Arbeitsrecht

Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld – Unterhaltsbeihilfe eines Rechtsreferendars

Aktenzeichen  S 10 AL 269/15

Datum:
26.10.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 126682
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB III § 157 Abs. 1, § 158
SGB IV § 14 Abs. 1 S. 1
JAPO § 67 Abs. 2 S. 1
BayBesG Art. 76

 

Leitsatz

Der Ruhenstatbestand des § 157 Abs. 1 SGB III erfasst nur die Zeit zwischen dem Ende des leistungsrechtlichen Beschäftigungs- und dem Ende des Arbeitsverhältnisses. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 23.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2015 verurteilt, der Klägerin Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 18.11.2015 bis zum 30.11.2015 mit einem täglichen Leistungsbetrag von 17,98 EUR zu gewähren.
II. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
III. Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Der Rechtsstreit konnte nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Beteiligten haben ihr ausdrückliches Einverständnis hiermit erklärt.
Die fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 23.11.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03.12.2015 ist rechtswidrig. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von Alg auch für den Zeitraum vom 18.11.2015 bis zum 30.11.2015.
Nach § 157 Abs. 1 SGB III ruht der Anspruch auf Alg während der Zeit, für die der Arbeitslose Arbeitsentgelt erhält oder zu beanspruchen hat. Arbeitsentgelt sind dabei gem. § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Zu den Einnahmen aus einer Beschäftigung i.S. des § 14 SGB IV zählt auch die Referendaren gezahlte Unterhaltsbeihilfe (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.05.2012, Az.: L 2 AL 82/09, Rn. 21; LSG Hamburg, Urteil vom 28.11.2012, Az.: L 2 R 16/10, Rn. 49).
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist § 157 Abs. 1 SGB III im vorliegenden Fall jedoch nicht anwendbar.
Der Ruhenstatbestand des § 157 Abs. 1 SGB III erfasst nur die Zeit zwischen dem Ende des leistungsrechtlichen Beschäftigungs- und dem Ende des Arbeitsverhältnisses (Schlaeger, Anm. zu LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.05.2012 – L 2 AL 82/09, in: jurisPR-SozR 6/2013 Anm. 3, Buchst. Cm.w.N.; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB III, § 157 Rn. 9, Stand: 06/16).
Das „Arbeitsverhältnis“ der Klägerin, hier das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis gem. Art. 1 SiGjurVD, war mit Ablauf des 17.11.2015 beendet. Nach § 56 S. 2 i.V.m. S. 1 Nr. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) vom 13.10.2003 endet das öffentlich-rechtliche Ausbildungsverhältnis nämlich mit der Bekanntgabe der Prüfungsgesamtnote der Zweiten Juristischen Staatsprüfung. Die Prüfungsgesamtnote wird dem Rechtsreferendar vom Vorsitzenden der Prüfungskommissionen am Schluss der mündlichen Prüfung bekannt gegeben (§ 67 Abs. 2 S. 1 JAPO), womit die Prüfung abgelegt ist (§ 67 Abs. 2 S. 2 JAPO).
Im vorliegenden Fall stimmt das Ende des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses mit demjenigen des Arbeitsbzw. Ausbildungsverhältnisses somit überein.
Es handelt sich bei der belassenen Überzahlung der Unterhaltsbeihilfe auch nicht um eine Entlassungsentschädigung i.S. von § 158 SGB III. Denn „wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses“ (§ 158 Abs. 1 S. 1 SGB III) wird eine Abfindung gewährt, wenn der Arbeitslose die Abfindung ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erhalten hätte. Damit sind Zahlungen des Arbeitgebers, die nicht wegen, sondern nur anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu leisten sind, ausgeschlossen (so BSG, Urteil vom 21.09.1995, Az.: 11 RAr 41/95, Rn. 20 ff. zu § 117 AFG a.F.; Peters-Lange, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, 7. Aufl. (2016), § 158 Rn. 18). Letzteres ist bei der fortgewährten Unterhaltsbeihilfe im Examensmonat der Fall (Schlaeger, a.a.O.).
Nach alledem war der Klage aus den genannten Gründen daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Die Berufung ist nicht bereits nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes in Anbetracht eines streitgegenständlichen Zeitraums von 13 Tagen bei einem täglichen Leistungsbetrag von 17,98 EUR weniger als 750,- EUR beträgt. Jedoch war die Berufung vom erkennenden Gericht nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, da jedenfalls die eine nicht geringe Zahl von gleichgelagerten Verfahren betreffende Frage des Ruhens des Anspruchs auf Alg im Falle einer überzahlten Unterhaltsbeihilfe nach Ende des juristischen Vorbereitungsdienstes bislang nicht höchstrichterlich geklärt und damit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu verneinen ist.


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