Arbeitsrecht

Treuepflicht eines Beamten zur Antragstellung auf Teilzeitbeschäftigung

Aktenzeichen  M 5 K 17.987

Datum:
24.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23843
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 88 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 5

 

Leitsatz

1 Ein Antrag auf vorzeitige Rückkehr aus der Teilzeit ist rechtsmissbräuchlich, wenn er allein dem Zweck dient, eine Vollzeitbeschäftigung „formal“ herbeizuführen, während absehbar ist, dass der Beamte wegen Dienstunfähigkeit dem Dienstherrn nicht zur Verfügung stehen wird (BayVGH BeckRS 2016, 110011). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Allerdings besteht bei Wiedereintritt in die Vollzeitbeschäftigung mit Auslaufen der Teilzeitbewilligung keine Treuepflicht des Beamten zur erneuten Antragstellung auf Teilzeitbeschäftigung, auch wenn der Beamte dienstunfähig ist. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid der … vom 14. Dezember 2016 in Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2017 wird aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der angegriffene Bescheid vom 14. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. Februar 2017 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Bescheid entbehrt mangels Teilzeitantrags der Klägerin einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage. Ein derartiger Antrag war auch nicht ausnahmsweise aus Treuegesichtspunkten entbehrlich.
1. Gem. Art. 88 Abs. 1 BayBG soll Beamten und Beamtinnen mit Dienstbezügen auf Antrag die Arbeitszeit bis auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit und bis zur jeweils beantragten Dauer ermäßigt werden, soweit dienstliche Belange nicht entgegenstehen.
Eine Reduzierung der Arbeitszeit bzw. eine Teilzeitbeschäftigung setzt mithin einen Antrag des betroffenen Beamten voraus. Dieses Erfordernis findet seinen Grund in dem als hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums durch Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) garantierten Alimentationsprinzip. Zwischen der Vollzeit- und der Teilzeitbeschäftigung eines Beamten besteht mithin ein verfassungsrechtlich vorgegebenes Regel-Ausnahme-Verhältnis (BVerfG, U.v. 19.09.2007 – 2 BvF 3/02 – juris; BVerwG, B.v. 23.04.2015 – 2 B 69.14 – juris Rn. 7 f.).
Einen Antrag auf Teilzeitbeschäftigung hat die Klägerin nicht gestellt.
2. Ein solcher Antrag war auch nicht unter Treuegesichtspunkten entbehrlich.
Auch im Rahmen eines Beamtenrechtsverhältnisses gilt der Grundsatz von Treu und Glauben (BVerwG, U.v. 29.8.1996 – 2 C 23.95 – BVerwGE 102, 33). Dieser Grundsatz verbietet es dem Beamten im Rahmen des gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnisses, ihm zustehende Rechte in zweckwidriger und missbräuchlicher Weise geltend zu machen (OVG LSA, B.v. 24.2.2009 – 1 M 10/09 – juris Rn. 6). Daher steht beispielsweise – wie durch den Beklagten zutreffend angeführt – nach herrschender Rechtsprechung das jederzeitige Antragsrecht des Beamten auf vorzeitige Rückkehr aus der Teilzeitzur Vollzeitbeschäftigung gem. §§ 91 Abs. 3 Satz 2, 92 Abs. 4 Satz 2 Bundesbeamtengesetz (BBG) und dementsprechend auch das Antragsrecht gem. Art. 88 Abs. 3 Satz 2 BayBG unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben. Ein vorzeitiger Wechsel zur Vollzeitbeschäftigung ist deshalb nur dann zu billigen, wenn der Beamte seinem Dienstherrn auch tatsächlich zur Erbringung der vollen Dienstleistung zur Verfügung steht. Rechtsmissbräuchlich ist es hingegen, wenn der Antrag auf vorzeitige Rückkehr aus der Teilzeit allein dem Zweck dient, eine Vollzeitbeschäftigung „formal“ herbeizuführen, während absehbar ist, dass der Beamte wegen krankheitsbedingter Dienstunfähigkeit dem Dienstherrn zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben nicht zur Verfügung stehen wird. Denn dann macht der Beamte seine Interessen einseitig zulasten des Dienstherrn geltend (BayVGH, B.v. 27.11.2014 – 6 ZB 14.1549 – juris Rn. 5 ff.; B.v. 01.12.2016 – 6 ZB 16.494 – juris Rn. 20; VG Bayreuth, U.v. 25.02.2014 – B 5 K 13.679 – juris).
Eine derartige Situation ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Streitgegenständlich ist nicht der Wunsch der Klägerin, ihre Teilzeitbeschäftigung vorzeitig i.S.d. Art. 88 Abs. 3 Satz 2 BayBG zu beenden und früher als beantragt in eine Vollzeitbeschäftigung zurückzukehren. Vielmehr wünscht hier der Beklagte, die Teilzeit der Klägerin gegen ihren Willen über das beantragte Maß hinaus zu verlängern. Mithin geht es nicht um die vorzeitige Rückkehr aus einer zuvor beantragten Teilzeit, sondern um die Beantragung einer Teilzeitbeschäftigung an sich.
Darüber hinaus ist die vorliegende Situation auch nicht vergleichbar mit derjenigen einer treuwidrigen Antragstellung auf vorzeitige Rückkehr aus einer Teilzeitbeschäftigung bei fortbestehender Dienstunfähigkeit. Zwar war die Klägerin bei Auslaufen der bewilligten Teilzeitbeschäftigung zum … Dezember 2016 bereits mehr als ein Jahr durchgehend dienstunfähig erkrankt. Zudem war zu diesem Zeitpunkt nicht absehbar, ob oder wann die Klägerin ggf. genesen und ihrem Dienstherrn zur Erbringung der vollen Dienstleistung zur Verfügung stehen würde. Allerdings ist der Wiedereintritt in eine Vollzeitbeschäftigung mit Auslaufen einer Teilzeitbewilligung eine von Gesetzes wegen vorgesehene Folge, mithin die Beendigung des Ausnahme- und die Wiederherstellung des Regelbeschäftigungsverhältnisses, also ein Automatismus. Der Klägerin kann keine treuwidrige Handlung unter Verstoß gegen ein Unterlassungsgebot, sondern höchstens ein treuwidriges Unterlassen unter Verstoß gegen ein Handlungsgebot vorgeworfen werden. Allerdings bedarf es für die Annahme eines Handlungsgebots aus Treuegesichtspunkten erheblich gewichtigerer Gründe als für die Annahme eines Unterlassungsgebots. Denn das Abfordern eines (passiven) Unterlassens bzw. ein Unterlassungsgebot belastet den Beamten wesentlich weniger als das Abfordern eines (aktiven) Handelns bzw. ein Handlungsgebot. Würde vorliegend eine Treupflicht zur Antragstellung bejaht, würde das verfassungsrechtlich verankerte Erfordernis einer (freiwilligen) Antragstellung auf Teilzeitbewilligung umgangen. Daher konnte eine derartige Treupflicht allenfalls aus überragend wichtigen Gründen des Gemeinwohls bejaht werden. Derartig überragend wichtige Gründe sind hier nicht ersichtlich. Als legitimer Zweck eines Gebots zur Antragstellung auf Teilzeitbeschäftigung bei anhaltender Dienstunfähigkeit kommt hier ggf. die Schonung öffentlicher Mittel bzw. die Verringerung von Besoldungsverbindlichkeiten des Beklagten in Betracht. Dabei handelt es sich zwar um einen legitimen, nicht aber um einen überragend wichtigen Grund; dies insbesondere, da eine Verlängerung der Teilzeitbeschäftigung hier nur zu einer Einsparung in Höhe der Differenz zwischen Voll- und Teilzeitbeschäftigung von 15% führen kann. Zudem ist eine Handlungspflicht aus Treuegesichtspunkten zur Erreichung dieses Zwecks auch nicht erforderlich. Für den Fall der anhaltenden Dienstunfähigkeit eines Beamten hat der Gesetzgeber dem Dienstherrn bereits mit der Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit gem. § 26 Gesetz zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG), Art. 65 BayBG ein probates Mittel zur Reaktion an die Hand gegeben. Es kann von der Klägerin daher nicht verlangt werden, einem zu ihren Gunsten einsetzenden – dem Dienstherrn ggf. ungelegenen – gesetzlich angelegten Automatismus aktiv entgegenzuwirken.
Vielmehr bedarf die Einschränkung einer von Gesetzes wegen dem Beamten gewährten Begünstigung – hier der automatische Wiedereintritt in die Vollzeitbeschäftigung mit entsprechender Vollzeitbesoldung trotz Dienstunfähigkeit – einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (vgl. BVerwG, U.v. 16.10.1997 – 2 C 27.96 – ZBR 1997, 102 zur unzulässigen Berücksichtigung einer Teilzeitbewilligung zulasten des Beamten bei Berechnung des Ruhegehalts). Eine gesetzliche Regelung ist insbesondere auch deshalb erforderlich, weil es sich bei der Teilzeitbeschäftigung eines Beamten um eine statusrelevante und damit wesentliche Entscheidung handelt, die dem Gesetzesvorbehalt, wenn nicht gar dem Parlamentsvorbehalt unterliegt. Auch gilt es zu bedenken, dass das automatische Aufleben der Vollzeitbeschäftigung in der Regel zugunsten und nicht zulasten des Dienstherrn wirkt. Denn ist der Beamte bei Auslaufen der Teilzeitbewilligung uneingeschränkt dienstfähig, kann ihn der Dienstherr unmittelbar und vollständig zur Dienstleistung heranziehen, ohne dass eine Zustimmung oder ein Antrag des Beamten notwendig wären.
Etwas anderes folgt auch nicht aus Art. 88 Abs. 6 BayBG. Diese Norm regelt die Verlängerung einer Teilzeitbeschäftigung gegen oder ohne den Willen des betroffenen Beamten für den speziellen Fall des Urlaubs während der Teilzeit, nicht hingegen für den Fall der Dienstunfähigkeit. Ihr ist auch nicht der Gedanke zu entnehmen, dass sich an der bisherigen Organisation des Beamtenverhältnisses nichts ändern soll, wenn der Beamte dem Dienstherrn nicht zur Verfügung steht. Die Regelung bezieht sich vielmehr auf das in Art. 88 Abs. 4 und 5 BayBG geregelte sog. Sabbatjahr (vgl. Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBeamtR, Februar 2018, Art. 88 BayBG Rn. 47 a.E.; zum nahezu identischen § 69 LBGBW Hug in Brinktrine/Hug, BeckOK Beamtenrecht Baden-Württemberg, Stand: 15.04.2018, § 69 LBG Rn. 123). Sie dient dazu, den durch „Vorarbeit“ in der sog. Ansparphase erarbeiteten Freistellungszeitraum bei „Störung“ durch Urlaub entsprechend dem Urlaubsumfang zugunsten des Beamten zu verlängern. Ziel der Regelung ist es also gerade nicht, die Teilzeit zulasten des Beamten zu verlängern, soweit er dem Dienstherrn nicht zur Verfügung steht.
Die dazu annähernd umgekehrte Situation einer „Dienstunfähigkeit während der Ansparphase“ bei „Erarbeitung des Sabbatjahres“ i.S.d. Art. 88 Abs. 4 BayBG hat der Gesetzgeber ausdrücklich in § 8b Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst (BayAzV) geregelt. Danach kann bei einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit nach dem „Arbeitszeit-Ansparmodell“ gem. Art. 88 Abs. 4 BayBG eine ausgleichspflichtige Arbeitszeit während einer sechs Monate überschreitenden Dienstunfähigkeit nicht angespart werden. Dauert die Dienstunfähigkeit mithin länger als sechs Monate, verlängert sich die Ansparphase um den die sechs Monate übersteigenden Zeitraum. Für diesen Fall hat der Gesetzgeber also eine Regelung getroffen, die ausdrücklich und ausschließlich für das Ansparmodell gilt. Dies spricht wiederum dafür, dass der Gesetzgeber die wesensverwandte Begünstigung des dienstunfähig erkrankten Beamten durch automatischen Wiedereintritt in die Vollzeitbeschäftigung hinzunehmen bereit ist.
Zudem hat der Gesetzgeber das Bedürfnis einer „Zwangsteilzeit“ wegen begrenzter Dienstfähigkeit erkannt und diese wiederum ausdrücklich geregelt, vgl. § 27 BeamtStG, Art. 6, 7 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG; zu dessen Vereinbarkeit mit dem Alimentationsprinzip vgl. BVerwG, B.v. 18.6.2015 – 2 C 49/13 – NVwZ 2016, 137). Hätte er eine „Zwangsteilzeit“ auch für den Fall der Dienstunfähigkeit als solcher gewollt, so hätte er auch diese ausdrücklich geregelt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Angesichts der Schwierigkeit der im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Anspruch aufgeworfenen Rechtsfragen war die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig (vgl. Schmidt in Eyermann, 14. Auflage 2014, § 162 VwGO Rn. 13).
4. Der Ausspruch über die Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 709 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO).


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