Arbeitsrecht

Ruhegehaltsfähige Dienstzeiten im gehobenen Dienst, Lehre, Tätigkeit im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis, Hochschulstudium

Aktenzeichen  B 5 K 19.385

Datum:
29.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46093
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtVG § 10
BeamtVG § 12

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
I.
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge mit einem Ruhegehaltssatz von 71,75 v.H. Der Bescheid der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation vom 08.02.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.03.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
1. Soweit der Kläger die Berücksichtigung seiner im tariflichen Arbeitsverhältnis (lediglich August 1984 bis 17.09.1984) mit der Beklagten verbrachten Zeiten als ruhegehaltsfähig begehrt, steht diesem Begehren § 10 BeamtVG entgegen. Nach dieser Vorschrift sollen auch folgende Zeiten als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, in denen ein Beamter vor der Berufung in das Beamtenverhältnis im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn ohne von dem Beamten zu vertretende Unterbrechung tätig war, sofern diese Tätigkeit zu seiner Ernennung geführt hat: 1. Zeiten einer hauptberuflichen in der Regel einem Beamten obliegenden oder später einem Beamten übertragenen entgeltlichen Beschäftigung oder 2. Zeiten einer für die Laufbahn des Beamten förderlichen Tätigkeit.
Zwischen der Tätigkeit im Arbeitsverhältnis und der Ernennung muss demnach in funktioneller und zeitlicher Hinsicht ein innerer Zusammenhang bestanden haben. Der funktionelle Zusammenhang besteht dann, wenn die Ernennung wesentlich auf die Fähigkeiten und Erfahrungen zurückzuführen ist, die der Beamte durch die vordienstliche Tätigkeit erworben hat. Diese Tätigkeit stellt einen wesentlichen Grund für die Ernennung dar, wenn sie die spätere Dienstausübung als Beamter entweder ermöglicht oder doch erleichtert und verbessert hat. Das Erfordernis des funktionellen Zusammenhangs zwischen vordienstlicher Tätigkeit und Ernennung umfasst die weitere gesetzliche Voraussetzung, dass es sich dabei um eine für die Laufbahn des Beamten förderliche Tätigkeit gehandelt haben muss. In zeitlicher Hinsicht muss die förderliche Tätigkeit der Ernennung unmittelbar vorangegangen sein und es darf keine vom Beamten zu vertretende Unterbrechung vorgelegen haben (vgl. BVerwG, B.v. 5.12.2011 – 2 B 103.11 – juris Rn. 8 m.w.N.; OVG NW, U.v. 9.5.2011 – 1 A 88/08 – juris Rn. 39f. m.w.N.). Dabei ist mit der Ernennung die Ernennung zum Beamten auf Probe gemeint, nicht die Ernennung zum Beamten auf Widerruf bei Eintritt in den Vorbereitungsdienst (vgl. BVerwG, B.v. 5.12.2011 – 2 B 103.11 – juris Rn. 9 und v. 3.12.2008 – 2 B 57.08 – juris Rn. 6; OVG NW, U.v. 9.5.2011 – 1 A 88/08 – juris Rn. 41).
Gemessen an diesen Maßstäben erfüllt die Tätigkeit des Klägers als Fernmeldehandwerker nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG. Es fehlt sowohl an dem notwendigen funktionellen (dazu unter a) als auch an dem zeitlichen (dazu unter b) Zusammenhang.
Die Ernennung des Klägers unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Technischen Fernmeldeoberinspektor mit Wirkung vom 01.12.1992 ist nicht wesentlich auf die Fähigkeiten und Erfahrungen zurückzuführen, die er durch die vorgenannte Tätigkeit als Fernmeldehandwerker erworben hat.
Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die für eine Laufbahn erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse vollumfänglich und in ausreichendem Maße im Vorbereitungsdienst erworben und durch die Laufbahnprüfung nachgewiesen werden. Kenntnisse und Erfahrungen, die vor Beginn des Vorbereitungsdienstes erworben wurden, treten dann regelmäßig in den Hintergrund und stehen nicht im erforderlichen funktionellen Zusammenhang zu dem maßgeblichen Beamtendienst (vgl. VG Münster, U.v. 16.4.2015 – 5 K 3225/13 – juris Rn. 36; OVG NW, U.v. 9.5.2011 – 1 A 88/08 – juris Rn. 43 m.w.N.; BayVGH, B.v. 11.5.1998 – 3 ZB 98.642 – juris, Rn. 19).
Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn die Vortätigkeit gewissermaßen eine Bedingung für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst gewesen ist. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Vorbereitungsdienst vornehmlich Angehörigen des öffentlichen Dienstes offen steht, die als Angestellte über bestimmte Vorerfahrungen verfügen (vgl. OVG NW, U.v. 9.5.2011 – 1 A 88/08 – juris, Rn. 44 m.w.N.; BayVGH, B.v. 11.5.1998 – 3 ZB 98.642 – juris Rn. 19).
a) Vorliegend ist davon auszugehen, dass die Tätigkeit des Klägers im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis als Fernmeldehandwerker nicht Grundlage des Beamtenverhältnisses im gehobenen Dienst war (vgl. VGH BW, U.v. 22.3.1988 – 4 S 673/86 – juris), sondern seine Übernahme in die Laufbahn des gehobenen (fernmelde-)technischen Dienstes aufgrund des vorangegangenen Studiums bzw. des in diesem erworbenen Abschlusses erfolgte. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass die Zulassung zum Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen Dienstes früheren Angestellten oder Arbeitern im Dienst eines öffentlichen Dienstherrn vorbehalten war oder dass der Kläger wegen der vorher geleisteten Tätigkeit als „Fernmeldehandwerker“ bei der Beklagten zum Vorbereitungsdienst zugelassen wurde. Dass die Vorbeschäftigungszeit – wie der Kläger meint – nach dem Übertritt in den gehobenen Beamtendienst noch in dem Sinne fortgewirkt habe, dass die in dieser Zeit erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse zumindest mit maßgebend für die Ernennung gewesen seien, bleibt im Kern eine bloße Rechtsbehauptung. Es fehlt in dem betreffenden Rechtszusammenhang namentlich an der Auseinandersetzung mit einer sich hier aufdrängenden ernennungsspezifischen Bedeutung des klägerischen Studiums und vor allem des sich anschließenden, speziell an den Anforderungen der Laufbahn des gehobenen Dienstes orientierten Vorbereitungsdienstes, welchen der Kläger durchlaufen und erfolgreich mit der Laufbahnprüfung abgeschlossen hat. Im Verhältnis dazu dürfte hier die in Rede stehende Vorbeschäftigungszeit im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis in den Hintergrund treten, zumal sie nicht erkennbar Bedingung für den Eintritt in den Vorbereitungsdienst gewesen ist (vgl. OVG NW, U.v. 9.5.2011 – 1 A 88/08 – juris, Rn. 43f. und B.v. 30.8.2017 – 1 A 207/17 – juris, Rn. 11). Weiterhin ist die Klägerseite den Ausführungen der Beklagten, wonach die seitens des Klägers als Fernmeldehandwerker im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis zur Beklagten verrichteten Tätigkeiten für seine spätere Beamtentätigkeit im gehobenen Dienst, die nicht mit handwerklichen, sondern vielmehr mit Planungs- und Leitungsaufgaben einhergingen, nicht förderlich gewesen seien, in keiner Weise entgegengetreten. Es fehlt mithin hinsichtlich der klägerischen Tätigkeit als Fernmeldehandwerker an der notwendigen Kausalität für die Übernahme in das Beamtenverhältnis zum 01.12.1992.
b) Unabhängig vom Vorstehenden mangelt es zudem an dem notwendigen inneren zeitlichen Zusammenhang zwischen der Vordiensttätigkeit und der Ernennung zum Beamten auf Probe.
Diese ist nur dann gegeben, wenn sich an die in § 10 BeamtVG genannte Tätigkeit unmittelbar eine Beamtentätigkeit oder aber die nicht vom Beamten zu vertretende Unterbrechung bis zur Beamtenernennung anschließt. Daher sind Beschäftigungszeiten, an die sich zunächst noch Tätigkeiten im Sinne der § 11 und § 12 BeamtVG anschließen, nicht später auf die ruhegehaltsfähige Dienstzeit anzurechnen (vgl. HessVGH, U.v. 24.2.1993 – 1 UE 2067/87 – NVwZ-RR 1994, 169 = juris Rn. 24 m.w.N.; VG Münster, U.v. 16.4.2015 – 5 K 3225/13 – juris Rn. 46).
Vorliegend haben sich an die streitgegenständliche Tätigkeit des Klägers als Fernmeldehandwerker zunächst der Besuch der Fachoberschule sowie das Fachhochschulstudium des Klägers angeschlossen.
Hinzu kommt, dass ein privatrechtliches Arbeitsverhältnis im Sinne des § 10 BeamtVG nur ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis sein kann, welches der öffentlich-rechtliche Dienstherr als Arbeitgeber und der spätere Beamte als Angestellter oder Arbeiter miteinander geschlossen haben. Mithin scheitert die Berücksichtigung der Zeiten der Ausbildung des Klägers zum Fernmeldehandwerker (September 1981 bis Juli 1984) nach § 10 BeamtVG auch unter diesem Gesichtspunkt. In einem Lehr- oder Ausbildungsverhältnis verbrachte Zeiten fallen nicht unter § 10 Satz 1 BeamtVG, weil der Hauptzweck solcher Verhältnisse nicht in der Leistung von (Erfahrungen für den späteren Beamtendienst vermittelnder) Arbeit, sondern in der Vermittlung von Kenntnissen und dem Erreichen des Ausbildungsziels besteht (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.1990 – 2 B 35.90 – juris Rn. 2 und 4 und v. 18.12.1979 – 6 B 117.79 – Buchholz 232.5 § 10 BeamtVG Nr. 2, m.w.N.). Nach dem – klaren – Wortlaut der Vorschrift müssen Zeiten einer Tätigkeit in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis vorliegen. Was hierunter zu verstehen ist, erschließt sich mit Blick auf den Sinn und Zweck der Norm. Der Regelung des § 10 Satz 1 BeamtVG liegt der Gedanke zugrunde, dass Tätigkeiten im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn, die zur Berufung in das Beamtenverhältnis führen, in der Regel den Aufgaben und Tätigkeiten der Beamten nahe kommen und von daher geeignet sind, dem künftigen Beamten solche beruflichen Erfahrungen zu vermitteln, die für seinen Beamtendienst von Bedeutung sind (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.1971 – 2 C 44.69 – ZBR 1971, 347ff. und v. 15.12.1981 – 6 C 31.77 – juris, Rn. 21; OVG NW, U.v. 9.5.2011 – 1 A 88/08 – juris Rn. 37 m.w.N.). Das so zu verstehende Erfordernis einer Tätigkeit im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis gilt namentlich auch für die von § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG erfassten Zeiten einer für die Laufbahn des Beamten förderlichen Tätigkeit. Das folgt schon aus dem systematischen Befund, dass der Gesetzgeber dieses Erfordernis dem allgemeinen, beiden Nummern vorausgehenden Teil des § 10 Satz 1 BeamtVG zugeordnet und damit gleichsam vor die Klammer gezogen hat. Schon deshalb ergibt sich Abweichendes nicht daraus, dass § 10 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG lediglich von einer Tätigkeit spricht, während in § 10 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG von einer entgeltlichen Beschäftigung die Rede ist. Mit dem Tatbestandsmerkmal einer entgeltlichen Beschäftigung wiederholt die Vorschrift vielmehr nur, was bereits allgemein für die Beschäftigung oder Tätigkeit nach Nr. 1 und Nr. 2 mit den Worten „im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis“ gesagt ist (so ausdrücklich BVerwG, B.v. 14.12.1971 – 6 CB 9.71 – Buchholz 232 § 115 BBG Nr. 36 zu der inhaltlich insoweit entsprechenden Vorgängerregelung des § 115 Abs. 1 BBG; BVerwG, U.v. 18.9.1997 – 2 C 38.96 – juris Rn. 17).
Das nach dem Vorstehenden gebotene Verständnis des § 10 Satz 1 BeamtVG dahin, dass in einem Lehr- oder Ausbildungsverhältnis verbrachte Zeiten diesem nicht unterfallen, entspricht auch der gesetzlichen Systematik, nach welcher solche Verhältnisse grundsätzlich von§ 12 BeamtVG erfasst werden und bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen (nur) zu einem Anspruch auf ermessensfehlerfrei Entscheidung führen (vgl. OVG NW, U.v. 28.3.2018 – 1 A 2740/15 – juris Rn. 39).
3. Weiterhin kommt eine Berücksichtigung der Lehre des Klägers zum Fernmeldehandwerker als Ausbildungszeit nach der noch in Betracht zu ziehenden Ermessensregelung des § 12 Abs. 1 BeamtVG nicht in Betracht.
Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG kann die verbrachte Mindestzeit der außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebenen Ausbildung (Fachschul-, Hochschul- und praktische Ausbildung, Vorbereitungsdienst, übliche Prüfungszeit) als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, die Zeit einer Fachschulausbildung einschließlich der Prüfungszeit bis zu 1.095 Tagen und die Zeit einer Hochschulausbildung einschließlich der Prüfungszeit bis zu 855 Tagen, insgesamt höchstens bis zu 1.095 Tagen. Wird die allgemeine Schulbildung durch eine andere Art der Ausbildung ersetzt, so steht diese der Schulbildung gleich.
Welche Ausbildung im Sinne des § 12 Abs. 1 BeamtVG vorgeschrieben ist und ob sie eine geforderte allgemeine Schulbildung ersetzt, ergibt sich aus den laufbahnrechtlichen Regelungen zur Zeit der Ableistung der jeweiligen Ausbildung (BVerwG, U.v. 26.9.1996 – 2 C 28.95 – ZBR 1997, 93 = DÖD 1997, 62 = PersR 1997, 88 = Schütz BeamtR ES/C II 1.2 Nr. 25 = Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 11; BVerwG, B.v. 6.5.2014 – 2 B 90/13 – NVwZ 2014, 1168).
In dem hier maßgeblichen Ausbildungszeitraum war nach § 18 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) in der Fassung vom 03.01.1977 (BGBl. I S. 1, 795, 842) für die Laufbahnen des gehobenen Dienstes als Vorbildung eine zu einem Hochschulstudium berechtigende Schulbildung oder ein als gleichwertig anerkannter Bildungsstand, ein Vorbereitungsdienst von drei Jahren und die Ablegung der Laufbahnprüfung gefordert. Gemäß § 24 der Bundeslaufbahnverordnung (BLV) in der Fassung vom 15.11.1978 (BGBl. I S. 1763) kann in den Vorbereitungsdienst des gehobenen Dienstes eingestellt werden, wer die Fachhochschulreife oder eine andere zu einem Hochschulstudium berechtigende Schulbildung oder einen gleichwertigen Abschluss nachweist. Weiter sah § 25 Abs. 5 BLV a.F. vor, dass der Vorbereitungsdienst – wie im Fall des Klägers – auf eine praktische Ausbildung in Schwerpunktbereichen der Laufbahnen beschränkt werden kann, wenn der Erwerb der wissenschaftlichen Erkenntnisse und Methoden, die zur Erfüllung der Aufgaben in der Laufbahn erforderlich sind, durch eine insoweit geeignete Prüfung als Abschluss eines Studiengangs einer Hochschule nachgewiesen worden ist; die praktische Ausbildung sollte ein Jahr nicht unterschreiten.
Mithin ergibt sich aus den im Zeitpunkt der klägerischen Lehre geltenden laufbahnrechtlichen Anforderungen nicht, dass für den Einstieg des Klägers in den gehobenen Dienst der Beklagten der Nachweis einer abgeschlossenen Berufsausbildung gefordert worden wäre. Die Vorschrift des § 12 BeamtVG soll ihrem Zweck nach den Beamten aller Laufbahngruppen eine annähernd gleiche Ausgangslage für die Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit schaffen. Sie ermöglicht daher dem Beamten, für deren Ernennung neben der allgemeinen Schulbildung noch der Nachweis einer zusätzlichen Ausbildung außerhalb des Beamtenverhältnisses gefordert wird, einen Ausgleich der ausbildungsbedingten Verzögerung bei der Berechnung der ruhegehaltfähigen Dienstzeit. Anlass für einen derartigen Ausgleich besteht allerdings dann nicht, wenn – wie hier – eine ausbildungsbedingte Verzögerung deshalb nicht eingetreten ist, weil eine Ausbildung zum Arbeiter (hier: Fernmeldehandwerker), wie ausgeführt worden ist, für den Beamten nicht vorgeschrieben war (vgl. HessVGH, U.v. 29.9.1995 – 8 UE 1010/93 – juris Rn. 43). Der Umstand, dass die klägerische Lehre etwaig Voraussetzung für den Besuch der Fachoberschule war – wovon angesichts des Umstands, dass der Eintritt in die Fachoberschule keine berufliche Vorbildung erfordert, ohnehin nicht auszugehen ist – ist unerheblich. Denn eine Lehre, die neben weiteren Voraussetzungen eine laufbahnrechtlich in erster Linie geforderte allgemeine Schulbildung ersetzt hat, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.1996 – 2 C 28.95 – BeckRS 1996, 31353897; B.v. 13.1.1992 – 2 B 90.917) nicht als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt werden.
Mithin war die handwerkliche Lehre des Klägers weder als Ausbildung für die Laufbahn des gehobenen technischen Dienstes bei der Beklagten vorgeschrieben (§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG), noch handelt es sich um eine hauptberufliche Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG. Im Hinblick auf § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtVG fehlt es jedenfalls am Merkmal der Hauptberuflichkeit. Der Begriff „Hauptberuflichkeit“ weist zwei Komponenten auf: Zum einen dient er – über das Merkmal „Haupt-“ – der Abgrenzung zu nebenberuflichen Tätigkeiten (vgl. zu §§ 10, 11 BeamtVG – BVerwG, U.v. 25.5.2005 – 2 C 20.04 – juris Rn. 25; U.v. 24.6.2008 – 2 C 5.07 – juris, Rn. 12). Zum anderen erfolgt über das Element „beruflich“ die Grenzziehung zu den – der beruflichen Tätigkeit vorgelagerten, den Kompetenzerwerb für die Berufsausübung erst ermöglichenden – Ausbildungsphasen, unabhängig davon, ob sie konkret erforderlich waren oder nicht. Während der Zeiten einer Berufsausbildung, die üblicherweise in Vollzeit erbracht werden, können daher grundsätzlich keine hauptberuflichen Zeiten vorliegen.
3. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass sein Werdegang und die Nichtberücksichtigung seiner streitigen Vordienstzeiten mit einer Ungleichbehandlung gegenüber Aufstiegsbeamten einhergehe, liegt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Sinne vonArt. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht vor. Denn insoweit erweisen sich bereits die betreffenden Sachverhalte als nicht vergleichbar. Während der Kläger die Mindestvoraussetzungen für den Einstieg in den gehobenen technischen Dienst der Beklagten unter Beurlaubung von seiner Tätigkeit im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis mit der Beklagten mittels Besuchs der Fachoberschule, eines externen Studiums und nachfolgender Absolvierung des Vorbereitungsdienstes – also als Neubewerber der angestrebten Laufbahn – betrieben hat, betrifft der von Klägerseite genannte Bezugsfall einen echten Laufbahnaufstieg im Sinne des Laufbahnrechts, also das Durchlaufen einer internen fachlichen und praktischen Ausbildung im Rahmen eines ununterbrochen fortbestehenden aktiven Beamtenverhältnisses. Unerheblich ist, dass auch letzterer u.U. ein Studium einschließt. Für die jeweiligen Ausbildungswege gelten unterschiedliche rechtliche Anforderungen (einerseits §§ 24, 25 und andererseits § 28 bzw. § 29 BLV in der vom 15.07.1981 bis 16.03.1990 gültigen Fassung) und sie unterscheiden sich dabei zumindest teilweise, beispielsweise hinsichtlich der Möglichkeit einer verkürzten Ausbildung.
4. Sofern die Klägerseite weiterhin die Berücksichtigung des klägerischen Fachhochschulstudiums, dessen erfolgreicher Abschluss nach dem Vorstehenden für einen Eintritt in den gehobenen Dienst der Beklagten laufbahnrechtlich erforderlich war, begehrt, ist bereits nicht ersichtlich, dass die Beklagte diese Zeiten nicht entsprechend§ 12 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG berücksichtigt hätte. Nach der vorgenannten Bestimmung kann die außer der allgemeinen Schulbildung vorgeschriebene Ausbildung als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt werden, die Zeit einer Fachschulausbildung einschließlich der Prüfungszeit bis zu 1.095 Tagen und die Zeit einer Hochschulausbildung einschließlich der Prüfungszeit bis zu 855 Tagen, insgesamt höchstens bis zu 1.095 Tagen. Dies ist vorliegend geschehen. Dass die Beklagte insoweit die Hochschulzeit nicht berücksichtigt hat, im Rahmen derer der Kläger seinen berufsmäßigen Wehrdienst ableistete (vgl. § 8 Abs. 1 BeamtVG) ist nicht zu beanstanden. Denn um eine Doppelberücksichtigung zu vermeiden, darf ein Zeitraum nicht mehrfach herangezogen werden (vgl. Nr. 14.3.5.4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Beamtenversorgungsgesetz – BeamtVGVwV).
4. Schließlich kann der Kläger aus der Anlage „HGVH“ zum Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 08.02.2019 keinen Anspruch auf ein höheres Ruhegehalt ableiten. Die vorgenannte Anlage gibt den Höchstgrenzen-Vomhundersatz im Sinne von § 55 Abs. 2 BeamtVG wieder. Nach § 55 BeamtVG ruht ein Anspruch auf Versorgungsbezüge insoweit, als der Anspruch auf eine Rente oder eine rentenähnliche Leistung eine bestimmte Höhe überschreitet. Wer durch seine zeitweise Beschäftigung bereits den Höchstsatz der Versorgungsbezüge erdient hat, soll gegenüber einer Person, die nur als Beamter tätig war, nicht dadurch besser gestellt werden, dass er vorher noch in einem Angestelltenverhältnis stand (vgl. BVerfG, B.v. 30.9.2015 – 2 BvR 1961/10 – NJW 2016, 469). Die Anrechnung einer Rente erfolgt jedoch erst, wenn die Versorgung und die Rente eine Höchstgrenze überschritten haben. Die Anlage „HGVH“ dient der Ermittlung dieser Höchstgrenze und stellt somit eine fiktive Berechnung dar. Aus ihr kann der Kläger keinen Anspruch auf einen höheren Ruhegehaltssatz ableiten.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
II.
Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.


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