Arbeitsrecht

Staats- und Verfassungsrecht; Verfassungsbeschwerde

Aktenzeichen  22/20, 24/20 bis 97/20, 100/20

Datum:
6.4.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Verfassungsgerichtshof
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:VERFGHT:2022:0406.22.20.00
Spruchkörper:
undefined

Leitsatz

Einzelfall erfolgloser Ablehnungsgesuche wegen Besorgnis der Befangenheit

Verfahrensgang

vorgehend VG Gera, 13. Mai 2020, 3 K 990/19 Ge u.a., Beschlussvorgehend VG Gera, 9. Oktober 2020, 3 K 990/19 Ge u.a., Beschlussvorgehend VG Gera, 8. Juni 2021, 3 K 792/20 Ge u.a., Beschlussvorgehend VG Gera, 27. Oktober 2021, 3 K 792/20 Ge u.a., Beschluss

Tenor

1. Die Verfahren VerfGH 22/20, VerfGH 24/20 bis 97/20 und VerfGH 100/20 werden zur gemeinsamen Entscheidung über die Ablehnungsgesuche unter Führung des Verfahrens VerfGH 22/20 verbunden.
2. Das Ablehnungsgesuch gegen den aus dem Amt ausgeschiedenen Präsidenten des Thüringer Verfassungsgerichtshof Dr. h.c. Kaufmann wird als unzulässig verworfen.
3. Die Ablehnungsgesuche gegen das Mitglied des Thüringer Verfassungsgerichtshof Prof. Dr. Bayer und den Vertreter des Präsidenten des Thüringer Verfassungsgerichtshof Dr. von der Weiden werden als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

A.
I.
1. Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2021 lehnten die Beschwerdeführenden den damaligen Präsidenten des Thüringer Verfassungsgerichtshof Dr. h.c. Kaufmann wegen Besorgnis der Befangenheit u.a. im Hinblick auf die als „System Dr. K.“ bezeichnete Vorgehensweise, rechtliche Hinweise durch den wissenschaftlichen Mitarbeiter – Referenten – des Gerichts vorbereiten und den Berichterstatter hierbei außer Betracht zu lassen ab. Der Schriftsatz ging am 13. Dezember 2021 beim Thüringer Verfassungsgerichtshof ein. Zwei Wochen später schied der abgelehnte Präsident des Thüringer Verfassungsgerichtshofs Dr. h.c. Kaufmann wegen Vollendung seines 68. Lebensjahrs nach § 6 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 des Gesetzes über den Thüringer Verfassungsgerichtshof (Thüringer Verfassungsgerichtshofsgesetz – ThürVerfGHG) aus dem Amt aus. Hierauf wurden die Beschwerdeführenden hingewiesen.
2. Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2022 lehnten die Beschwerdeführenden das Mitglied Prof. Dr. Bayer wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dazu nahmen die Beschwerdeführenden auf das Ablehnungsgesuch vom 1. Dezember 2021 Bezug, mit dem der ausgeschiedene Präsident Dr. h.c. Kaufmann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden war. Die Gründe gälten auch für das Mitglied Prof. Dr. Bayer. Zudem sei eine Beteiligung des Mitglieds Prof. Dr. Bayer als Berichterstatter „bewusst unterblieben“. Eine Stellungnahme des Mitglieds Prof. Dr. Bayer sei durch Schreiben des damaligen Präsidenten des Thüringer Verfahrensgerichtshofs verweigert worden, der nur bemerkt habe, dass der Berichterstatter die Verfahren kenne und „in der üblichen Weise involviert“ sei.
3. Mit selbem Schriftsatz vom 14. Februar 2022 lehnten die Beschwerdeführenden auch das Mitglied Dr. von der Weiden wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dazu nahmen die Beschwerdeführenden wiederum auf das Ablehnungsgesuch vom 1. Dezember 2021 und auch auf die Ablehnung des Mitglieds Prof. Dr. Bayer Bezug. Die Gründe gälten auch für das Mitglied Dr. von der Weiden. Hinzu komme, dass dieser es als Vertreter des Präsidenten mit Schreiben vom 22. Oktober 2021 abgelehnt habe, das Verfahren VerfGH 80/20 als sog. Musterverfahren durchzuführen, sondern angekündigt habe, dass der Thüringer Verfassungsgerichtshof über sämtliche Verfahren in einem einzigen Termin entscheiden werde, der nach Ablauf der Stellungnahmefrist zeitnah stattfinden solle. Seine Ankündigung habe angesichts der angedrohten Kostenfolgen – im Schreiben des Präsidenten des Verfassungsgerichts vom 27. September 2021 war auf fehlende Erfolgsaussichten des Verfahrens und die Möglichkeit der Erhebung von Gerichtsgebühren und der Verhängung von Missbrauchsgebühren hingewiesen worden – „Druck auf die Entscheidungsfreiheit“ der Beschwerdeführenden aufgebaut. Dies  habe sich bereits in den drei Verfahren, in denen die Beschwerdeführenden die Verfassungsbeschwerden zurückgenommen hätten, ausgewirkt. Mit seiner Ablehnung habe der Vertreter des Präsidenten zu erkennen gegeben, dass „der Fall entscheidungsreif“ sei, was nicht anders hätte verstanden werden können, als dass in sämtlichen Verfahren „kurzer Prozess“ gemacht werde. Nach den vom Vertreter des Präsidenten „gebilligten Hinweisen des Präsidenten“ an die Beschwerdeführenden, wonach es an der ausreichenden Substantiierung der Rügen fehle, müsse davon ausgegangen werden, dass die Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit bereits erfolgt sei. In Bezug auf die Schreiben des Präsidenten dürfe sich das Mitglied Dr. von der Weiden im Übrigen nicht auf die Feststellung beschränken, als Teil des Spruchkörpers eine Entscheidung zu treffen und zu diesem Zweck die Zulässigkeit und Begründetheit der Verfassungsbeschwerde zu prüfen, wie dieser geäußert habe. Der Hinweis im Schreiben vom 7. Februar 2022 verschärfe den Vorwurf der Besorgnis der Befangenheit sogar. Die Beschwerdeführenden wüssten nun nicht, ob die Verfügungen und Hinweise des früheren Präsidenten weiterhin Gültigkeit hätten. Mit Schreiben vom 7. Februar 2022 war der Vertreter des Präsidenten einer Bitte der Beschwerdeführenden um Auskunft nachgekommen und hatte die Arbeitsabläufe beim Thüringer Verfassungsgerichtshof dargelegt sowie mitgeteilt, dass er die Schreiben des früheren Präsidenten im Nachhinein nicht „im Einzelnen auf Validität“ prüfe.
II.
1. Das Mitglied Prof. Dr. Bayer gab am 15. Februar 2022 zum Ablehnungsgesuch eine dienstliche Erklärung ab.
Er erklärte unter anderem, er kenne weder eine oder einen der Beschwerdeführenden oder den Prozessbevollmächtigten persönlich noch habe er sich diesen gegenüber  schriftlich oder mündlich geäußert.
2. Das Mitglied Dr. von der Weiden gab ebenfalls am 15. Februar 2022 zum Ablehnungsgesuch eine dienstliche Erklärung ab.
Er erklärte unter anderem, der Hinweis, dass beabsichtigt sei, über sämtliche Verfahren in einem einzigen Termin zeitnah nach Ablauf der Stellungnahmefrist zu entscheiden, habe keinen „Druck auf die Entscheidungsfreiheit“ der Beschwerdeführenden ausgeübt. Die Entscheidung nach Ablauf der Stellungnahmefrist stelle vielmehr den prozessualen Normalfall dar. Die Prüfung von Zulässigkeit und Begründetheit der Verfassungsbeschwerden erfolgten selbstverständlich im Rahmen der Beratung der Verfassungsbeschwerden.
Mit Schreiben vom 28. Februar 2022 ergänzte das Mitglied Dr. von der Weiden auf Aufforderung durch die Vertreterin des Präsidenten Heßelmann seine dienstliche Erklärung und gab unter anderem an, er sei der Auffassung, dass in den vorliegenden Verfahren die Verhängung einer Missbrauchsgebühr nicht in Betracht komme.
III.
Die Erklärungen wurden den Beschwerdeführenden mit Gelegenheit zur Stellungnahme übermittelt.
Mit Schriftsatz vom 8. März 2022 nahmen die Beschwerdeführenden zur dienstlichen Erklärung des Mitglieds Prof. Dr. Bayer Stellung und führten unter anderem aus, dass diese den Befangenheitsvorwurf verstärke. Der ausgeschiedene Präsident Dr. h.c. Kaufmann sei an die Stelle des Berichterstatters Prof. Dr. Bayer getreten, weshalb mit dem Ausscheiden des Präsidenten die Rolle des Berichterstatters wieder „auflebte“ und dieser sich dazu hätte äußern müssen, ob er sich „die vormaligen Verfügungen und Hinweise (…) zu eigen macht oder nicht“. Auch die Verfügung vom 27. September 2021, „mit der auf die angebliche Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerden“ hingewiesen worden sein und dies mit „erheblichen Kostenfolgen“ verbunden worden sei, müsse sich das Mitglied Prof. Dr. Bayer zurechnen lassen.
Mit Schriftsatz ebenfalls vom 8. März 2022 nahmen die Beschwerdeführenden auch zur dienstlichen Erklärung des Mitglieds Dr. von der Weiden und zur Ergänzung der dienstlichen Erklärung Stellung und führten aus, dass diese den Vorwurf der Befangenheit eher verstärkten. In seiner dienstlichen Erklärung distanziere sich das Mitglied Dr. von der Weiden nicht hinreichend von der Vorgehensweise des ehemaligen Präsidenten, und dem „System Dr. K.“. Zudem widerlege er nicht hinreichend glaubhaft den bei den Beschwerdeführenden entstandenen Eindruck, mit der „Ablehnung des wiederholt beantragten Musterverfahrens (…)“ zur Vermeidung der Kostenfolge „solle Druck auf die Entscheidungsfreiheit der Beschwerdeführenden ausgeübt werden. Die Vorgehensweise des Präsidenten bei der Erteilung von Hinweisen sei anders als vom Mitglied Dr. von der Weiden angegeben nicht der Kompetenz als Vorsitzender nach § 7 Satz 1 ThürVerfGHG zuzuordnen und könne auch nicht mit der Geschäftsordnung gerechtfertigt werden. Auch die Ergänzung der dienstlichen Erklärung des Mitglieds Dr. von der Weiden zeuge von dessen „Voreingenommenheit“. Aus Sicht der Beschwerdeführenden habe die Abweisung der Verfassungsbeschwerde unmittelbar bevorgestanden.
B.
I.
An die Stelle des ausgeschiedenen und abgelehnten Präsidenten des Thüringer Verfassungsgerichtshof Dr. h.c. Kaufmann in dessen Funktion als Vorsitzender tritt nach § 7 Satz 2, § 8 Abs. 1 Satz 4, § 6 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 ThürVerfGHG vertretungsweise das Mitglied Heßelmann, da der zunächst berufene  Vertreter des Präsidenten, Dr. von der Weiden, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wurde. An Stelle des Präsidenten in dessen Funktion als Richter tritt vertretungsweise nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 und 4, § 6 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 ThürVerfGHG das stellvertretende Mitglied Peters.
Das abgelehnte Mitglied Prof. Dr. Bayer wird nach § 8 Abs. 1 Satz 1 ThürVerfGHG durch das stellvertretende Mitglied Dr. Weißkopf vertreten.
Das abgelehnte Mitglied Dr. von der Weiden wird nach § 8 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 ThürVerfGHG durch das stellvertretende Mitglied Obhues vertreten.
II.
Die Verfahren VerfGH 22/20, VerfGH 24/20 bis 97/20 und VerfGH 100/20 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
III.
Die Entscheidung ergeht nach § 14 Abs. 3 Satz 1 ThürVerfGHG ohne mündliche Verhandlung.
IV.
1. Nach § 14 Abs. 1 ThürVerfGHG kann ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs von den Beteiligten wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 ThürVerfGHG ist die Ablehnung zu begründen.
Die Besorgnis der Befangenheit setzt einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Dabei ist nicht erforderlich, dass der Richter tatsächlich befangen ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob er sich selbst befangen fühlt. Entscheidend ist, ob ein am Verfahren Mitwirkender bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. Dabei ist nicht auf den subjektiven Standpunkt des Ablehnenden, sondern auf die Sicht einer „vernünftigen Prozesspartei“ abzustellen, die von den zu würdigenden Umständen betroffen ist (st. Rspr., vgl. z. B. ThürVerfGH, Beschluss vom 2. Juni 2021 – VerfGH 104/20 -, juris Rn. 10 m. w. N.). Zweifel an der Unvoreingenommenheit können sich z. B. durch persönliche Beziehungen zu Beteiligten, durch Äußerungen zur Rechtslage, beleidigendes Verhalten oder durch Behinderung der Ausübung der Parteirechte ergeben (Fallgruppen bei: Vollkommer, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Auflage 2022, § 42 Rn. 10 ff.).
2. Die Ablehnung des ausgeschiedenen Präsidenten des Thüringer Verfassungsgerichtshofs Dr. h.c. Kaufmann war zu verwerfen, weil sie unzulässig ist. Nach Ausscheiden eines wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Mitglieds eines Spruchkörpers fehlt für einen hierauf gerichteten Antrag das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2011 – II ZB 2/10 -, juris Rn. 10).
3. Ob die Ablehnung des Mitglieds Prof. Dr. Bayer zulässig ist, kann dahingestellt bleiben. Unter Zugrundelegung der vorgenannten Grundsätze ist die Ablehnung jedenfalls unbegründet. Die vorgetragenen Gründe vermögen keine Zweifel an der Objektivität des Mitglieds Prof. Dr. Bayer zu begründen.
Das Befangenheitsgesuch rügt im Kern nicht die möglicherweise fehlende Unparteilichkeit des Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs Prof. Dr. Bayer, sondern wendet sich gegen die interne Gerichtsorganisation des Verfassungsgerichtshofs und die dabei den Wissenschaftlichen Mitarbeitern zukommende Rolle. Hierin erblicken die Beschwerdeführenden Verstöße gegen § 19 Satz 1 und § 36 Abs. 3 ThürVerfGHG sowie gegen Art. 42 Abs. 5 Satz 1 und Art. 87 Abs. 3 ThürVerf. Die Beschwerdeführerenden sind insbesondere der Auffassung, dass die vorbereitenden Aufgaben, die den Wissenschaftlichen Mitarbeitern zukommen, rechtlich unzureichend geregelt seien und faktisch zu einer Determinierung des späteren richterlichen Entscheidungsfindungsprozesses führten.
Mit diesem Vorbringen dringen die Beschwerdeführerenden nicht durch. Dies ergibt sich aus Folgendem:
a) Es liegt kein Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 87 Abs. 3 ThürVerf vor. Ziel dieser grundrechtsgleichen Garantie ist es, ebenso wie aufgrund von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, Eingriffe in die Rechtspflege zu verhindern und der Gefahr vorzubeugen, dass die Justiz durch Manipulation der rechtsprechenden Organe sachfremden Einflüssen ausgesetzt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. März 2018 – 2 BvR 760/18 -, BVerfGE 148, 69 [86] = juris Rn. 47). In materiell-rechtlicher Hinsicht verleiht Art. 87 Abs. 3 ThürVerf den Prozessparteien das Recht, vor einem Richter zu stehen, der den Anforderungen des Grundgesetzes wie auch der Thüringer Verfassung entspricht und der damit vor allem die Gewähr der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit bietet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. März 2018 – 2 BvR 760/18 -, BVerfGE 148, 69 [87] = juris Rn. 48). Der Einsatz von Wissenschaftlichen Mitarbeitern zur Vorbereitung von Entscheidungsentwürfen, die später der Berichterstatter im Plenum oder im Ausschuss vorträgt, beeinträchtigt nicht dessen richterliche Neutralität. Die Zuständigkeit für die inhaltliche Ausrichtung und Gestaltung eines Entwurfs kommt nach der Geschäftsordnung und der ständigen Praxis des Verfassungsgerichtshofs allein dem Berichterstatter zu. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist zudem entscheidend, dass der Entscheidungsvorschlag sowie die Gründe in vollem Umfang zur Disposition des Spruchkörpers stehen, der sie ganz oder teilweise verwerfen oder auch in seinen Willen übernehmen und von daher seiner Entscheidung zugrunde legen kann. Dies schließt es aus, in der vorbereitenden Tätigkeit eines Wissenschaftlichen Mitarbeiters einen sachfremden Einfluss auf die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs zu sehen, der als Verstoß gegen die Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 87 Abs. 3 ThürVerf zu werten wäre.
b) Es liegt auch kein Verstoß gegen Art. 42 Abs. 5 Satz 1 ThürVerf vor. Die Frage des Einsatzes wissenschaftlicher Mitarbeiter berührt für sich gesehen nicht die Möglichkeit des Bürgers, effektiven Rechtsschutz vor den Gerichten zu erlangen.
c) Das hat auch Folgen für die Frage, wann rechtsprechende Gewalt im Sinne von Art. 92 GG ausgeübt wird, die den Richtern vorbehalten ist. Rechtsprechende Gewalt übt der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Entscheidung über Verfassungsbeschwerden unter anderem aus, soweit er über deren Zulässigkeit und Begründetheit entscheidet. Keine rechtsprechende Gewalt wird dagegen ausgeübt, solange Wissenschaftliche Mitarbeiter interne Entwürfe oder Schreiben fertigen, die die Grundlage für Beratungen des Verfassungsgerichtshofs oder Verfügungen des Präsidenten bilden. Rechtsprechende Gewalt wird erst ausgeübt, wenn der Spruchkörper einen solchen Entwurf seinen Beratungen zugrunde legt. Hierbei ist es aber nicht der Wissenschaftliche Mitarbeiter, sondern der Verfassungsgerichtshof, der richterlich tätig wird, selbst wenn er im Ergebnis der Beratungen einen Entwurf in seinen Willen übernimmt.
d) Auch der verfassungsrechtliche Parlamentsvorbehalt ist nicht verletzt. Vielmehr bleibt die Frage des internen Einsatzes von Wissenschaftlichen Mitarbeitern dem Weisungsrecht des Präsidenten und ggf. dem Geschäftsordnungsrecht vorbehalten. Die Beschwerdeführenden verkennen zudem, dass in allen Bereichen staatlichen Handelns der organisationsrechtliche Parlamentsvorbehalt nicht greift, soweit Entscheidungen lediglich intern vorbereitet werden, solange sich aus diesen Entscheidungsvorschlägen keine Bindungswirkungen auf die eigentlich zur Entscheidung berufenen Stellen oder Personen ergeben (vgl. ThürVerfGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – VerfGH 14/18 -, juris Rn. 117 m. w. N.).
e) Darüber hinaus tragen die Beschwerdeführerenden nichts vor, was im konkreten Verfahren die Besorgnis der Befangenheit von Herrn Prof. Dr. Bayer als Berichterstatter begründen könnte. Solches wäre beispielsweise der Fall, wenn der Inhalt des Hinweisschreibens konkrete Rückschlüsse auf die fehlende Unparteilichkeit schließen ließe und die Äußerung dem Berichterstatter auch rechtlich zurechenbar wäre. Solche in einzelnen Äußerungen zu suchenden Gründe wurden jedoch weder vorgetragen noch sind sie ersichtlich.
4. Ob die Ablehnung des Mitglieds Dr. von der Weiden zulässig ist, kann wiederum dahingestellt bleiben. Unter Zugrundelegung der vorgenannten Grundsätze ist die Ablehnung ebenfalls unbegründet. Die vorgetragenen Gründe vermögen keine Zweifel an der Unparteilichkeit des Mitglieds Dr. von der Weiden zu begründen.
Keine der Rügen und Beanstandungen gegenüber dem ehemaligen Präsidenten des Verfassungsgerichthofes, Dr. h.c. Kaufmann, können auf den Vertreter des Präsidenten übertragen werden. Weder hat er selbst die beanstandeten Hinweise erteilt, noch hat er sie sich zu eigen gemacht.
In seiner (ergänzten) dienstlichen Äußerung weist das Mitglied Dr. von der Weiden auf den unverbindlichen Charakter des Hinweises des Präsidenten hin und unterstreicht dies durch die Stellungnahme zur Unbegründetheit einer Missbrauchsgebühr im vorliegenden Verfahren. Unabhängig von der Frage, ob die Praxis der Hinweiserteilung des früheren Präsidenten durch die Vorschriften der Geschäftsordnung des Thüringer Verfassungsgerichtshofs gedeckt war, gibt es keine Anhaltspunkte aus der (ergänzten) dienstlichen Äußerung oder sonstiger Äußerungen im Verfahrensverlauf dafür, dass dem Mitglied Dr. von der Weiden diese Praxis zuzurechnen ist. Er erläutert hier die bestehende Praxis, ohne diese zu billigen oder zu verwerfen, sondern verweist vielmehr darauf, dass er selbst in richterlicher Unabhängigkeit als Mitglied des Plenums entscheide.
Die von dem Vertreter des Präsidenten in seinem Schreiben vom 22. Oktober 2021 selbst formulierte Ablehnung, das Verfahren VerfGH 80/20 als sog. Musterverfahren durchzuführen, und die Ankündigung, dass der Thüringer Verfassungsgerichtshof über sämtliche Verfahren in einem einzigen Termin entscheiden werde, der nach Ablauf der Stellungnahmefrist zeitnah stattfinden solle, begründen ebenfalls keine Zweifel an seiner Unparteilichkeit. Die Entscheidung über die bevorzugte Bearbeitung eines Verfahrens steht im Ermessen des Gerichts. Es besteht kein Anspruch auf gestaffelte Entscheidungstermine, da  prozessökonomische Erwägungen einem solchen Verlangen entgegenstehen können. Unmittelbare Ansprüche diesbezüglich ergeben sich nicht aus § 93 a VwGO i. V. m. § 12 ThürVerfGHG, da der Verfassungsgerichtshof nur in Anlehnung an diese Vorschrift nach freiem Ermessen entscheidet.
Weiter ist hierin keine Behinderung der Ausübung der Parteirechte zu sehen. Durch die Ablehnung wurde kein unzulässiger Druck auf die Beschwerdeführenden „aufgebaut“. Es ist zwar nachvollziehbar, dass ein Interesse der Beschwerdeführenden besteht, aus Kostengründen die Erfolgsaussichten zunächst in einem Verfahren zu prüfen. Eine Befangenheit des Mitglieds Dr. von der Weiden folgt aus der Ablehnung der Durchführung eines Musterverfahrens im Zusammenhang mit dem vorherigen Hinweis auf die Erhebung einer Missbrauchsgebühr schon deshalb nicht, weil der Bevollmächtigte der Beschwerdeführenden selbst diesen Aspekt erst in den Schriftsätzen vom 1. November 2021 und 3. November 2021 angeführt und in seinem Antrag vom 11. Oktober 2021 noch nicht erwähnt hatte. Es bestand demnach keine Veranlassung für den Vertreter des Präsidenten in seinem Schreiben vom 22. Oktober 2021 auf diesen Aspekt einzugehen.
Der pauschale Verweis auf das Verhalten Dritter, hier des früheren Präsidenten, und damit auf das Ablehnungsgesuch vom 1. Dezember 2021 geht ins Leere.


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