Arbeitsrecht

Streichung der Stellenzulage für Systemoperatoren für Wärmebildgeräte in Luftfahrzeugen der Bundespolizei

Aktenzeichen  M 21 K 15.1446

Datum:
13.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 115790
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Vorbemerkung BBesO A/B Nr. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c
VwGO § 43 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5, Art. 100 Abs. 1
BBesG § 42

 

Leitsatz

1 Wird eine verfassungswidrig zu niedrige Alimentation geltend gemacht, ist die Feststellungsklage statthafte Klageart, weil das Gericht wegen des besoldungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes nicht selbst mehr Alimentation zusprechen kann, sondern die Besoldungsregelung nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorlegen muss. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Streichung der Stellenzulage für Systemoperatoren für Wärmebildgeräte in Luftfahrzeugen der Bundespolizei (durch Neufassung von Nr. 6 der Vorbemerkungen zu den Besoldungsordnungen A/B) verstößt weder gegen die Pflicht zur amtsangemessen Alimentation noch gegen den Gleichheitssatz (Parallelentscheidungen BeckRS 2016, 115800; BeckRS 2016, 115803). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die mit der Umstellung des Klageantrags von einer Leistungsklage auf eine Feststellungsklage verbundene Klageänderung ist sachdienlich und daher zulässig (§ 91 Abs. 1 VwGO), da erst dadurch über die Klage in der Sache entschieden werden kann. Das Klagebegehren ist nur in Form einer Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO statthaft. Der Vorrang einer Leistungsklage gemäß § 43 Abs. 2 VwGO greift insoweit nicht. Auf Grund des besoldungsrechtlichen Vorbehalts des Gesetzes können Beamten selbst dann, wenn die Verfassungsmäßigkeit ihrer Alimentation in Frage steht, keine Besoldungsleistungen zugesprochen werden, die gesetzlich nicht vorgesehen sind. Sie müssen ihren Alimentationsanspruch mit einer Klage auf Feststellung geltend machen, ihr Nettoeinkommen sei verfassungswidrig zu niedrig bemessen. Teilt das Verwaltungsgericht diese Beurteilung, so muss es nach Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit des Besoldungsgesetzes einholen, das die Dienstbezüge festlegt (BVerwG, U.v. 20.3.2008 – 2 C 49/07 – juris Rn. 29).
Die mit diesem Klagebegehren zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass sein Nettoeinkommen ab August 2013 verfassungswidrig zu niedrig bemessen ist, eine Vorlage dieser Frage gemäß Art. 100 Abs. 1 GG an das Bundesverfassungsgericht kommt daher nicht in Betracht. Insbesondere verstößt Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. d (in der bis 31.12.2015 geltenden Fassung) bzw. Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 (in der ab 1.1.2016 geltenden Fassung) der Vorbemerkungen weder (1) gegen die Pflicht zur amtsangemessenen Alimentation noch (2) gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Die angefochtenen Bescheide sind daher rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
(1) Ein Verstoß gegen die aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Artikel 33 Abs. 5 GG abgeleitete Verpflichtung des Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach Maßgabe der Bedeutung des Berufsbeamtentums einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v.12.2.2003 – 2 BvL 3/00 – juris Rn. 67), lässt sich nicht feststellen. Die Kammer verweist insofern auf das den Beteiligten bekannte ausführlich und überzeugend begründete Urteil des VG Koblenz vom 14. Oktober 2015 (2 K 307/15.KO – juris Rn. 27 ff., bestätigt durch OVG RhPf, B.v. 8.1.2016 – 10 A 11093/15 – juris; so auch VG Köln; U.v. 28.4.2016 – 15 K 2175/15, bestätigt durch OVG NW, B.v. 6.7.2016 – 1 A 1278/16 – juris).
(2) Aber auch der vom Kläger im vorliegenden Verfahren in den Mittelpunkt gestellte Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor.
Der Gleichheitsgrundsatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich, wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Es bleibt dem Normgeber überlassen, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung knüpft. Die Gleichbehandlung von Sachverhalten ist erst dann geboten, wenn eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise ergibt, dass zwischen ihnen keine Unterschiede bestehen, die nach Art und Gewicht eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können. Dies setzt voraus, dass sich im Hinblick auf die Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Ungleichbehandlung nicht finden lässt. Im Bereich des Besoldungsrechts hat der Gesetzgeber bei der Gewichtung der Differenzierungsmerkmale für eine Gleich- oder Ungleichbehandlung einen verhältnismäßig weiten Gestaltungsspielraum, innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen darf (BVerfG, B.v. 19.12.2008 – 2 BvR 380/08 – juris Rn. 8; BVerwG, B.v. 29.12.2014 – 2 B 110/13 – juris Rn. 15). Maßgeblich ist nicht, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Dem Gesetzgeber steht es insbesondere frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen (BVerfG a.a.O.). Jede Regelung des Besoldungsrechts ist dabei unvollkommen, muss zwangsläufig generalisieren und typisieren und wird in der Abgrenzung unvermeidbare Härten mit sich bringen; sie wird insoweit unter irgendeinem Gesichtspunkt für die unmittelbar Betroffenen fragwürdig erscheinen. Die vielfältigen hier vom Gesetzgeber zu berücksichtigenden Gesichtspunkte werden nicht immer miteinander in Einklang zu bringen sein. Die sich daraus ergebenden Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen müssen hingenommen werden, sofern sich für die Gesamtregelung ein vernünftiger Grund anführen lässt (BVerfG a.a.O. – juris Rn. 9).
Entsprechend diesem Maßstab verstößt die vom Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung zwischen den sonstigen ständigen Luftfahrzeugbesatzungsangehörigen der Bundeswehr und solchen in der Bundespolizei im Hinblick auf die hier betroffene Gruppe der Systemoperatoren Wärmebildgerät nicht gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.
Der Gesetzgeber ist bei der Ausgestaltung von Besoldungsvorschriften im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht verpflichtet, fiktive Lebenssachverhalte zu prüfen. Nachträglichen Entwicklungen ist im Rahmen einer Anpassung entsprechender besoldungsrechtlicher Vorschriften Rechnung zu tragen (OVG RhPf, U.v. 8.1.2016 a.a.O. – juris Rn. 3; OVG NW, U.v. 6,7,2016 a.a.O. – juris Rn. 8). Der von der Klägerseite angestellte Vergleich zwischen sonstigen ständigen Luftfahrzeugbesatzungsangehörigen in der Bundeswehr und solchen in der Bundespolizei leidet insofern vor allem daran, dass die Funktion eines Systemoperators Wärmebildgerät bei der Bundeswehr unstreitig nicht in identischer Form installiert ist (vgl. dazu auch VG Koblenz, U.v. 14.10.2015 a.a.O. – juris Rn. 37; OVG RhPf, U.v. 8.1.2016 a.a.O. – juris Rn. 3). Der Umstand, dass die Zulage im Hinblick auf die sonstigen ständigen Luftfahrzeugbesatzungsangehörigen in der Bundeswehr nicht auf den konkreten Dienstposten eines Systemoperators Wärmebildgerät sondern abstrakt auf ständige Luftfahrzeugbesatzungsangehörige abstellt, ändert daran nichts. Zum einen ist weder vorgetragen noch erkennbar, welche Gruppen von ständigen Luftfahrzeugbesatzungsangehörigen über die Systemoperatoren Wärmebildgerät hinaus seitens des Gesetzgebers berücksichtigt hätten werden sollen. Zum anderen könnte der Kläger selbst aus einer verfassungswidrigen Benachteiligung anderer Gruppen ständiger Luftfahrzeugbesatzungsangehöriger der Bundespolizei gegenüber solchen der Bundeswehr nichts für sich herleiten.
Lediglich ergänzend sei daher darauf hingewiesen, dass selbst dann, wenn die Funktion eines Systemoperators Wärmebildgerät bei der Bundeswehr eingeführt würde, ein Tätigwerden des Gesetzgebers voraussichtlich nicht erforderlich wäre. Gäbe es die Funktion eines Systemoperators Wärmebildgerät bei der Bundeswehr, so hätten die Funktionsinhaber einen mit den polizeitaktischen Zwecken der Systemoperatoren Wärmebildgerät in der Bundespolizei voraussichtlich nicht vergleichbaren militärischen Auftrag, der häufig mit anderen psychischen Anforderungen verbunden sein wird und eine differenzierte Betrachtung ermöglicht (vgl. zur Bedeutung der psychischen Belastung BVerwG, U.v. 12.6.1984 – 6 C 94/83 – juris Rn. 22). Die militärische Aufgabenwahrnehmung ständiger Luftfahrzeugbesatzungsmitglieder der Bundeswehr wird häufig in vergleichbarer Weise wie die Aufgabenwahrnehmung der in Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 der Vorbemerkungen benannten Personengruppen oder auch der in Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 der Vorbemerkungen benannten Flugtechniker in der Bundespolizei für das „Wohl und Wehe“ aller Besatzungsmitglieder entscheidend sein. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Anforderungen und die psychischen Belastungen bei der Stellenzulage wegen fliegerischer Verwendung stärker in den Vordergrund zu stellen und die physische Belastung von Systemoperatoren Wärmebildgerät im Rahmen einer Erschwerniszulage abzugelten, bewegt sich im Rahmen des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums. Dem seitens der Kläger in den Verfahren M 21 K 15.1446 und M 21 K 15.1447 in der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Umstand, dass auch die Systemoperatoren Wärmebildgerät im Rahmen sog. robuster Einsätze in Krisenlagen einer besonderen Gefahrenlage unterliegen, kommt in diesem Zusammenhang keine Bedeutung zu. Die Kläger haben dazu selbst eingeräumt, dass die Teilnahme an robusten Einsätzen nicht zur regulären Aufgabenwahrnehmung auf dem Dienstposten Systemoperator Wärmebildgerät bei der Bundespolizei gehört und die Heranziehung nur bei einer entsprechenden freiwilligen Verpflichtung erfolgt.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO


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