Arbeitsrecht

Nichtannahme einer mangels Rechtswegerschöpfung unzulässigen Verfassungsbeschwerde: Rechtsschutz vor den Fachgerichten zugunsten eines Strafgefangenen bei verweigerter Termineinräumung für Erhebung einer Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle

Aktenzeichen  2 BvR 869/10

Datum:
10.5.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100510.2bvr086910
Normen:
GG
§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG
§ 11 Abs 2 RPflG 1969
§ 116 StVollzG
§ 118 Abs 3 StVollzG
Spruchkörper:
2. Senat 3. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend LG Halle (Saale), 10. Februar 2010, Az: 7 StVK 40/10, Beschluss

Gründe

1
Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen, weil sie unzulässig ist.

2
1. Der Beschwerdeführer hat schon den Rechtsweg nicht erschöpft.

3
Die vor Erhebung einer Verfassungsbeschwerde grundsätzlich erforderliche Erschöpfung des Rechtsweges (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG)
ist im vorliegenden Fall nicht deshalb ausnahmsweise entbehrlich (§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG), weil nach dem Vorbringen des
Beschwerdeführers die von ihm beantragte Ausführung zur Niederschrift einer Rechtsbeschwerde (§§ 116, 118 StVollzG) gegen
den angegriffenen landgerichtlichen Beschluss bislang nicht stattgefunden hat.

4
Der Gefangene hat nach § 118 Abs. 3 StVollzG das Recht, eine Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen;
hierzu muss ihm Gelegenheit gegeben werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 25. November 2008
– 2 BvR 2693/07 – juris). Dies kann nicht nur durch Gewährung von Ausgang oder durch Ausführung zur Geschäftsstelle, sondern
auch innerhalb der Justizvollzugsanstalt geschehen, wenn der Urkundsbeamte sich zur Aufnahme der Rechtsbeschwerde dorthin
begibt.

5
Wird einem Gefangenen seitens der Justizvollzugsanstalt rechtswidrig die Möglichkeit versagt, eine beabsichtigte Rechtsbeschwerde
zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen, so kann der Gefangene sich hiergegen mit einem Antrag nach § 109 Abs. 1
StVollzG wenden.

6
Wird dem Gefangenen die Gelegenheit, eine beabsichtigte Rechtsbeschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen,
nicht dadurch vorenthalten, dass die Justizvollzugsanstalt sich weigert, ihm den Kontakt zum aufnahmebereiten Urkundsbeamten
zu ermöglichen, sondern dadurch, dass der Urkundsbeamte ihm keinen Termin einräumt, so obliegt es dem Gefangenen, sich hiergegen
zunächst mit der Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 des Rechtspflegergesetzes (RPflG) zu wenden. Dabei ist es allerdings zunächst
Sache der Fachgerichte, zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine in den Verantwortungsbereich der Justiz
fallende verzögerte Protokollierung eine Verletzung des durch § 118 Abs. 3 StVollzG eingeräumten verfahrensrechtlichen Anspruchs
des Gefangenen darstellt, mit der Folge, dass hiergegen gerichtlicher Rechtsschutz zu gewähren und demgemäß die Erinnerung
gemäß § 11 Abs. 2 RPflG als statthaft anzusehen wäre (vgl. BVerfG, a.a.O.).

7
Findet die Protokollierung ohne Verschulden des Gefangenen so spät statt, dass die Rechtsbeschwerdefrist versäumt wird, so
kann der Gefangene Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen (§ 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 45 StPO).

8
Diese Möglichkeiten, Rechtsschutz vor den Fachgerichten zu erlangen, muss der Gefangene nutzen, bevor er in zulässiger Weise
Verfassungsbeschwerde erheben kann.

9
2. Danach kann offenbleiben, ob die Verfassungsbeschwerde auch mangels ausreichender Begründung unzulässig ist, weil der Beschwerdeführer,
der im fachgerichtlichen Verfahren eine unzureichende Berücksichtigung seiner familiären Belange gerügt hat (zur Berücksichtigung
der Familienbeziehungen bei Verlegungsentscheidungen vgl. BVerfGK 8, 36 ), in seiner Verfassungsbeschwerdeschrift
nicht ausreichend verdeutlicht, weshalb er den angegriffenen Beschluss für grundrechtswidrig hält.

10
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

11
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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