Arbeitsrecht

Prozesskostenhilfe, Bewilligung, Beiordnung, Beschwerde, Abfindung, Vergleichsmehrwert, Arbeitsleistung, Erinnerung, Feststellung, Auslegung, Mehrvergleich, Vergleich, Verfahrenskostenhilfe, Festsetzung, Kosten des Verfahrens, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, qualifiziertes Zeugnis

Aktenzeichen  6 Ta 249/21

Datum:
9.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 43331
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

1 Ca 221/21 2021-10-26 Bes ARBGKEMPTEN ArbG Kempten

Tenor

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Kempten vom 26. Okt. 2021 – 1 Ca 221/21 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Höhe der dem Prozessbevollmächtigten der Klagepartei aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung.
Die Klagepartei hat sich mit Klage vom 3. Feb. 2021 beim Arbeitsgericht Kempten gegen eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 19. Jan. 2021 gewandt, die Feststellung der Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses durch andere Beendigungstatbestände und des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses über den Kündigungstermin hinaus, die Erteilung eines Zwischenzeugnisses bzw. hilfsweise eines Arbeitszeugnisses und ebenso hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag seine Weiterbeschäftigung beantragt. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat die Klagepartei Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. beantragt (Bl. 1 f. d. PKH-Heftes)
Im Gütetermin vom 7. Apr. 2021 hat das Gericht zunächst beschlossen, über die beantragte Prozesskostenhilfe im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Anschließend haben sie in diesem Termin nachfolgenden letztlich nicht widerrufenen Vergleich abgeschlossen:
1.„Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher, personenbedingter und fristgemäßer Kündigung vom 19.01.2021 mit Ablauf des 31.05.2021 beendet wird.
2.Die beklagte Partei vergütet den Kläger bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses vertragsgemäß.
3.Die Beklagte stellt den Kläger bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses von der Arbeitsleistung frei. Der Beklagte bietet seine Arbeitskraft an, die Beklagte verzichtet auf die Annahme.
4.Die Beklagte zahlt an den Kläger als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes analog §§ 9, 10 KSchG einen Betrag von € 16.000,00 (…) brutto.
5.Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis und gibt dieses an ihn durch Zusenden heraus. Das Arbeitspapier wird mit der Prädikation der Note zwei, das heißt der Formulierung stets zur vollen Zufriedenheit in Führung und Leistung bewertet und von einem Vorgesetzten unterzeichnet. Das Zeugnis wird auf den 31.05.2021 datiert und mit der üblichen Dankes-, Bedauerns- und Wunschformel abgeschlossen.
6.Mit Erfüllung des Vergleichs sind sämtliche gegenseitigen finanziellen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung, – ob bekannt oder unbekannt – abgegolten und erledigt. Ausgenommen von der Abgeltungsklausel sind ggf. zugunsten des Klägers errichtete betriebliche Altersversorgungsansprüche Direktversicherung etc.
7.Einigkeit besteht zwischen den Parteien auch darüber, dass der Urlaub des Klägers in natura erfüllt ist.
8.Die Kosten des Verfahrens und Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.
9.Der Vergleich ist widerruflich für die beklagte Partei mit Schriftsatz zum Arbeitsgericht Kempten bis einschließlich dem 14.04.2021.“ (Hervorhebung im Original)
Auf Antrag des Beklagtenvertreters vom 13. Apr. 2021 hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 15. Apr. 2021 (Bl. 29 ff. d.A.) den Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf € 16.212,04 und auf € 4.053,01 für den Vergleichsmehrwert festgesetzt.
Mit Beschluss vom 19. Apr. 2021 hat das Arbeitsgericht dem Kläger Prozesskostenhilfe bei einer monatlichen Ratenzahlung von € 344,00 bewilligt und Rechtsanwalt B. als Prozessvertreter beigeordnet (Bl. P60 ff. d. PKH-Heftes). Mit weiterem Beschluss vom 29. Apr. 2021 hat es den Beschluss ergänzt, dass die Bewilligung auch auf den Vergleich erstreckt werde (Bl. P65 des PKH-Heftes).
Der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei hat mit Schreiben vom 22. Apr. 2021 die Festsetzung der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung in Höhe von € 1.923,04 beantragt (Bl. II f. d. Kostenheftes). Dabei hat er eine 1,5 Einigungsgebühr auf den Mehrvergleich angesetzt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20. Mai 2021 (Bl. V ff. d. Kostenheftes) lediglich eine Gebühr von € 1.685,64 u.a. unter Berücksichtigung einer 1,0-Einigungsgebühr, festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei mit Schriftsatz vom 25. Juni 2021 (Bl. IX ff. d. Kostenheftes) „Beschwerde“ eingelegt und die Ansicht vertreten, es sei nunmehr in Nr. 1003 VV-RVG und § 48 Abs. 1 RVG eine 1,5-Gebühr für den Vergleichsmehrwert verankert.
Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung mit Beschluss vom 19. Okt. 2021 (Bl. XXVII f. d. Kostenheftes) nicht abgeholfen und hat die Akte im Übrigen der zuständigen Kammervorsitzenden vorgelegt. Diese hat mit Beschluss vom 26. Okt. 2021 die Erinnerung zurückgewiesen (Bl. XXXI ff. d. Kostenheftes).
Dagegen hat der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei mit Schriftsatz vom 27. Okt. 2021 „sofortige Beschwerde“ eingelegt (Bl. XXXVI f. d. Kostenheftes). Dieser hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht vorgelegt (Beschluss vom 4. Nov. 2021, Bl. XLVII ff. d. Kostenheftes).
II.
Die statthafte Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig (§ 56 Abs. 2, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Sie ist form- und fristgerecht eingereicht. Der Beschwerdewert ist zwar nicht überschritten, doch hat das Arbeitsgericht die Beschwerde zugelassen.
2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat die Erinnerung des Prozessbevollmächtigten der Klagepartei gegen den Beschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 20. Mai 2021 zu Recht mit Beschluss vom 26. Okt. 2021 zurückgewiesen. Dem Prozessbevollmächtigten der Klagepartei steht keine 1,5-Einigungsgebühr aus dem überschießenden Vergleichswert zu. Zu Recht war auf Grund des Antrags des Prozessbevollmächtigten eine 1,0-Einigungsgebühr aus dem Mehrwert des Vergleiches festgesetzt worden.
a. Der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei kann allerdings nur eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 VV-RVG verlangen; nach dieser Regelung entsteht nur eine 1,0-Gebühr nach Nr. 1000 bis 1002 VV-RVG.
aa. Nach Nr. 1003 Abs. 1 Satz 1 VV-RVG entsteht nur eine 1,0 Gebühr nach Nr. 1000 bis 1002 VV-RVG, „…, wenn ein Verfahren über Prozesskostenhilfe anhängig ist, soweit nicht lediglich Prozesskostenhilfe für ein selbständiges Beweisverfahren oder die gerichtliche Protokollierung des Vergleiches beantragt wird oder sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nummer 1000 erstreckt (§ 48 Abs. 3 RVG). …“
(1) Teilweise entnimmt man dem Wort „lediglich“ in Nr. 1003 Abs. 1 S. 1 VV-RVG, dieses beziehe sich nicht auf die gerichtliche Protokollierungstätigkeit, sondern auf den Antrag, wie sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Regelung ergebe (LAG Düsseldorf v. 13.10.2014 – 13 Ta 342/14, NZA-RR 2015, 73). Unerheblich sei, ob und in welchem Umfang das Gericht außerhalb eines anhängigen gerichtlichen Verfahrens über den Gegenstand des Vergleichs tatsächlich an dessen Zustandekommen mitgewirkt habe. Selbst bei intensiver gerichtlicher Mitwirkung am Zustandekommen des Vergleiches bestehe keine Grundlage für eine Kürzung der Gebühr. Entsprechend werde bei einer Mitwirkung des Anwalts an der Vergleichsprotokollierung, unabhängig von einer Beteiligung des Gerichts an dessen Zustandekommen, für den Gegenstand des Mehrvergleichs stets eine Gebühr aus Nr. 1000 VV-RVG fällig. Die beantragte Erstreckung der bewilligten Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich sei damit für die Höhe der Einigungsgebühr unschädlich (LAG Düsseldorf v. 25.9.2014 – 5 Sa 273/14, NZA-RR 2015, 48; eb. LAG Baden-Württemberg v. 27.4.2016 – 5 Ta 118/15, AGS 2016, 323; in diese Richtung auch, wenngleich mit abweichender Begründung: LAG Hamm v. 16.9.2015 – 6 Ta 419/15, AGS 2016, 133; LAG Nürnberg v. 26.7.2021 – 3 Ta 68/21, juris).
Das LAG Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 8.1.2020 – 7 Ta 182/19, AE 2020, 134) verneint einen Sachgrund für eine Kürzung der Vergütung eines Rechtsanwalts, der für eine Partei tätig wird, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, gegenüber Anwälten, deren Partei keiner Prozesskostenhilfe bedarf. Dies sei nicht mit dem Gebot der weitestgehenden Gleichstellung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten zu vereinbaren (eb. Mayer, Anm. zu LAG Rheinland-Pfalz 12. März 2015 – 5 Ta 51/15 – FD-RVG 2015, 370379). Noch deutlicher wird dies im Hinblick auf die Gebühren des Rechtsanwalts der nicht Prozesskostenhilfe beanspruchenden Gegenseite.
(2) Demgegenüber nimmt das Landesarbeitsgericht München (u.a. LAG München v. 7.3.2016 – 6 Ta 283/15 n.v.; LAG München v. 2.11.2016 – 6 Ta 287/16, NZA.-RR 2017, 272; LAG München v. 19.6.2017 – 6 Ta 123/17 und 6 Ta 167/17, n.v.; LAG München v. 29.8.2018 – 6 Ta 133/18 n.v.; LAG München v. 24.11.2021 – 6 Ta 182/21, n.v.; LAG München 28. Nov. 2021 – 6 Ta 240/21; zum Streitstand Mayer/Kroiss/Klees, RVG, 8. Aufl., RVG-VV Nr. 1000 Rz. 21) an, hinsichtlich der im Vergleich miterledigten Streitgegenstände sei bereits dann ein „anderes gerichtliches Verfahren als ein selbständiges Beweisverfahren“ anhängig (Nr. 1003 VV-RVG), wenn ein beim Gericht eingeleitetes Verfahren über die Gewährung von Prozesskostenhilfe lediglich die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf einen Vergleichsmehrwert betreffe, der Vergleich aber noch nicht abgesprochen, sondern allein vorbesprochen war, also das Gericht noch am Zustandekommen des Vergleiches und seiner Formulierung mitwirken müsse (eb. LAG Baden-Württemberg v. 7.9.2010 – 5 Ta 132/10, juris; LAG Hamm v. 31.8.2007 – 6 Ta 402/07, NZA-RR 2007, 601; LAG Hessen v. 15.2.1999 – 9 Ta 12/99, NZA-RR 1999, 380; LAG Nürnberg v. 25.6.2009 – 4 Ta 61/09, NZA-RR 2009, 556; LAG Nürnberg v. 2.11.2018 – 5 Ta 104/18, JurBüro 2019, 191; LAG Rheinland-Pfalz v. 16.12.2010 – 6 Ta 237/10, RPfleger 2011, 403).
bb. Die gegenteilige Ansicht kann nicht überzeugen.
Die Parteien hatten den Vergleich im Gütetermin vor dem Arbeitsgericht geschlossen. Dass das Arbeitsgericht daran hatte mitwirken müssen, ist nach dem Verlauf der Verfahrensakte zu verneinen. Jedenfalls aber war im Zeitpunkt der Feststellung des Vergleiches nicht nur über die Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich, sondern auch über die am selben Tag beantragte Prozesskostenhilfe der Klagepartei zu entscheiden gewesen.
(1) Nach Nr. 1003 Abs. 1 VV-RVG schließt bereits der Antrag, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf den Vergleichsabschluss zu erstrecken, eine Einigungsgebühr von 1,5 aus. Dieser Antrag war vorliegend konkludent mit der Mitteilung eines, einen Vergleichsmehrwert enthaltenden Vergleichstextes, zur Feststellung nach § 278 Abs. 6 ZPO angebracht worden bzw. durch Auslegung des ursprünglichen Prozesskostenhilfeantrags zu gewinnen.
Die gegenteilige Ansicht des LAG Düsseldorf (Beschl. v. 25.9.2014 – 5 Sa 273/14, NZA-RR 2015, 48; LAG Düsseldorf v. 13.10.2014 – 13 Ta 342/14, NZA-RR 2015, 73; eb. LAG Baden-Württemberg v. 27.4.2016 – 5 Ta 118/15, AGS 2016, 323; LAG Berlin-Brandenburg v. 16.4.2018 – 17 Ta (Kost) 6133/17, BeckRS 2018, 8983; in diese Richtung auch, wenngleich mit abweichender Begründung: LAG Hamm v. 16.9.2015 – 6 Ta 419/15, AGS 2016, 133) geben keine Veranlassung, die bisherige Rechtsprechung zu ändern. Die Erhöhung der Vergleichsgebühr von 1,0 auf 1,5 soll nach dem Gesetzeszweck von Nr. 1000 VV-RVG das anwaltliche Bestreben, Streitigkeiten möglichst ohne Anrufung des Gerichts beizulegen, fördern und belohnen. Eine Anrufung des Gerichts erfolgt gemäß der Anmerkung Nr. 1003 VV-RVG aber auch dann, wenn – wie hier – ein Verfahren über die (Erstreckung der) Prozesskostenhilfe anhängig gemacht wird. Auch in den Fällen der begehrten Prozesskostenhilfe im laufenden Verfahren für eine vergleichsweise Regelung zuvor nicht förmlich gestellter Anträge, wird das Gericht in Anspruch genommen. Dieses ist insoweit kein bloßes „Beurkundungsorgan“. Das Gericht hat zumindest die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers nochmals im Hinblick auf möglicherweise zwischenzeitlich eingetretene Änderungen zu überprüfen. Auch hat es zu prüfen, ob die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände in die vergleichsweise Regelung mutwillig i.S.v. § 114 ZPO erscheint. Da Prozesskostenhilfe im Hinblick auf einen bestimmten abzuschließenden Vergleich oder – wie hier – erst nach Vergleichsabschluss bewilligt wird, stehen auch die Streitgegenstände fest.
Die für die höhere Gebühr nach Nr. 1000 VV-RVG maßgebliche Überlegung, das Gericht werde durch die miterledigten Ansprüche nicht belastet, trifft in einem solchen Fall nicht zu (vgl. nur LAG München v. 27.3.2015 – 1 Ta 85/14, juris; LAG Nürnberg v. 25.6.2009 – 4 Ta 61/09, NZA-RR 2009, 556; LAG Rheinland-Pfalz v. 16.12.2010 – 6 Ta 237/10, RPfleger 2011, 403; LAG Rheinland-Pfalz v. 12.3.2015 – 5 Ta 51/15, AGS 2015, 371).
Ebenso stellt es entgegen der Annahme des LAG Berlin-Brandenburg (Beschl. v. 16.4.2018 – 17 Ta (Kost) 6133/17, BeckRS 2018, 8983) keine Erschwerung der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung für eine bedürftige Partei dar, wenn ihr Prozessvertreter für einen Vergleichsmehrwert nur eine 1,0-Einigungsgebühr erhält. Es trifft wohl in den meisten Fällen zu, dass sich die Partei die höheren Gebühren nicht aus „eigener Tasche“ leisten kann. Nach der hier vertretenen Ansicht muss sie dies auch nicht. Die Aussage, die Miterledigung nicht rechtshängiger Gegenstände werde, erhalte der Rechtsanwalt nur eine 1,0-Einigungsgebühr, bei einer bedürftigen Partei nicht in gleicher Weise erfolgen wie bei einer nicht bedürftigen, stellt eine durch nichts belegte Aussage dar. Die Alternative zur Miterledigung stellen der unterbleibende Vergleichsschluss oder ein Vergleichsschluss nur hinsichtlich der rechtshängigen Gegenstände dar. In beiden Fällen stünde der Prozessvertreter im konkreten Verfahren gebührenmäßig noch schlechter.
(2) Die Erwägungen der Gleichbehandlung derjenigen Rechtsanwälte, die eine Partei vertreten, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, gegenüber denjenigen, die keiner Prozesskostenhilfe bedürfen, führen nicht weiter (vgl. dazu LAG Rheinland-Pfalz v. 8.1.2020 – 7 Ta 182/19, AE 2020, 134). Denn die Unterscheidung ist durch das Gesetz (Nrn. 1000, 1003 VV-RVG) angelegt und kann nicht mit allgemeinen Erwägungen außer Betracht bleiben.
b. Schließlich ändert auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofes v. 17.1.2018 (a.a.O.) nichts an Vorstehendem.
aa. Der Bundesgerichtshof geht zunächst (unter 2a der Gründe) auf den Streit, ob Rechtsanwälte aus der Staatsklasse überhaupt eine – vorliegend nicht gegenständliche – Verfahrensgebühr, aus der aber auch Folgerungen für die Vergleichsgebühr gezogen werden (dazu nachfolgend bb), aus dem Vergleichsmehrwert beanspruchen können, was der Senat im Ergebnis bejaht. Ein unbemittelter Verfahrensbeteiligter – hier eine unbemittelte Partei – habe Anspruch auf Erstreckung der Verfahrenskostenhilfe – hier: Prozesskostenhilfe – unter Beiordnung seines Prozessvertreters auf sämtliche im Zusammenhang mit einem Mehrvergleich ausgelöste Gebühren, entweder im Wege der Auslegung einer bereits erfolgten Bewilligung oder im Wege einer ergänzenden Beschlussfassung. Einem Unbemittelten dürfe die Rechtsverfolgung und -verteidigung im Vergleich zu Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Der Unbemittelte müsse grundsätzlich in gleicher Weise wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Bemittelter. Er müsse einem solchen Bemittelten gleichgestellt werden, der seine Aussichten vernünftig abwäge und dabei auch sein Kostenrisiko berücksichtige. Diese durch Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgte Rechtsschutzgleichheit sei dann nicht gewahrt, wenn trotz der Erweiterung der bereits bewilligten Verfahrenskostenhilfe – hier: Prozesskostenhilfe – „auf den Abschluss des Mehrvergleichs die dem beigeordneten Rechtsanwalt durch die Vornahme dieser Verfahrenshandlung nach den Regelungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes erwachsenden Gebühren teilweise nicht von der Staatskasse getragen würden und im Übrigen die Vergütungspflicht des bedürftigen Beteiligten bestehen bliebe. Anders als ein begüterter Verfahrensbeteiligter könnte der bedürftige Beteiligte in diesem Fall von der Möglichkeit, das anhängige Verfahren durch den Abschluss eines Mehrvergleichs zu beenden, nur dann Gebrauch machen, wenn er trotz seiner im Bewilligungsverfahren festgestellten Bedürftigkeit wirtschaftlich in der Lage wäre, die zusätzlich anfallenden Rechtsanwaltsgebühren zu tragen. Sollte er die hierfür erforderlichen Mittel nicht aufbringen können, bliebe ihm nur die Möglichkeit, bezüglich der nicht anhängigen Gegenstände ein gesondertes Verfahren zu betreiben und dort erneut um die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe (hier: Prozesskostenhilfe) anzutragen. Dem bedürftigen Beteiligten würde dadurch gegenüber einem begüterten Beteiligten die – oft zweckmäßige – umfassende Regelung von streitigen Rechtsverhältnissen erheblich erschwert.“ Für diese Ungleichbehandlung gebe es keinen tragfähigen sachlichen Grund.
bb. Nach §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 RVG umfasse der gegen die Staatskasse gerichtete Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts grundsätzlich sämtliche anwaltlichen Gebühren, die aufgrund der Tätigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts in dem erfassten Verfahrensabschnitt anfielen. Eine auf bestimmte Gebührentatbestände beschränkte Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe – hier: Prozesskostenhilfe – und Beiordnung eines Rechtsanwalts sehe das Gesetz nicht vor. Die gesetzliche Vergütung des Rechtsanwalts für die Mitwirkung an einem (Mehr-)Vergleich erschöpfe sich nicht in der Einigungsgebühr aus dem erhöhten Vergleichswert, sondern erstrecke sich auch auf die Differenzverfahrens- und – terminsgebühr. Daher widerspräche eine Beschränkung der Verfahrenskostenhilfe (hier: Prozesskostenhilfe) „auf die Einigungsgebühr nicht nur dem Grundsatz des § 45 Abs. 1 RVG, wonach der beigeordnete Rechtsanwalt die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse erhält (…). Es bliebe auch unberücksichtigt, dass die zuletzt genannten Differenzgebühren in einem engen Zusammenhang mit dem Abschluss des Mehrvergleichs stehen (…).“ Die Verfahrensgebühr sei unlösbar mit der Entstehung der Einigungsgebühr verbunden; die unbemittelte Prozesspartei dürfe darauf vertrauen, aufgrund der für den Abschluss des Mehrvergleichs bewilligten Prozesskostenhilfe von sämtlichen ihrem beigeordneten Rechtsanwalt zustehenden Gebührenansprüchen freigestellt zu werden.
cc. Aus der Argumentation des Bundesgerichtshofes folgt allein, dass die Rechtsanwälte, welche eine unbemittelte Partei, der Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, vertreten, dieselben Ansprüche (Terminsgebühr, Einigungsgebühr auch aus einem Vergleichsmehrwert), wie die Prozessbevollmächtigten einer bemittelten Partei beanspruchen können. Dies wird hier durch den Beschluss des Arbeitsgerichts nicht in Abrede gestellt. Der Prozessbevollmächtigte der Klagepartei soll auch eine Einigungsgebühr aus dem Mehrvergleich erhalten. Die Frage, wie hoch diese Gebühren sein müssen, beantwortet der Bundesgerichtshof nicht.
Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (Beschl. v. 8.1.2020 – 7 Ta 182/19, AE 2020, 134) gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht, dass diese Gebühr in derselben Höhe wie bei einem Prozessvertreter einer bemittelten Partei entrichtet werden muss. Denn im Falle der Prozesskostenhilfebewilligung sind die Rechtsanwaltsgebühren ohnehin (teilweise) abweichend von den üblichen Gebühren zu berechnen (§ 49 RVG). Es stellt daher keine (weitere) Benachteiligung des Prozesskostenhilfeanwalts dar, wenn auch die Gebührenhöhe im Falle eines Mehrvergleiches abweichend bestimmt wird.
d. Auch gebietet die Neufassung von § 48 RVG kein anderes Ergebnis, wie der Beschwerdeführer meint.
aa. Die Neufassung des § 48 Abs. 1 RVG findet auf das vorliegende Verfahren Anwendung, § 60 Abs. 1 RVG. Der Auftrag zur Wahrnehmung der Streitsache zugunsten der Klagepartei war deren Prozessbevollmächtigten ersichtlich erst nach Inkrafttreten der Neufassung am 1. Jan. 2021 erteilt worden, da die Klagepartei eine erst am 19. Jan. 2021 ausgesprochene Kündigung angreift.
bb. Nach der Neufassung des § 48 Abs. 1 RVG richtet sich der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse auf die gesetzliche Vergütung, die sich nach den Beschlüssen über die Prozesskostenhilfe bestimmt. Sie umfasst alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen.
Mit dieser Regelung ist aber keineswegs ausgesagt, dass es für einen Mehrvergleich einer unbemittelten und auf Prozesskostenhilfe angewiesenen Partei nur mehr eine 1,5 Gebühr für deren Vertreter gebe bzw. eine 1,0 Gebühr für diesen Fall beschränkt auf den Mehrvergleich ausgeschlossen wäre. Denn auch die 1,0 Gebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV-RVG stellt eine gesetzliche Gebühr dar, auch in den Fällen, da ein Vertrag nach Nr. 1000 VV-RVG abgeschlossen wird, wie etwa bei einem Vergleich im Kündigungsschutzverfahren, durch den die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis (Arbeitsverhältnis) beseitigt wird. Auch dann ist Nr. 1003 VV-RVG weiter als Voraussetzung der gesetzlichen Gebührenhöhe zu beachten, die in den benannten Fällen – wie hier, da eine Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf den Mehrvergleich noch geboten war – eine Gebühr von lediglich 1,0 vorsieht. Es handelt sich um eine gesetzliche Gebühr, die nach § 48 Abs. 1 RVG n.F. vom Rechtsanwalt einer Prozesskostenhilfepartei (nur) verlangt werden kann.
3. Die Entscheidung ergeht kostenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG) und ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben