Arbeitsrecht

Offensichtliche Unzulässigkeit eines Rechtsmittels und Kostenentscheidung

Aktenzeichen  31 Wx 186/16

Datum:
13.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
AG – 2017, 203
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 81 Abs. 5, § 84
SpruchG § 12 Abs. 1 S. 2, § 15 Abs. 2, § 17 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Im Spruchverfahren können dem Antragsteller im Einzelfall ausnahmsweise nach Billigkeitsgesichtspunkten gemäß § 84 FamFG i. V. m. § 17 Abs. 1 SpruchG die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners für das Beschwerdeverfahren auferlegt werden. § 15 SpruchG steht nicht entgegen. (Abgrenzung zu BGH, Beschluss vom 13.12.2011 – II ZB 12/11, NZG 2012, 191). (amtlicher Leitsatz)
2. Ein verdrängender Vorrang des § 15 SpruchG auch gegenüber § 84 FamFG ist weder nach dem Wortlaut noch nach der Gesetzessystematik noch nach dem Zweck der spezifischen Kostenregelung des § 15 SpruchG gegeben. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 HK O 20284/14 2016-05-19 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin.
2. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Mit Ausnahme des Beschwerdeführers schlossen im vorliegenden Spruchverfahren alle Beteiligten vor dem Landgericht einen Teil-Vergleich, mit dem die im Beschluss vom 31.7.2014 festgelegte Barabfindung an die Minderheitsaktionäre von 190 € auf 215 € je Aktie erhöht wurde. Den Antrag des Beschwerdeführers auf Festsetzung einer höheren Barabfindung wies das Landgericht mit Beschluss vom 31.3.2016 zurück. Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 7.4.2016 mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt, die darauf hinweist, dass die Beschwerde nur durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift eingelegt werden kann.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer mit eigenhändig unterschriebenem Schreiben vom 04.05.2016 ein von ihm als „Berufung“ bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt. Dieses Schreiben war nicht von einem Rechtsanwalt unterzeichnet.
Das Landgericht München I hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Mit Eingangsverfügung vom 19.05.2016 hat der Senat den Beschwerdeführer auf die Unzulässigkeit seiner Beschwerde hingewiesen und ihm die Beschwerderücknahme nahegelegt. Mit Schreiben vom 05.06.2016 hat der Beschwerdeführer die Beschwerde zurückgenommen.
II. Im Hinblick auf die Beschwerderücknahme hat das Beschwerdegericht nur noch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden (vgl. KK-AktG/Wilske, 3. Aufl. § 12 SpruchG Rn. 48; Fritzsche in Dreier/Fritzsche/Verfürth, SpruchG, 2. Aufl. § 12 Rn. 56 aE).
1. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Nach § 15 Abs. 1 SpruchG können die Gerichtskosten ganz oder zum Teil den Antragstellern auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die Belastung eines Antragstellers mit den Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens kommt insbesondere dann in Betracht, wenn – wie vorliegend die Beschwerde bei Einlegung offensichtlich von vorneherein ohne Erfolgsaussichten war (BGH, NZG 2012, 191 Rn. 23; Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. § 15 SpruchG Rn. 21).
Die Beschwerde des Antragstellers war von Anfang an offensichtlich ohne Erfolgsaussichten, weil sie unter Verstoß gegen die Formvorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 2 SpruchG nicht durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterzeichneten Beschwerdeschrift erfolgte. Die verfahrensbeendende Beschwerderücknahme hat ihren Grund – wie der Beschwerdeführer selbst im Rahmen seiner Beschwerderücknahme ausgeführt hat – in der offensichtlichen Unzulässigkeit des vom ihm eingelegten Rechtsmittels. Die Unzulässigkeit seiner Beschwerde war für den Beschwerdeführer bereits bei Beschwerdeeinlegung ohne weiteres erkennbar, weil er über die einzuhaltende Form im Rahmen der dem Beschluss vom 31.03.2016 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich und ausführlich belehrt wurde.
Es entspricht daher der Billigkeit, dem Beschwerdeführer die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
2. Der Beschwerdeführer hat auch seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Der Senat sieht angesichts der Rücknahme der von Anfang an unzulässigen Beschwerde keinen Anlass, die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers der Antragsgegnerin nach § 15 Abs. 2 SpruchG aufzuerlegen.
3. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 17 Abs. 1 SpruchG, § 84 FamFG auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens der Antragsgegnerin zu erstatten.
Gemäß § 84 FamFG soll das Gericht die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.
Zwar hat die Rechtsprechung für Verfahren vor Inkrafttreten des FamFG entschieden, dass in Spruchverfahren die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners für das Beschwerdeverfahren nicht dem Antragsteller auferlegt werden können (grundlegend BGH, NZG 2012, 191 Rn. 11 ff., Rn. 21).
Unter der Geltung des FamFG können aber nach Auffassung des Senats ausnahmsweise unter Billigkeitsgesichtspunkten dem Beschwerdeführer gemäß § 84 FamFG die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren auferlegt werden (vgl. Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. § 15 SpruchG Rn. 26 aE; befürwortend Mennicke in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 5.Aufl. § 15 SpruchG Rn. 18). § 15 SpruchG steht dem nicht entgegen.
Nach der zur Rechtslage vor Inkrafttreten des FamFG ergangenen Rechtsprechung des BGH verdrängte die Ausgestaltung der Kostentragungspflicht in § 15 SpruchG, die – wie die aktuelle Ausgestaltung des § 15 SpruchG – keine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Antragsgegners vorsah, die allgemeinen Kostenregelungen des § 13a Abs. 1 FGG und damit auch die Möglichkeit, nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG einem Beteiligten Kosten aufzuerlegen, die er durch ein unbegründetes Rechtsmittel veranlasst hatte (BGH a. a. O. Rn. 11 ff., Rn. 21).
Entgegen der weithin im Schrifttum vertretenen Ansicht (MüKo-AktG/Kubis, 4. Aufl. § 15 SpruchG Rn. 20 und 22; Koch in Hüffer/Koch, AktG, 12. Aufl. § 15 SpruchG Rn. 6 aE.; Klöcker in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 3. Aufl. § 15 SpruchG Rn. 21; Wälzholz in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht § 15 SpruchG Rn. 1.6; Emmerich in Emmerich/Habersack, 8. Aufl. § 15 SpruchG Rn. 21b) gilt das nach Auffassung des Senats aber nach Inkrafttreten FamFG nicht unverändert fort. Vielmehr können dem Beschwerdeführer nach dem Wortlaut des § 84 FamFG – trotz der Spezialregelung des § 15 SpruchG – ausnahmsweise aus Billigkeitsgründen auch die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners jedenfalls dann auferlegt werden, wenn das Rechtsmittel – wie hier – von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beschwerdeführer dies ohne weiteres erkennen konnte (vgl. Drescher in: Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl. § 15 SpruchG Rn. 26 aE; befürwortend Lutter/Mennicke, UmwG, 5. Aufl. § 15 Rn. 18).
Denn ein verdrängender Vorrang des § 15 SpruchG auch gegenüber § 84 FamFG ist weder nach dem Wortlaut noch nach der Gesetzessystematik noch nach dem Zweck der spezifischen Kostenregelung des § 15 SpruchG angezeigt.
Während § 13a Abs. 4 FGG den Vorrang abweichender bundesrechtlicher Vorschriften einschließlich des § 15 SpruchG auch bezogen auf die Auslagenerstattung im Rechtsmittelverfahren nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG regelte, erstreckt sich die Verweisung des § 81 Abs. 5 FamFG auf vorrangige abweichende Kostenregelungen gerade nicht auf (den separat stehenden) § 84 FamFG (vgl. Drescher a. a. O.). Deshalb kann über die Verweisung des § 17 Abs. 1 SpruchG § 84 FamFG zur Anwendung kommen.
Die Besonderheiten von Spruchverfahren, die es angesichts des strukturellen Ungleichgewichts rechtfertigen, grundsätzlich keine Erstattung außergerichtlicher Kosten des Antragsgegners durch Antragsteller vorzusehen (vgl. BGH a.a.O. Rn. 13 ff.), sind im Beschwerdeverfahren wegen der vorangegangenen abgeschlossenen ersten Gerichtsinstanz abgeschwächt (vgl. BGH a. a. O. Rn. 21). Es ist deshalb auch mit den Besonderheiten des Spruchverfahrens und dem Zweck seiner spezifischen Kostenregelung in § 15 SpruchG vereinbar, im Einzelfall unter besonderen Umständen im Beschwerdeverfahren nach Billigkeitsgesichtspunkten die außergerichtlichen Kosten des Antragsgegners einem Antragsteller gemäß § 84 FamFG aufzuerlegen.
In Fällen, in denen wie hier – ein Beschwerdeführer ein, für ihn angesichts der klaren Rechtsbehelfsbelehrung erkennbar, offensichtlich unzulässiges Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Landgerichts einlegt, hält es der Senat für angezeigt, dem Beschwerdeführer dann auch etwaige außergerichtliche Kosten der Antragsgegnerseite aufzuerlegen.
4. Den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren hat der Senat auf 200.000 € festgesetzt. Das entspricht dem in Verfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz gemäß § 74 Satz 1 GNotKG anzusetzenden Mindestgeschäftswert.
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle

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