Arbeitsrecht

Nichtannahmebeschluss: Vereinbarkeit des Alkoholverkaufsverbots zur Nachtzeit gem § 3a des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg (juris: LÖG BW) mit Art 2 Abs 1 GG, insbesondere dem Übermaßverbot

Aktenzeichen  1 BvR 915/10

Datum:
11.6.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100611.1bvr091510
Normen:
Art 2 Abs 1 GG
§ 3a LÖG BW
Spruchkörper:
1. Senat 2. Kammer

Gründe

I.
1
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist § 3a des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden- Württemberg (LadÖG
135>).

2
1. Die Vorschrift untersagt – von einzelnen Ausnahmen abgesehen – den Verkauf von alkoholischen Getränken in Verkaufsstellen
(Ladengeschäfte aller Art sowie unter anderem auch Tankstellen, Bahnhöfe, Kioske und Basare, vgl. § 2 Abs. 1 LadÖG) in der
Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr. Sie wurde durch das Gesetz zur Abwehr alkoholbeeinflusster Störungen der öffentlichen Sicherheit
und Ordnung während der Nachtzeit und zum Schutz vor alkoholbedingten Gesundheitsgefahren (Alkoholverkaufsverbotsgesetz) vom
10. November 2009 (GBl 2009, S. 628) in das Gesetz über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg eingefügt und ist am 1. März
2010 in Kraft getreten.

3
2. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG. Das Verkaufsverbot stelle einen ungerechtfertigten
Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dar.

II.
4
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht
vor. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung
der von dem Beschwerdeführer als verletzt gerügten Rechte angezeigt. Eine Verletzung des Grundrechts des Beschwerdeführers
aus Art. 2 Abs. 1 GG durch die angegriffene Regelung ist nicht ersichtlich.

5
Zwar greift die Regelung in die allgemeine Handlungsfreiheit des Beschwerdeführers insoweit ein, als dieser daran gehindert
wird, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr alkoholhaltige Getränke käuflich zu erwerben. Die allgemeine Handlungsfreiheit
aus Art. 2 Abs. 1 GG ist jedoch erst dann verletzt, wenn das beschränkende Gesetz nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört,
weil es in formeller oder materieller Hinsicht nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dies ist auf der Grundlage des Vorbringens
des Beschwerdeführers nicht zu erkennen. Insbesondere ist kein Verstoß gegen das vom Beschwerdeführer im Ergebnis einzig gerügte
Übermaßverbot ersichtlich. Mit dem Verkaufsverbot verfolgt der Landesgesetzgeber das Ziel, einer vor allem während der Nachtzeit
zu verzeichnenden Zunahme alkoholbedingter Straftaten und Ordnungsstörungen sowie Gesundheitsgefahren zu begegnen. Hierbei
handelt es sich um wichtige Gemeinwohlbelange, die geeignet sind, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit zu rechtfertigen.
Aufgrund des ihm zukommenden Einschätzungsspielraums konnte der Landesgesetzgeber auch davon ausgehen, dass die Einschränkung
der Alkoholverkaufszeiten zu einer Eindämmung übermäßigen Alkoholkonsums führt. Der Umstand, dass dadurch nicht jeglicher
Alkoholkonsum verhindert wird, weil sich dieser auch an eine vor 22.00 Uhr erfolgte Bevorratung anschließen kann, führt nicht
dazu, dass die Regelung nicht zur Förderung der verfolgten Ziele beitragen würde. Die Gesetzesbegründung verweist auf zahlreiche
internationale Studien und den Vergleich mit Erfahrungen in Nachbarländern, wonach aufgrund des häufig spontanen sowie stimmungs-
und bedürfnisorientierten Kaufentschlusses gerade die jederzeitige Verfügbarkeit den exzessiven Konsum fördert (vgl. LTDrucks
14/4850, S. 10 ff.). Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ist auch nicht ersichtlich, dass temporäre Verkaufs-
oder Konsumverbote durch Einzelverfügung der Ortspolizeibehörden ein milderes Mittel wären, das die Erforderlichkeit der angegriffenen
Regelung entfallen ließe. Zumindest konnte der Gesetzgeber, dem auch im Hinblick auf die Erforderlichkeit einer Regelung ein
Einschätzungsspielraum zukommt, in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgehen, dass derartige polizeirechtliche
Maßnahmen bereits aufgrund ihrer örtlichen Begrenztheit nicht gleichermaßen wirksam wären und lediglich eine Problemverlagerung
bewirken würden. Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass die angegriffene Regelung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen
des Beschwerdeführers führen würde. Dieser ist künftig in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr am Erwerb von alkoholischen
Getränken in Verkaufsstellen gehindert. Dieser Einschränkung seiner Handlungsfreiheit stehen andererseits die Schutzgüter
der Gesundheit sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gegenüber, denen ein hoher Stellenwert zukommt. Insbesondere
vor dem Hintergrund, dass dem Beschwerdeführer auch während der Verkaufsverbotszeiten ein Konsum vorab erworbener alkoholischer
Getränke ebenso wenig verwehrt ist wie der Genuss dieser Getränke in Gaststätten und sonstigen privilegierten Verkaufsstellen,
ist die angegriffene Regelung auch im engeren Sinne verhältnismäßig.

6
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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