Arbeitsrecht

Streitwertbemessung bei Klage auf Unfallausgleich

Aktenzeichen  3 C 16.1639, 3 C 16.1820

Datum:
11.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 7328
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 40 Abs. 1, § 42 Abs. 1 S. 1 Abs. 3 S. 1, § 52 Abs. 1
BayBeamtG Art. 52 Abs. 1 S. 1
BVG § 31

 

Leitsatz

1. Einer Empfehlung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist nicht zu folgen, wenn diese mit der gesetzlichen Regelung nicht im Einklang steht (Änderung der Rspr, ebenso BVerwG BeckRS 2017, 120746 Rn. 5). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Streitwertbemessung in einem Verwaltungsstreitverfahren um die Gewährung von Unfallausgleich ist nach § 42 Abs. 1 S. 1 und 2 GKG der dreifache Jahresbetrag des bei Klageerhebung geltend gemachten Anspruchs maßgebend unter Hinzurechnung der gemäß § 42 Abs. 3 S. 1 GKG bei Einreichung der Klage fälligen Beträge. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Verwaltungsstreitsachen 3 C 16.1639 und 3 C 16.1820 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Auf die Beschwerden des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts München vom 18. Februar 2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 10. August 2016 geändert.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Verwaltungsstreitverfahren M 12 K 15.1799 wird auf 41.949,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die Verbindung der Beschwerdeverfahren zur gemeinsamen Entscheidung beruht auf § 93 VwGO.
Die gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde (3 C 16.1639) gegen die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts München vom 18. Februar 2016 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 10. August 2016 ist begründet (1). Soweit das Rechtsmittel in anderer Form durch die erneute Streitwertbeschwerde vom 6. September 2016 (3 C 16.1820) nochmals später eingelegt worden ist, braucht und kann keine Entscheidung darüber durch das Rechtsmittelgericht ergehen (2.).
Das Verwaltungsgericht hat in dem Klageverfahren M 12 K 15.1799, in dem der Kläger im Wesentlichen die weitere Gewährung eines Unfallausgleichs beanspruchte, den Streitwert mit Beschluss vom 18. Februar 2016 in Höhe von 5.000,- Euro festgesetzt. Hiergegen erhob der Klägerbevollmächtigte kraft eigenen Rechts im eigenen Namen mit Schreiben vom 1. August 2016 Streitwertbeschwerde (3 C 16.1639) mit dem Antrag, den Streitwert auf 23.425,50 Euro (Unfallausgleich für den Zeitraum vom 1. März 2013 bis 3. Juni 2013 in Höhe von 50% von monatlich 679,- Euro = 339,50 Euro x 3 Monate sowie im Zeitraum vom 4. Juni 2013 bis 4. Februar 2016 in Höhe von monatlich 679,- Euro x 33 Monate) heraufzusetzen.
Mit Beschluss vom 10. August 2016 berichtigte das Verwaltungsgericht den Streitwertbeschluss vom 18. Februar 2016 von Amts wegen nach § 118 Abs. 1, § 122 Abs. 1 VwGO wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend, dass der Streitwert auf 16.296,- Euro (zweifacher Jahresbetrag x monatliche Grundrente in Höhe von 679,- Euro) festgesetzt wird, da das Gericht in der unterschriebenen und der Geschäftsstelle übergebenen Beschlussformel den Streitwert auf 16.296,- Euro festgesetzt habe und dieser Betrag lediglich unrichtig in den den Beteiligten zugestellten Beschluss übertragen worden sei. Das Verwaltungsgericht half der Streitwertbeschwerde vom 1. August 2016 (3 C 16.1639) mit Beschluss vom 18. August 2016 nicht ab.
Daraufhin erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 6. September 2016 erneut Streitwertbeschwerde (3 C 16.1820) kraft eigenen Rechts im eigenen Namen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 10. August 2016. Mit Schreiben vom gleichen Tage teilte er mit, dass die Streitwertbeschwerde mit dem Az. 3 C 16.1639 aufrechterhalten bleibe, soweit das Verwaltungsgericht der Beschwerde nicht mit Beschluss vom 10. August 2016 abgeholfen habe.
1. Die Beschwerde (3 C 16.1639) gegen den Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Februar 2016 in der Fassung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 10. August 2016 hat Erfolg.
1.1 Die Streitwertbeschwerde des Klägerbevollmächtigten aus eigenem Recht (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG) ist gemäß § 68 Abs. 1 GKG zulässig. Insbesondere fehlt ihr nicht das Rechtsschutzbedürfnis, da der ursprüngliche Streitwertbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 18. Februar 2016 infolge des Berichtigungsbeschlusses vom 10. August 2016 nicht gegenstandslos geworden ist. Durch den Berichtigungsbeschluss wird ein Fehler des ursprünglichen Beschlusses lediglich rückwirkend korrigiert. Der Berichtigungsbeschluss wirkt zurück auf den Zeitpunkt, in welchem der ursprüngliche Streitwertbeschluss vom 18. Februar 2016 erlassen wurde, und so, als wäre der Beschluss von Beginn an in der berichtigten Fassung ergangen (VGH BW, B.v. 23.8.2000 – 2 S 44/00 – BeckRS 2000, 19609; BGH, U.v. 9.12.1983 – V ZR 21/83 – BGHZ 89, 184/186; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 118 Rn. 34). Trotz berichtigter höherer Streitwertfestsetzung bleibt der Klägerbevollmächtigte beschwert, soweit er eine Streitwertsetzung über den Betrag in Höhe 16.296,- Euro begehrt.
1.2. Die Streitwertbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Für die Streitwertbemessung in einem Verwaltungsstreitverfahren um die Gewährung von Unfallausgleich ist nach § 42 Abs. 1 Satz 1 und 2 GKG der dreifache Jahresbetrag des bei Klageerhebung geltend gemachten Anspruchs maßgebend unter Hinzurechnung der gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG bei Einreichung der Klage fälligen Beträge (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2018 – 14 ZB 17.696 – juris Rn. 32 ff.; HessVGH, B.v. 19.12.2017 – 1 E 1341/17 – juris Rn. 6; SächsOVG, U.v. 12.3.2019 – 2 A 71/16 – juris Rn. 40 ff.).
Soweit der Senat in diesen Streitigkeiten bislang in Anlehnung an § 52 Abs. 1 Satz 1 GKG i.V.m. Nr. 10.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 einen Streitwert in Höhe des zweifachen Jahresbetrags der Differenz zwischen der erhaltenen und der erstrebten höheren Besoldung/Versorgung angenommen hat, hält er hieran nicht mehr fest.
Wie das Bundesverwaltungsgericht nunmehr entschieden hat, ist einer Empfehlung des Streitwertkatalogs nicht mehr zu folgen, wenn sie, wie die Empfehlung in Nr. 10.4 im Verhältnis zu § 42 Abs. 1 GKG, mit der gesetzlichen Regelung nicht im Einklang steht (vgl. BVerwG, B.v. 19.7.2017 – 2 KSt 1.17 – juris Rn. 5; B.v. 6.4.2017 – 2 C 13.16 – B.v. 21.9.2017 – 2 C 61.16 – beide juris). So verhält es sich hier.
Gemäß § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bei Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis ist gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistung geringer ist. Gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG werden die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge dem Streitwert hinzugerechnet. Dabei ist gemäß § 40 Abs. 1 GKG auf den Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Rechtszugs abzustellen.
Bei dem hier streitgegegenständlichen Anspruch auf Unfallausgleich nach Art. 52 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG i.V.m. § 31 BeamtVG handelt es sich um einen Anspruch auf wiederkehrende Leistungen aus einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Auflage 2017, § 42 GKG Rn. 18). Wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 42 Abs. 1 GKG liegen dann vor, wenn die begehrten Leistungen aus einem einheitlichen Rechtsgrund – gleichgültig, aus welchem – in regelmäßigen oder unregelmäßigen Zeitabständen in annähernd gleichem Umfang verlangt werden können (OVG Bremen, B.v. 27.11.2018 – 2 LA 62/17 – juris Rn. 33; vgl. Schindler in BeckOK, Kostenrecht, Dörndorfer/Neie/Wendtland/Gerlach, 25. Edition Stand: 01.03.2019, GKG § 42 Rn. 1 bis 4 m.w.N.). Darunter ist der Anspruch auf Unfallausgleich zu subsumieren, so dass der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistung maßgebend ist. Der Gesamtbetrag der geforderten Leistung ist auch nicht geringer (§ 42 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GKG), da das Klagebegehren auf die Gewährung von Unfallausgleich seit 1. März 2013 bis 3. Juni 2013 für den Grad der MdE von 50% und ab 4. Juni 2013 bis derzeit für den Grad der MdE von 100% gerichtet ist (vgl. Klagebegründung vom 2. Juli 2015, S. 14). Die Höhe des Jahresbetrags ist nach dem Antrag des Klägers auch mit vertretbarem Aufwand bestimmbar, so dass ein Rückgriff auf § 52 Abs. 1 und 2 GKG gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 GKG ausscheidet.
Aus § 42 Abs. 1 GKG ergibt sich dabei ein Teilbetrag von 24.444,- Euro. Nach der im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung (5. Mai 2015) in Kraft befindlichen Fassung des § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG i.V.m. § 52 BayBeamtG vom 23. September 2014 (BGBl I S. 1533) – betrug der monatliche Satz bei einem Grad der MdE von 100 679,- Euro. Daraus ergibt sich ein Streitwert von 24.444,- Euro (679,- Euro x 36).
Dem hinzuzurechnen sind gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge, auf die sich das Klagebegehren bezieht. Dies betrifft vorliegend die Zeit von März 2013 (dem Monat, in den der Zeitpunkt des Dienstunfalls fällt) bis einschließlich Mai 2015 (dem Monat, in den der Zeitpunkt der Klageerhebung fällt), wobei der Monat der Einreichung der Klage als Rückstandsmonat mitzuzählen ist (BayVGH, B.v. 12.7.2018 – 14 ZB 17.696 – juris Rn. 37; OLG Sachsen-Anhalt, B.v. 6.8.2007 – 3 WF 233/07 – juris Rn. 15). Da die Klagepartei für den Zeitraum vom 1. März 2013 bis 3. Juni 2013 die Festsetzung des Grads der MdE auf 50% und ab 4. Juni 2013 auf 100% begehrt, ergibt sich in Abhängigkeit der in diesem Zeitraum verschiedenen in Kraft befindlichen Fassungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 BVG ein weiterer Teilbetrag nach § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG in Höhe von 17.505,- Euro (für den Zeitraum von Anfang März bis Ende Mai 2013 bei einem Grad der MdE von 50: monatlich 233,- Euro x 3 Monate; für den Zeitraum von Anfang Juni 2013 bis Ende Juni 2014 bei einem Grad der MdE von 100: monatlich 666,- € x 13 Monate; für den Zeitraum von Anfang Juli 2014 bis Ende Mai 2015: monatlich 679,- Euro x 12 Monate).
Dies ergibt insgesamt den Streitwert von 41.949,- Euro (24.444,- Euro zzgl. 17.505,- Euro). Ungeachtet der klägerseitig beantragten Höhe der Streitwertfestsetzung war die erstinstanzliche Festsetzung von Amts wegen gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG auf diesen Betrag zu ändern.
2. Eine Entscheidung über die erneute Streitwertbeschwerde vom 6. September 2016 (3 C 16.1820) braucht und kann nicht ergehen, denn ein erneut hinsichtlich desselben Streitgegenstandes eingelegtes Rechtsmittel hat keine selbständige Bedeutung für die Sache selbst, sondern allenfalls nur für die zu treffende Kostenentscheidung, die hier wegen § 68 Abs. 3 GKG nicht zu ergehen braucht. Legt ein Beteiligter ein Rechtsmittel mehrfach ein, sei es irrtümlich, sei es zur Vermeidung von Unsicherheiten hinsichtlich der Wirksamkeit – hier wegen der Unsicherheit hinsichtlich der Auswirkungen des Berichtigungsbeschlusses vom 10. August 2016 -, so handelt es sich um dasselbe Rechtsmittel, über das einheitlich (nach Verbindung der Verfahren gemäß § 93 VwGO) zu entscheiden ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.5.2009 – 6 C 08.851 – juris Rn. 6; BGH, U.v. 29.6.1966 – IV ZR 86/65 – BGHZ 45, 380/382 f. – juris Rn. 10; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Rn. 41 vor § 124; BFH, B.v. 26.5.2006 – IV B 151/04 – juris Rn. 16). Ob die doppelte Rechtshängigkeit (vgl. Rechtsgedanke aus § 17 Abs. 1 Satz 2 GVG i.V.m. § 173 VwGO) auf diese Weise beseitigt werden kann, bedarf keiner weiteren Vertiefung. Durch die Verbindung der Verfahren ist dem Sinn und Zweck des Verbots der doppelten Rechtshängigkeit, mehrere Prozesse mit gegebenenfalls divergierenden Entscheidungen zu vermeiden, hinreichend genüge getan.
3. Die Beschwerdeverfahren sind gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 2 GKG).

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