Arbeitsrecht

Selbständige Versorgungsbausteine in der Kürzungsaussetzung

Aktenzeichen  2 UF 94/20

Datum:
1.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2021, 27
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VersAusglG § 33 Abs. 2, Abs. 4
FamGKG § 50 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Die Wertgrenzen des § 33 Abs. 2 VersAusglG bezwecken, dass Gerichte nicht bei Fällen von geringer Bedeutung tätig werden müssen. Dieser Zweck ist jedoch dann hinfällig, wenn die Wertgrenze nach § 33 Abs. 2 VersAusglG nur hinsichtlich eines von mehreren Bausteinen einer Versorgung beim identischen Versorgungsträger unterschritten, die Aussetzung der Kürzung der Versorgung aus den anderen Bausteinen aber durchzuführen ist. (Rn. 12)
2. Selbständige Versorgungsbausteine sind eigenständige Anrechte im Rahmen der Wertbemessung für das Aussetzungsverfahren. Die Zuweisung der Aussetzung auf einen Versorgungsbaustein nach § 33 Abs. 4 VersAusglG ändert hieran nichts. (Rn. 18)

Verfahrensgang

002 F 1291/19 2020-03-23 Bes AGBAYREUTH AG Bayreuth

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Bayerischen Ärzteversorgung – Bayerische Versorgungskammer – wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bayreuth vom 23.03.2020 (2 F 1291/19) abgeändert.
Die Kürzung des Altersruhegeldes des Antragstellers bei der Bayerischen Ärzteversorgung – Bayerische Versorgungskammer – (Versicherungs-Nr. …, Anwartschaften aus den ab 1.01.1985 errichteten Beiträgen) wird mit Wirkung ab 01.02.2020 in Höhe von 1.090,84 Euro und ab 01.07.2020 in Höhe von 1.081,33 Euro ausgesetzt.
2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren haben der Antragsteller und die weitere Beteiligte Y. je zur Hälfte zu tragen. Außergerichtliche Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.000,00 Euro festgesetzt. Der Verfahrenswertbeschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 23.03.2020 wird von Amts wegen dahingehend abgeändert, dass der Verfahrenswert für das erstinstanzliche Verfahren 6.000,00 Euro beträgt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die am …1979 geschlossene Ehe des Antragstellers und der weiteren Beteiligten Y. wurde durch Endbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bamberg vom 20.10.2015 (2 UF 470/15) geschieden. Die Scheidung ist seit Dezember 2015 rechtskräftig. Mit vorgenanntem Beschluss wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt. Dabei wurde im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der Bayerischen Ärzteversorgung aus den ab 1.01.1985 errichteten Beiträgen zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 34,9593 Versorgungspunkten mit einem korrespondierenden Kapitalwert in Höhe von 198.096,87 Euro auf die weitere Beteiligte Y., bezogen auf den 30.04.2015, übertragen. Zu Lasten des Anrechts der weiteren Beteiligten Y. bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (Versicherungs-Nr. …) wurde im Wege der internen Teilung zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 8,3452 Entgeltpunkten auf sein Konto bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (…), bezogen auf den 30.04.2015, übertragen.
Mit Beschluss vom 16.12.2015 hat das Beschwerdegericht im Verfahren 2 UF 262/15 in Ergänzung des Beschlusses des Amtsgerichts vom 20.10.2015 die interne Teilung des seitens des Antragstellers aus bis 31.12.1984 geleisteten Beiträgen in der Ehezeit erworbenen Anrechts bei der Bayerischen Ärzteversorgung zu Gunsten der Antragsgegnerin in Höhe von monatlich 44,46 Euro, bezogen auf den 30.04.2015, angeordnet. Dem liegt ein selbständiger Baustein der berufsständischen Versorgung des Antragstellers bei der Bayerischen Ärzteversorgung zugrunde, die eigenständigen Versorgungsregelungen unterliegt, die sich von den nachfolgend erworbenen und mit Beschluss des Amtsgerichts vom 20.10.2015 bereits behandelten Anrechten bei der Bayerischen Ärzteversorgung maßgeblich unterscheiden.
Mit notarieller Scheidungsvereinbarung vom 22.12.2010 hatte sich der Antragsteller verpflichtet, nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich 2.000,00 Euro an die weitere Beteiligte Y. zu bezahlen. Dies gilt unverändert fort. Der Antragsteller bezieht weiterhin Einnahmen aus seiner Praxis. Der gesetzlich geschuldete Unterhalt überschreitet den vereinbarten Unterhaltszahlungsbetrag.
Die weitere Beteiligte Y. erhält keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht. Der Antragsteller bezieht seit 01.02.2020 ein Altersruhegehalt in Höhe von monatlich 1.928,10 Euro von der Bayerischen Ärzteversorgung. Die Kürzung aufgrund des durchgeführten Versorgungsausgleichs beträgt monatlich 1.366,65 Euro. Der Antragsteller bezieht darüber hinaus eine Rente der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern ab 01.07.2020.
Auf Antrag des Antragstellers hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bayreuth mit Beschluss vom 23.03.2020 die aufgrund des Versorgungsausgleichs vorgenommene Kürzung des Altersruhegeldes des Antragstellers bei der Bayerischen Ärzteversorgung mit Wirkung ab 01.02.2020 ausgesetzt und den Kürzungsbetrag mit monatlich 1.127,89 Euro bestimmt. Im Übrigen wird auf den Beschluss vom 23.03.2020 verwiesen.
Gegen den ihr am 03.04.2020 zugestellten Beschluss vom 23.03.2020 hat die Bayerische Ärzteversorgung mit am 20.04.2020 beim Amtsgericht eingegangenem Schreiben vom 15.04.2020 Beschwerde eingelegt. Sie wendet sich gegen den Aussetzungsbetrag von monatlich 1.127,89 Euro.
Der Antragsteller ist dem Beschwerdebegehren nicht entgegengetreten und hat mit Schriftsatz vom 02.06.2020 zum gesetzlichen nachehelichen Ehegattenunterhaltsanspruch der weiteren Beteiligten Y. gegen den Antragsteller vorgetragen. Auf die vorbezeichneten Schriftsätze samt Anlagen wird verwiesen.
II.
Die gem. §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Ärzteversorgung führt zur tenorierten Abänderung.
Gem. § 33 Abs. 1 VersAusglG wird die Kürzung der laufenden Versorgung der ausgleichspflichtigen Person auf Antrag ausgesetzt, solange die ausgleichsberechtigte Person aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine laufende Versorgung erhalten kann und sie gegen die ausgleichspflichtige Person ohne die Kürzung durch den Versorgungsausgleich einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch hätte. Bei dem Anrecht des Antragstellers bei der Bayerischen Ärzteversorgung und dem bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern handelt es sich um Anrechte nach § 32 VersAusglG, die der Kürzungsaussetzung unterliegen. Aufgrund Aussetzungsantrag vom 18.12.2019, eingegangen beim Amtsgericht am gleichen Tag, und Bezug von Altersruhegeld ab 01.02.2020 ist die Aussetzung mit Wirkung ab 01.02.2020 auszusprechen. Nach § 33 Abs. 3 VersAusglG ist die Kürzung in Höhe des Unterhaltsanspruchs auszusetzen, höchstens jedoch in Höhe der Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte aus denjenigen Anrechten i. S. d. § 32 VersAusglG, aus denen die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung bezieht. Maßgeblich ist insoweit der gesetzliche Unterhaltsanspruch, der über die durch Vereinbarung geregelten Zahlungen in Höhe von monatlich 2.000,00 Euro noch hinaus geht.
Die Differenz der beiderseitigen Ausgleichswerte der hier maßgeblichen Anrechte beträgt vorliegend vom 01.02.2020 bis einschließlich 30.06.2020 1.090,84 Euro und ab 01.07.2020 1.081,33 Euro.
Maßgeblich ist insoweit zunächst der Baustein des Anrechts des Antragstellers bei der Bayerischen Ärzteversorgung, der bereits mit Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 20.10.2015 im Rahmen der Regelung zum Versorgungsausgleich ausgeglichen wurde. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 VersAusglG liegen hier vor.
Hinsichtlich des selbständigen Versorgungsbausteins des Antragstellers bei der Bayerischen Ärzteversorgung aufgrund Beitragszahlungen bis 31.12.1984 mit einem Ausgleichswert gem. Beschluss des Beschwerdegerichts vom 16.12.2015 in Höhe von monatlich 44,46 Euro (korrespondierender Kapitalwert 7.105,79 Euro) ist der Rentenwert zum Ende der Ehezeit maßgeblich, so dass hier der Mindestwert nach § 33 Abs. 2 VersAusglG (56,70 Euro) zwar nicht erreicht ist und eine Kürzung grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Insoweit ist jedoch zu beachten, dass § 33 Abs. 2 VersAusglG – vergleichbar mit der Intention des § 18 Abs. 1 VersAusglG – vor unzumutbarer Arbeitsbelastung wegen Kürzungsaussetzungsverfahren bezüglich geringwerter Anrechte schützen will. Die Wertgrenzen des § 33 Abs. 2 VersAusglG bezwecken, dass Gerichte nicht bei Fällen von geringer Bedeutung tätig werden müssen (BT-Drs. 16/10144, S. 72). Dieser Zweck ist jedoch dann hinfällig, wenn die Wertgrenze nach § 33 Abs. 2 VersAusglG nur hinsichtlich eines von mehreren Bausteinen einer Versorgung beim identischen Versorgungsträger unterschritten, die Aussetzung der Kürzung der Versorgung aus den anderen Bausteinen aber durchzuführen ist (vgl. Bergner FPR 2011, 483 (483); Wick, Der Versorgungsausgleich, Abschn. J Rn. 865; Maaß in BeckOGK, § 33 VersAusglG, Rn. 13). Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie vorliegend – der Versorgungsträger das Ruhegehalt aus der Summe des jeweiligen Ruhegehalts aus den einzelnen Bausteinen errechnet und hiervon die gesamte Kürzung durch den Versorgungsausgleich in Abzug bringt. Entsprechendes ergibt sich hier aus dem Schreiben des Versorgungsträgers vom 12.01.2019 an den Antragsteller (Jahreskontoausweis und Anwartschaftsmitteilung 2018, Bl. 7 d. A.).
Hinsichtlich der Anrechte des Antragstellers bei der bayerischen Ärzteversorgung ist somit die Gesamtkürzung von monatlich 1366,65 Euro in Ansatz zu bringen.
Bei der Differenzberechnung ist hinsichtlich der vom Antragsteller bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern erlangten Versorgung die Entwicklung des aktuellen Rentenwertes zu berücksichtigen. Dieser beträgt für die Zeit vom 01.02. bis 30.06.2020 für die alten Bundesländer 33,05 Euro und ab 01.07.2020 34,19 Euro. Damit ergeben sich auf die hier maßgebliche Kürzung des Altersruhegehalts bei der Bayerischen Ärzteversorgung von monatlich brutto (BGH FamRZ 2020, 833; OLG Bamberg, B. v. 22.01.2019, 2 UF 41/17 – Juris) 1.366,65 Euro anzurechnende durch den Versorgungsausgleich erworbene Renten von monatlich brutto 275,81 Euro bzw. ab 01.07.2020 von monatlich brutto 285,32 Euro. Die Differenz beträgt somit 1.090,84 Euro bzw. ab 01.07.2020 1.081,33 Euro.
Dass sich die Aussetzung der Kürzung auf den Unterhaltsanspruch auswirkt, ist für eine Kürzungsaussetzung nicht erforderlich (BGH FamRZ 2020, 833 m.w.N.).
Gemäß § 33 Abs. 4 VersAusglG entspricht es billigem Ermessen, die Aussetzung der Kürzung der Anwartschaften des Antragstellers bei der Bayerischen Ärzteversorgung aus den ab 01.01.1985 errichteten Beiträgen anzuordnen, womit eine unnötige Aufspaltung auf beide Bausteine vermieden wird.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20 FamGKG, 81 FamFG.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in §§ 40, 50 Abs. 1 Satz 1 1. Altern. FamGKG (vgl. BGH FamRZ 2020, 833). Es ist von einem beiderseitigen Monatsnettoeinkommen von ca. zusammen 10.000,00 Euro auszugehen. Aufgrund der selbständigen Versorgungsbausteine sind zwei Anrechte vom Aussetzungsverfahren betroffen. Die Zuweisung der Aussetzung auf einen Versorgungsbaustein nach § 33 Abs. 4 VersAusglG ändert hieran nichts. Die Änderung des Verfahrenswertes erster Instanz von Amts wegen beruht auf §§ 55 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 FamGKG, 50 Abs. 1 Satz 1 1. Altern. FamGKG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht gegeben.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben