Arbeitsrecht

Rückwirkende Anrechnung von Witwenrente

Aktenzeichen  B 5 K 16.927

Datum:
8.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 52 Abs. 2 BeamtVG i.V.m. §§ 818 ff. BGB
BeamtVG § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG
BGB § 818 Abs. 4, § 819, § 820 BGB
BeamtVG § 55 BeamtVG

 

Leitsatz

1 Der Festsetzung und Zahlung der Versorgungsbezüge ist hinsichtlich der Ruhensvorschriften ein gesetzlicher Vorbehalt – mit der Folge des grundsätzlichen Ausschlusses der Einrede des Wegfalls der Bereicherung – immanent. (Rn. 38) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Die Zahlung der Versorgungsbezüge steht stets unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt der Kürzung wegen rückwirkender Gewährung oder nachträglichen Bekanntwerdens anzurechnender anderweitiger Bezüge gemäß § 55 BeamtVG. (Rn. 38) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Der Anzeigepflicht des § 62 Abs. 2 BeamtVG genügt nicht die Angabe des Versicherungsträgers und der Versicherungsnummer hinsichtlich der Rentenanwartschaft. (Rn. 43) (red. LS Alexander Tauchert)
4 Da eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners den Rückzahlungsanspruch modifiziert, beurteilt sich deren Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also in der Regel des Widerspruchsbescheides. (Rn. 47) (red. LS Alexander Tauchert)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Über die Klage kann mit Einverständnis der Parteien nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 03. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 23. November 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a) Rechtsgrundlage der – hier allein angegriffenen – Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) in Höhe von 2.654,67 € ist § 52 Abs. 2 BeamtVG i. V. m. §§ 818 ff. BGB. Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG regelt sich die Rückforderung zuviel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Voraussetzung ist danach, dass die Klägerin Versorgungsbezüge durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten ohne Rechtsgrund erhalten (Überzahlung von Versorgungsbezügen) und sie diese nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen herauszugeben hat. Nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG kann von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ganz oder teilweise abgesehen werden.
b) In formeller Hinsicht bestehen gegen den Bescheid der Beklagten vom 03. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2016 keine Bedenken.
c) Die Rückforderung des zu viel ausbezahlten Witwengeldes in voller Höhe ist materiell rechtmäßig. Es liegt eine Überzahlung von Versorgungsbezügen in Höhe von 2.654,67 € vor, die die Klägerin nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen herauszugeben hat. Die von der Beklagten in Anwendung von § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG getroffene Billigkeitsentscheidung ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
Der Klägerin wurde auf ihren Antrag vom 29. Dezember 2014 mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern vom 23. Januar 2015 große Witwenrente ab dem … 2014, dem Todestag ihres Ehemannes, gewährt (Bl. 314 ff. d. Personalakte). Zugleich erhielt sie ab 01. Januar 2015 gemäß §§ 19, 20 und 27 BeamtVG Witwengeld, gewährt mit Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2015. Diese Versorgungsbezüge wurden teilweise überbezahlt im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG. Versorgungsbezüge sind „zu viel gezahlt“ im Sinne dieser Vorschrift, soweit sie ohne rechtlichen Grund gezahlt wurden (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2011 – 14 B 10.567 – juris Rn. 23, zur gleichlautenden Regelung in § 12 Abs. 2 Satz 1 des Bundesbesoldungsgesetzes – BBesG). Da die der Klägerin als Witwengeld nach §§ 19, 20 und 27 BeamtVG ausbezahlten Versorgungsbezüge ohne Anrechnung der gewährten gesetzlichen Rente berechnet und ausgezahlt wurden, ergibt sich vorliegend eine Überzahlung von Versorgungsbezügen in Höhe von 2.654,67 €. Denn nach § 55 Abs. 1 BeamtVG werden Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der sich aus § 55 Abs. 2 BeamtVG bezeichneten Höchstgrenze gezahlt. Als Renten gelten gemäß § 55 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG Renten der gesetzlichen Rentenversicherungen. Als Höchstgrenze gilt für Witwen der Betrag, der sich als Witwengeld zuzüglich des Unterschiedsbetrags nach § 50 Abs. 1 BeamtVG aus dem Ruhegehalt nach Nummer 1 ergeben würde. Da zwischen dem 01. Januar 2015 und dem 30. Juni 2016 die jeweiligen Rentenzahlungen der gesetzlichen Rentenversicherung nicht berücksichtigt wurden, wurden die Versorgungsbezüge der Klägerin falsch berechnet und über die Höchstgrenze des § 55 Abs. 2 BeamtVG hinaus ausbezahlt. Hierdurch ergab sich in der Zeit vom 01. Januar 2015 bis 30. Juni 2016 eine ohne rechtlichen Grund geleistete Überzahlung in Höhe von zuletzt 2.604,67 € (2.654,67 € abzüglich der bereits einbehaltenen 50,00 €). Die Klägerin ist somit nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG i.V.m. § 818 Abs. 1 BGB zur Rückzahlung des überzahlten Betrags von 2.604,67 € verpflichtet.
Weiter bezieht sich die genannte Verweisung (lediglich) auf den Umfang der herauszugebenden Bereicherung, mithin auf die §§ 818 bis 820 BGB (Weinbrenner/Bauer in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand April 2014, § 52, Rn. 96).
Die Klägerin haftet verschärft nach § 52 Abs. 2 BeamtVG i.V.m. § 818 Abs. 4, § 820 Abs. 1 BGB und kann sich somit nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Nach § 818 Abs. 4, § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB haftet die Klägerin nach den allgemeinen Vorschriften, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund tatsächlich wegfällt. Nach § 55 BeamtVG ist beim Zusammentreffen von Versorgungsbezügen und Renten aus einem Versicherungsverhältnis des Beamten eine Ruhensregelung vorzunehmen. Der Festsetzung und Zahlung der Versorgungsbezüge ist hinsichtlich der Ruhensvorschriften aber ein gesetzlicher Vorbehalt – mit der Folge des grundsätzlichen Ausschlusses der Einrede des Wegfalls der Bereicherung – immanent. Aus diesem Vorbehalt ergibt sich, dass der nachträgliche Wegfall des Rechtsgrundes als möglich i.S.d. § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB angesehen wurde. Ohne Belang ist dabei, ob sich die Klägerin dieses gesetzlichen Vorbehalts im Zeitpunkt der Überzahlung bewusst gewesen ist. Zu den unter Vorbehalt gezahlten Bezügen gehören – ohne dass es eines ausdrücklichen Vorbehalts bedürfte – auch solche Zahlungen, für die aufgrund von Ruhensvorschriften rückwirkend eine höhere Anrechnung von Renten in Betracht kommen kann. Die Zahlung der Versorgungsbezüge steht stets unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt der Kürzung wegen rückwirkender Gewährung oder nachträglichen Bekanntwerdens anzurechnender anderweitiger Bezüge gemäß § 55 BeamtVG. Dem Witwengeldfestsetzungsbescheid vom 14. Januar 2015 war zudem das Informationsblatt „Rentenvorbehalt“ beigefügt (Bl. 263 d. Personalakte), so dass die Klägerin die Anrechnung und den Rentenvorbehalt positiv kannte.
Es mag zwar sein, dass die Reichweite des gesetzesimmanenten Vorbehalts in dem Grundsatz von Treu und Glauben seine Grenze findet (BVerwG, U.v. 24.11.1966 – II C 119.64 – ZBR 1967, 156) und sich die Pensionsregelungsbehörde nicht auf diesen Vorbehalt berufen kann, soweit die Versorgungsberechtigte aufgrund eines der Pensionsregelungsbehörde zurechenbaren Verhaltens darauf vertrauen durfte, dass es zum Ruhen der Versorgung nicht oder nicht mehr kommen werde. Eine solche Fallgestaltung ist aber nur dann anzunehmen, wenn die Pensionsregelungsbehörde die Anwendung der Ruhensvorschriften ohne erkennbaren Grund so ungewöhnlich lange verzögerte, dass dieser Verzögerung der Aussagewert eines „Negativ-Bescheides“ in dem eben erwähnten Sinne zukommt (Weinbrenner in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand April 2014, § 52, Rn. 115c). All dies ist vorliegend nicht ersichtlich, da sowohl die Witwengeldgewährung mit dem Hinweis des Rentenvorbehalts versehen war, kein Negativ-Bescheid ergangen war und die Anwendung der Ruhensvorschriften nicht verzögert wurde.
Unabhängig von diesem immanenten Vorbehalt war die hier vorliegende Überzahlung auch so offensichtlich, dass die Klägerin sie hätte erkennen können. Dies führt zur verschärften Haftung nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG i.V.m. § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB, so dass sich die Klägerin nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen kann.
Die verschärfte Haftung des § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB wird durch § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG erweitert. Nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG steht es der Kenntnis des Mangels des rechtlichen Grundes gleich, wenn der Mangel so offensichtlich war, dass der Empfänger ihn hätte erkennen müssen. Dies ist der Fall, wenn der Empfänger den Mangel nur deshalb nicht erkannt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße (grob fahrlässig) außer Acht gelassen hat. Offensichtlich ist ein Mangel nicht nur, wenn er ohne weiteres erkennbar ist, sondern auch, wenn er erst durch Nachdenken, logische Schlussfolgerungen oder Erkundigungen in Erfahrung gebracht werden kann.
Eine Anzeigepflicht ergibt sich in Fällen wie dem vorliegenden aus § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG. Danach ist der Versorgungsberechtigte verpflichtet, der Regelungsbehörde oder der die Versorgungsbezüge zahlenden Kasse den Bezug und jede Änderung von Einkünften insbesondere nach den §§ 53 bis 56 BeamtVG unverzüglich anzuzeigen. Darunter fallen insbesondere auch Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Wird in Kenntnis einer Anzeigepflicht die gebotene Anzeige unterlassen, wird in außergewöhnlichem Maße gegen eine Sorgfaltsobliegenheit verstoßen. Dies ist in der Regel anzunehmen, wenn der Dienstherr in einem Merkblatt eigens auf die entsprechenden Ruhensregelungen hingewiesen hat (VG Karlsruhe, U. v. 7.8.2001 – 11 K 1253/01 – juris). Darüber, dass aufgrund unterlassener, verspäteter oder fehlerhafter Anzeige überzahlte Versorgungsbezüge zurückzuerstatten sind und jede Änderung, die sich gegenüber den dargelegten Verhältnissen ergibt, dem zuständigen Versorgungscenter der Niederlassung Renten Service Deutsche Post anzuzeigen ist, wurde die Klägerin bereits mit Schreiben vom 22. Dezember 2014 mit dem „Merkblatt zur Erklärung über den Rentenbezug bzw. Rentenansprüche“ informiert (vgl. Bl. 224 d. Personalakte). Die Kenntnis dieses Hinweises hat die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigt (Bl. 236 d. Personalakte). Mit dieser Unterschrift verpflichtete sich die Klägerin dazu, jede künftig eintretende Änderung, insbesondere die Beantragung oder Bewilligung einer Rente unverzüglich schriftlich anzuzeigen und eine infolge unterlassener, verspäteter oder fehlerhafter Mitteilung sowie rückwirkender Bewilligung der Rente entstandene Überzahlung der Versorgungsbezüge zu erstatten (Bl. 236 d. Personalakte).
Der Anzeigepflicht des § 62 Abs. 2 BeamtVG genügt auch nicht die Angabe des Versicherungsträgers und der Versicherungsnummer hinsichtlich der Rentenanwartschaft ihres Ehemannes in der Erklärung vom 24. Dezember 2014 (Bl. 236 d. Personalakte). Aus den genannten Hinweisen und Merkblättern ergibt sich, dass die Bewilligung einer Rente anzuzeigen ist. Dem genügt Angaben zu beantragter Rentenumwandlung sowie Versicherungsträger und –nummer nicht. Insbesondere lässt sich diesen Angaben noch nicht die Höhe der bewilligten Rente entnehmen, die für eine korrekte Rentenanrechnung aber unabdinglich ist.
Selbst wenn die Klägerin, wie von ihr vorgetragen, eine Mitarbeiterin der Beklagten Anfang des Jahres 2015 telefonisch über die Pflicht zur Einreichung des Rentenbescheids der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern um Auskunft gebeten haben sollte – was sich aus der vorgelegten Behördenakte allerdings nicht ergibt –, so wäre damit jedenfalls entgegen § 62 Abs. 2 BeamtVG keine Anzeige über eine Änderung der maßgeblichen Verhältnisse unter Vorlage der entsprechenden Beweismittel, die die Niederlassung Renten Service Deutsche Post in den genannten Hinweisen angefordert hat, erfolgt. Im Gegenteil spricht der von der Klägerin behauptete Anruf und die Nachfrage, ob ihrerseits Handlungsbedarf bestehe, vielmehr dafür, dass sie sich bereits zu diesem Zeitpunkt darüber bewusst war, dass sie zur Anzeige verpflichtet ist und es ohne Berücksichtigung der Rentenzahlungen zu einer Überzahlung der Versorgungsbezüge kommen könnte.
Auch wenn in den Fällen der Haftung nach § 52 Abs. 2 BeamtVG i.V.m. § 818 Abs. 4, § 819 Abs. 1 BGB die Geltendmachung des Wegfalls der Bereicherung zwar im Regelfall, aber nicht schlechthin ausgeschlossen ist, so kann der Grundsatz von Treu und Glauben vorliegend der verschärften Haftung der Klägerin nicht entgegen gehalten werden. Der Versorgungsempfänger haftet in diesen Fällen nach den allgemeinen Vorschriften gemäß § 819 Abs. 1 bzw. § 820 Abs. 1 i.V.m. § 818 Abs. 4 BGB, wozu auch die Grundsätze von Treu und Glauben gehören. Der Grundsatz von Treu und Glauben kann der verschärften Haftung jedoch nicht mit der Begründung entgegengehalten werden, dass der Dienstherr sich von der Überzahlung aufgrund der in den Behördenakten enthaltenen Hinweise auf möglicherweise bestehende Rentenanwartschaften hätte Kenntnis verschaffen können, wenn der Versorgungsempfänger der ihm obliegenden Anzeigepflicht aus § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG nicht nachgekommen ist (Weinbrenner in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand April 2014, § 52, Rn. 126 f.).
Auch hinsichtlich der Ermessensausübung der Beklagten bei der Anwendung der Billigkeitsklausel des § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG sind keine im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO relevanten Ermessensfehler festzustellen. § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG ermöglicht es, eine allen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende, für den Beklagten zumutbare und für den Kläger tragbare Lösung zu entwickeln (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15/10 – NVwZ-RR 2012, 930, zur gleichlautenden Regelung des BBesG). Bei dieser Entscheidung ist nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen. Es kommt auf die Lage des Klägers im Zeitpunkt der Rückabwicklung, v.a. auf seine wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, sowie auf den Grund der Überzahlung, insbesondere auf ein etwaiges Mitverschulden der leistenden Behörde, an (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2011 – 14 B 10.567 – juris Rn. 31; B.v. 31.3.2011 – 3 CS 11.165 – juris Rn. 24; VG München, U.v. 20.10.2016 – M 12 K 16.2386 – juris Rn. 44).
Da eine Billigkeitsentscheidung zugunsten des Schuldners den Rückzahlungsanspruch modifiziert, beurteilt sich deren Rechtmäßigkeit nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also in der Regel des Widerspruchsbescheides. Maßgebend ist die Erkenntnislage der Behörde zu diesem Zeitpunkt. Auch der gerichtlichen Überprüfung einer Billigkeitsentscheidung dürfen nur die Umstände zugrunde gelegt werden, die der Behörde aufgrund des Vorbringens des Schuldners oder nach Lage der Akten ohnehin bekannt waren. Eine darüber hinausgehende Aufklärungspflicht besteht nicht (vgl. BVerwG, U.v. 8.10.1998 – 2 C 21.97 – DVBl. 1999, 322).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze kann nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden, dass die Beklagte als Billigkeitsentscheidung die Rückzahlung des gesamten Überzahlungsbetrags angeordnet, jedoch die Rückzahlung in monatlichen Raten zu 50,00 € gewährt hat. Besondere Umstände, die Anlass gegeben hätten, von einer Rückzahlung zunächst oder endgültig teilweise oder vollständig abzusehen, waren zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch nicht ersichtlich. Von der Rückforderung ist in der Regel zumindest teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15/10 – NVwZ-RR 2012, 930 zur gleichlautenden Regelung des BBesG). Dies ist hier nicht der Fall. Vielmehr liegt die Überzahlung im Verantwortungsbereich der Klägerin. Aus § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG ergibt sich die Verpflichtung der Klägerin zur Mitteilung des Rentenbezugs. Sie kann sich nicht auf ein Mitverschulden oder Organisationsverschulden der Behörde berufen. Es lag vielmehr an der Klägerin, ihre eigene Mitteilungspflicht zu erfüllen und für die rechtzeitige und vollständige Mitteilung sämtlicher Änderungen Sorge zu tragen. Dabei wäre ein bloßer Telefonanruf, wie er von der Klägerin behauptet wird, nach den obigen Ausführungen nicht ausreichend gewesen.
Auch nach der Erkenntnislage zum Zeitpunkt der Festsetzung der Rückzahlung war die Beklagte aus Billigkeitsgründen nicht gehalten, aufgrund der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen der Klägerin von der Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen. Mit Anhörungsschreiben vom 13. Juli 2016 bat die Beklagte die Klägerin neben der Angabe von Tilgungsmöglichkeiten, eine Erklärung über die wirtschaftlichen Verhältnisse abzugeben. Dem Schreiben war eine entsprechende von der Klägerin auszufüllende Erklärung beigefügt (Bl. 364 ff. d. Personalakte). Die Klägerin äußerte sich dazu nicht. Ausweislich der später vorgelegten Bezügemitteilung Februar 2017 verfügt die Klägerin insgesamt über Bezüge von 1.146,07 €. Angesichts der überwiegenden Verursachung der Überzahlung kann der Klägerin trotz ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse die gesamte Rückzahlung zugemutet werden.
Auch die Einräumung der Ratenzahlung durch Erklärung der Aufrechnung in monatlichen Raten von 50,00 € und abschließend einmalig 4,67 € führt nicht auf ein ermessensfehlerhaftes Handeln der Beklagten. Zwar liegt keine ausreichende Billigkeitsentscheidung vor, wenn die Vereinbarung einer Ratenzahlungen nur in Aussicht gestellt wird (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 15/10 – NVwZ-RR 2012, 930 zum BBesG), doch entspricht es der Billigkeit, dass sich Dienstherr und Beamter über die Modalitäten der Rückzahlung zu verständigen suchen. Jedoch kann in den Fällen, in denen eine Ratenzahlung nur in Aussicht gestellt ist, dies ausreichend sein, wenn die Versorgungsempfängerin die für die Billigkeitsentscheidung erforderlichen Informationen trotz Aufforderung nicht gibt (Weinbrenner in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand April 2014, § 52, Rn. 137). Während die Beklagte mit dem Anhörungsschreiben vom 13. Juli 2015 zur Angabe von Tilgungsmöglichkeiten aufforderte, mangels Zugangs eines klägerischen Vorschlags im Bescheid vom 03. August 2016 die ratenweise Tilgung der Forderung anbot und eine Einräumung der Ratenzahlung durch Erklärung der Aufrechnung in monatlichen Raten von 50,00 € vorschlug, setzte sie im Widerspruchsbescheid die Rückzahlung in monatlichen Raten von 50,00 € fest. Damit lag im relevanten Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin der des Widerspruchsbescheides nicht nur eine angebotene bzw. in Aussicht gestellte, sondern eine festgesetzte Ratenzahlung vor. Überdies hätte selbst das im Bescheid vom 03. August 2016 enthaltene Angebot der Ratenzahlung mangels Nachkommens der Aufforderung zur Informationsabgabe durch die Klägerin der ermessensfehlerfreien Billigkeitsentscheidung genügt.
Da die Rückzahlungsraten der Höhe nach auch nicht auf den pfändbaren Teil der Versorgungsbezüge beschränkt werden müssen, erging die Billigkeitsentscheidung ermessensfehlerfrei (vgl. Weinbrenner in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand April 2014, § 52, Rn. 137).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der – wenn überhaupt anfallenden – dann allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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