Arbeitsrecht

Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit

Aktenzeichen  M 5 K 15.4300

Datum:
11.5.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 50578
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 10 S. 2, Art. 65 Abs. 2, Art. 66 Abs. 2, Art. 71 Abs. 1 S. 2
BeamtStG § 26, § 27
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 117 Abs. 5
BayVwVfG Art. 14 Abs. 1
BayVwZVG Art. 5 Abs. 1 S. 2, Art. 8 Abs. 1 S. 1, Art. 9

 

Leitsatz

1. Die Verfügung der Ruhestandsversetzung kann auch dem in dem Verwaltungsverfahren durchgehend aufgetretenen Bevollmächtigten des Beamten wirksam zugestellt werden, da es sich bei der Ruhestandsversetzung mangels Sondervorschrift nicht um eine Maßnahme handelt, die an den betroffenen Beamten höchstpersönlich selbst zu richten ist. (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist der Beamte im gesamten Verfahren erkennbar nicht bereit, verwertbare Anknüpfungstatsachen zur Eingrenzung des amtsärztlichen Untersuchungsauftrags zu liefern, muss der Dienstherr nicht nochmals an den Beamten herantreten, um die amtsärztliche Untersuchung vorzubestimmen; aus dem Beamtenverhältnis als Dienst- und Treueverhältnis folgen keine Pflichten zu einem erkennbar zwecklosen Verhalten. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 24. März 2015, mit dem die Ruhestandsversetzung des Klägers verfügt worden ist und dessen Widerspruchsbescheid vom 8. September 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Der Beklagte durfte gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) von der Dienstunfähigkeit des Klägers ausgehen und demgemäß nach Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BayBG dessen Versetzung in den Ruhestand verfügen. Nach Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG kann derjenige so behandelt werden, wie wenn die Dienstunfähigkeit amtsärztlich festgestellt worden wäre, der sich trotz wiederholter schriftlicher Aufforderung ohne hinreichenden Grund der Verpflichtung, sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten untersuchen oder beobachten zu lassen, entzieht. Nach Art. 66 Abs. 2 Satz 2 BayBG entscheidet die für die Versetzung in den Ruhestand zuständige Behörde über die Ruhestandsversetzung, wenn die Monatsfrist zur Erhebung von Einwendungen gegen die mitgeteilte beabsichtigte Ruhestandsversetzung abgelaufen ist (vgl. Art. 66 Abs. 2 Satz 1 BayBG). Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind eingehalten, insbesondere hat sich der Kläger ohne hinreichenden Grund drei Mal der schriftlichen Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, entzogen, so dass mit dem Ende des Monats, in dem die Ruhestandsverfügung zugestellt wurde – vorliegend am 26. März 2015 -, daher mit Ablauf des Monats März 2015 der Ruhestand des Klägers begonnen hat (Art. 71 Abs. 3 BayBG). Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen der genannten Vorschriften wird von einer Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen. Das Gericht folgt insofern den zutreffenden Ausführungen des Beklagten in den angefochtenen Bescheiden vom 24. März 2015 und 8. September 2015 (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist zum Vorbringen im Klageverfahren Folgendes auszuführen:
1. Die streitgegenständliche Verfügung der Ruhestandsversetzung konnte auch an die Bevollmächtigte des Klägers, die im Verwaltungsverfahren durchgehend als solche aufgetreten ist, wirksam zugestellt werden (Art. 71 Abs. 1 Satz 2, 10 Satz 2 BayBG i. V. m. Art. 5 und 8 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz/VwZVG i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz/BayVwVfG). Es existiert keine Sondervorschrift, die es gebietet, diese Verfügung an den Kläger persönlich zuzustellen. Ausweislich des von einem Bediensteten des Beklagten erstellten Übergabeprotokolls wurde die streitgegenständliche Verfügung der empfangsberechtigten Bevollmächtigten des Klägers am 26. März 2015 persönlich übergeben, was seitens der Klagepartei zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gezogen wurde. Damit ist die Zustellung zu diesem Zeitpunkt als bewirkt anzusehen, auch wenn ein ordnungsgemäßes Empfangsbekenntnis gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 BayVwZVG nicht vorliegt (Art. 9 VwZVG).
2. Die Aufforderung vom 23. September 2014 an den Kläger, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, erfolgte zu Recht und im Einklang mit den hierzu nach der Rechtsprechung zu stellenden Anforderungen. Aufgrund dessen, dass der Kläger seit 12. April 2013 dienstunfähig erkrankt war, bestanden Zweifel über seine Dienstunfähigkeit (Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG). Die diesbezüglichen Krankschreibungen erfolgten ausnahmslos durch Frau Dr. S. – Allgemeinärztin – Psychotherapie. Die Dauer der Krankschreibungen nahm erheblich zu (anfangs unter 1 Monat, am Ende 3 Monate), ohne dass irgendwelche Hinweise zur Art und Diagnose der Erkrankung gegeben wurden. Auch hinsichtlich des weiteren Verlaufs der Erkrankung wurden weder ärztlicherseits noch durch den Kläger selbst Hinweise gegeben. Die Erklärung des Klägers, die Zuweisung einer amtsangemessenen Tätigkeit könne sich förderlich auf seinen Gesundheitszustand auswirken, liefert keine Anhaltspunkte dafür, nicht von Zweifeln über die Dienstunfähigkeit auszugehen.
Auch Art und Umfang der geforderten amtsärztlichen Untersuchung sind in der vorliegend gegebenen Konstellation als ausreichend bestimmt anzusehen. Der Kläger wurde mehrfach im Rahmen des Angebots eines betrieblichen Eingliederungsmanagements zu einem persönlichen Gespräch eingeladen, bei dem thematisiert werden sollte, welche betrieblich beeinflussbaren Faktoren zur Stabilisierung seiner Gesundheit möglich sind. Dabei wurde dem Kläger auch Gelegenheit gegeben, mitzuteilen, welche Personen seitens des Beklagten an einem derartigen Gespräch teilnehmen sollten. Der Kläger hat hierauf nicht reagiert bzw. zuletzt mit Erklärung vom 2. September 2014 (vgl. Anlage B 18 zum Schriftsatz des Bevollmächtigten des Beklagten vom 21.4.2016) mitgeteilt, dass er parallele Gespräche zu noch anhängigen Gerichtsverfahren über seine zukünftige Beschäftigung als nicht zielführend ansehe.
Bei den Gesprächseinladungen an den Kläger lag der Fokus auf der intendierten Stabilisierung seiner gesundheitlichen Situation. Die Reaktion des Klägers hierauf machte demgegenüber unzweifelhaft deutlich, dass ihm nur an der rechtlichen Überprüfung der ihm zugewiesenen Tätigkeitsbereiche gelegen ist. Gleichermaßen hat der Kläger während des gesamten Verfahrens, beginnend mit der Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung vom 23. September 2014, mit den einzelnen Terminsetzungen für diese Untersuchung, weiter mit der Anhörung und dem Einwendungsverfahren zur beabsichtigen Ruhestandsversetzung und schließlich der Ruhestandsversetzung selbst, keinerlei verwertbare Anknüpfungstatsachen zur Eingrenzung des Untersuchungsauftrages geliefert. Der Kläger äußerte auch nicht, dass er nur den Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements ablehne, er aber außerhalb dessen zu einem Gespräch über seine gesundheitliche Situation bereit wäre.
In dieser Situation ist es nicht notwendig, dass der Dienstherr nochmals eigens an den Kläger mit einem weiteren Gesprächsangebot herantritt, um Art und Umfang einer beabsichtigten amtsärztlichen Untersuchung vorzubestimmen. Denn es war nach dem vorstehend geschilderten Verhalten des Klägers nicht zu erwarten, dass weitere Gesprächsangebote entsprechende Anknüpfungstatsachen liefern würden. Aus dem Beamtenverhältnis als Dienst- und Treueverhältnis folgen keine Pflichten zu einem erkennbar zwecklosen Verhalten.
Der Beklagte hat daher mit der Anordnung einer allgemeinärztlichen Begutachtung durch den Amtsarzt unter Ausschluss von fachärztlichen Begutachtungen, die ausdrücklich einem gesonderten Auftrag zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen einer Zusatzbegutachtung vorbehalten wurden, die gebotene und mögliche Eingrenzung von Art und Umfang der vorgesehenen Untersuchung vorgenommen.
Auch war die, die Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung erstellende Personalabteilung des Beklagten – wie sich jedenfalls aus der Stellungnahme des Kaufmännischen Direktors des Beklagten vom 20. Juli 2015 (vorgelegt als Anlage B 2 zum Schriftsatz des Bevollmächtigten des Beklagten vom 20.8.2015 im Verfahren M 5 K 15.456) ergibt, hierzu auch ausreichend beauftragt bzw. autorisiert.
3. Gleichermaßen finden sich keine Anknüpfungstatsachen für die Annahme, dass der Kläger die Dienstpflichten des ihm übertragenen Amtes noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit, vgl. § 27 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern/Beamtenstatusgesetz – BeamtStG). Auch finden sich keine Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Kläger Dienstfähigkeit für eine anderweitige, seinem Status als Regierungsdirektor entsprechende amtsangemessene Tätigkeit (§ 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG) bzw. für eine geringerwertige Tätigkeit (§ 26 Abs. 3 BeamtStG) gegeben wäre. Insofern gelten die vorstehenden Ausführungen unter 1. entsprechend. Eine weitergehende Prüfung dieser Frage wäre zudem erst durch die Beantwortung der an den Amtsarzt gestellten Fragen Nrn. 1. und 2. des Untersuchungsauftrages ermöglicht worden.
Wie sich auch aus den vorangegangenen gerichtlichen Verfahren, auf die der Kläger – wie ausgeführt – auch vorliegend Bezug genommen hat, ergibt, kann insbesondere nicht davon ausgegangen werden, dass die Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit in seinem Fall zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand geeignet wäre.
4. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung – ZPO.


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