhältnisse. Es stehe dem Mitbestimmungsrecht auch nicht entgegen, dass die Leistungen bereits vor Beteiligung des Betriebsrats erbracht wurden, insbesondere sei es in Kauf zu nehmen, dass ggf. der ursprünglich vorgesehene Dotierungsrahmen überschritten werde.
Er beantragt,
1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle der Beteiligten mit dem Regelungsgegenstand „Long-Term-Incentives“ wird Herr G. G., G. G. Konfliktmanagement GmbH in J-Stadt, bestellt.
2. Die Anzahl der Beisitzer je Seite der Einigungsstelle wird auf drei Beisitzer festgesetzt.
Die Beteiligten zu 2) und zu 3) beantragen,
den Antrag zurückzuweisen, und tragen hierzu vor, ein Mitbestimmungsrecht komme unter keinem denkbaren Aspekt in Betracht, weshalb die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig sei. Zunächst sei nach dem Territorialitätsprinzip schon deutsches Betriebsverfassungsrecht unanwendbar, weil die mitbestimmungsrelevanten Entscheidungen nicht vom deutschen Arbeitgeber getroffen worden seien.
Bei der Ausreichung der Boni hätten die Beteiligten zu 2) und zu 3) weder eine Mitentscheidungs- noch Budgetkompetenz gehabt, sondern – nur zwecks korrekter Versteuerung – als bloße Zahlstelle der Konzernmutter fungiert. Die Boni seien bestimmten Positionen und nicht Personen zugeordnet worden, wobei die Geschäftsführung der Beteiligten zu 2) und zu 3) zu keinem Zeitpunkt an der Auswahlentscheidung beteiligt worden sei. Der Verweis aus „persönliche Fähigkeiten“ im Angebotsschreiben sei standardisiert erfolgt, zumal der Vorstandsvorsitzende der H. Pte Ltd sämtliche Begünstigte aufgrund ihrer herausgehobenen Bedeutung persönlich gekannt habe. Eine Erlanger Telefonnummer sei im Schreiben genannt worden, weil im Erstellungszeitpunkt dort die globale Personalabteilung angesiedelt gewesen sei. Dass im Jahr 2015 die H. Pte Ltd unter der Beteiligten zu 2) „aufgehängt“ gewesen sei, habe nur steuerliche Gründe gehabt; die Berichtslinie sei schon damals umgekehrt gewesen. Ähnlich wie im Fall der Gewährung von Aktienoptionen durch eine ausländische Konzerngesellschaft seien damit auch hier mangels eigener Entscheidungskompetenz des deutschen Arbeitgebers eine Regelungsmöglichkeit und damit ein Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen.
Zudem liege kein kollektiver Tatbestand vor. Die verfahrensgegenständlichen Boni beträfen nur knapp 2% der Mitarbeiter, welche individuell ausgewählt worden seien. Damit sei die Zahlung nicht von allgemeinen Merkmalen abhängig und könnten keine Verteilungskriterien erarbeitet werden.
Weiterhin stehe dem Mitbestimmungsrecht entgegen, dass I. die Gelder zur Verfügung gestellt habe und diese bereits geflossen seien. Bei den Beteiligten zu 2) und zu 3) gebe es kein entsprechendes Budget, welches zu schaffen sie auch nicht gezwungen werden könnten. Schließlich sei hilfsweise die Zahl der Beisitzer mangels Komplexität nur auf 2 festzusetzen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und überwiegend begründet.
1. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 1, 100 ArbGG eröffnet. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Einrichtung einer Einigungsstelle nach den §§ 76 BetrVG, 100 ArbGG.
Die Anträge sind auch zulässig. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist örtlich zuständig, §§ 100 Abs. 1 Satz 3, 82 Abs. 1 Satz 1 ArbGG. Die Antragsbefugnis ergibt sich aus §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
2. Der Antrag ist überwiegend begründet.
a) Gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt (vgl. LAG Hamm v. 17.11.2011 – 10 TaBV 69/11 – juris). Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab korrespondiert damit, dass die Einigungsstelle die Vorfrage ihrer Zuständigkeit selbst prüft und sich gegebenenfalls für unzuständig erklären kann (BAG v. 30.01.1990 – 1 ABR 2/89 – juris). Das vorliegende Einigungsstellenbesetzungsverfahren bindet die zu bildende Einigungsstelle insoweit nicht.
b) Nach diesen Grundsätzen ist jedenfalls nicht sofort erkennbar, dass des Mitbestimmungsrechts nach § 81 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt.
aa) Zunächst kommt deutsches Betriebsverfassungsrecht zur Anwendung, weil es um die Beteiligungsrechte gegenüber den als GmbH verfassten Beteiligten zu 2) und zu 3) mit Sitz in Deutschland geht. Insofern ist jedenfalls eine tatsächliche Einflussnahmemöglichkeit der beiden Beteiligten neben der ausländischen Konzernmutter und dem Investor nicht ausgeschlossen (s.u.).
bb) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen.
(1) Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG soll die Angemessenheit des innerbetrieblichen Lohngefüges und seine Transparenz gewährleisten. Es bezieht sich auf die Grundsätze, nach denen sich die Entgeltfindung im Betrieb vollzieht. Es umfasst die Einführung von Entlohnungsgrundsätzen und deren Änderung durch den Arbeitgeber. Entlohnungsgrundsätze sind die abstrakt-generellen Grundsätze zur Lohnfindung. Sie bestimmen das System, nach welchem das Arbeitsentgelt für die Belegschaft oder Teile der Belegschaft ermittelt oder bemessen werden soll. Das Mitbestimmungsrecht erfasst alle geldwerten Leistungen, bei denen die Bemessung nach bestimmten Grundsätzen oder nach einem System erfolgt. Auch bei diesen soll das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats die innerbetriebliche Lohngerechtigkeit sicherstellen (BAG v. 08.11.2011 – 1 ABR 37/10 – NZA 2012, 462; BAG v. 30.10.2012 – 1 ABR 61/11 – juris).
Das Mitbestimmungsrecht setzt nur ein, wenn es um die Festlegung allgemeiner (kollektiver, genereller) Regelungen geht. Das ergibt sich unmittelbar aus § 87 Abs. 1 Nr. 10  BetrVG, der ein Mitbestimmungsrecht bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung gibt und als Beispiele die Aufstellung und Änderung von Entlohnungsgrundsätzen sowie die Einführung, Anwendung und Änderung von Entlohnungsmethoden aufführt. Ob ein das Mitbestimmungsrecht auslösender kollektiver Tatbestand vorliegt, kann nicht allein quantitativ bestimmt werden. Beim Mitbestimmungstatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG richtet sich die Abgrenzung von Einzelfallgestaltung zu kollektivem Tatbestand danach, ob es um die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen geht (BAG v. 03.12.1991 – GS 2/90 – juris).
(2) Nach diesen Grundsätzen ist das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen.
Zunächst liegt der notwendige kollektive Bezug vor. Auch wenn nur eine geringe Zahl der Beschäftigten einen Exit Bonus erhielt, ergibt sich das Vorliegen einer allgemeinen Regelung daraus, dass 12 Beschäftigten eine Sonderzahlung zugesagt worden ist, die einen einheitlichen Anlass und Zweck aufweist, nämlich die gewinnbringende Veräußerung des Unternehmens. Außerdem beruht sie auf einheitlichen Kriterien, indem sie jeweils an die Fähigkeiten der Begünstigten und ihre Bedeutung für die Wertsteigerung des Unternehmens anknüpft. Damit sind Fragen der innerbetrieblichen Verteilungsgerechtigkeit berührt und handelt es sich nicht um mehrere getrennt zu betrachtende, jeweils individuell zugesagte Zahlungen.
Dem Mitbestimmungsrecht steht nicht die Beteiligung der H. Pte Ltd sowie der I. von vornherein entgegen. Nach dem BAG steht allerdings dem Betriebsrat eines konzernangehörigen Unternehmens kein Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu, wenn die herrschende Konzernmutter Aktienoptionen zuteilt, solange das konzernangehörige Unternehmen keinen tatsächlichen Einfluss auf die Verteilung nehmen kann oder zumindest die Möglichkeit hat, auf die Auswahlentscheidung und die Vergabekriterien einzuwirken (BAG v. 12.06.2019 – 1 ABR 57/17 – juris).
Nach diesen Grundsätzen bestehen vorliegend ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten zu 2) und zu 3) zumindest tatsächlich die Möglichkeit hatten, auf die Auswahlentscheidung und die Vergabekriterien einzuwirken. Dies folgt insbesondere daraus, dass die Angebotsschreiben jeweils Bezug auf die Fähigkeiten der ausgewählten Arbeitnehmer nehmen, und damit nicht nur auf die jeweilige abstrakte Position oder Funktion. Hinzu kommt, dass die Schreiben auch Bezug auf den „normalen Umfang Ihrer Beschäftigung“ nehmen, den zu ermitteln in der Regel nur der unmittelbare Arbeitgeber in der Lage ist. Dies stellt ein im Verfahren nach § 100 ArbGG hinreichendes Indiz dafür dar, dass eine inhaltliche Mitwirkung der Beteiligten zu 2) und zu 3) zumindest möglich war. Es würde auch nicht dadurch entkräftet werden, wenn diese Formulierung ohne Bezug auf den Einzelfall gewählt worden sein sollte, und wenn der Vorstandsvorsitzende der H. Pte Ltd die Begünstigten persönlich gekannt haben sollte. Entscheidend ist, dass mit den persönlichen Fähigkeiten und der Arbeitsbelastung Kriterien genannt sind, welche in der Regel nur auf Unternehmensebene und nicht auf Konzernebene zu ermitteln sind, jedenfalls hinsichtlich nicht begünstigter und dem Vorstandsvorsitzenden nicht persönlich bekannter Arbeitnehmer.
Dies geht im Übrigen auch über die Zulieferung von Leistungsbeurteilungen hinaus, welche das BAG in der zitierten Entscheidung (ohne nähere Begründung) als ohne Auswirkung auf das Mitbestimmungsrecht erachtet hat. Während eine Leistungsbeurteilung nur eine mittelbare Auswirkung auf die Zuteilung von Aktienoptionen haben mag, legen die verfahrensgegenständlichen Angebotsschreiben den Schluss nahe, dass die jeweiligen individuellen Fähigkeiten der Stelleninhaber unmittelbar und jedenfalls mitentscheidend von Bedeutung für die Bonuszusage waren. Weil die Möglichkeit der Einflussnahme ausreicht, steht es dem Mitbestimmungsrecht auch nicht entgegen, falls die beiden Beteiligten lediglich als Zahlstelle fungiert haben sollten.
Damit kann offenbleiben, ob die tatsächliche Möglichkeit der Einflussnahme schon daraus folgt, dass im Zeitpunkt der Bonuszusagen die Beteiligte zu 2) Muttergesellschaft der H. Pte Ltd war, sowie worauf die Nennung der Erlanger Personalabteilung in den Angebotsschreiben beruhte.
cc) Das Mitbestimmungsrecht ist auch nicht deshalb von vornherein ausgeschlossen, weil die verfahrensgegenständlichen Boni bereits geleistet worden sind. Sollte die Bonuszahlung das Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt haben, wäre es hinzunehmen, dass bei einer von der ursprünglichen Praxis abweichenden Vereinbarung mit dem Betriebsrat weitere Zahlungen durch den Arbeitgeber erforderlich werden (BAG v. 14.06.1994 – 1 ABR 63/93 – juris).
c) Die Bestellung des Vorsitzenden der Einigungsstelle erfolgt entsprechend dem Antrag, gegen den die Beteiligten zu 2) und zu 3) keine Einwendungen erhoben haben.
d) Die Zahl der von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzer war auf zwei festzusetzen.
aa) Die Zahl der Beisitzer richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles. Außer in einfach gelagerten Fällen ist in der Regel anzunehmen, dass mindestens der Betriebsrat die fachkundige Unterstützung durch einen Rechtsanwalt oder einen Verbandsvertreter benötigt. Daraus folgt, dass im Regelfall zwei Beisitzer für jede Seite ausreichend sind (ErfK/ Koch, 21. Aufl. 2021, § 100 ArbGG Rn. 6 m.w.N.). Eine größere Anzahl von Beisitzern kommt in Betracht, wenn es sich um schwierige oder besonders komplexe Regelungsfragen handelt, bei denen besondere Fachkenntnisse oder Fertigkeiten erforderlich sind oder die Regelungsgegenstände weitreichende Auswirkungen haben (Fitting, 30. Aufl. 2020, § 76 BetrVG Rn. 19 ff. m.w.N.).
bb) Vorliegend besteht keine Notwendigkeit, von der Regelbesetzung einer Einigungsstelle abzuweichen. Es liegen keine Anhaltspunkte für einen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad oder besonders komplexer Regelungsfragen vor. Insbesondere gilt dies für den bloßen Bezug zur ausländischen Konzernmutter und zum Eigentümer, welche am Einigungsstellenverfahren nicht unmittelbar beteiligt sind.
3. Die Entscheidung konnte gem. § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen.


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