Arbeitsrecht

Rückforderung von Aufstiegsfortbildungsförderung, verschuldensunabhängige Teilnahmequote

Aktenzeichen  AN 2 K 20.02584

Datum:
15.6.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30172
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AFBG § 7, § 9a, § 16

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 26. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die streitgegenständliche Rückforderung geleisteter Aufstiegsfortbildungsförderung in Höhe von 1.236,00 EUR beruht auf § 16 Abs. 2, Abs. 3 AFBG in der bis zum 31. Juli 2020 geltenden Fassung. Es handelt es sich um eine gebundene Entscheidung, so dass dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt war.
a) Anwendbar ist vorliegend das AFBG in seiner bis zum Ablauf des 31. Juli 2020 geltenden Fassung (künftig: AFBG a.F.). So sieht § 30 Abs. 1 AFBG in seiner aktuellen Fassung als Übergangsregelung vor, dass für Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung, die bis zum 31. Juli 2020 abgeschlossen worden sind, das AFBG in der bis zum 31. Juli 2020 geltenden Fassung anzuwenden ist. So liegt der Fall hier, da der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 glaubhaft vorgetragen hat – was im Übrigen auch unstreitig geblieben ist -, die Fortbildungsmaßnahme zum Industriefachwirt IHK erfolgreich abgeschlossen zu haben. Danach hat der Kläger die Fortbildungsmaßnahme jedenfalls vor dem Stichtag des 31. Juli 2020 (erfolgreich) abgeschlossen. Im Übrigen stimmen die hier entscheidungserheblichen Vorschriften nach § 16 Abs. 3 AFBG a.F. und § 16 Abs. 3 Satz 1 und 2 AFBG n.F., was den Grundsatz angeht, auch inhaltlich überein. Aus der aktuellen Übergangsregelung nach § 30 Abs. 1 AFBG ergibt sich im Übrigen auch, dass das AFBG in seiner Fassung bis 31. Juli 2016 nicht mehr anwendbar ist. Auf diese, nicht mehr anzuwendende Fassung des Gesetzes bezieht sich die klägerseits zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover (U.v. 13. März 2014 – 3 A 4605/12 – BeckRS 2014, 48808), worauf noch genauer einzugehen sein wird.
b) Die streitgegenständliche Rückforderung beruht auf § 16 Abs. 2 und 3 AFBG a.F.
aa) § 16 Abs. 2 AFBG a.F. sieht vor, dass der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin die erhaltenen Leistungen insoweit zu erstatten hat, soweit Leistungen nach dem AFBG unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt wurden und der entsprechende Vorbehalt greift. Weiter bestimmt § 16 Abs. 3 AFBG a.F., dass der Bewilligungsbescheid insgesamt aufzuheben und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin die erhaltenen Leistungen zu erstatten hat, wenn der Teilnehmer oder die Teilnehmerin in einem Nachweis des Bildungsträgers nicht die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nachweist und diese bis zum Ende der Maßnahme nicht mehr erreicht werden kann. Dies gilt indes nach § 16 Abs. 3 Halbs. 2 AFBG a.F. nicht, sofern die Maßnahmen aus wichtigem Grund abgebrochen und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin bis zum Abbruch regelmäßig an der Maßnahme teilgenommen hat. Hinsichtlich der Rechtsfolge von § 16 Abs. 3 AFBG a.F. ist anerkannt, dass der Bewilligungsbescheid insgesamt – also hinsichtlich Maßnahme- und Unterhaltsbeitrag – aufzuheben ist, wobei die erhaltenen Leistungen zurückzuerstatten sind (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 16 Ziff. 2.3). Schließlich bestimmt § 16 Abs. 5 AFBG a.F. für den Fall, dass der Bewilligungsbescheid bei einer aus mehreren Maßnahmeabschnitten bestehenden Vollzeitmaßnahme insgesamt aufgehoben wird, dass der Unterhaltsbeitrag nur für die Maßnahmeabschnitte zu erstatten ist, an denen der Teilnehmer oder die Teilnehmerin nicht regelmäßig teilgenommen hat.
Nach § 9a Abs. 1 Satz 1 AFBG a.F. hat der Teilnehmer oder die Teilnehmerin regelmäßig an der geförderten Maßnahme teilzunehmen. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift müssen die Leistungen des Teilnehmers oder der Teilnehmerin erwarten lassen, dass er oder sie die Maßnahme erfolgreich abschließt. Aus dieser Formulierung ergibt sich, dass es nicht darauf ankommt, ob der Auszubildende die Fortbildungsmaßnahme tatsächlich erfolgreich abschließt oder aber eine etwaige Abschlussprüfung nicht besteht (OVG Münster, B.v. 12.4.2012 – 12 A 236/12 – BeckRS 2012, 51121). Bewusst bürdet der Gesetzgeber Teilnehmern einer Förderungsmaßnahme nicht das Risiko des (endgültigen) Nichtbestehens einer Prüfung etwa am Ende einer mehrjährigen Ausbildung auf, um die mit dem AFBG verfolgte Anreizwirkung nicht zu konterkarieren und keine Hemmschwelle für Fortbildungsinteressierte aufzubauen (so BT-Drucksache 18/7055, Seite 38). Nach § 9a Abs. 1 Satz 3 AFBG wird regelmäßig von der Möglichkeit des erfolgreichen Abschlusses der Maßnahme ausgegangen, solange Teilnehmer diese zügig und ohne Unterbrechung absolvieren und sich um einen erfolgreichen Abschluss bemühen. Nach § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG liegt im Fall des Präsenzunterrichts eine regelmäßige Teilnahme vor, wenn die Teilnahme an 70% der Präsenzstunden nachgewiesen wird. Hierdurch wird das Tatbestandsmerkmal der regelmäßigen Teilnahme im Rahmen einer Pauschalierung gesetzlich definiert (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 9a Ziff. 2.1). Dies ergibt sich zudem aus der Begründung des Gesetzgebers. So war zum AFBG in seiner Fassung vor dem 1. August 2016 eine Differenzierung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten anerkannt. Mit der Neufassung des Gesetzes in der Fassung ab dem 1. August 2016 wollte der Gesetzgeber gerade diese mit Abgrenzungs- und Auslegungsproblemen verbundene Differenzierung zwischen entschuldigten und unentschuldigten Fehlzeiten mit Hilfe eines Systemwechsels dahingehend ablösen, dass pauschal lediglich auf eine Teilnahmequote abgestellt wird, die allerdings mögliche Fehlzeiten großzügig berücksichtigt. In diesem Sinne ist in der Gesetzesbegründung zur Novellierung des AFBG durch das Dritte Gesetz zur Änderung des AFBG vom 16. Dezember 2015 ausgeführt, in der Vergangenheit sei eine komplizierte und einzelfallorientierte Kasuistik von Entschuldigungsgründen gebildet worden, deren Prüfung mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden gewesen sei (BT-Drucksache 18/7055, Seite 38). Die notwendige regelmäßige Teilnahme sei auf 70% der Präsenzunterrichtsstunden gesetzlich pauschaliert. Diese Pauschalierung sei zunächst in der Verwaltungspraxis erprobt worden. Sie habe sich als angemessen und interessengerecht erwiesen. Auf der einen Seite stehe das Interesse an einer vollständigen Teilnahme, die letztlich Grundlage der Förderung sei. Auf der anderen Seite bestehe die Notwendigkeit für eine zielorientierte und effektive Förderung, die die Lebensumstände der typischen Geförderten förderrechtlich ernst nehme. Diese Geförderten stünden „mitten im Leben“. Sie müssten oft Beruf, Familie und Aufstiegsfortbildung im Alltag miteinander vereinbaren. Dies führe zu einem gewissen Maß an objektiv nicht vermeidbaren Fehlzeiten, sei es etwa durch Krankheit – eigene oder von Kindern – oder durch Kinderbetreuungsengpässe aufgrund von Schließzeiten (so im Ganzen BT-Drucksache 18/7055, Seite 38).
Im Übrigen bestimmt § 9a Abs. 1 Satz 5 AFBG a.F., dass die Förderung hinsichtlich der regelmäßigen Teilnahme an der Maßnahme unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung geleistet wird. Schließlich hat nach § 9a Abs. 2 Satz 1 AFBG a.F. der Teilnehmer bzw. die Teilnehmerin insbesondere sechs Monate nach Beginn sowie zum Ende der Maßnahme einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme vorzulegen.
bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hatte der Beklagte hier – ohne dass ihm Ermessen eingeräumt gewesen wäre – Aufstiegsfortbildungsförderung wie mit Bescheid vom 26. März 2020 geschehen zurückzufordern.
(1) Hier stand die gesamte geleistete Aufstiegsfortbildungsförderung gemäß §§ 9a Abs. 1 Satz 5, 16 Abs. 2 und 3 AFBG a.F. unter dem Vorbehalt der Rückforderung. So waren die Bewilligungsbescheide vom 16. November 2017 sowie zuletzt vom 29. März 2018 jeweils unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen ergangen, dass der Kläger jeweils zum 1. Mai 2018 und 31. Oktober 2019 einen Nachweis des Bildungsträger über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringt.
(2) Der Kläger kann gemäß § 16 Abs. 3 AFBG a.F. in einem Nachweis des Bildungsträgers die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nicht nachweisen. Denn der Kläger hat zum 31. Oktober 2019 keinen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbracht. Aus dem zuletzt vorgelegten Teilnahmenachweis des Bildungswerks vom 18. November 2019 geht hervor, dass der Kläger im Zeitraum 8. Mai 2018 bis 12. November 2019 an 246 von insgesamt 412 Präsenzstunden teilgenommen hat. Dies entspricht einer Teilnahmequote von 59,7%, die die pauschalierte Teilnahmequote aus § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG a.F. von 70% unterschreitet. Die geforderte Teilnahmequote von 70% kann der Kläger auch nicht mehr erreichen, da alle Präsenzstunden der Fortbildungsmaßnahme im Zeitpunkt des Teilnahmenachweises vom 18. November 2019 abgeschlossen waren. Entsprechend umfassen der genannte Teilnahmenachweis sowie der Teilnahmenachweis vom 7. Mai 2018, wonach der Kläger im Zeitraum vom 8. November 2017 bis 7. Mai 2018 an 109 von insgesamt 121 Präsenzstunden teilgenommen habe, alle Präsenzstunden der Fortbildungsmaßnahme. Hieraus ergibt sich insgesamt eine Teilnahme an 355 von 533 Präsenzstunden, was einer Teilnahmequote von insgesamt 66,6% entspricht, also ebenfalls die geforderte pauschalierte Teilnahmequote aus § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG a.F. von 70% unterschreitet. All dies gilt erst recht, sofern von den genannten 355 besuchten Präsenzstunden noch zehn lediglich aus Kulanz gutgeschriebene und deswegen nicht zu berücksichtigende Präsenzstunden abgezogen werden.
Soweit der Kläger vorgebracht hat, nach seiner Erinnerung sei er an mehr Präsenzstunden als den bescheinigten anwesend gewesen, rechtfertigt dies keine andere Beurteilung. Zum einen stellt sich der klägerische Vortrag trotz konkreter Nachfrage des Beklagten im Verwaltungsverfahren auch im gerichtlichen Verfahren als gänzlich unsubstantiiert dar. Der Vortrag lässt schon nicht erkennen, welchen Umfang die nicht bescheinigten Stunden aufweisen sollen, insbesondere, ob darin 29 fehlenden Präsenzstunden enthalten sein sollen, die dem Kläger zum Erreichen der Teilnahmequote von 70% gefehlt haben (355 Präsenzstunden abzüglich 10 lediglich aus Kulanz gutgeschriebener Stunden zuzüglich 29 Präsenzstunden ergeben in der Summe bezogen auf 533 Präsenzstunden eine Teilnahmequote von noch 70%). Im Übrigen oblag es dem Kläger auf Grund des bestandskräftigen Vorbehalts aus dem Bewilligungsbescheid vom 29. März 2018, die regelmäßige Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme nachzuweisen, zumal die fraglichen Umstände in seine Sphäre fallen.
Weiter waren die Bewilligungsbescheide vom 16. November 2017 und 29. März 2018 entgegen dem klägerischen Vortrag, zu keiner Zeit während der Fortbildungsmaßnahme darauf hingewiesen worden zu sein, dass fehlende Präsenzstunden die Förderung gefährdeten, nicht nur jeweils mit dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen versehen, dass näher bezeichnete Nachweise über die regelmäßige Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme erbracht werden. In den genannten Bescheiden war jeweils auch – hier zusammengefasst dargestellt – in Fettdruck ausgeführt, eine regelmäßige Teilnahme liege vor, wenn die Teilnahme an 70% der Präsenzstunden nachgewiesen werde. Die unregelmäßige Teilnahme könne – unabhängig vom Grund der Fehlzeiten – zur Aufhebung des Bescheids und zur Rückforderung der Leistungen führen. Danach war der Kläger umfassend und zutreffend über die Rechtslage informiert. Eine weitere Warnung etwa mit Blick auf wachsende Fehlzeiten war hier schon deshalb nicht geboten, weil die Gefährdung bzw. das Nichterreichen der geforderten Teilnahmequote für den Beklagten erst mit Eingang des Teilnahmenachweises vom 18. November 2019, also nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme, erkennbar war. Vor vor allem aber lag die Frage der regelmäßigen Teilnahme hier allein in der Sphäre und in dem Verantwortungsbereich des Klägers. Schließlich war hier auch § 16 Abs. 4 Satz 2 AFBG a.F. nicht einschlägig.
(3) Vorliegend kann auch nicht von einem Maßnahmeabbruch oder einer Maßnahmeunterbrechung aus wichtigem Grund ausgegangen werden, die dem Kläger nach § 16 Abs. 3 AFBG a.F. bzw. § 7 Abs. 3a AFBG a.F. die Förderung jedenfalls bis zum Maßnahmeabbruch bzw. bis zur Maßnahmeunterbrechung für den Fall der regelmäßigen Teilnahme bis dahin erhalten hätte.
Einen Abbruch der Fortbildungsmaßnahme hat der Kläger schon nicht geltend gemacht. Auch in der Sache liegt die Annahme eines Maßnahmeabbruchs fern. So wird von einem Maßnahmeabbruch ausgegangen, wenn Teilnehmer nach eigener Erklärung oder konkludent das Fortbildungsziel aufgeben (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 7 Ziff. 2.1). Hier belegt aber der Umstand, dass der Kläger die Abschlussprüfung angetreten und erfolgreich abgelegt hat, dass er das Fortbildungsziel gerade nicht aufgegeben, sondern wie beabsichtigt erreicht hat.
Allerdings spricht vieles dafür, dass der Kläger die Fortbildungsmaßnahme unterbrochen hat, also zeitweise ohne Aufgabe des Fortbildungsziels nicht besucht hat. Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, weil es jedenfalls an einer (rechtzeitigen) Erklärung der Unterbrechung fehlt. Nach § 7 Abs. 4a Satz 1 AFBG a.F. sind der Maßnahmeabbruch oder die Maßnahmeunterbrechung nur berücksichtigungsfähig, sofern sie ausdrücklich erklärt werden. Gemäß § 7 Abs. 4a Satz 2 AFBG a.F. wirkt die Erklärung nur insoweit auf einen vor dem Eingang bei der zuständigen Behörde liegenden Zeitpunkt zurück, als sie ohne schuldhaftes Zögern erfolgt. Hier hat der Kläger keine entsprechende ausdrückliche Erklärung abgegeben.
(4) Rechtlich unerheblich ist, dass der Kläger die Fortbildungsmaßnahme erfolgreich abgeschlossen hat. Denn – wie bereits dargelegt – kann und soll Aufstiegsfortbildungsförderung gerade nicht deswegen zurückgefordert werden, weil Teilnehmer die Fortbildungsmaßnahme letztlich ohne Erfolg durchlaufen haben. Aufgrund der Erfolgsunabhängigkeit der Aufstiegsfortbildungsförderung in diesem Sinn kann spiegelbildlich Ausbildungsförderung nicht belassen werden, wenn zwar die Rückforderungsvoraussetzungen vorliegen, der Teilnehmer die Maßnahme aber dennoch erfolgreich beendet hat. Danach kommt es auf den klägerseits angeführten, zutreffenden Gesichtspunkt rechtlich nicht an, dass auch die vollständige Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme nicht deren erfolgreichen Abschluss garantiert.
(5) Auch die Erwägungen der klägerseits zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover (U.v. 13.3.2014 – 3 A 4605/12 – BeckRS 2014, 48808) stehen der angegriffenen Rückforderung nicht entgegen. So stellt das Urteil ausdrücklich auf die mittlerweile überholte Rechtslage vor dem 1. August 2016 ab, als die regelmäßige Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme noch nicht legaldefiniert war und auf Grundlage der damals einschlägigen Gesetzesbegründung je nach vertretener Auffassung gefordert wurde, Teilnehmer von Fortbildungsmaßnahmen müssten – allerdings verschuldensabhängig – Teilnahmequoten zwischen 85% bis 90% erzielen. Auf dieser Grundlage stellt sich tatsächlich die von dem Verwaltungsgericht Hannover näher erörterte Frage, inwieweit berufliche Veränderungen ggf. unverschuldet die Teilnahme an der Fortbildungsmaßnahme verhindert haben. Auf Basis des hier anwendbaren Rechts stellt sich diese Frage dagegen nicht. Denn nach § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG a.F. ist die regelmäßige Teilnahme – wie ausgeführt – sowohl mit Blick auf den Wortlaut der Norm als auch hinsichtlich der Intention des Gesetzgebers zweifellos verschuldensunabhängig legaldefiniert.
(6) Auch hinsichtlich der Rechtsfolge begegnet der angegriffene Rückforderungsbescheid vom 25. Juni 2018 keinen Bedenken. Der Rückforderungsbetrag in Höhe von 1.236,00 EUR ergibt sich daraus, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Rückforderung Aufstiegsfortbildungsförderung in Gestalt von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren unstreitig in der genannten Höhe geleistet hatte. Eine Rückforderung allein für Maßnahmeabschnitte, in denen die Teilnahmequote von 70% nach § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG a.F. nicht erreicht war, schied aus. Denn § 16 Abs. 5 AFBG a.F. sieht dies lediglich für Fortbildungsmaßnahmen in Vollzeit und für Aufstiegsfortbildungsförderung in Gestalt von Unterhaltsbeiträgen vor. Hier steht jedoch eine Teilzeitmaßnahme in Frage. Außerdem war Aufstiegsfortbildungsförderung allein in Gestalt von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren bewilligt bzw. geleistet. Schließlich räumt § 16 Abs. 2 oder 3 AFBG a. F. dem Beklagten kein Ermessen ein.
c) Die Rückforderung ist auch verhältnismäßig im Einzelfall.
Die Rückforderung ist geeignet, das legitime gesetzgeberische Ziel zu verfolgen, öffentliche Mittel zur Aufstiegsfortbildungsförderung effektiv und sparsam zu verwenden. Auch ist die Rückforderung erforderlich, da keine milderen Mittel zur Zweckerreichung ersichtlich sind, die vergleichbar wirksam wären. Insbesondere würde die Rückforderung eines geringeren Geldbetrags öffentliche Mittel nicht in demselben Ausmaß schonen.
Die Rückforderung ist mit Blick auf das genannte gesetzgeberische Ziel auch angemessen bzw. verhältnismäßig im engeren Sinn. Bedenken bestehen auch nicht deswegen, weil sich der Gesetzgeber mit der Neuregelung des AFBG entschieden hat, die für die Förderung erforderliche Teilnahmequote gesetzlich zu pauschalieren, sodass es bei Unterschreitung dieser Teilnahmequote nicht mehr darauf ankommt, ob Fehlzeiten entschuldigt oder unentschuldigt entstanden sind. So ist dem Gesetzgeber schon nach allgemeinen Grundsätzen auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ein beträchtlicher Spielraum eingeräumt, um abstrakt generelle und insoweit regelmäßig pauschalierende und typisierende Normen zu schaffen (Greszick in Maunz/Dürig GG, Stand Oktober 2019, Art. 20 Rn. 122). Dies gilt umso mehr im Bereich der hier einschlägigen Leistungsverwaltung. Etwaige Härten sind zudem dadurch gemildert, dass eine vergleichsweise hohe Fehlzeitenquote von bis zu 30% förderungsrechtlich unschädlich ist und es Teilnehmern an Fortbildungsmaßnahmen offen steht und ohne weiteres zumutbar ist, ggf. gemäß § 7 Abs. 4a Satz 1 AFBG a.F. ausdrücklich den Abbruch bzw. die Unterbrechung der Fortbildungsmaßnahme aus wichtigem Grund zu erklären. Einen wichtigen Grund unterstellt – der auch in nicht vorhersehbaren beruflichen Veränderungen liegen kann – erhält die ausdrückliche Erklärung des Abbruchs bzw. der Unterbrechung die Förderung für die zurückliegende Zeit, sofern bis dahin eine regelmäßige Teilnahme vorliegt.
Danach stellt sich die angegriffene Rückforderung auch hier als verhältnismäßig im Einzelfall dar, auch wenn unterstellt wird, dass die Unterschreitung der geforderten Teilnahmequote durch unverschuldete Fehlzeiten versucht war. So wäre es dem Kläger zumutbar gewesen, die Unterbrechung der Maßnahme zu erklären, als er – nachvollziehbar – aufgrund veränderter beruflicher Verpflichtungen nicht mehr ausreichend in der Lage war, Präsenzstunden seiner Fortbildungsmaßnahme zu besuchen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger die künftigen beruflichen Veränderung im Zeitpunkt des Beginns der Fortbildungsmaßnahme naturgemäß noch nicht hat absehen können. Dies wir in aller Regel bei wichtigen Gründen der Fall sein, so etwa bei Krankheit. Zwar hätte der Kläger für den Zeitraum der Unterbrechung nach § 7 Abs. 3a Satz 2 AFBG a.F. keine Förderungsleistungen mehr erhalten. Er hätte sich jedoch nach § 7 Abs. 3a Satz 1 AFBG a.F. nicht nur die bislang erhaltene Förderung, sondern auch die Möglichkeit der Weiterförderung nach Wiederaufnahme der Fortbildungsmaßnahme im Sinne einer regelmäßigen Teilnahme erhalten. Der Verlust der Förderung in Gestalt von Unterhaltsbeiträgen und die damit verbundenen, nachvollziehbaren Schwierigkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten, standen hier ohnehin nicht in Rede. Denn bewilligt war allein Aufstiegsfortbildungsförderung in Gestalt von Lehrgangs- und Prüfungsgebühren. Indes hätten auch ausbleibende Unterhaltsbeiträge die Erklärung der Unterbrechung nicht unzumutbar gemacht. Vielmehrt obliegt es Teilnehmern einer Fortbildungsmaßnahme, in solchen Fällen ggf. anderweitig Sozialleistungen zu beantragen (so für die hochschulrechtliche Beurlaubung mit Blick auf die Förderungshöchstdauer nach § 15 BAföG BayVGH, B.v. 15.12.2016 – 12 ZB 16.1141 – BeckRS 2016, 113469). Im Übrigen trägt auch § 16 Abs. 5 AFBG zur Abmilderung wirtschaftlicher Härten bei.
Nach alledem trifft der Vortrag des Klägers nicht zu, er sei zur Vermeidung der Rückforderung gezwungen gewesen, gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu verstoßen, mit entsprechenden Konsequenzen bis hin zum Verlust seines Arbeitsplatzes. Stattdessen hätte er (ausdrücklich) die Unterbrechung der Fortbildungsmaßnahme erklären können.
Offen bleiben kann danach auch, ob es überhaupt unverschuldete Fehlzeiten waren, die zur Unterschreitung der geforderten Teilnahmequote geführt haben. So ergibt sich aus der tabellarischen Aufstellung des Bildungswerks vom 9. Januar 2020 betreffend die Anwesenheit des Klägers in Präsenzstunden (Bl. 64 der Behördenakte), dass der Kläger in der Zeit vom 10. September bis 21. Oktober 2019 in allen insgesamt 44 Präsenzstunden gefehlt hat. Für diese Zeit ist auf Grundlage des klägerischen Vortrags zumindest unklar geblieben, ob er tatsächlich wegen seines Arbeitsverhältnis gehindert war, an der Fortbildungsmaßnahme teilzunehmen. Denn nach eigenem Vortrag wurde das Arbeitsverhältnis seitens des Arbeitgebers im August gekündigt, wobei der Kläger dem Verständnis der Beklagtenseite nicht entgegengetreten ist, seitdem nicht mehr an der Fortbildungsteilnahme gehindert gewesen zu sein. Der Besuch der in Frage stehenden 44 Präsenzstunden hätte indes zum Erreichen der geforderten Teilnahmequote von 70% geführt. In diesem Fall hätte der Kläger an 389 Präsenzstunden (345 Präsenzstunden + 44 Präsenzstunden) von insgesamt 533 Präsenzstunden teilgenommen, was einer (ausreichenden) Teilnahmequote von etwa 73% entsprochen hätte.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1,154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.


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