Arbeitsrecht

Reisekosten eines Beamtenanwärters, Fahrt vom Studienort zum privaten Wohnort bei angeordnetem Digitalunterricht und gleichzeitiger Verpflichtung zur Räumung der vom Dienstherrn am Studienort zur Verfügung gestellten Unterkunft stellt eine Ausbildungsreise nach Art. 24 BayRKG dar, der Beamte kann nicht auf, etwaige, Trennungsgeldansprüche verwiesen werden, Ermessensreduzierung auf Null

Aktenzeichen  W 1 K 21.440

Datum:
1.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 15332
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayRKG Art. 24
BayRKG Art. 2
BayRKG Art. 3
BayRKG Art. 6
BayTGV § 8
BayTGV § 5

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2021 verpflichtet, dem Kläger für die Fahrt am 2. Oktober 2020 von K. nach H. eine Wegstreckenentschädigung nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 BayRKG zu gewähren.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf die Gewährung einer Wegstreckenentschädigung nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 BayRKG für die Fahrt am 2. Oktober 2020 von K. nach H. Soweit der Bescheid des Beklagten vom 14. Oktober 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. März 2021 dem entgegensteht, sind die entsprechenden Regelungen rechtswidrig, verletzen den Kläger in seinen Rechten und waren daher insoweit aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich vorliegend aus Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.v.m. Art. 6 Abs. 1 BayRKG. Danach können bei Reisen zum Zweck der Aus- oder Fortbildung erstattet werden: 75 v.H. der Wegstrecken- und Mitnahmeentschädigung nach Art. 6 BayRKG. Bei der vom Kläger am 2. Oktober 2020 von K. nach H. unternommenen Fahrt handelt es entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes um „eine Reise zum Zweck der Ausbildung“, was sich nach Überzeugung der Kammer sowohl aus der subjektiven Motivation des Klägers als auch unter Berücksichtigung der objektiven Gesamtumstände zweifelsfrei ergibt. Denn die Situation stellte sich am 2. Oktober 2020 dergestalt dar, dass die erste angeordnete Präsenzunterrichtsphase an diesem Tag abgeschlossen und der Kläger von Seiten seines Dienstherrn zudem zwingend aufgefordert worden war, die während der Präsenzphase zur Verfügung gestellte Unterkunft zu räumen. Nachdem ihm am Ausbildungsort in K. keine Unterkunftsalternative zur Verfügung gestellt wurde und auch tatsächlich nicht anderweitig zur Verfügung stand, war der Kläger – bei lebensnaher Betrachtung in jeder Hinsicht nachvollziehbar – gezwungen, an seinen privaten Wohnort in H. zurückzukehren, um dort unterzukommen und von dort aus seiner Dienstpflicht zur Teilnahme an der am 5. Oktober 2020 beginnenden digitalen Unterrichtsphase nachkommen zu können. Davon, dass die Anwärter während der digitalen Unterrichtsphase an ihren privaten Wohnort zurückkehren, ist offensichtlich auch der Dienstherr ausgegangen, wenn er etwa im Schreiben der Hochschule vom 12. August 2020 (vgl. Anlage K 12 zur Klageschrift) den Studierenden mitteilt, dass diese (während der digitalen Unterrichtsphasen) „unter gewissen Vorgaben in ihrem eigenen Arbeitstempo in ihrer gewohnten Atmosphäre arbeiten könnten und sich Abwesenheit und Wegezeiten von ihrem Wohnort ersparten. Der sonach gegebenen Reise zum Zweck der Ausbildung steht auch nicht entgegen, dass nach dem Vortrag des Beklagten kein Rechtsanspruch auf die Zurverfügungstellung einer unentgeltlichen Unterkunft am Ausbildungsort bestehe. Denn auf diesen Aspekt kommt es im Hinblick auf Wortlaut und Sinngehalt des Tatbestandsmerkmals „Reise zum Zweck der Ausbildung“ erkennbar nicht an.
2. Darüber hinaus gilt nach Art. 24 Abs. 1 Satz 3 BayRKG im Übrigen – also jenseits der Regelungen der Sätze 1 und 2 des Art. 24 Abs. 1 BayRKG – Abschnitt II des Bayerischen Reisekostengesetzes entsprechend. Der Kläger erfüllt danach auch sämtliche weiteren erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen. Dies gilt zunächst im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 Sätze 1 und 2 sowie Abs. 2 BayRKG in entsprechender Anwendung (vgl. auch 24.1.6 VV BayRKG). Danach haben Dienst-/Ausbildungsreisende Anspruch auf Reisekostenvergütung zur Abgeltung der dienstlich veranlassten Mehraufwendungen, wobei Art und Umfang ausschließlich durch das Bayerische Reisekostengesetz bestimmt werden. Reisekostenvergütung wird zudem nur insoweit gewährt, als die Aufwendungen und die Dauer der Ausbildungsreise zur Erledigung des Dienst-/Ausbildungsgeschäfts notwendig waren. Die begehrte Kostenerstattung für die Fahrt am 2. Oktober 2020 entspricht dem Zweck der Reisekostenvergütung gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayRKG, der in der Abgeltung dienstlich veranlasster Mehraufwendungen besteht. Denn der Dienstherr des Klägers hat vorliegend zum einen veranlasst, dass das Grundstudium nicht vollständig in Präsenz am Ausbildungsort K. stattfindet, sondern im Wechsel zwischen digitalen Phasen und Präsenzunterricht und zum anderen, dass die während der Präsenzphasen zur Verfügung gestellte Unterkunft in K. während des Digitalunterrichts geräumt werden musste, sodass dem Kläger dadurch veranlasst Mehraufwendungen in Form der Reise an den privaten Wohnort (u.a. am 2.10.2020) entstanden sind. Diese Aufwendungen wären dem Kläger ohne die vorgenannten Veranlassungen des Dienstherrn nicht entstanden, sodass es sich um zusätzliche dienstlich bedingte Aufwendungen, ergo um Mehraufwendungen, handelt. Diese waren überdies auch notwendig zur Erledigung des Dienst-/Ausbildungsgeschäfts im Sinne des Art. 3 Abs. 2 BayRKG, da dem Kläger – wie ausgeführt – ab dem 2. Oktober 2020 und während der sich anschließenden digitalen Unterrichtsphase am Ausbildungsort keine Unterkunft durch den Dienstherrn zur Verfügung gestellt wurde und auch anderweitig nicht zur Verfügung stand. Eine Unterkunft war jedoch zwingend erforderlich, um von dort aus der digitalen Lehre folgen zu können.
Dem steht auch nicht der Vortrag des Beklagten entgegen, dass nach 4.3.2 DBestHG 2019/20 der Kläger keinen Rechtsanspruch auf die Zurverfügungstellung einer unentgeltlichen Unterkunft am Ausbildungsort habe. Zwar besteht nach dem Rechtscharakter und dem Wortlaut der genannten Durchführungsbestimmung wohl kein gebundener Anspruch eines Anwärters, da den zur Ausbildung zugewiesenen Beamten nur die bei den staatlichen Lehreinrichtungen „verfügbaren Unterkünfte“ kostenfrei überlassen werden. Allerdings entspricht es doch eindeutig der ständigen Praxis des Dienstherrn, dass die Unterkünfte den Anwärtern während der gesamten Dauer ihres Studiums kostenfrei überlassen werden, sodass diesbezüglich eine Selbstbindung des Dienstherrn anzunehmen ist und der Kläger insoweit einen Anspruch auf Gleichbehandlung hat, zumal auch keine generelle künftige Änderung der Handhabung inmitten steht. In der zeitweisen Nichtgewährung einer kostenfreien Unterkunft während des digitalen Unterrichts liegt somit eine Ungleichbehandlung gegenüber der sonst üblichen Handhabung, die hier auch nicht sachlich gerechtfertigt ist. Eine solche Rechtfertigung ergibt sich insbesondere auch nicht aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und in diesem Zusammenhang erlassener Infektionsschutzvorschriften. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie vorliegend geschehen – gleichzeitig keine anderweitige Unterkunft zur Verfügung gestellt wird und überdies auch die dienstlich veranlassten Mehraufwendungen durch dann erforderlich werdende zusätzliche Fahrten an den privaten Wohnort, um die dort ohnehin bestehende Unterkunft in Anspruch zu nehmen, nicht als Reisekosten erstattet werden. Die vom Dienstherrn hier gewählte Handhabung ist vielmehr mit seiner Fürsorgepflicht gegenüber dem Kläger, § 45 BeamtStG, und speziell der Pflicht zur Erstattung dienstlich veranlasster Mehraufwendungen, Art. 3 BayRKG, nicht in Einklang zu bringen, zumal der Dienstherr – wie bereits ausgeführt – offensichtlich selbst davon ausgegangen ist, dass die Anwärter an ihren privaten Wohnort zur Ableistung des digitalen Unterrichts zurückkehren (vgl. Anlage K 12 zur Klageschrift), sodass die hierzu notwendigen Fahrten erkennbar auch mit Wissen und Wollen des Dienstherrn erfolgt sind. Die gleichwohl erfolgende Ablehnung der Erstattung der notwendigerweise entstandenen dienstlich veranlassten Fahrtkosten widerspricht vor diesem Hintergrund vielmehr dem Grundsatz von Treu und Glauben. Hieran ändert auch nichts, dass sich der Dienstherr in formalistischer Weise darauf zurückzieht, dass er den Kläger während des gesamten Zeitraums des Grundstudiums an den Ort der Hochschule zugewiesen habe, was in der gegebenen Sondersituation des Wechselunterrichts mit gleichzeitigem Verweis aus den zugewiesenen Unterkünften als treuwidrig anzusehen ist, sodass sich der Dienstherr hierauf nicht zurückzuziehen vermag.
Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht daraus, dass der angeordnete Wechselunterricht seinen Grund nicht in Erfordernissen der Ausbildung, sondern in der Pandemie und deren Folgen habe. Denn dadurch, dass es sich um eine dienstliche Ausbildung handelt und der Dienstherr – anders als der Kläger – maßgeblich Einfluss auf deren Gestaltung sowie die Entstehung etwaiger zusätzlicher Aufwendungen nehmen kann, ist er aufgrund seiner Fürsorgepflicht umgekehrt auch gehalten, die aufgrund der festgelegten Organisation anfallenden Mehraufwendungen den Beamten in notwendigem Umfang, hier in Form zusätzlicher Fahrtkosten, als Reisekosten zu erstatten. Die Entstehung der Mehraufwendungen ist nämlich bei wertender Betrachtung der Sphäre des Dienstherrn und nicht der privaten Lebensführung des Klägers zuzuordnen.
Abweichendes folgt überdies nicht daraus, dass der Dienstherr den Kläger für die streitgegenständliche Fahrt am 2. Oktober 2020 auf – etwaig bestehende – Trennungsgeldansprüche verwiesen hat, Art. 23 Abs. 2 BayRKG. Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang in Bezug genommenen – etwaigen – Ansprüche aus § 8 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 5 TGV betreffen – wie der gesetzliche Wortlaut zeigt – die Gewährung von Reisebeihilfen für Familienheimfahrten und damit für aus rein privaten Gründen unternommene Reisen. Eine solche Konstellation ist hier jedoch gerade nicht gegeben, da der Fahrt vom 2. Oktober 2020 vielmehr dienstliche Gründe zugrunde lagen, um von der einzig zur Verfügung stehenden privaten Unterkunft am Wohnort der Dienstverpflichtung zur Teilnahme an der digitalen Lehre Folge leisten zu können. Es erscheint der Kammer daher systemwidrig, den Kläger auf Erstattungsvorschriften zu verweisen, die auf einen privaten Anlass Bezug nehmen, wenn die Reise tatsächlich zum Zwecke der Wahrnehmung der dienstlichen Ausbildung erfolgt ist. Es handelt sich daher bei der hier streitgegenständlichen Fahrt nicht um eine Konstellation, wie sie Art. 23 Abs. 2 BayRKG in den Blick nimmt.
Überdies ist vor dem geschilderten Hintergrund kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die objektiv notwendig gewordene Fahrt zum privaten Wohnort am 2. Oktober 2020 anders zu behandeln als etwa die Dienstantrittreise vom 29. September 2020, da bei sachgerechter objektiver Betrachtung beide Fahrten zu demselben Zweck durchgeführt worden, nämlich um am jeweiligen Zielort der Dienstverpflichtung zur Teilnahme an den Lehrveranstaltungen nachzukommen.
Ergänzend ist im hiesigen Zusammenhang zu erwähnen, dass es in der Praxis unrealistisch erscheint, dass Anwärter in größerer Zahl – noch dazu relativ kurzfristig und während der im maßgeblichen Zeitraum herrschenden Pandemiesituation – in der Lage gewesen wären, sich in K. am dortigen Wohnungsmarkt eine Unterkunft – überdies lediglich wochenweise – anzumieten, was erforderlich gewesen wäre, um die geltend gemachten Fahrtkosten an den privaten Wohnort nicht entstehen zu lassen. Die Anmietung eines Hotelzimmers während der digitalen Unterrichtsphasen wiederum war den Anwärtern und so auch dem Kläger überdies bereits aufgrund der Höhe der diesen lediglich zur Verfügung stehenden Anwärterbezüge (1.363,85 EUR/Monat) nicht zuzumuten.
Schließlich handelt es sich bei den vorliegend entstandenen Aufwendungen in Form von Fahrtkosten für 360 km und die hierfür im Raume stehende Reisekostenerstattung i.H.v. 94,50 EUR für den Kläger – gerade angesichts der Höhe seiner Anwärterbezüge – keineswegs um einen Bagatellaufwand, der ihm – gegebenenfalls – zur Bestreitung aus seinen Anwärterbezügen zugemutet werden könnte, zumal weitere derartige Fahrten, die vom Dienstherrn wohl auch nicht erstattet worden sein dürften, angefallen sind.
3. Darüber hinaus erscheint fraglich, ob über Art. 24 Abs. 1 Satz 3 BayRKG desweiteren auch Art. 2 BayRKG, insbesondere dessen Abs. 2, entsprechend anzuwenden ist oder ob es sich insoweit vielmehr um eine spezielle Regelung ausschließlich für (originäre) Dienstreisen nach Art. 1 Abs. 1 BayRKG handelt, die auf Ausbildungsreisen keine – auch keine entsprechende – Anwendung finden. Für letzteres spricht, dass Ausbildungsreisen nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 BayRKG – anders als etwa Abordnungsreisen nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 BayRKG – nach Art. 2 Abs. 2 BayRKG nicht als Dienstreisen gelten, vgl. Art. 2 Abs. 2 Satz 4 BayRKG. Überdies findet sich in den Verwaltungsvorschriften zu Art. 24 in Ziffer 24.1.6 ein Kanon von bei der Ausbildungsreise zu beachtender Vorschriften des Abschnitts II, in welchen Art. 2 BayRKG gerade nicht aufgenommen wurde. Letztlich kann diese Frage jedoch offenbleiben, da auch die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 BayRKG in entsprechender Anwendung vorliegen.
Nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 BayRKG sind Dienstreisen im Sinne des Bayerischen Reisekostengesetzes Reisen zur Erledigung von Dienstgeschäften außerhalb des Dienstortes, die schriftlich oder elektronisch angeordnet oder genehmigt worden sind. Was das Tatbestandsmerkmal einer „schriftlichen oder elektronischen Anordnung oder Genehmigung“ der hier streitgegenständlichen Fahrt vom 2. Oktober 2020 angeht, so greift vorliegend Art. 2 Abs. 6 Satz 2 BayRKG ein, wonach es einer Anordnung oder Genehmigung nicht bedarf, wenn angeordnete dienstliche Aufträge oder festgelegte Einsatzpläne eine Dienstreise – hier Ausbildungsreise – erforderlich machen. Der dem Kläger mit Schreiben des Landesamtes für Steuern vom 20. August 2020 (vgl. Anlage K 1 zur Klageschrift) mitgeteilte Ablaufplan für den anstehenden Studienabschnitt und die darin beschriebene und mit konkreten Daten versehene zeitliche Aufteilung in digitale Phasen und Präsenzunterricht enthält solche angeordneten dienstlichen Aufträge bzw. gleichfalls einen festgelegten Einsatzplan im Sinne der genannten Vorschrift, da sich daraus in Form eines Einsatzplanes bzw. dienstlichen Auftrages ergibt, in welchen Zeiträumen der Kläger seiner Pflicht zur Teilnahme an den Lehrveranstaltungen in Präsenz in der Hochschule bzw. digital am PC nachzukommen hatte. Der konkret angeordnete dienstliche Auftrag bzw. der spezifische Teil des Einsatzplanes, nach Beendigung der Präsenzunterrichtsphase am 2. Oktober 2020 ab dem 5. Oktober 2020 am Digitalunterricht teilzunehmen, machte – wie bereits oben im Einzelnen ausgeführt – eine Ausbildungsreise an den privaten Wohnort erforderlich, da ab dem 2. Oktober 2020 am Ausbildungsort keine Unterkunft mehr zur Verfügung stand. Auf die obigen Ausführungen wird vollinhaltlich verwiesen.
Vor diesem Hintergrund kann letztlich offenbleiben, ob sich eine schriftliche Anordnung der streitgegenständlichen Reise vom 2. Oktober 2020 auch bereits im Rahmen der Auslegung des erwähnten Schreibens des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 20. August 2020 nach dem objektiven Empfängerhorizont (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl., § 35 Rn. 54) ergibt, insbesondere aus der dort angeordneten digitalen Unterrichtsphase ab dem 5. Oktober 2020 in Kombination mit der den Studierenden anderweitig mitgeteilten Tatsache, dass während dieses Zeitraums eine Unterkunft in K. nicht zur Verfügung stehen werde. Hierfür spricht angesichts der oben beschriebenen Gesamtumstände vieles, obgleich in dem genannten Schreiben ausdrücklich nur die Antrittsreise vom 28. September 2020 sowie die Beendigungsreise vom 8. Januar 2020 (später vorgezogen auf den 4.12.2020) genehmigt wurden.
4. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen (vgl. 3. 1. Absatz), wonach die entsprechende Anwendung des Art. 2 BayRKG bei Ausbildungsreisen bereits grundsätzlich fraglich erscheint, liegt hier jedoch auch die Konstellation einer Reise zur Erledigung eines Dienst-/Ausbildungsgeschäfts außerhalb des Dienst-/Ausbildungsorts vor, Art. 24 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 BayRKG. Nach Art. 2 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BayRKG ist Dienstort/Ausbildungsort die Gemeinde, in der sich die Dienststelle befindet, bei der Dienstreisende ständig oder überwiegend Dienst zu leisten haben. Haben Dienstreisende keine Dienststelle im Sinn von Satz 2, gilt die Dienststelle, der Berechtigte organisatorisch zugeordnet sind, als Dienststelle im Sinne dieses Gesetzes; dies gilt auch bei Tele- oder Wohnraumarbeit. Der Beklagte geht aufgrund der zeitlich durchgehenden Zuweisung des Klägers an den Ort der Hochschule während des gesamten Studienabschnittes mit Schreiben vom 20. August 2020 von einem durchgängig einschlägigen Dienstort/Ausbildungsort in K. aus. Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch, wenn man entsprechend der konkreten Organisation des hier maßgeblichen Studienabschnitts G2A im Herbst/Winter 2020 eine überwiegende Dienstleistung in digitaler Form und damit in Telearbeit annimmt (vgl. hierzu das Schreiben der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern vom 12.8.2020: 56% Digitalunterricht, Anlage K 12 zur Klageschrift). Denn dann greift Art. 2 Abs. 2 Satz 3 2. Hs. BayRKG ein, wonach bei Tele- oder Wohnraumarbeit als Dienststelle im Sinne des Bayerischen Reisekostengesetzes die Dienststelle gilt, der Berechtigte organisatorisch zugeordnet sind, mithin hier gemäß Schreiben des Landesamtes für Steuern vom 20. August 2020 die Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern, Fachbereich Finanzwesen. Damit war während des gesamten Studienabschnitts G2A K. Dienstort/Ausbildungsort des Klägers (anders als in der vom Kläger benannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.4.2008 – 2 C 14/07 – juris hat hier der bayerische Gesetzgeber im Gegensatz zum rheinland-pfälzischen Recht den Ort der Dienststelle bei Tele- und Wohnraumarbeit ausdrücklich gesetzlich geregelt). Hiervon ausgehend stellte die Fahrt am 2. Oktober 2020 von K. nach H. zweifellos eine Reise zur Erledigung eines Dienst-/Ausbildungsgeschäftes, nämlich der Teilnahme an der anstehenden digitalen Unterrichtsphase, außerhalb des Dienstorts/Ausbildungsorts dar. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Argumentation des Beklagten dahingehend, dass sich der Kläger noch in Ausbildung befinde und daher nicht Inhaber eines Amtes sei, sodass Lehrveranstaltungen kein Dienstgeschäft sein könnten, im hiesigen Zusammenhang nicht zu überzeugen vermag. Denn im Rahmen der vorliegend allein maßgeblichen Ausbildungsreise gilt Art. 2 BayRKG – allenfalls – entsprechend, so dass ein originäres Dienstgeschäft nicht zwingend erforderlich ist, sondern vielmehr auch ein „Ausbildungsgeschäft“ in Form einer Lehrveranstaltung ausreichend ist. Überdies sind nach Ziffer 24.1.1 Satz 2 VV BayRKG Reisen von Beamten in Ausbildung, die der Erledigung von Dienstgeschäften dienen, Dienstreisen. Daraus erschließt sich, dass auch nach Auffassung des Freistaates Bayern Widerrufsbeamte in Ausbildung grundsätzlich Dienstgeschäfte ausführen können. Die Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1979 – 6 C 23.78 – juris kann ebenfalls nicht zur Stützung der Auffassung des Beklagten im hiesigen Zusammenhang herangezogen werden, da die Entscheidung nicht zum Gegenstand hat, dass Beamte in Ausbildung keine Dienstreisen bzw. Dienstgeschäfte vornehmen können, sondern die Frage, ob eine angeordnete Fortbildungsreise eines Beamten zugleich eine Dienstreise darstellt.
Nach alledem liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 24 Abs. 1 BayRKG vollumfänglich vor.
5. Auf der Rechtsfolgenseite können (u.a.) 75 v.H. der Wegstreckenentschädigung nach Art. 6 BayRKG erstattet werden. Die Vorschrift räumt dem Dienstherrn entsprechend des gesetzlichen Wortlauts Ermessen ein (so auch: BayVGH, B.v. 10.1.2013 – 3 ZB 08.359 – juris). Da der Beklagte nicht vom Vorliegen einer Dienstreise/Ausbildungsreise ausgegangen ist, hat er infolgedessen auch weder im Ausgangsbescheid noch im Widerspruchsbescheid die erforderliche Ermessensausübung vorgenommen, sodass hier von einem relevanten Ermessensfehler in Form des Ermessensausfalls auszugehen ist. Darüber hinaus hat der Kläger im vorliegenden Fall jedoch nicht lediglich einen Anspruch auf erneute Verbescheidung seines Begehrens, sondern vielmehr einen Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung einer Wegstreckenentschädigung für die Fahrt am 2. Oktober 2020. Dies ergibt sich daraus, dass vorliegend das Ermessen des Dienstherrn auf Null reduziert ist, was sich hier wiederum maßgeblich auf eine Selbstbindung der Verwaltung stützen lässt, woraus der Kläger einen Anspruch auf Gleichbehandlung, Art. 3 Abs. 1 GG, ableiten kann (vgl. etwa: Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 113 Rn. 41, § 114 Rn. 27,32 m.w.N.). Die Selbstbindung ergibt sich vorliegend daraus, dass von Seiten des Beklagten mit Schriftsatz vom 12. Mai 2021 auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt wurde, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für Ausbildungsreisen stets 75 v.H. der Wegstreckenentschädigung gemäß Art. 24 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Art. 6 BayRKG gewährt werden, was zudem dadurch verifiziert wird, dass etwa auch bei den Fahrten des Klägers zwischen K. und H. vom 29. September 2020 und 4. Dezember 2020 eine Wegstreckenentschädigung in dieser Höhe gewährt wurde. Unabhängig davon ist eine Ermessensreduzierung auf Null auch deshalb anzunehmen, da nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1979 – 6 C 23/78 – juris) für die hier fragliche Ermessensentscheidung insbesondere auf den Zweck der Veranstaltung und das Maß der dienstlichen und persönlichen Interessen (im dortigen Fall an der Fortbildung) abzustellen ist. Da hier jedoch bereits keine Fortbildung, sondern vielmehr die dienstliche Ausbildung des Klägers inmitten steht, steht nach Überzeugung der Kammer das Interesse des Dienstherrn an der Ausbildung des Beamten zentral im Vordergrund, sodass auch vor diesem Hintergrund von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen ist.
Die begehrte Wegstreckenentschädigung ist zudem nicht nach Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayRKG ausgeschlossen, wonach dann, wenn die Veranstaltung am Dienst- oder Wohnort stattfindet, nur die notwendigen Fahrkosten und Nebenkosten erstattet werden. Im Hinblick auf die verwendeten Begriffe Fahrkosten und Nebenkosten nimmt der Gesetzgeber offenbar auf dieselbe Formulierung in Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 5 BayRKG Bezug, sodass nur eine Erstattung von Fahrkosten mit regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln nach Art. 5 BayRKG (sowie Nebenkosten nach Art. 12 BayRKG) infrage käme, die vorliegend jedoch nicht angefallen sind. Zwar fand die Veranstaltung hier am Wohnort des Klägers statt, indem dieser dort (zwangsläufig, s.o.) an der digitalen Unterrichtsphase teilgenommen hat. Nach Sinn und Zweck des Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayRKG zielt diese Vorschrift jedoch erkennbar darauf ab, dass die zu erstattenden Kosten nach Abs. 1 Satz 1 dann im Umfang deutlich beschränkt werden sollen (etwa auch in Bezug auf Tagegelder sowie Übernachtungskosten), wenn die Ausbildungsreise nicht nur am Wohnort stattfindet, sondern auch von dort aus angetreten wird, wenn es sich also um sprichwörtlich „kurze Wege“ handelt (vgl. parallel hierzu auch die Vorschrift zu Dienstgängen, Art. 2 Abs. 5 BayRKG: „Gänge oder Fahrten am Dienst- oder Wohnort“). Die Vorschrift erfasst jedoch im Gegensatz dazu nicht die hier vorliegende Konstellation, bei der eine Wegstreckenentschädigung für die dienstlich bedingte Anreise von außerhalb an den Wohnort begehrt wird. Auf die Ausführungen unter 4. wird insoweit ergänzend verwiesen.
Schließlich ist dem Kläger hier gemäß Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 BayRKG eine Wegstreckenentschädigung nach Art. 6 Abs. 1 BayRKG – analog zu den beiden bereits genehmigten Reisen vom 29.09.2020 sowie 4. Dezember 2020 – für die Fahrt von K. nach H. zu gewähren, da der Kläger die Fahrtstrecke aus triftigen Gründen mit dem Pkw zurückgelegt hat, da er keine persönlichen Gegenstände in der Unterkunft in K. belassen konnte, sondern diese in Gänze abzutransportieren hatte (vgl. Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 11.5.2021). Insofern ist von einem notwendigen Transport privaten Gepäcks über 10 kg auszugehen (vgl. 6.1 VV-BayRKG), was auch der Dienstherr in gleicher Weise für die Antritts- und Beendigungsreise mit Schreiben vom 20. August 2020 bereits anerkannt hat.
Nach alledem war der Klage im Hauptantrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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