Arbeitsrecht

Sachlich- rechnerische Richtigstellung für Einmalpolypektomieschlingen – Abgeltung von Sachkosten

Aktenzeichen  S 38 KA 1111/15

Datum:
25.10.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V SGB V § 72 Abs. 2
SGG SGG § 54
BMV-Ä BMV-Ä § 45 Abs. 1
EKV-Ä 2 § 34
SGB V SGB V § 87

 

Leitsatz

Da die Verwendung von Einmalpolypektomieschlingen dem Behandler vorbehalten ist, handelt es sich um „ärztliche Instrumente“.  (redaktioneller Leitsatz)
Erforderlich ist, dass die Vergütung der ärztlichen Leistungen insgesamt angemessen ist (vgl. § 72 Abs. 2 SGB V). Es handelt sich um eine Mischkalkulation. (redaktioneller Leitsatz)
Für die Bewertung der Leistungen ist der Bewertungsausschusses zuständig. Dem Bewertungsausschuss ist ein weiter Gestaltungsspielraum zuzugestehen, der von den Gerichten nur inzidenter und eingeschränkt überprüfbar ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III.
Die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegte kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach § 54 SGG ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Gemäß § 45 Abs. 1 und 2 BMV-Ä und § 34 EKV-Ä obliegt den Kassenärztlichen Vereinigungen die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Die Erstattung von Sachkosten für Einmalpolypektomieschlingen im Quartal 4/2014, wie von der Klägerin begehrt, ist nicht möglich, da hierfür eine Rechts-grundlage fehlt. In diesem Zusammenhang ist maßgeblich, ob mit den in Ansatz zu bringenden ärztlichen Leistungen, hier GOP 13423 auch die Verwendung von Einmalpolypektomieschlingen abgegolten ist. Zum obligaten Leistungsinhalt der genannten Abrechnungsposition gehört auch die Polypektomie(n) von Polypen mit einer Größe von mehr als 5mm mittels Hochfrequenzdiathermieschlinge. Der Wortlaut dieser Gebührenordnungsposition deutet darauf hin, dass die Verwendung von Hochfrequenzdiathermieschlingen ohne Unterschied, ob es sich um Schlingen handelt, die einmal verwendet oder mehrfach werden, mit enthalten ist. Denn ohne die Verwendung solcher Schlingen ist die Gebührenordnungsposition nicht abrechenbar, da der Leistungsinhalt der GOP 13423 nicht erfüllt wird. Einen ausdrücklichen Einschluss solcher Kosten enthält die GOP 13423 aber nicht. Grundsätzlich gelten deshalb insoweit die Allgemeinen Bestimmungen zum EBM, hier I Ziff. 7, die, soweit nichts anderes bestimmt ist, regeln, welche Kosten in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind und welche nicht. So wird in den Allgemeinen Bestimmungen unter 7.1 (2. Spiegelstrich) geregelt, dass Kosten, die durch die Anwendung von ärztlichen Instrumenten und Apparaturen entstanden sind, grundsätzlich in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind. Unter 7.1 (3. Spiegelstrich) werden „Kosten für Einmalspritzen, Einmalkanülen, Einmalbrachealtuben, Einmalabsaugkatheter, Einmalhandschuhe, Einmalrasierer, Einmalharnblasenkatheter, Einmalskalpelle, Einmalproktoskope, Einmaldarmrohre, Einmalspekula und Einmalküretten“ genannt. Diese sind nicht extra abrechnungsfähig. In den Allgemeinen Bestimmungen unter 7.3 sind die Kosten aufgeführt, die nicht in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten sind. Dazu zählen unter 7.3 (1.Spiegelstrich) Kosten für Arzneimittel, Verbandmittel, Materialien, Instrumente, Gegenstände und Stoffe, die nach der Anwendung verbraucht sind oder die der Kranke zur Weiterverwendung behält und unter 7.3 (2. Spiegelstrich) Kosten für Einmalinfusionsbestecke, Einmalinfusionskatheter, Einmalinfusionsnadeln und Einmalbiopsienadeln. Die Kosten für Einmalpolypektomieschlingen (= einmal verwendete Hochfrequenzdiathermieschlingen) werden weder in den Einzelaufzählungen bei 7.1 (3. Spiegelstrich), noch in den Einzelaufzählungen bei 7.3 (2. Sie-gelstrich) genannt. Somit stellt sich die Frage, ob die Kosten für Einmalpolypekto-mieschlingen entweder unter Ziffer 7.1 (3. Spiegelstrich) oder unter Ziff. 7.3 (2. Spiegelstrich) subsummiert werden können, die als Generalklauseln anzusehen sind. Es dürfte unstreitig sein, dass es sich bei den Einmalpolypektomieschlingen um Instrumente handelt, die zur Durchführung der Polypektomie zu dienen bestimmt sind. Im EBM wird unter Ziff. 7.1 (3. Spiegelstrich) und unter Ziff. 7.3 (2. Spiegelstrich) unterschieden zwischen „ärztlichen Instrumenten“ (Ziff. 7.1) und „Instrumenten“ (Ziff. 7.3). Nach Auffassung des Gerichts ist davon auszugehen, dass es sich um „ärztliche Instrumente“ handelt, da die Verwendung von Einmalpolypektomieschlingen dem Behandler vorbehalten ist. Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten, dass die Verwendung von Einmalpolypektomieschlingen im Hinblick auf die Allgemeinen Bestimmungen in den berechnungsfähigen Leistungen enthalten ist. Bestätigt wird diese Auffassung des Sozialgerichts durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 05.08.2012, Az. B 6 KA 34/11 R). Gegenstand dieses Verfahrens war ebenfalls die Kostenerstattung von Einmalpolypektomieschlingen im Zusammenhang mit Leistungen der GOP 13423 EBM. Das Bundessozialgericht kam zu dem Ergebnis, es bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung. Unter anderem wird wie folgt ausgeführt: „Da die Gebührenordnungsnummer 13 423 EBM-Ä das zu verwendende Instrument ausdrücklich benennt und gleichzeitig keine Kostenregelung enthält, ist davon auszugehen, dass die Kosten für die benötigten ärztlichen Instrumente nach Nummer 7.1 zweiter Spiegelstrich EBM-Ä in der Gebührenordnungsposition enthalten sind.“ Auch aus der Vereinbarung zur Abgeltung von Sachkosten u. a. im Zusammenhang mit ambulanten Operationen ist kein Anspruch auf Kostenerstattung herzu-leiten. Denn in Anlage 22 der Vereinbarung wird unter Ziff. 1 geregelt, dass für die Einmalschlinge bei endoskopischen Leistungen der tatsächliche Euro-Betrag abgerechnet werden kann. Diese Regelung gelte jedoch nicht für Elektroschlingen, denn diese Schlingen seien mit der Nummer 03332 EBM abgegolten. Auch dies spricht dafür, dass über die Bestimmungen des EBM eine Kostenerstattung nicht möglich ist. Denn ansonsten hätte es einer ausdrücklichen Erwähnung in der Vereinbarung nicht bedurft. Die Klägerseite kann sich auch nicht auf Vertrauensschutz berufen, indem Sie auf vorangegangene Quartale hinweist, in denen eine Kostenerstattung stattfand. Dies ergibt sich bereits aus der Rechtsfigur „keine Gleichheit im Unrecht“ (vgl. BSG, Urteil vom 11.10.2006, B 6 KA 35/05R), aber auch daraus, dass in diesen Bescheiden den Widersprüchen gegen die Absetzung von Sachkosten für die Einmalschlinge bei endoskopischen Leistungen „ohne Anerkenntnis eines Rechtsanspruchs“ stattgegeben wurde. Die Klägerseite konnte somit nicht darauf vertrauen, dass auch in Zukunft eine Kostenerstattung stattfinden werde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerseite angestellten allgemeinen Überlegungen zur Angemessenheit der Vergütung, betreffend Leistungen der Polypektomie. Das Gericht räumt zwar ein, dass – folgt man der Schilderung der Klägerseite die Vergütung für Leistungen der Polypektomie nicht kostendeckend erscheint. Denn allein der Materialaufwand kann offensichtlich mit der Vergütung der ärztlichen Leistungen nicht ausgeglichen werden, abgesehen davon, dass dem Behandler auch sonstige Kosten für Personal und Räumlichkeiten entstehen. Dies ist jedoch nach Auffassung des Gerichts unmaßgeblich. Der Arzt hat keinen Anspruch auf eine konkrete Vergütung für bestimmte Leistungen, aber auch nicht auf ein bestimmtes Honorar insgesamt. Erforderlich ist vielmehr, dass die Vergütung der ärztlichen Leistungen insgesamt angemessen ist, wie sich aus § 72 Abs. 2 SGB V entnehmen lässt. Es ist nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich, dass die Leistungen der Gastroenterologie insgesamt nicht angemessen vergütet werden. Im Übrigen ist in dem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass auch in anderen Bereichen, so zum Beispiel im Bereich der „kleinen Chirurgie“, wie in der mündlichen Verhandlung am 25.10.2016 aufgezeigt, einzelne Leistungen nicht angemessen vergütet erscheinen und auch hier keine Erstattung von Sachkosten stattfindet. Es handelt sich um eine Mischkalkulation (vgl. BSG, Urteil vom 16.05.2001, B 6 KA 20/00 R). Hinzu kommt, dass für die Bewertung der Leistungen der Bewertungsausschusses zuständig ist, nicht also die Beklagte, die ihrerseits die rechtlichen Vorgaben umzusetzen hat. Dem Bewertungsausschuss ist ein weiter Gestaltungsspielraum zuzugestehen, der von den Gerichten nur inzidenter und eingeschränkt überprüfbar ist. Denn nach § 87 SGB V ist es Aufgabe des Bewertungsausschusses, den Inhalt der abrechenbaren Leistungen und ihre Punktzahlen zu bestimmen. Es handelt sich damit um eine eindeutige Funktionszuweisung an den Bewertungsausschusses. Wie das Bundessozialgericht ausführt, kann das Niveau von Vergütungen erst dann im Hinblick auf § 72 Abs. 2 SGB V in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz von den Gerichten beanstandet werden, wenn die Funktionsfähigkeit der Versorgung mangels ausreichenden finanziellen Anreizes, vertragsärztlich tätig zu werden, gefährdet wäre (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2015, Az. B 6 KA 39/15 R). Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind jedoch nicht ersichtlich. Soweit die Klägerseite die neuen Richtlinien anführt, nach denen die Verwendung von Einmalpolypektomieschlingen vorgeschrieben wird, ergibt sich daraus kein Anspruch auf Vergütung. Denn den Richtlinien wohnt ein anderes Regelungsziel („Qualitätssicherung“ und „Qualitätsverbesserung“) inne, sie stellen aber keine Rechtsgrundlage für eine Kostenerstattung dar und können Vergütungsregelungen im EBM, HVM und in Vereinbarungen nicht außer Kraft setzen.
Dem Antrag, die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht zuzulassen, war nicht stattzugeben. Der Streitwert liegt mit lediglich 86,94 EUR deutlich unter der Berufungssumme von 750 EUR (§ 144 Abs. 1 Ziffer 1 SGG). Die Berufung bedarf daher der Zulassung nach § 144 Abs. 2 SGG. Von einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 144 Abs. 2 Ziff. 1 SGG kann nicht ausgegangen werden, nachdem eine Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2012 vorliegt. Es handelt sich nicht um eine bisher ungeklärte Rechtsfrage (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Komment. Zum SGG, Rn. 28 zu § 144). Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 VwGO.


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