Arbeitsrecht

Ruhestandsversetung wegen Polizeidienstunfähigkeit

Aktenzeichen  RO 1 K 14.1331

Datum:
17.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 130134
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 65 Abs. 1, Art. 66 Abs. 2 S. 3, Art. 128 Abs. 1 S. 1
SGB IX § 95 Abs. 2
BeamtStG § 26 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine Ruhestandsversetzung erledigt sich nicht mit Erreichen der Altersgrenze, weil von ihr weiterhin Rechtswirkungen ausgehen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2 Maßstab der Polizeidienstfähigkeit ist nicht das abstrakt-funktionelle Amt eines Polizeibeamten bei seiner Beschäftigungsbehörde, sondern sämtliche Ämter der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes. Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand scheidet trotz Polizeidienstunfähigkeit aus, wenn der Polizeivollzugsbeamte in einer Funktion des Polizeidienstes verwendet werden kann, deren Aufgaben er erfüllen kann, ohne polizeidienstfähig zu sein (BVerwG stRspr BeckRS 2014, 58665). (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3 Erst wenn feststeht, dass der in seiner Beschäftigungsbehörde dienstunfähige Beamte auch nicht anderweitig von seinem Dienstherrn eingesetzt werden kann, darf er wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzt werden. Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung ist regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken, wobei der Dienstherr hierfür darlegungspflichtig ist. (Rn. 45 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die hiernach bayernweite Suchpflicht wird jedoch eingeschränkt, wenn eine anderweitige Verwendung wegen der verbleibenden Restdienstzeit und gesundheitlicher Einschränkungen nicht in Betracht kommt. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig.
Die Ruhestandsversetzungsverfügung des Klägers hat sich nicht schon dadurch erledigt, dass der am …1954 geborene Kläger während des gerichtlichen Verfahrens zum 30.9.2014 die für ihn geltende Altersgrenze von 60 Jahren und fünf Monaten (vgl. Art. 143 Abs. 2 Satz 2 BayBG, abweichend von Art. 129 bis 132 BayBG) erreicht hat. Denn die streitgegenständliche Verfügung entfaltet weiterhin Rechtswirkung, weil der Zeitraum bis zum Erreichen der Altersgrenze für die Bemessung des Ruhegehalts außer Betracht bleibt und die Ruhestandsversetzung nach Art. 66 Abs. 2 Satz 3 BayBG Grundlage für die Einbehaltung eines Teils der Dienstbezüge ist (vgl. insoweit auch BayVGH, B. v. 13.8.2014, 6 ZB 14.50, Rn. 6).
Die Klage ist aber unbegründet.
Der Bescheid des Polizeipräsidiums … vom 29.7.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Polizeipräsidiums … vom 9.7.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Entscheidung des Polizeipräsidiums … weist keine formellen Fehler auf. Der Kläger wurde mit Schreiben des Polizeipräsidiums … vom 3.4.2013 gemäß Art. 66 BayBG zur beabsichtigten Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit und Versetzung in den Ruhestand gehört. Die Schwerbehindertenvertretung wurde gem. § 95 Abs. 2 SGB IX ordnungsgemäß beteiligt und nahm mit Schreiben vom 16.7.2013 dahingehend Stellung, dass zum jetzigen Zeitpunkt der beabsichtigten vorzeitigen Ruhestandsversetzung dieser nicht zugestimmt werden könne. Mit Schreiben vom 11.7.2013 stimmte der Personalrat des Polizeipräsidiums … der Versetzung in den Ruhestand des Klägers zu. Mit Schreiben vom 23.7.2013 schloss sich der Gleichstellungsbeauftragte (mit Wirkung gem. Art. 18 Abs. 3 Satz 2 BayGLG) den Ausführungen des Polizeipräsidiums … an.
Der Beklagte ist auf der Grundlage der amtsärztlichen Feststellung zu Recht von der Polizeidienstunfähigkeit und auch der allgemeinen Dienstunfähigkeit des Klägers ausgegangen. Dabei ist maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Prüfung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, also bei Erlass des Widerspruchsbescheids am 9.7.2014 (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.2009, 2 C 46/08; BayVGH, B. v. 12.8.2005, Az. 3 B 98.1080).
Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Verfügung ist § 26 Abs. 1 BeamtStG i.V.m. Art. 65, 66 BayBG, Art. 128 Abs. 1 Satz 1 BayBG. Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG sind Beamtinnen/Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann gem. § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Von der Versetzung in den Ruhestand soll abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist (§ 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG). Nach Art. 65 Abs. 1 BayBG können Beamtinnen und Beamte auch dann als dienstunfähig i.S.d. § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG angesehen werden, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden. In Ergänzung hierzu enthält das Landesrecht in Art. 128 Abs. 1 Satz 1 BayBG eine besondere Vorschrift für Beamte, die im Polizeivollzugsdienst tätig sind (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG). Danach sind Polizeivollzugsbeamte dienstunfähig, wenn sie den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügen und nicht zu erwarten ist, dass sie ihre volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangen (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt.
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen vor.
Der Beklagte ist ohne Rechtsfehler zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger polizeidienstunfähig i. S. d. Art. 128 Abs. 1 BayBG und auch dienstunfähig i. S. d. § 26 Abs. 1 BeamtStG i. V. m. Art. 65 BayBG ist und eine anderweitige Verwendung nach § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, Abs. 3, 27 BeamtStG nicht in Betracht kommt, so dass für den Dienstherrn die Verpflichtung bestand, den Kläger in den Ruhestand zu versetzen. Der Begriff der Dienstunfähigkeit in § 26 Abs. 1 BeamtStG ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der dem Dienstherrn keinen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eröffnet, sondern der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt.
Maßstab für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit ist das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinne, d.h. die Gesamtheit der bei seiner Beschäftigungsbehörde eingerichteten Dienstposten, auf denen er amtsangemessen eingesetzt werden kann.
Für den Polizeivollzugsdienst haben die Länder aufgrund der Ermächtigung des § 26 Abs. 1 Satz 4 BeamtStG Sonderregelungen für die Dienstunfähigkeit getroffen (Art. 128 BayBG). Der Bedeutungsgehalt dieser Regelung ist insbesondere durch das Urteil des BVerwG vom 3.3.2005, 2 C 4/04 (zu § 194 Abs. 1 LBG NW) geklärt. Danach ist Maßstab der Polizeidienstfähigkeit nicht das abstrakt-funktionelle Amt eines Polizeibeamten bei seiner Beschäftigungsbehörde, sondern sämtliche Ämter der Laufbahn des Polizeivollzugsdienstes. Der Polizeivollzugsbeamte muss zu jeder Zeit, an jedem Ort und in jeder Stellung einsetzbar sein, die seinem statusrechtlichen Amt entspricht. Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand scheidet trotz Polizeidienstunfähigkeit aus, wenn der Polizeivollzugsbeamte in einer Funktion des Polizeidienstes verwendet werden kann, deren Aufgaben er erfüllen kann, ohne polizeidienstfähig zu sein (vgl. st.Rspr. zuletzt BVerwG, B. v. 6.11.2014, 2 B 97.13).
Nachvollziehbar kommt der Polizeiarzt Dr. G … in seinem ärztlichen Gesundheitszeugnis vom 4.3.2013 zu dem Ergebnis, dass der Kläger vom 30.7.2010 bis zum Tag der Begutachtung dienstunfähig erkrankt sei und auch aktuell nicht dienstfähig sei. Mit der Wiederherstellung eines Gesundheitszustandes, welcher einer Verwendung im Innendienst im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme erlaube, könne frühestens zum Mai eher jedoch zum Juni 2013 gerechnet werden. Bei zukünftig ungestörtem Heilungsverlauf könne ein Gesundheitszustand erwartet werden, welcher dem Kläger eine Innendiensttätigkeit erlaube. Aufgrund der festgestellten Gesundheitsstörungen werde der im April 2013 59 Jahre alt werdende Kläger voraussichtlich bis zum Eintritt des regulären Ruhestands keinen Gesundheitszustand erreichen, welche eine Verwendung ohne Einschränkungen zulasse. Der Kläger müsse aufgrund der eingetretenen gesundheitlichen Schäden als polizeidienstunfähig beurteilt werden. Es sei nicht zu erwarten, dass der Beamte innerhalb der nächsten sechs Monate voll dienstfähig werde. Der Polizeiarzt stellte weiterhin fest, dass der Kläger im Falle einer Wiederaufnahme dienstlicher Tätigkeiten nur noch im Innendienst ohne Gefahr von Widerstandshandlungen sowie im Tagesdienst verwendet werden könne. Diese Einschränkungen würden voraussichtlich bis zum Eintritt des Ruhestands gelten.
Das Gericht sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit der gutachtlichen Einschätzung des polizeiärztlichen Dienstes zu zweifeln. Es besteht für das Gericht weder ein Grund, an der Sachkunde des Gutachters noch an dessen Unparteilichkeit zu zweifeln. Der polizeiärztliche Dienst ist gemäß Art. 5 Abs. 4 Satz 1 Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (GDVG) eine besondere staatliche Behörde des öffentlichen Gesundheitsdienstes, die für Fragen der Beurteilung der Dienstfähigkeit nach § 26 Abs. 1 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1, Abs. 2 BayBG anstelle der Regierungen zuständig ist. Die dort tätigen Amtsärzte unterliegen den für alle Beamten geltenden Grundpflichten, insbesondere auch der Pflicht, die übertragenen Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen. Dies gilt in verstärktem Maße für Gutachten, in denen – wie hier – Fragen des Dienstrechts aus medizinischer Sicht zu beurteilen sind (vgl. BVerwG, 15.9.1999, 1 DB 40/98; 5.6.1980, 1 DB 17.80). Dabei misst das Bayerische Beamtengesetz (vgl. Art. 65 Abs. 3 BayBG) dem Gutachten des Amtsarztes besondere Bedeutung zu, weil der Amtsarzt bei der gebotenen typisierenden und generalisierenden Betrachtungsweise aus der Kenntnis der Belange der Verwaltung, der von dem Untersuchten zu verrichtenden Tätigkeit und dessen bisherigen dienstlichen Verhaltens den erhobenen Befund zu den Auswirkungen auf den Dienstbetrieb und die konkreten Dienstpflichten des Beamten besonders gut in Beziehung setzen kann (vgl. BVerwG, U.v. 31.5.1990, 2 C 55.88). Aus diesem Grund kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung den Feststellungen des Amtsarztes grundsätzlich größerer Beweiswert zu als privatärztlichen Feststellungen. Der Vorrang des Amtsarztes hat im Konfliktfall seinen Grund in dessen Neutralität und Unabhängigkeit. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht dem Beamten und der Dienststelle gleichermaßen fern (vgl. BayVGH, B.v. 27.2.2012, 3 CS 11.2521).
Das polizeiärztliche Zeugnis von Dr. G … vom 4.3.2013 wurde auch nicht durch die vom Kläger vorgelegten Atteste von Dr. A … substantiiert in Zweifel gezogen. Die vorgelegten Atteste wurden teilweise schon zu einem (deutlich) früheren Zeitpunkt erstellt. In dem Gutachten vom 28.10.2011 bestätige Dr. A … dem Kläger, dass er ab dem 1.12.2011 in Vollzeit tätig sein könne. Aufgrund dieses Gutachtens war dann der zunächst von der Beklagtenseite vorgesehene erste Termin zur amtsärztlichen Untersuchung am 9.11.2011 abgesagt worden. Jedoch wurde auch in diesem Gutachten vermerkt, dass der Kläger ab diesem Zeitpunkt bis zum 7.2.2013 auf ärztliche Anordnung hin an einen Rollstuhl gebunden gewesen sei. Die ärztliche Bescheinigung von Dr. A … vom 15.2.2013 attestierte dem Kläger zwar, dass es möglich erscheine, ihn in eine sitzende Schreibtischtätigkeit wiedereinzugliedern, mit dem Vorschlag von Mai bis Juni 2013 vier Stunden und von Juli bis August 2013 sechs Stunden und ab September 2013 vollschichtige Arbeit zu leisten. Schichtdienst und Außendienst seien dabei jedoch nicht möglich. Zugleich stellte Dr. A … in dem Gutachten aufgrund der getroffenen Diagnosen auch fest, dass der Kläger erheblich in seiner Gesundheit belastet sei. Im Übrigen wurde der Kläger im Zeitraum vom 18.11.2011 bis 31.5.2013 von seinem Hausarzt arbeitsunfähig krankgeschrieben. Auch in der ärztlichen Bescheinigung vom 1.4.2014 wurde keine neue Diagnose des Gesundheitszustands des Klägers getroffen, sondern lediglich auf die ärztliche Bescheinigung vom 15.2.2013 Bezug genommen und beschrieben, dass es zum damaligen Zeitpunkt aus neurologischer Sicht möglich gewesen wäre, den Kläger in dem damals geschilderten Modus wieder einzugliedern. Eine ärztliche Feststellung, die dem Gutachten von Dr. G … in seinem Gesundheitszeugnis vom 4.3.2013 widersprechen würde, kann darin jedenfalls nicht gesehen werden. Unabhängig davon kommt wie bereits oben ausgeführt den Feststellungen des Amtsarztes grundsätzlich größerer Beweiswert zu als privatärztlichen Feststellungen.
Aufgrund der nicht weiteren substantiierten Angriffe gegen die Feststellung des Gesundheitszustandes des Klägers hat das Gericht auch davon abgesehen, die medizinischen Unterlagen des Polizeiarztes Dr. G … oder andere Zeugnisse unter Entbindung der Schweigepflicht der Betroffenen einzuholen. Entgegen der Ansicht des Klägers war der Kläger auch nicht erneut von Dr. G … zu begutachten gewesen. Denn nur für den Fall, dass eine andere Weiterverwendungsmöglichkeit des Klägers bei den attestierten Einschränkungen und den Anforderungen an die Ersatztätigkeit gefunden werden konnte, war von diesem polizeiärztlich vorgeschlagen worden, eine erneute Begutachtung im April 2013 durchführen zu lassen.
Auch wurde der Grundsatz der Weiterverwendung vor einer Ruhestandsversetzung seitens des Beklagten beachtet und die dementsprechenden Suchpflichten erfüllt. Der Beklagte hat das Vorliegen der Voraussetzungen des §§ 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, Abs. 3, 27 BeamtStG sowie Art. 128 Abs. 2, Abs. 3 BayBG geprüft und rechtsfehlerfrei verneint.
Die Suche nach anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten wurde zuletzt vom Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19.3.2015 (2 C 37.13, Rn. 15 ff.) konkretisiert:
Von einer Versetzung des Beamten in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit soll (im dort entschiedenen Verfahren nach Art. 56 Abs. 4 Satz 1 BayBG a.F.) abgesehen werden, wenn ihm ein anderes Amt derselben, einer entsprechenden, gleichwertigen oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Gemäß Art. 56 Abs. 4 Satz 2 BayBG a.F. ist in Fällen des Satzes 1 die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung des Beamten zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Endgrundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amts genügt. Damit hat der Gesetzgeber den Dienstherrn die Verpflichtung auferlegt, für dienstunfähige Beamte nach anderweitigen, ihnen gesundheitlich möglichen und zumutbaren Verwendungen zu suchen. Erst wenn feststeht, dass der in seiner Beschäftigungsbehörde dienstunfähige Beamte auch nicht anderweitig von seinem Dienstherrn eingesetzt werden kann, darf er wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig zur Ruhe gesetzt werden. Ohne gesetzliche Suchpflicht könnte die Verwaltung über die Geltung des Grundsatzes „Weiterverwendung vor Versorgung“ nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit entscheiden und autonom festlegen, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Kriterien sie sich um eine anderweitige Verwendung bemüht. Das wäre mit Wortlaut und Zweck des Gesetzes unvereinbar (BVerwG, U.v. 26.3.2009, 2 C 73.08, Rn. 25 ff.).
Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung ist regelmäßig auf den gesamten Bereich des Dienstherrn zu erstrecken; im Einzelfall kann sich jedoch insbesondere unter Fürsorgeaspekten eine räumliche Begrenzung ergeben (vgl. insoweit BVerwG, B. v. 6.3.2012, 2 A 5/10, Rn 4). Dies folgt aus dem Wortlaut des Satzes 2 des Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F., der die Übertragung eines neuen Amts für zulässig erklärt, wenn es zum Bereich desselben Dienstherrn gehört. Für diesen Umfang der Suchpflicht spricht auch, dass den Beamten zur Vermeidung der Frühpensionierung nach Art. 56 Abs. 4 Satz 3 BayBG a.F. auch der Erwerb einer anderen Laufbahnbefähigung zur Pflicht gemacht werden kann. Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung muss sich auf Dienstposten erstrecken, die frei sind oder in absehbarer Zeit voraussichtlich neu zu besetzen sind. Das BVerwG hält für diese vorausschauende Suche nach frei werdenden und/oder neu zu besetzenden Dienstposten einen Zeitraum von sechs Monaten für angemessen. Dagegen begründet Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F. keine Verpflichtung anderer Behörden, personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine Weiterverwendung zu ermöglichen (BVerwG, U.v. 26.3.2009, 2 C 73.08, Rn. 29).
Es ist Sache des Dienstherrn, schlüssig darzulegen, dass er bei der ihm obliegenden Suche nach einer anderweitigen Verwendung für den dienstunfähigen Beamten die Vorgaben des Art. 56 Abs. 4 BayBG a.F. beachtet hat. Denn es geht um Vorgänge aus dem Verantwortungsbereich des Dienstherrn, die dem Einblick des betroffenen Beamten in aller Regel entzogen sind. Daher geht es zulasten des Dienstherrn, wenn nicht aufgeklärt werden kann, ob die Suche den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat (BVerwG, U.v. 17.8.2005, 2 C 37.04).
Gemessen an diesen Grundsätzen war es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte zunächst vorrangig eine Verwendungsmöglichkeit des Klägers bei seiner bisherigen Dienststelle PI Neustadt an der Waldnaab sowie alternative Beschäftigungsmöglichkeiten auch bei weiteren Polizeidienststellen im Präsidialbereich in einem Umkreis von 30 km um die Wohnung des Klägers gesucht hat (vgl. insoweit Schreiben des Polizeipräsidiums … vom 10.6.2013, Bl. 38 des DIN A 4-Ordners „Verwaltungsstreitsache E … gegen Freistaat Bayern“). Auch wenn dieser 30 km Umkreis wie vom Kläger beanstandet nicht von einem Arzt festgelegt worden ist, ist dies nach Auffassung des Gerichts unschädlich, da auch ein Arzt nur den Gesundheitszustand des Klägers feststellen und eine Aussage dahingehend treffen kann, welche Tätigkeiten er aufgrund seines Gesundheitszustandes noch verrichten kann und welche konkreten Verwendungseinschränkungen bei ihm bestehen (z.B. nur sitzend, im Tagesdienst, ohne Gefahr von Widerstandshandlungen etc.). Eine genaue Festlegung hingegen, in welchem Umkreis um seinen Wohnort der Kläger eingesetzt werden kann, würde auch ein Arzt nicht treffen. Es ist vielmehr Sache des Beklagten unter Berücksichtigung der ärztlichen Diagnose festzustellen, welche Tätigkeiten überhaupt in Frage kommen und dem Betroffenen aufgrund seines Gesundheitszustandes zugemutet werden können.
Im Übrigen kann sich im Einzelfall auch unter Berücksichtigung von Fürsorgeaspekten eine räumliche Begrenzung ergeben (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2013, 2 A 5/10, Rn 4). Insbesondere hatte der Beklagte den Gesundheitszustand des Klägers angemessen zu berücksichtigen. Dieser war nach seiner Gehirnblutung am 30.7.2010 mit Ausnahme einer Wiedereingliederungsmaßnahme vom 1.6. bis 18.11.2011 bis zum 31.5.2013 dienstunfähig erkrankt. Am 3.6.2013 hat der Kläger zwar wieder stundenweise seinen Dienst antreten wollen, was ihm aber aufgrund des laufenden Ruhestandsversetzungsverfahrens verwehrt worden ist. Hinzu kommt, dass der Kläger nach seinen eigenen Aussagen in der mündlichen Verhandlung an diesem einen Tag auch nicht selbständig zur Polizeidienststelle gelangen konnte, sondern sich von seiner Frau fahren lassen musste. Auch dies bestätigt letztlich die zutreffende 30 km-Einschränkung hinsichtlich Weiterverwendungsmöglichkeiten des Klägers bei anderen Polizeidienststellen.
Nach den o.g. Grundsätzen des Bundesverwaltungsgerichts besteht zwar grundsätzlich eine bayernweite Suchpflicht im gesamten Bereich des Dienstherrn und somit nicht nur bei Polizeidienststellen. Jedoch sind die Besonderheiten des vorliegenden Verfahrens zu berücksichtigen. Aufgrund der kurzen verbleibenden Restdienstzeit des Klägers bis Ende September 2014 und auch den ärztlich festgestellten Verwendungseinschränkungen wäre eine Suche außerhalb des Polizeibereichs nicht zielführend gewesen, da eine Unterweisung in eine andere Laufbahn ein Jahr in Anspruch nehmen würde. Insoweit ist auf Art. 9 Abs. 3 Leistungslaufbahngesetz – LlbG hinzuweisen, wonach Polizeivollzugsbeamte und Polizeivollzugsbeamtinnen, die nach Art. 48 Abs. 2, Art. 128 Abs. 3 BayBG i.V.m. § 26 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2, 3 oder § 29 Abs. 2 BeamtStG in die Fachlaufbahn „Verwaltung und Finanzen“ übernommen werden sollen, die entsprechende Qualifikation für die neue Fachlaufbahn durch Unterweisung und eine mindestens einjährige Tätigkeit erwerben. Inwieweit anderweitige Verwendungen in anderen Fachlaufbahnen (Art. 5 Abs. 2 LlbG) innerhalb dieser kurzen Zeit überhaupt noch erlernt werden können, ist mehr als fraglich. Selbst beim Verbleib im Polizeibereich wäre eine entsprechende Einarbeitung erforderlich gewesen. Auf die entsprechenden Änderungen rechtlicher Vorschriften, von Verfahrensabläufen sowie im EDV-Bereich hat der Beklagte zutreffend hingewiesen. Zu berücksichtigen ist insbesondere, dass der Kläger nicht nur ein paar Wochen oder Monate dienstunfähig gewesen ist, sondern seit dem 30.7.2010 mit Ausnahme der Wiedereingliederungsmaßnahme vom 1.6.2011 bis 18.11.2011 über einen weit längeren Zeitraum.
Die Suche nach anderweitigen Verwendungsmöglichkeiten ist umfassend im Widerspruchsbescheid vom 9.7.2014 dargestellt worden, auf den das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte ihre Suche nicht nur auf aktuell freie, sondern auch in Kürze freiwerdende Stellen ausgedehnt hat. Hinsichtlich geringwertiger Verwendungsmöglichkeiten bei der PI N … und anderen Dienststellen wird zudem auf das Schreiben des zuständigen Sachgebiets E1 des Polizeipräsidiums … vom 24.6.2014 hingewiesen (Bl. 102-105 des DIN A 4-Ordners „Verwaltungsstreitsache E … gegen Freistaat Bayern“), worin die Entwicklung der Personalsituation ausführlich dargestellt wird. Diesbezüglich hat der Beklagte zutreffend auf die Altersstruktur und auf ein noch angemessenes Verhältnis von verwendungseingeschränkten und voll einsetzbaren Beamten auf den Dienststellen hingewiesen, um die anfallenden Aufgaben im Dienstbetrieb noch ordnungsgemäß erfüllen zu können. Insoweit kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass an seiner bisherigen Dienststelle acht andere Beamte anderweitig beschäftigt würden und nicht vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden seien.
Eine weitergehende Pflicht des Beklagten personelle oder organisatorische Änderungen vorzunehmen, um eine Weiterverwendung des Klägers zu ermöglichen, besteht insoweit nicht. Es liegt im Organisationsermessen des Dienstherrn, welche und wie viele Ämter im abstrakt-funktionellen und im konkret-funktionellen Sinn er bei den Behörden einrichtet und aus welchen Gründen er diese Ämterstruktur ändert (vgl. BVerwG, U. v. 19.3.2015, 2 C 37.13, Rn 18 unter Verweis auf BVerwG, U. v. 26.3.2009, 2 C 73.08, Rn. 29).
Schließlich geht auch der Einwand des Klägers fehl, dass notwendige betriebliche Eingliederungsmaßnahmen unterlassen worden sind. Zum einen hat der Beklagte versucht, den Kläger nach seiner Gehirnblutung am 30.7.2010 ab dem 1.6.2011 stundenweise wieder einzugliedern. Diese Wiedereingliederungsmaßnahme musste jedoch am 18.11.2011 wegen einer anderweitigen Erkrankung abgebrochen werden. Danach war der Kläger durchgehend dienstunfähig erkrankt bis zum 31.5.2013. Zum anderen ist die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass einer Verfügung, mit der ein Beamter wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt wird (vgl. BVerwG, U. v. 5.6.2014, 2 C 22/13, Rn 46 ff.).
Abschließend ist auch der Zeitpunkt des eingeleiteten Ruhestandsverfahrens nicht zu beanstanden. Ein Zeitrahmen, in dem eine Ruhestandsversetzung nicht mehr einzuleiten wäre, ist gesetzlich nicht vorgegeben. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Erkrankung, die vorliegend das Ruhestandsverfahren ausgelöst hat, bereits am 30.7.2010 eingetreten ist. Der Kläger hätte daraufhin bereits am 9.11.2011 amtsärztlich zur Überprüfung seiner Dienst- und Verwendungsfähigkeit untersucht werden sollen. Der angesetzte Untersuchungstermin fand dann jedoch nicht statt. Daraufhin wurde am 5.9.2012 abermals eine polizeiärztliche Untersuchung zur Prüfung der Dienstfähigkeit des Klägers beantragt, die Untersuchung hat dann am 18.3.2013 stattgefunden. Der Kläger erreicht die besondere Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand mit Ablauf des September 2014. Die Entscheidung, den Kläger in den Ruhestand zu versetzen, wurde seitens der Beklagten zwei Jahre vor seinem Erreichen der Altersgrenze vorbereitet und weit über ein Jahr vor einem Eintritt in den Ruhestand getroffen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 f. ZPO.


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