Arbeitsrecht

Private Rentenversicherungen auf das Leben eines Kindes im Versorgungsausgleich

Aktenzeichen  2 UF 112/20

Datum:
28.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2021, 1114
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VersAusglG § 2 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Eine private Rentenversicherung, die ein Ehegatte als Versicherungsnehmer auf das Leben seines Kindes als versicherte Person abgeschlossen hat, unterfällt nicht dem Versorgungsausgleich, wenn die versicherte Person für den Erlebensfall bezugsberechtigt sein soll und der vertragliche Rentenbeginn auf das Renteneintrittsalter des versicherten Kindes abstellt. (Rn. 24)
2. Es ist unerheblich, dass den Kindern kein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden ist, denn das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers und dessen Bezugsrecht im Todesfall unterfallen nicht dem Versorgungsausgleich, weil es in beiden Fällen nicht zu einer Rentenzahlung sondern zu einer einmaligen Kapitalzahlung kommt. (Rn. 24)

Verfahrensgang

001 F 186/19 2020-05-18 Endbeschluss AGKULMBACH AG Kulmbach

Tenor

1. Auf die Beschwerden des Antragstellers und der Antragsgegnerin wird der Endbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Kulmbach vom 18.05.2020 (001 F 186/19) in Ziffer 2. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der X (Vers.-Nr. …) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 12,5319 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto … bei der X, bezogen auf den 31.05.2019, übertragen.
Im Übrigen findet ein Versorgungsausgleich nicht statt.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.
3. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.040,00 Euro festgesetzt.
5. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
Mit Endbeschluss vom 18.05.2020 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Kulmbach die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der X 12,5319 Entgeltpunkte auf das Konto der Antragsgegnerin bei der X übertragen. Weiterhin wurden im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der X 6,7546 Entgeltpunkte auf das Konto des Antragsgegners bei der X übertragen. Darüber hinaus wurden drei Anrechte des Antragstellers bei der GL AG (Vers Nr. …-8, …-3 und …-5) mit Ausgleichswerten von 2.848,01 €, 974,70 € und 2.012,70 € im Wege der internen Teilung zugunsten der Antragsgegnerin nach Maßgabe der Teilungsordnung der GL AG mit Stand vom 25.04.2013, bezogen auf den 31.05.2019, übertragen. Im Übrigen wird auf den Endbeschluss vom 18.05.2020 verwiesen.
Gegen die am 19.05.2020 zugestellte Entscheidung vom 18.05.2020 hat der Antragsteller mit am 15.06.2020 beim Amtsgericht Kulmbach eingegangenem Schriftsatz vom 12.06.2020 Beschwerde eingelegt. Die Antragsgegnerin hat gegen den ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 25.05.2020 zugestellten Endbeschluss mit am 19.06.2020 beim Amtsgericht Kulmbach eingegangenem Schriftsatz vom 17.06.2020 ebenfalls Beschwerde eingelegt.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Ausgleich der drei Anrechte bei der GL AG mit den Vers.-Nr. …-8, …-3 und …-5 Der Ausgleich dieser Anrechte hätte gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG unterbleiben sollen, da sie nur einen geringen Ausgleichswert im Sinne des § 18 Abs. 3 VersAusglG aufweisen. Er macht weiter geltend, dass es sich bei den beiden Versicherungen Vers. Nr. …-3 und …-5 um „Kinderrentenversicherungen“ der gemeinsamen Kinder handele, welche dem Versorgungsausgleich nicht unterliegen. Darüber hinaus wendet er sich gegen die Nichtdurchführung des Versorgungsausgleichs bezüglich eines Anrechts der Antragsgegnerin bei der GL mit der Vers-Nr. …0-5.
Die Antragsgegnerin greift die Entscheidung an, soweit ein Versorgungsausgleich zu ihren Lasten durchgeführt worden ist. Das Amtsgericht habe rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass sich die Ehegatten mit betreuungsgerichtlich genehmigter Vereinbarung vom 30.09.2019 darauf geeinigt hatten, dass ein Versorgungsausgleich zu Lasten der Antragsgegnerin nicht stattfinde.
Die GL AG firmiert zwischenzeitlich unter „Y“.
II.
Die Beschwerden des Antragstellers und der Antragsgegnerin sind gem. §§ 58 ff., 228 FamFG zulässig, sie wurden innerhalb der Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt. Das Beschwerdebegehren der Antragsgegnerin ist begründet, das Beschwerdebegehren des Antragstellers ist zum Teil begründet. Unter Berücksichtigung der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung vom 30.09.2019 erfolgt im Rahmen des gesetzlichen Versorgungsausgleichs nur noch eine Teilung des Anrechts des Antragstellers bei der X zugunsten der Antragsgegnerin. Im Übrigen findet ein Versorgungsausgleich nicht statt.
1. In der gemäß § 3 Abs. 1 VersAusglG maßgebenden Ehezeit vom 01.05.1995 bis 31.05.2019 haben die beteiligten Ehegatten folgende Anrechte erworben:
Der Antragsteller:
Gesetzliche Rentenversicherung:
(1) Bei der X hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 25,0638 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 12,5319 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 90.675,64 Euro.
Private Altersvorsorgeverträge:
(2) Bei der Y (Vers Nr. …-8) hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 5.872,20 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 2.848,01 Euro zu bestimmen.
(3) Bei der Y (Vers Nr. …-3) hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 2.009,70 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 974,70 Euro zu bestimmen.
(4) Bei der Y (Vers Nr. …-5) hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 4.149,90 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 2.012,70 Euro zu bestimmen.
Die Antragsgegnerin:
Gesetzliche Rentenversicherung:
(5) Bei der X hat die Antragsgegnerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 14,2576 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 7,1288 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 51.581,05 Euro.
Privater Altersvorsorgevertrag:
(6) Bei der Y (Vers. Nr. …0-5) hat die Antragsgegnerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 6.073,10 Euro erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 2.945,45 Euro zu bestimmen.
2. Die Beteiligten haben im anhängigen Scheidungsverfahren im Termin vom 30.09.2019 die Übertragung des Miteigentumsanteils der Antragsgegnerin an dem Grundstück … auf den Antragsteller vereinbart. Unter Ziffer 3. der Vereinbarung verzichtete der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin auf Ansprüche aus dem Versorgungsausgleich. Die Antragsgegnerin nahm den Verzicht an. Sie wurde beim Vertragsschluss von ihrer Betreuerin … vertreten. Mit rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts Kulmbach vom 23.12.2019, Az. 402 XVII 284/18, wurde die Vereinbarung vom 30.09.2019 betreuungsgerichtlich genehmigt.
Der Verzicht des Antragstellers auf einen zu Lasten der Antragsgegnerin durchzuführenden Versorgungsausgleich ist formell und materiell wirksam. Die gemäß § 7 Abs. 1 u. 2 VersAusglG, § 127 a BGB formgerechte Vereinbarung über den Versorgungsausgleich hält einer Inhalts- und Ausübungskontrolle nach § 8 Abs. 1 VersAusglG stand. Der Verzicht des Antragstellers erfolgte zugunsten der insgesamt ausgleichsberechtigten Antragsgegnerin und stellte die Gegenleistung für die Übertragung des Miteigentumsanteils der Antragsgegnerin auf den Antragsgegner am Grundstück … dar. Das Gericht ist gemäß § 6 Abs. 2 VersAusglG an die Vereinbarung der Ehegatten vom 30.09.2019 gebunden. Keines der in der Ehezeit von der Antragsgegnerin erworbenen Anrechte ist demnach zu Gunsten des Antragstellers zu übertragen. Die vom Amtsgericht ausgesprochene interne Teilung des Anrechts der Antragsgegnerin bei der X (Vers. Nr. …) steht im Widerspruch zu der Vereinbarung der Ehegatten und war somit auf die Beschwerde der Antragsgegnerin aufzuheben. Das erst im Beschwerdeverfahren bekannt gewordene Anrecht der Antragsgegnerin bei der Y (vormals GL AG) mit der Vers. Nr. …0-5 … ist aus denselben Gründen nicht zu Gunsten des Antragstellers auszugleichen.
Von den mitgeteilten während der Ehezeit bestehenden drei privaten Altersvorsorgeverträgen des Antragstellers bei der Y (vormals GL AG) resultiert lediglich aus dem Altersvorsorgevertrag mit der Vers. Nr. …-8 ein im Rahmen des gesetzlichen Versorgungsausgleichs auszugleichendes Anrecht im Sinne des § 2 VersAusglG. Nach der Auskunft der GL AG vom 01.07.2019 handelt es sich um ein Anrecht der privaten Altersversorgung in der Form einer fondsgebundenen Rentenversicherung, der Antragsteller ist Versicherungsnehmer und Begünstigter dieser Versicherung. Das Anrecht des Antragstellers bei der Y mit einem Kapitalwert von 2.848,01 Euro überschreitet jedoch nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 3.738,00 €. Das Anrecht wird deshalb gem. § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Versorgungsausgleich ausgeschlossen.
Aus den beiden weiteren fondsgebundenen Rentenversicherungen des Antragstellers bei der Y mit den Versicherungsnummern …-3 (Ausgleichswert 974,70 €) und …-5 (Ausgleichswert 2.012,70 €) resultieren keine auszugleichenden Anrechte des Antragstellers im Sinne des § 2 VersAusglG. Diese Anrechte sind daher ebenfalls nicht im Rahmen des gesetzlichen Versorgungsausgleichs zu Gunsten der Antragsgegnerin auszugleichen. Nach der Auskunft der GL AG vom 01.07.2019 ist der Antragsteller zwar Versicherungsnehmer, die versicherte Person ist jedoch nicht identisch. Der Antragsteller macht im Rahmen seiner Beschwerde geltend, dass es sich um „Kinderrentenversicherungen“ der gemeinsamen Kinder handele, welche dem Versorgungsausgleich nicht unterliegen.
Ein Anrecht ist nach § 2 Abs. 2 VersAusglG dann auszugleichen, wenn es durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist, der Absicherung im Alter oder bei Invalidität, insbesondere wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit, dient und auf eine Rente gerichtet ist. Diese Voraussetzungen liegen bei den benannten Versicherungen nicht vor, denn die beiden Kinder der Beteiligten sind jeweils versicherte Person und Leistungsempfänger im Erlebensfall, wobei der vertragliche Rentenbeginn auf das Renteneintrittsalter des versicherten Kindes abstellt. Dies ergibt sich aus den vom Antragsteller vorgelegten Versicherungsverträgen nebst Versicherungsbedingungen. Eine private Rentenversicherung, die ein Ehegatte als Versicherungsnehmer auf das Leben seines Kindes als versicherte Person abgeschlossen hat, unterfällt nicht dem Versorgungsausgleich, wenn die versicherte Person für den Erlebensfall bezugsberechtigt sein soll und der vertragliche Rentenbeginn auf das Renteneintrittsalter des versicherten Kindes abstellt (vgl. OLG Hamm Beschluss v. 01.09.2016, 5 UF 17/16, FamRZ 2017, 436). Es ist unerheblich, dass den Kindern kein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt worden ist, denn das Kündigungsrecht des Versicherungsnehmers und dessen Bezugsrecht im Todesfall unterfallen nicht dem Versorgungsausgleich, weil es in beiden Fällen nicht zu einer Rentenzahlung (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG) sondern zu einer einmaligen Kapitalzahlung kommt. Im Ergebnis dienen die beiden „Kinderrentenversicherungen“ Vers. Nr. …-3 und …-5 nicht der Absicherung des Antragstellers im Alter oder bei Invalidität gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG. Deshalb findet auch hinsichtlich dieser Anrechte kein Versorgungsausgleich statt.
Gemäß § 224 Abs. 3 VersAusglG ist in der Beschlussformel festzustellen, dass im Übrigen, d. h. über den Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der X hinaus, kein Versorgungsausgleich stattfindet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20 FamGKG, 150 FamFG.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40, 50 Abs. 1 FamGKG ausgehend von dem vom Amtsgericht festgestellten Gesamteinkommen (1.700,00 €) der beteiligten Ehegatten und vier in der Beschwerde zu überprüfenden Anrechten.
IV.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG. Zu der Frage, ob Lebensversicherungen eines Ehegatten als Versicherungsnehmer, die auf das Leben seines Kindes als versicherter Person abgeschlossen worden sind, dem Versorgungsausgleich unterfallen, gibt es keine einheitliche obergerichtliche Rechtsprechung. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes hierzu existiert nicht. Entgegen der hier vertretenen herrschenden Meinung der Oberlandesgerichte (vgl. OLG Hamm FamRZ 2017, 436; FamRZ 2016, 549; OLG Zweibrücken NJW-RR 2011, 803; OLG München FamRZ 2018, 255), hat das Brandenburgische Oberlandesgericht die Auffassung vertreten, dass Lebensversicherungen eines Ehegatten, die auf das Leben seines Kindes als Versicherter abgeschlossen worden sind, regelmäßig dem Versorgungsausgleich unterfallen würden (OLG Brandenburg FamRZ 2015, 1798).


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