Arbeitsrecht

Überstundenzuschlag – ungeplanten Überstunden

Aktenzeichen  8 Sa 340/18

Datum:
3.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15403
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TVöD-K § 6 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 8c, § 10 Abs. 4
TzBfG § 4 Abs. 1
ArbGG § 64 Abs. 6 S. 1, § 66 Abs. 1
BGB § 134

 

Leitsatz

1. Bei den sog. ungeplanten Überstunden i. S. d. 1. Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K ist auf die fehlende Möglichkeit eines Freizeitausgleichs während des Schichtplanturnus abzustellen. Mit den Überstundenzuschlägen soll belohnt werden, dass der Arbeitnehmer ohne Freizeitausgleich mehr als vertraglich vereinbart arbeitet. Ungeplante Überstunden fallen dann an, wenn ungeplante Arbeitsstunden zusätzlich in einem Umfang anfallen, die zu einer Überschreitung der individuellen Sollarbeitszeit führen. (Rn. 36 – 38)
2. Bei den sog. geplanten Überstunden i. S. d. 2. Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K sind Überstundenzuschläge erst bei Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit i. S. d. § 6 Abs. 1 TVöD-K (Vollzeit) zu zahlen. Die unterschiedliche Behandlung der Teilzeitkräfte ist nach der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen Zweckbestimmung der Leistung, die auch mit höherem Recht vereinbart ist, sachlich gerechtfertigt. (Rn. 49, 51 und 54 – 55)

Verfahrensgang

2 Ca 1322/17 2018-08-08 Endurteil ARBGWEIDEN ArbG Weiden

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 08.08.2018, Az.: 2 Ca 1322/17, abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 46,02 (i.W. Euro Sechsundvierzig 02/100) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.12.2017 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits der 1. Instanz trägt die Klägerin zu 15/19, die Beklagte zu 4/19, die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin zu 11/15, die Beklagte zu 4/15.
5. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.
Die Berufungen sind zulässig. Sie sind gemäß § 64 Abs. 1 Abs. 2 a) ArbGG statthaft und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II.
Die Berufung der Beklagten war zum Teil begründet, die Berufung der Klägerin unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg folgt der sorgfältigen und umfassend begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – nur insoweit nicht, als das Arbeitsgericht für die sog. „ungeplanten Überstunden“ im Sinne des § 7 Abs. 8 c 1. Alternative TVöD-K allein auf ein Überschreiten der im Schichtplan vorgesehenen täglichen Arbeitszeit abstellen will, ohne zu berücksichtigen, ob die individuelle Sollarbeitszeit der Teilzeitkraft durch den – unstreitig bei der Beklagten monatlich erstellten – Schichtplan bereits ausgeschöpft wurde.
1. Der Klägerin steht ein Überstundenzuschlag – in zuletzt der Höhe nach unstreitigen € 5,415 brutto pro Überstunde – für die in den Monaten Januar, April und Mai 2017 geleisteten 8,5 ungeplanten Überstunden im Sinne des § 7 Abs. 8 c 1. Alternative TVöD-K zu. Die am 10.02. und 14.02.2017 über den Schichtplan hinaus geleisteten Stunden sind jedoch nach Ansicht des LAG Nürnberg nicht als ungeplante Überstunden im Sinne der 1. Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K zu qualifizieren, da der Schichtplan für Februar die Sollarbeitszeit der Klägerin für diesen Monat mit 128 Stunden von vornherein nicht annähernd ausschöpfte. Die Ist-Stunden auch inclusive der im Schichtplan nicht vorgesehenen zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden erreichten im Februar mit 113,35 Stunden die Sollarbeitszeit der Klägerin nicht. In den Monaten Januar, April und Mai 2017 schöpfte der jeweilige Dienstplan dagegen bereits von vornherein die Sollarbeitszeit der Klägerin aus. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für die Frage, wann die individuelle Sollarbeitszeit ausgeschöpft ist, auf den Schichtplanturnus, das heißt hier auf den Monat insgesamt abzustellen und es sind nicht die Ist- und Sollstunden für den jeweiligen Arbeitstag gegenüberzustellen.
a) Nach dem vom BAG herausgearbeiteten Verständnis des § 7 Abs. 8 c TVöD-K (zuletzt BAG, Urteil v. 23.03.2017 – 6 AZR 161/16, in juris recherchiert) – dem auch das LAG Nürnberg folgt – beinhaltet diese Vorschrift, die den Begriff Überstunden im Fall von Wechselschicht- oder Schichtarbeit definiert, zwei Alternativen. Die erste Alternative betrifft den Sachverhalt, in dem zu den im Schichtplan festgesetzten „täglichen“ Arbeitsstunden zusätzliche, nicht im Schichtplan ausgewiesene Stunden angeordnet werden. Solchen „ungeplanten“ Überstunden stehen die Fälle der zweiten Alternative gegenüber, in denen die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bereits durch die im Schichtplan angeordneten Stunden überschritten wird (sog. eingeplante Überstunden).
Bei den sog. ungeplanten Überstunden im Sinne der ersten Alternative, die über die tägliche Arbeitszeit hinaus abweichend vom Schichtplan angeordnet werden, sieht das Bundesarbeitsgericht anders als bei den sog. geplanten Überstunden nach der zweiten Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K keine Möglichkeit des Freizeitausgleichs. Überstunden entstehen bei dem in der ersten Alternative geregelten Sachverhalt bereits dann zwingend ohne Ausgleichsmöglichkeit während des noch laufenden Schichtplanturnus, wenn zu der im Schichtplan festgesetzten „täglichen“ Arbeitszeit zusätzliche, nicht im Schichtplan ausgewiesene Stunden angeordnet werden. Bei ungeplanten Überstunden besteht nach Ansicht des BAG gerade kein Ausgleichszeitraum, diese sind einem späteren Ausgleich nicht zugänglich. Bei ungeplanten Überstunden in (Wechsel-)Schicht treffen zwei Belastungsfaktoren zusammen, die (Wechsel-)Schichtarbeit und die ungeplante Anordnung von Überstunden.
b) Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichtes Nürnberg setzt das BAG somit bei der ersten Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K voraus, dass es sich um Überstunden handeln muss, die im Schichtplanturnus nicht ausgeglichen werden können. Bei Vollzeitbeschäftigten sind das nach § 6 TVöD-K Stunden, die über eine regelmäßige Arbeitszeit von 38,5 Stunden hinausgehen. Ein Ausgleich im Schichtplanturnus ist dann bei ungeplanten Überstunden nicht möglich, wenn der Schichtplan bereits diese Sollarbeitszeit ausschöpft. Ist der Vollzeitbeschäftigte jedoch von vornherein mit einer geringeren Arbeitszeit eingeplant, dann ist von einer Ausgleichsmöglichkeit jedoch bis zur Erreichung der Sollstunden auszugehen. Bleibt der Schichtplan selbst aber gerade mit der geplanten Ist-Arbeitszeit unter der geschuldeten Soll-Arbeitszeit zurück, können Überstunden grundsätzlich erst entstehen, wenn ungeplante Arbeitszeiten in einem Umfang anfallen, die zu einer Überschreitung der Soll-Arbeitszeit führen.
aa) Ein anderes Verständnis dieser Regelung würde dazu führen, dass auch ein Vollzeitbeschäftigter, der nach dem Schichtplan unter seinem Soll eingeteilt wurde, für jede vom Schichtplan abweichende sog. ungeplante Arbeitsstunde Überstundenzuschläge erhält ohne zu berücksichtigen, ob er die von ihm individuell geschuldete Arbeitszeit auch unter Berücksichtigung dieser zusätzlichen Stunde erreicht. Dass das BAG dieses Ergebnis gerade nicht gewollt hat, wird aus den Entscheidungsgründen deutlich. Denn, wenn das BAG seine Auslegung zur ersten Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K – wie es das Arbeitsgericht unterstellt – so hätte verstanden wissen wollen, hätte es sich alle weiteren Ausführungen insoweit, dass eine Auslegung des § 7 Abs. 8 c 1. Alternative TVöD-K, die unter vollschichtig eingesetzte Teilzeitbeschäftigte bei ungeplanten Überstunden über die Teilzeitquote hinaus von den Überstundenzuschlägen des § 8 Abs. 1 Satz 2 a TVöD-K ausschließt, gegen § 4 Abs. 1 TzBfG verstoßen würde, ersparen können. Denn wenn das BAG die erste Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K tatsächlich so hätte verstanden wissen wollen, dass auf die geschuldete individuelle Arbeitszeit nicht abzustellen sei, sondern allein – und damit unabhängig von der Soll-Arbeitszeit – auf ein Überschreiten der im Schichtplan vorgesehenen täglichen Arbeitszeit, dann hätte es einer weiteren Auslegung der Vorschrift, die nicht im Widerspruch zu höherem Recht stehe, nicht bedurft. Wenn es auch für einen Vollzeitbeschäftigten in Wechselschicht im Rahmen der ersten Alternative für Überstundenzuschläge überhaupt nicht darauf ankommen soll, ob die Ist-Stunden seine Soll-Stunden überschreiten, dann müsste sich die Frage überhaupt nicht stellen, ob diese tarifliche Regelung, die für einen Überstundenzuschlag die Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit der Vollzeitkraft zur Voraussetzung macht, gegen § 4 TzBfG verstößt.
bb) Insoweit handelt es sich – entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichtes – auch nicht lediglich um allgemeine Erörterungen in den Entscheidungsgründen des Bundesarbeitsgerichtes, sondern um grundsätzliche Erwägungen, die das BAG letztendlich seiner abschließenden Auslegung der ersten Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K zugrunde gelegt hat. Somit stellen diese Ausführungen nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts die Formulierung einer weiteren Anspruchsvoraussetzung dar und nicht nur die Wiedergabe des dort streitgegenständlichen Sachverhalts. Denn nur bei diesem Verständnis der ersten Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K spielt die Frage der Diskriminierung Teilzeitbeschäftigter eine Rolle, wie das BAG auch in seiner Entscheidung darlegt und einen Verstoß gegen § 4 TzBfG bejaht, wenn unter vollschichtig eingesetzte Teilzeitkräfte bei ungeplanten Überstunden über ihre Teilzeitquote hinaus von den Überstundenzuschlägen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 a TVöD-K ausgeschlossen wären. Das BAG führt weiter aus, dass mit dem Überstundenzuschlag allein der Umstand belohnt werden soll, dass der Arbeitnehmer ohne Freizeitausgleich mehr als vertraglich vereinbart gearbeitet hat und dadurch planwidrig die Möglichkeit einbüßt, über seine freie Zeit zu verfügen. Diese Einschränkung der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit trifft teilzeit- und vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer aber in gleicher Weise. Damit ist nach Auffassung der erkennenden Kammer aber zu unterstellen, dass der Mitarbeiter in seiner Freizeitgestaltung damit zu rechnen hat, dass er in vollem Umfang seiner individuellen durchschnittlichen Arbeitszeit zur Arbeitsleistung herangezogen wird. In diesem Rahmen steht dem Arbeitgeber die Disposition der Arbeitsleistung zu, ohne dass er mit der Zahlung von Überstundenzuschlägen rechnen muss.
Bleibt der monatlich erstellte Schichtplan selbst aber gerade mit der geplanten Ist-Arbeitszeit hinter der geschuldeten Soll-Arbeitszeit zurück, können bei Vollzeitkräften Überstunden und bei Teilzeitkräften Mehrarbeit erst entstehen, wenn ungeplante Überstunden in einem Umfang anfallen, der zur Überschreitung der jeweiligen Soll-Arbeitszeit führt. Überstunden bzw. Mehrarbeit setzen nach allgemeinem Sprachverständnis voraus, dass es sich um Arbeitsstunden handelt, die über die Arbeitszeit hinausgehen, die im jeweiligen Arbeitsverhältnis aufgrund Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag festgelegt sind.
c) Im Rahmen der ersten Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K hat das BAG eine gegen § 4 TzBfG verstoßende Ungleichbehandlung bejaht, wenn Teilzeitkräfte Überstundenzuschläge erst erhalten sollen, wenn sie mit den ungeplanten Überstunden die Vollarbeitszeit überschreiten.
aa) Zunächst hat der 10. Senat des BAG in seinem am 19.12.2018 erlassenen Urteil (10 AZR 231/18, in juris recherchiert) seine bisherige Rechtsprechung, wonach für die Prüfung, ob Teilzeitkräfte benachteiligt werden, auf die Gesamtvergütung abzustellen ist, ausdrücklich aufgegeben. Er schließt sich nunmehr der Rechtsprechung des 6. Senats an, dass der Vergleich von Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten methodisch für jeden einzelnen Entgeltbestandteil vorzunehmen ist und eine Gesamtbewertung der geleisteten Vergütungsbestandteile ausscheide. Nur auf diese Weise kann dem pro-rata-temporis-Grundsatz des § 4 TzBfG genügt werden. Die für den Zuschlag erforderliche Stundenzahl wird proportional zur individuellen Arbeitszeit verringert.
Ein Tarifverständnis, nach dem ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge erst besteht, wenn die Arbeitszeit der Vollzeittätigkeit überschritten wird, führt zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften. Während Vollzeitkräfte Zuschläge bereits für die erste Stunde Mehrarbeit erhielten, kämen Teilzeitkräfte erst dann in den Genuss von Zuschlägen, wenn sie das Delta zwischen ihrer individuellen Teilzeitquote und der Arbeitszeit bei Vollzeittätigkeit gearbeitet hätten. Damit geht eine wegen ihrer Teilzeitquote höhere Belastungsgrenze einher. Teilzeitkräfte würden damit unmittelbar benachteiligt (BAG, Urteil v. 19.12.2018, a.a.O.).
bb) Das BAG hat in seiner Entscheidung vom 23.03.2017 für die erste Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K einen sachlichen Grund im Sinne von § 4 TzBfG für diese Ungleichbehandlung verneint. Dem schließt sich die Kammer an. Die erste Alternative des § 7 Abs. 8 c hat nicht den Zweck, besondere Belastungen auszugleichen, die entstehen, wenn Beschäftigte über die von den Tarifvertragsparteien vorgegebene tarifliche Arbeitszeit hinaus tätig werden. Insoweit ist die Dispositionsmöglichkeit der Beschäftigten über ihre Freizeit als geschützt anzusehen. Mit den Überstundenzuschlägen soll insoweit ein Ausgleich dafür geschaffen werden, dass Beschäftigte über die im Schichtplan vorgesehene Arbeitszeit und dadurch mehr als vertraglich vereinbart arbeiten. Bei den ungeplanten Überstunden sind die Vollzeitbeschäftigten und die Teilzeitbeschäftigten in ihrer Dispositionsfreiheit gleichermaßen eingeschränkt.
Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung hat sich am Zweck der Leistung zu orientieren. Das BAG hat mit dem Überstundenzuschlag im Rahmen der ersten Alternative den Umstand als belohnt angesehen, dass der Arbeitnehmer ohne Freizeitausgleich mehr als vertraglich vereinbart arbeitet und dadurch planwidrig die Möglichkeit einbüßt, über seine Zeit frei zu verfügen.
Nach dieser Auffassung, der sich das LAG Nürnberg anschließt, steht im Rahmen der ersten Alternative des § 7 Abs. 8 c Teilzeitkräften bei ungeplanten Überstunden, d.h. Überstunden, die über die im Schichtplan vorgesehenen Arbeitszeiten hinausgehen und dadurch die individuelle Soll-Arbeitszeit überschreiten, ein Anspruch auf Überstundenzuschläge zu.
2. Zu Recht hat das Arbeitsgericht jedoch den Antrag der Klägerin auf Zahlung weiterer Überstundenzuschläge für die Stunden im Januar und April 2017, die sie entsprechend den Schichtplänen innerhalb des Schichtplanturnus unter Überschreitung ihrer vereinbarten wöchentlichen, nicht aber der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im Sinne des § 6 Abs. 1 TVöD-K geleistet hat, abgewiesen.
a) Die Auslegung der zweiten Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K ergibt – wie das Arbeitsgericht zutreffend herausgearbeitet hat -, dass sog. „geplante Überstunden“ voraussetzen, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten bezogen auf die gesamte Dauer des Schichtplans überschritten wird (BAG, Urteil v. 25.04.2013, 6 AZR 800/11, in juris recherchiert).
Unstreitig hat die Klägerin in den Monaten Januar und April 2017 die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines Vollbeschäftigten jedoch nicht überschritten. Ein Überschreiten der „nur“ individuell geschuldeten Wochenarbeitszeit führt nicht zur Bejahung von zuschlagspflichtigen „geplanten“ Überstunden.
b) Die Auslegung des § 7 Abs. 8 c 2. Alternative TVöD-K, die unter vollschichtig eingesetzte Teilzeitkräfte bei geplanten Überstunden über ihre Teilzeitquote hinaus von Überstundenzuschlägen des § 8 Abs. 1 Satz 2 a TVöD-K ausschließt, verstößt jedoch nicht gegen § 4 TzBfG.
Auch wenn das BAG einen solchen Verstoß bei der Auslegung der ersten Alternative bejaht hat, ist nach zutreffender Ansicht des Arbeitsgerichts dieses Auslegungsergebnis nicht auf die zweite Alternative anzuwenden. Der 6. Senat des BAG hat sich in seiner Entscheidung vom 23.03.2017 ausschließlich mit der Regelung der ersten Alternative des § 7 Abs. 8 c befasst, den sog. ungeplanten Überstunden. Insoweit war dem BAG zuzustimmen, dass bezüglich der ungeplanten Überstunden mit dem Überstundenzuschlag die Einschränkung der Dispositionsfreiheit über die Freizeit durch planwidriges Abweichen vom bestehenden Dienstplan auszugleichen ist und diese Einschränkung Teilzeit- und Vollzeitkräfte in gleicher Weise trifft. Teilzeitkräfte würden ohne sachlichen Grund gegenüber Vollzeitkräften ungleich behandelt, wenn diese bei ungeplanten Überstunden über ihre Teilzeitquote hinaus keine Überstundenzuschläge erhielten.
Das BAG hat selbst ausdrücklich festgestellt, dass die beiden Alternativen des § 7 Abs. 8 c TVöD-K verschiedene Sachverhalte regeln, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (BAG, Urteil v. 23.03.2017, 6 AZR 161/16, a.a.O.).
aa) Zwar liegt auch in der zweiten Alternative eine Ungleichbehandlung von Teilzeitkräften zu Vollzeitkräften vor. Wie bereits bezüglich der ersten Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K ausgeführt, ist bei isolierter Betrachtung des Entgeltbestandteils „Überstunden-Zuschlag“ eine Ungleichbehandlung von Teilzeit- und Vollzeitkräften anzunehmen. Während der Vollzeitbeschäftigte bereits für die erste Arbeitsstunde, die über seine regelmäßige Arbeitszeit hinausgeht, einen Überstundenzuschlag erhält, müsste ein Teilzeitbeschäftigter zunächst die gesamte Differenz zur Vollarbeitszeit arbeiten, um danach für die nächsten Stunden einen Überstundenzuschlag zu erlangen.
bb) Das Arbeitsgericht hat jedoch zutreffend für die zweite Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K einen sachlichen Grund im Sinne des § 4 TzBfG für eine solche unterschiedliche Behandlung bejaht.
(1) Die Prüfung der sachlichen Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung hat sich nach ständiger Rechtsprechung des BAG am Zweck der Leistung zu orientieren. Eine unterschiedliche Behandlung von Teilzeitbeschäftigten kann danach gerechtfertigt sein, wenn sich ihr Grund aus dem Verhältnis von Leistungszweck und Umfang der Teilzeitarbeit herleiten lässt. Die Tarifvertragsparteien sind grundsätzlich darin frei, in Ausübung ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten autonomen Regelungsmacht, den Zweck einer tariflichen Leistung zu bestimmen. Dieser ist der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen ausdrücklichen Zweckbestimmung der Leistung zu entnehmen oder im Wege der Auslegung der Tarifnorm – anhand der Anspruchsvoraussetzungen, Ausschließungs- und Kürzungsregelungen – zu ermitteln. Es kommt nicht auf die denkbaren Zwecke an, die mit der betreffenden Leistung verfolgt werden können, sondern auf diejenigen, um die es den Tarifvertragsparteien bei der betreffenden Leistung nach ihrem im Tarifvertrag selbst zum Ausdruck gekommenen und durch die Tarifautonomie geschützten Willen geht (BAG, Urteil v. 19.11.2018, 10 AZR 231/18, in juris recherchiert). An die im Rahmen der Tarifautonomie erfolgte Zweckbestimmung, die im Tarifvertrag zum Ausdruck gekommen ist, sind die Gerichte, sofern sie mit höherrangigem Recht vereinbar ist, gebunden.
Eine tarifvertragliche Bestimmung, die den Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge allein davon abhängig macht, dass über ein bestimmtes Tages- oder Wochenarbeitsvolumen hinaus gearbeitet werde, verfolgt im Wesentlichen den Zweck, eine grundsätzlich zu vermeidende besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen. Ohne Anhaltspunkte im Tarifvertrag kann nicht davon ausgegangen werden, dass es den Tarifvertragsparteien darum geht, durch Verteuerung der über die individuell geschuldete Arbeitsleistung hinausgehenden Arbeitszeiten den individuellen Freizeitbereich zu schützen (BAG, Urteil v. 26.04.2017, 10 AZR 589/15, in juris recherchiert). Mit einem Überstundenzuschlag können die Tarifparteien aber auch allein den Umstand belohnen wollen, dass Arbeitnehmer ohne Freizeitausgleich mehr als vertraglich vereinbart arbeiten und dadurch planwidrig die Möglichkeit einbüßen, über ihre Freizeit frei zu verfügen (BAG, Urteil v. 23.03.2017, a.a.O.).
(2) Die hier maßgeblichen tarifvertraglichen Bestimmungen benennen nicht selbst unmittelbar den Zweck der Überstundenzuschläge. In den Regelungen des TVöD-K und seiner Systematik kommt jedoch – wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat – zum Ausdruck, dass dessen § 7 Abs. 8 c 2. Alternative den Zweck hat, besondere Belastungen auszugleichen, die bei Überschreitung der tariflich vorgesehenen regelmäßigen Arbeitszeit entstehen.
(a) In der zweiten Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K ist für die Entstehung zuschlagspflichtiger Überstunden allein vorausgesetzt, dass innerhalb des Dienstplanturnus die regelmäßige Arbeitszeit dienstplanmäßig überschritten ist. Damit lässt die Regelung selbst keinen anderen Zweck erkennen, als durch die Überschreitung dieser in § 6 Abs. 1 TVöD-K festgelegten Arbeitszeit entstehende Belastung auszugleichen. Die zweite Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K beabsichtigt somit, Beschäftigte vor Belastungen durch Arbeitsstunden zu schützen, die über die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen. Ein Bedarf, auch Teilzeitbeschäftigte vor der Überschreitung ihrer individuellen Teilzeitquote durch die Verteuerung der Arbeitsleistung zu bewahren, haben die Tarifvertragsparteien dagegen nicht gesehen und daher für diese Konstellation keine zusätzliche Entgeltverpflichtung geregelt.
(b) Der Dispositionsbefugnis der Teilzeitkräfte haben die Tarifvertragsparteien bei geplanten Überstunden dagegen in besonderer Weise Rechnung getragen. § 6 Abs. 5 TVöD-K sieht vor, dass Teilzeitbeschäftigte nur aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung oder mit ihrer Zustimmung zur Mehrarbeit also bis zum Erreichen der Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten – herangezogen werden können. Die Tarifvertragsparteien haben damit explizit geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Überschreiten der individuellen Teilzeitquote möglich ist. Innerhalb dieses im Tarifvertrag als „Mehrarbeit“ definierten Stundenbereichs haben Teilzeitbeschäftigte die Erbringung von Zusatzstunden selbst in der Hand. Sie können selbst entscheiden, ob sie Zusatzstunden leisten wollen oder nicht. Ein weitergehender Schutz Teilzeitbeschäftigter vor angeordneter Zusatzarbeit ist schlichtweg nicht möglich. Einen zusätzlichen finanziellen Ausgleich bei Mehrarbeit haben die Tarifvertragsparteien gerade nicht vorgesehen. Aus der unterschiedlichen Verwendung und Bestimmung der Begriffe und dem Regelungszusammenhang ergibt sich damit auch nach Ansicht der erkennenden Kammer unzweifelhaft, dass bei bloßer Mehrarbeit bei Teilzeitbeschäftigten keine geplanten Überstunden im Sinne des § 7 Abs. 8 c 2. Alternative vorliegen, die nach § 8 Abs. 1 Satz 2 a TVöD-K zuschlagspflichtig sind.
(c) Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch die Auffassung vertreten, dass die Ausgleichsmöglichkeit des § 7 Abs. 8 c Alternative 2 TVöD-K nicht für, sondern gegen den Schutz der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit als Ziel dieser Tarifnorm spricht. Denn Eingriffe des Arbeitgebers in den individuellen Freizeitbereich des Arbeitnehmers könnten gegebenenfalls zuschlagslos dadurch kompensiert werden, dass der Arbeitnehmer in anderen Zeiträumen Freizeit erhält, ohne darüber selbst bestimmen zu können. Damit verbleibt es bei dem regelmäßigen Zweck eines Mehrarbeitszuschlags, durch das zusätzliche Entgelt eine besondere Arbeitsleistung auszugleichen.
(d) Auch aus der geringeren Höhe des Überstundenzuschlags für höhere Entgeltgruppen hat das Arbeitsgericht zu Recht nicht auf ein Regelungsziel der zweiten Alternative, die Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit zu schützen, zu schließen vermocht. Dass die Unterscheidung nur damit erklärt werden kann, dass die Überstunden von Arbeitnehmern höherer Entgeltgruppen aus Sicht der Tarifvertragsparteien jedenfalls teilweise bereits durch das Tabellenentgelt abgedeckt sind, bedeutet jedoch nicht, dass es diesen nach dem Tarifzweck eher zuzumuten ist, sich in ihrer Freizeit einzuschränken und für das Freizeitopfer lediglich einen geringeren Zuschlag zu erlangen. Die Tarifvertragsparteien muten vielmehr Arbeitnehmern höherer Eingruppierungen eine höhere Belastung eher zu als Arbeitnehmern geringerer Entgeltgruppen. Der Tarifvertrag differenziert auch an anderer Stelle – etwa bei den Jahressonderzahlungen in § 20 Abs. 2 TVöD-K – hinsichtlich der Leistungshöhe zwischen den niedrigeren und höheren Entgeltgruppen. Das zeigt, dass Arbeitnehmern niedrigerer Entgeltgruppen durch zusätzliche Entgeltleistungen – unabhängig vom jeweiligen Leistungszweck – mehr begünstigt werden, als Arbeitnehmer höherer Entgeltgruppen (so auch LAG Nürnberg, Urteil v. 30.04.2019, 7 Sa 346/18)..
(e) Den Tarifvertragsparteien war auch das Rechtsproblem, ob und inwieweit Teilzeitbeschäftigte durch die Differenzierung von Mehrarbeit und Überstunden bei der Zahlung von Überstundenzuschlägen benachteiligt würden, bekannt.
Das BAG hat in seinem Urteil vom 25.07.1996 (6 AZR 138/94, in juris recherchiert) zu dem § 7 Abs. 7 TVöD inhaltlich vergleichbaren § 17 BAT entschieden, dass dieser in Einklang mit der geltenden Rechtsordnung stünde und eine sachlich ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitbeschäftigten aufgrund der von den Tarifparteien verfolgten Zweckbestimmung der Regelung nicht gegeben sei. Dennoch haben die Tarifvertragsparteien im TVöD-K keine abweichende Regelung zur Zuschlagspflichtigkeit von Arbeitsstunden, die Teilzeitkräfte über ihr arbeitsvertraglich vereinbartes Soll hinaus leisten, getroffen. Daher ist davon auszugehen, dass im Hinblick auf die langjährig geübte Auslegung des BAT die Regelungen des TVöD mit keinem anderen Tarifverständnis versehen werden sollten. Andernfalls wäre eine entsprechende Klarstellung zu erwarten gewesen.
(f) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung des BAG vom 19.12.2018 (10 AZR 231/18).
Dort lag der Entscheidung der Manteltarifvertrag für Systemgastronomie zugrunde. Dieser sah unter Nummer 4 Mehrarbeit – Mehrarbeitszuschlag vor, dass bei einer festgelegten Jahresarbeitszeit nach Ziffer 3 Mehrarbeit diejenige Arbeitsleistung ist, die vom Arbeitgeber angeordnet, gebilligt oder geduldet wurde und die am Ende des 12-Monats-Zeitraums über die vereinbarte Jahresarbeitszeit hinausgeht. Damit stellt dieser Tarifvertrag ausdrücklich auf die vereinbarte, d.h. individuelle Arbeitszeit ab. Darüber hinaus differenziert dieser Tarifvertrag selbst nicht zwischen Mehrarbeit und Überstunden, sondern spricht alleine von Mehrarbeit.
Aus der Systematik dieses Manteltarifvertrages für Systemgastronomie konnte das BAG nicht erkennen, dass die Mehrarbeitszuschläge dem Ausgleich besonderer Belastungen dienen sollen, wenn Arbeitnehmer über die tarifliche Arbeitszeit einer Vollzeitkraft hinaus tätig werden. Das BAG hat im Rahmen dieses Tarifvertrages für die unmittelbare Benachteiligung keine sachlichen Gründe, die die Tarifvertragsparteien hätten bestimmen können, gesehen. Die Auslegung dieses Tarifvertrages hat nach Auffassung des BAG ergeben, dass mit den Mehrarbeitszuschlägen der Zweck verfolgt werden solle, Einbußen der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit zu belohnen und den Arbeitgeber von Eingriffen in den geschützten Freizeitbereich der Arbeitnehmer abzuhalten, gesehen.
Die Tarifvertragsparteien des TVöD-K wollen jedoch mit den Überstundenzuschlägen für geplante Überstunden im Sinne der zweiten Alternative des § 7 Abs. 8 c TVöD-K einen anderen Zweck verfolgen, nämlich den Belastungsausgleich, den sie erst bei Überschreiten der Vollzeitarbeitszeit als gegeben ansehen. Dieser Wille der Tarifvertragsparteien ist zu respektieren.
Diese Belastungsgrenze hat die Klägerin jedoch in keinem Monat überschritten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92, 97 ZPO.


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