Arbeitsrecht

Unionsrechtliches Verbot der Altersdiskriminierung bei der Besoldung von Richtern und Staatsanwälten

Aktenzeichen  M 5 K 16.693

Datum:
14.6.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RL 2000/73/EG
BayBesG BayBesG Art. 106
BBesG BBesG § 27, § 28

 

Leitsatz

1. Ein qualifizierter Verstoß gegen die RL 2000/78/EG liegt bei einer an das Lebensalter anknüpfenden Besoldung von Richtern und Staatsanwälten in der Besoldungsgruppe R erst ab Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Hennigs/Mai“ (EuGH BeckRS 2011, 81310) am 8. September 2011 vor.  (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Übergangsregelung des Art. 106 Abs. 3 iVm Abs. 2 S. 1 BayBesG, nach der die Einstufung der vorhandenen Besoldungsempfänger in das neue nach Erfahrungsstufen gegliederte Besoldungssystem betragsmäßig anhand des am 31. Dezember 2010 erreichten Grundgehalts erfolgt, ist gerechtfertigt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Leistungsklage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 14. Januar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat für den streitgegenständlichen Zeitraum – beginnend ab dem 1. Januar 2011 – keinen Anspruch auf Bemessung ihrer Besoldung auf der Grundlage einer höheren Erfahrungsstufe als vom Beklagten vorgenommen und auf Auszahlung des sich hieraus ergebenden Differenzbetrages. Dies gilt sowohl für die Zeitspanne des Hauptantrages, als auch für die dahinter zurückbleibende Zeitspanne des Hilfsantrages.
1. Allerdings ist davon auszugehen, dass die bis 31. Dezember 2010 erfolgte Besoldung der Klägerin auf der Grundlage des bis dahin geltenden Besoldungssystems gegen das unionsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung verstieß. Das Bundesverwaltungsgericht hat für ein mit §§ 27 und 28 Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) vergleichbares Besoldungssystem ausdrücklich festgestellt, dass (erst) ab Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Hennigs/Mai“ (C-297/10 und C-298/10) am 8. September 2011 von einem qualifizierten Verstoß gegen die RL 2000/78/EG auszugehen ist, da die erstmalige Zuordnung eines Beamten in eine Besoldungsstufe seiner Besoldungsgruppe an das Lebensalter anknüpft und zu einer unmittelbar auf dem Kriterium des Lebensalters beruhenden Ungleichbehandlung führt (BVerwG, U.v. 30.10.2014 – 2 C 6.16 – BVerwGE 150, 234, juris). Dies gilt gleichermaßen für die Besoldung der Richter und Staatsanwälte in der Besoldungsordnung R, die ausschließlich an das Lebensalter anknüpfte.
Da auch hinsichtlich der ab 1. Januar 2011 maßgeblichen Einstufung der vorhandenen Besoldungsempfänger in das neue nach Erfahrungsstufen gegliederte Besoldungssystem die Zuordnung zur jeweiligen Stufe betragsmäßig anhand des am 31. Dezember 2010 erreichten Grundgehalts erfolgt (vgl. Art. 106 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 BayBesG für Richter und Staatsanwälte) wird die bis dahin bestehende Diskriminierung teilweise fortgeschrieben.
2. Die vorgenannte Übergangsregelung ist jedoch zur Wahrung des Besitzstandes der vorhandenen Besoldungsempfänger und zur Vermeidung eines übermäßigen Verwaltungsaufwandes für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten gerechtfertigt (BVerwG, U.v. 30.10.2014 – 2 C 32.13 – juris für das sächsische Besoldungsrecht sowie U.v. 30.10.2014 – 2 C 6.16, Rn. 68 für das sachsen-anhaltinische Besoldungsrecht unter Hinweis auf EuGH, U.v. 19.6.2014 in der Rechtssache „Specht“ – C-501/12, dort für das Besoldungsrecht des Landes Berlin).
a) Ebenso, wie in den jeweils streitigen Besoldungssystemen, sollte auch in Bayern bei der Überführung der vorhandenen Besoldungsempfänger in die neue Besoldung sichergestellt werden, dass durch die neue Stufenzuordnung keine Besoldungseinbußen auftreten. Insoweit war der beabsichtigte Bestandsschutz jedenfalls auch tragendes Motiv der vorgenommenen Überleitung auf der Grundlage des am 31. Dezember 2010 erreichten Besoldungsbetrages (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung zu Art. 106 BayBesG, Bayerischer Landtag, Drs. 16/3200, S. 440).
b) Gleichermaßen wie in den Besoldungssystemen der vorgenannten Bundesländer wurde in Bayern die betragsmäßige Überführung der vorhandenen Besoldungsempfänger in das neue Besoldungssystem auch deshalb gewählt, um einen übermäßigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden. Eine alternativ denkbare, einzelfallbezogene Ermittlung der Dienstzeit unter Berücksichtigung individueller Werdegänge einschließlich des Wechsels in ein Beamtenverhältnis und des Rückwechsels in ein Richterverhältnis und individuell anrechenbarer förderlicher Vordienstzeiten zur Einstufung in das neue Besoldungssystem wäre zum einem relativ fehleranfällig gewesen und hätte zum anderen angesichts der Summe aller Bestandsbeamten und Richter einen sehr hohen Verwaltungsaufwand verursacht.
Die demgegenüber vorgezogene pauschalierende Überführung in das neue Besoldungssystem auf der Grundlage einer betragsmäßigen Stufenzuordnung bedingt – gemessen an dem Kriterium der dienstlichen Erfahrung – gewisse Einstufungsunschärfen für Beamte und Richter, die vor dem 1. Januar 2011 eingestellt wurden, mit teilweiser Günstigerstellung bzw. Schlechterstellung dienstälterer bzw. dienstjüngerer Beamten und Richter. Die Klägerin hat eine entsprechende Benachteiligung im Einzelnen für ihre Person aufgezeigt.
Allerdings handelt es sich hierbei nur um eine temporär wirkende Perpetuierung der diskriminierenden Wirkung des vormals geltenden Besoldungssystems. Spätestens mit dem Erreichen der jeweiligen Endstufe der vorbezeichneten Beamten und Richter endet diese Wirkung. Im Falle der Besoldungsempfänger, die – wie die Klägerin – nach der Besoldungs-ordnung R besoldet werden, deren Stufen im Zweijahresrhythmus ansteigen, wird die Endstufe noch wesentlich schneller erreicht als bei den Beamten, die nach der Besoldungsordnung A besoldet werden, deren Stufen gestaffelt im Zwei-/Drei- oder Vierjahresrhythmus ansteigen.
Da der Gesetzgeber bei einem Systemwechsel in der Besoldung für die Regelung des Übergangs einen weiten Organisationsspielraum hat, ist angesichts der vorstehend aufgezeigten Vor- und Nachteile denkbarer Regelungen der gewählte Weg einer Überleitung nach einer betragsmäßigen Stufenzuordnung rechtlich nicht zu beanstanden (so auch OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 25.2.2016 – OVG 7 B 21.15 – juris, für das Besoldungsrecht des Bundes).
c) Für die in Bezug genommene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im dortigen Urteil vom 19. Juni 2014 (C-501/12, C-506/12, C-540/12 und C-541/12) zum Besoldungsrecht des Landes Berlin liegt auch nicht eine länderspezifische Besonderheit zugrunde. Insbesondere hat der Europäische Gerichtshof nicht maßgeblich auf die finanzielle Lage Berlins abgestellt (vgl. hierzu im Einzelnen: OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 15.2.2016 – a. a. O., Rn. 33). Die angesprochene höchstrichterliche Rechtsprechung ist daher auch auf die hier im Streit stehende Überleitungsregelung im Bayerischen Besoldungsrecht anwendbar.
3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 20.964,91 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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