Arbeitsrecht

Reaktivierung einer Beamtin

Aktenzeichen  3 ZB 15.1326

Datum:
2.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 46973
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 u. 2, § 166
BeamtStG § 29 Abs. 2, § 45
ZPO § 114 Abs. 1
AGG § 7 Abs. 1, § 15 Abs. 6, § 24

 

Leitsatz

Die Befugnis zur Reaktivierung eines Beamten nach § 29 Abs. 2 BeamtStG besteht ausschließlich im Interesse des Dienstherren. Ein Anspruch des Beamten auf ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht deshalb nicht (Fortführung von BVerwG NVwZ 2001, 328). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 13.452 2015-04-28 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe

Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Denn unabhängig davon, ob die Klägerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen kann, bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung jedenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den im Zulassungsverfahren streitigen Hilfsantrag, mit dem eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Reaktivierung der Klägerin von Amts wegen nach § 29 Abs. 2 BeamtStG beantragt worden ist, zu Recht abgewiesen. Bei der Regelung des § 29 Abs. 2 BeamtStG handelt sich um eine ausschließlich im Interesse des Dienstherrn bestehende Befugnis, die keinen entsprechenden Anspruch des betroffenen Beamten, auch nicht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, entstehen lässt (vgl. BVerwG, U. v. 26.10.2000 – 2 C 38.99 – NVwZ 2001, 328 – juris).
1. Die Klägerin konnte im Zulassungsverfahren keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) darlegen. Sie verweist auf das Rechtsstaatsprinzip und die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht. Es erscheine absurd, im Bereich der behördlichen Ermessensbetätigung die allgemein anerkannten Maximen pflichtgemäßer Ermessensbetätigung speziell für beamtenrechtliche Vorgänge des § 29 Abs. 2 BeamtStG ausschließen zu wollen. Ihre Reaktivierung sei mit der Begründung abgewiesen worden, es sei trotz intensiver Bemühungen seitens des Dienstherrn in ganz Bayern nicht gelungen, eine sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin zu finden. Tatsächlich aber habe die Regierung von O… mitgeteilt, in Oberbayern bestehe grundsätzlich Bedarf an Fachlehrern. Allerdings nur an gesunden und einsatzfähigen und nur in der Landeshauptstadt München. Eine Fachlehrerin, die (wie die Klägerin bereits zwei Mal) wegen Dienstunfähigkeit pensioniert worden sei, sei hier nicht geeignet und aus diesem Grund nehme Oberbayern von einer Beschäftigung dieser Fachlehrerin Abstand. Die Klägerin sieht darin einen „krassen Verstoß“ gegen das Gebot rechtmäßigen Verwaltungshandelns und gegen die einschlägigen Benachteiligungsverbote des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). Das Verwaltungsgericht habe zum Nachteil der Klägerin „apodiktisch konstatiert“, es bestehe im Rahmen des § 29 Abs. 2 BeamtStG kein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Es habe die „trotz allem bestehende Verpflichtung des Verwaltungshandelns auf Beachtung von erwiesenen Tatsachen und Wahrheit“ verkannt; hier die erwiesene gesundheitliche Eignung der Klägerin und den erwiesenen Bedarf an Fachlehren.
Allein mit der Behauptung, es sei absurd, kann die Klägerin die höchstrichterliche Rechtsprechung und ihr folgend die obergerichtliche Rechtsprechung (vgl. nur OVG NW, B. v. 26.9.2012 – 6 A 1677/11 – juris Rn. 7 ff.) sowie die Kommentarliteratur (vgl. v. Roetteken/Rothländer, Beamtenstatusgesetz, Stand: Juli 2015, § 29 BeamtStG Rn. 171; Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Nov. 2015, § 29 BeamtStG Rn. 14 a.E.; Beck’scher Online-Kommentar Beamtenrecht Bund, § 29 BeamtStG Rn. 19) nicht ernstlich in Zweifel ziehen. Der Ruhestandsbeamte kann zwar das Anliegen an den Dienstherrn herantragen, er solle von seinem Recht auf Reaktivierung nach § 29 Abs. 2 BeamtStG Gebrauch machen, es besteht aber keinerlei Anspruch auf Reaktion durch den Dienstherrn.
Auch der Hinweis auf die Fürsorgepflicht verfängt nicht. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 45 BeamtStG) fordert nicht, § 29 Abs. 2 BeamtStG als individual-begünstigende Norm auszulegen. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geht insoweit nicht über das hinaus, das Beamten oder früheren Beamten durch spezialgesetzliche Regelungen abschließend eingeräumt ist (vgl. BVerwG, U. v. 26.10.2000 – 2 C 38.99 – NVwZ 2001, 328 – juris Rn. 24).
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht daraus, dass die Klägerin ihre frühere „krankheitsbedingte Disposition“ als Grund für die ablehnende Entscheidung der Regierung von Oberfranken sieht und einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz rügt. Nach § 1 AGG ist Ziel des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Krankheit ist jedoch keine Behinderung (vgl. Bauer/Krieger, AGG, 4. Aufl. 2015, § 1 Rn. 40b), so dass der Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bereits nicht eröffnet ist. Im Übrigen begründet ein Verstoß des Dienstherrn gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nach § 15 Abs. 6 AGG i. V. m. § 24 AGG keinen Anspruch auf Reaktivierung.
Die Klägerin verweist auf die Bindung der Exekutive an Gesetz und Recht, blendet aber aus, dass die Überprüfung des Verwaltungshandelns (hier die Ablehnung der erneuten Reaktivierung der Klägerin) nur bei der Eröffnung einer individual-begünstigenden Norm möglich ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Anspruch des Beamten auf Fehlerfreiheit der Ermessensentscheidung, ihn nicht erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen, ausdrücklich verneint (vgl. BVerwG, U. v. 26.10.2000 – 2 C 38.99 – NVwZ 2001, 328 – juris Rn. 20).
2. Aus den unter 1. dargestellten Gründen ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache nicht die von der Klägerin geltend gemachten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO aufweist.
3. Hinsichtlich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren bedarf es keiner Kostenentscheidung, weil Gerichtskosten nicht anfallen und außergerichtliche Kosten der Beteiligten gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht erstattet werden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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