Arbeitsrecht

Unwirksamkeit einer vereinbarten einseitigen Kündigungsmöglichkeit

Aktenzeichen  11 Ca 13861/15

Datum:
10.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 52190
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 174, § 242

 

Leitsatz

1. Wenn eine Erklärung als Kündigung zu verstehen ist, dann muss sich für den gekündigten Arbeitnehmer zweifelsfrei ergeben, ob sie fristgemäß oder fristlos gelten soll und zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll. Der Beendigungstermin muss zweifelsfrei bestimmbar sein (ebenso BAG BeckRS 2013, 72929). (Rn. 17) (red. LS Andy Schmidt)
2. Folgt die Unwirksamkeit des einseitigen Kündigungsrechts aus einer gesetzlichen Vorschrift, genießt das Vertrauen auf die Wirksamkeit einer verbotswidrigen Vereinbarung grundsätzlich keinen Schutz. In besonderen Fällen kann die Geltendmachung der Nichtigkeit einer Regelung jedoch treuwidrig und damit nach § 242 BGB unzulässig sein, und zwar in den Fällen, in denen die betreffende Partei sich dadurch zu ihrem früheren Verhalten in Widerspruch setzt.     (Rn. 18 – 23) (red. LS Andy Schmidt)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) und zu 2) durch die Kündigung vom 16. November 2015 nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 28. Februar 2016 fortbestand.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Streitwert wird auf EURO 360.824,– festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage war unbegründet.
I.
Die Klage war zulässig. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3, 3 b ArbGG eröffnet. Die örtliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts folgt aus § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 12, 17 ZPO.
II.
1. Die Kündigung, datierend auf den 16.11.2015 (K2, Bl. 29 d.A.) ist unwirksam. Eine Kündigung muss ausreichend bestimmt sein, zumindest in bestimmbarer Weise ausgesprochen worden sein. Sie ist als Gestaltungsrecht bedingungsfeindlich. Ist eine Erklärung als Kündigung zu verstehen, muss sich für den gekündigten Arbeitnehmer zweifelsfrei ergeben, ob sie fristgemäß oder fristlos gelten soll und zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis enden soll. Der Beendigungstermin muss zweifelsfrei bestimmbar sein (BAG, 23.05.2013, NZA 2013, 1197 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Kündigungsschreiben, das auf den 16.11.2015 datiert, nicht. Das Kündigungsschreiben nimmt sowohl den Zeitpunkt 31.12.2015 sowie den 28.02.2016 in Bezug. Damit gibt das Kündigungsschreiben zwei unterschiedliche Kündigungsdaten an und ist mithin nicht widerspruchsfrei formuliert. Auch lässt eine Auslegung keine zweifelsfreie Bestimmbarkeit zu. Aus diesem Grund war festzustellen, dass die Kündigung, die auf den 16.11.2015 datiert, bereits wegen fehlender Bestimmbarkeit unwirksam ist und das Arbeitsverhältnis nicht auflösen konnte.
2. Die Kündigung vom 27.11.2015 beendete das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2016. Aus diesem Grund waren auch die übrigen Klageanträge abzuweisen, da die Kündigungsschutzanträge ins Leere gingen, da das Arbeitsverhältnis bereits durch diese Kündigung zum 28.02.2016 beendet wurde. Dies gilt gleichermaßen für die Haupt- wie auch die Hilfsanträge. Auch der Klageantrag, gerichtet auf den Annahmeverzugslohn für März 2016, war aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen. Zwar ist es zutreffend, dass das im Anstellungsvertrag vereinbarte einseitige Kündigungsrecht unwirksam ist, das führt aber nicht dazu, dass der Kläger sich im Ergebnis hierauf berufen kann.
a. Wie auch die Klagepartei in ihrem Schriftsatz vom 02.07.2018 einräumt, ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass in besonderen Fällen die Geltendmachung der Nichtigkeit einer Regelung treuwidrig und damit nach § 242 BGB unzulässig sein kann, wenn die betreffende Partei sich dadurch zu ihrem früheren Verhalten in Widerspruch setzt. Im Fall der Nichtigkeit wegen Gesetzesverstößen kommt dies jedoch in aller Regel nicht in Betracht, da das Vertrauen auf die Wirksamkeit einer verbotswidrigen Vereinbarung keinen Schutz verdiene (vgl. Armbrüster in: Münchner Kommentar zum BGB, § 143 BGB m.w.N.).
b. Der Einwand des § 242 BGB greift hier durch. Der Kläger kann sich weder auf die Unwirksamkeit des einseitig eingeräumten Kündigungsrechts berufen noch darauf, dass eine Abweichung von den vertraglichen Vereinbarungen der Schriftform bedarf. Dies selbst dann, wenn man von einer Unwirksamkeit der vereinbarten Schriftformklausel ausgeht und die Beklagten als Steller dieser Klauseln sich nicht auf die Unwirksamkeit berufen könnten. Es ist zwar zutreffend, dass vorliegend die Unwirksamkeit des einseitigen Kündigungsrechts aus einer gesetzlichen Vorschrift folgt und das Vertrauen auf die Wirksamkeit einer verbotswidrigen Vereinbarung grundsätzlich keinen Schutz genießt. Hier weist der Fall jedoch gravierende Besonderheiten auf. Wie oben aufgezeigt, ist es in der Rechtsprechung anerkannt, dass derjenige sich nicht auf etwas berufen kann, was ihm gegenüber wiederum Schadensersatzansprüche auslösen würde. So liegt der Fall hier. Letztendlich kommt es nicht darauf an, ob das einseitige Kündigungsrecht unwirksam ist oder nicht, jedenfalls hat der Kläger durch sein Verhalten bei den Beklagten den Eindruck erweckt, dass eine Kündigung zum 28.02.2016 möglich sei. Dies fußt zunächst darin, dass der Kläger als Justiziar bei den Beklagten tätig war, also nicht nur seine eigenen Interessen vertreten durfte, sondern auch auf die Interessen der Beklagten zu achten verpflichtet war. Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger in den Vertragsverhandlungen, die seine eigene Person betrafen, zum Ausdruck brachte, dass er seine Interessen vertrete, so brachte er zumindest nicht hinreichend zum Ausdruck, dass er gegenüber den Beklagten keinerlei Hinweispflichten nachkommen wolle. In diesem Zusammenhang trägt er selbst vor, dass er die Beklagten darauf hingewiesen habe, dass sie den Entwurf des Arbeitsvertrages einem anderen Anwalt geben könnten, oder aber er sie selbst durch den Vertrag führen könne. Mit diesem Vortrag aus dem Schriftsatz vom 08.03.2016 (Bl. 110 d.A.) macht der Kläger selbst deutlich, dass er sich nicht vollständig von den Verpflichtungen gegenüber den Beklagten distanziere, auch nicht in einer Situation, in der es um die Vertragsverhandlung eines Anstellungsvertrages für ihn selbst ging. Sollte dies für sich genommen noch nicht genügen um einen Pflichtenverstoß annehmen zu können, so erfährt das in Anspruch genommene Vertrauen des Klägers gegenüber den Beklagten einen besonderen Grad der Verdichtung in dem Bestätigungsschreiben, das der Kläger am 18.09.2015 verfasste. Dort bestätigt der Kläger ausdrücklich, dass die Beklagten seinen Arbeitsvertrag zum 31.11.2015 mit Wirkung zum 28.02.2016 kündigen könnten. Durch diese Bestätigung macht der Kläger sich die Aussage zu eigen, dass der Vertrag überhaupt gekündigt werden kann. Damit distanziert er sich nicht nur nicht von einem gegebenenfalls von einer anderen Kanzlei entworfenen Vertrag, sondern macht sich die Möglichkeit einer Kündigung ausdrücklich im Erklärungstatbestand zu eigen. Darüber hinaus setzt der Kläger den weitergehenden Erklärungstatbestand, dass nach seiner Rechtsauffassung eine Kündigung auch zu einem späteren Zeitpunkt – hier den 28.02.2016 – möglich sei. Der Kläger setzt also zwei das Vertrauen der Beklagten begründenden Erklärungstatbestände. Einmal denjenigen, dass eine Kündigung grundsätzlich möglich ist und zum Zweiten denjenigen, dass eine Kündigung zum 28.02.2016 möglich ist. Ausgehend von diesem gesetzten Erklärungstatbestand muss, selbst wenn man unterstellt, der Kläger wusste nicht, dass die arbeitsvertragliche Regelung unwirksam ist, von einem bei den Beklagten angestellten Juristen verlangt werden, dass er auf diese fehlende positive Kenntnis hinweist. Jedenfalls liegt in diesem Erklärungstatbestand eine vertrauensbildende Maßnahme, die der Kläger bewusst gesetzt hat, und die letztlich zu einer Pflichtverletzung wird, da sie gespiegelt an der juristisch fehlenden Kündigungsmöglichkeit die Beklagten in dem Irrtum lässt, dass diese kündigen könnten. Geht man nun davon aus, dass eine Kündigungsmöglichkeit ausgeschlossen ist, so könnten die Beklagten den Kläger nicht, wie erfolgt, zum 28.02.2018 kündigen und müssten die entsprechenden Annahmeverzugslöhne an diesen auszahlen. Hierdurch entstünde der zur Pflichtverletzung des Klägers kausale Schaden den dieser wiederum im Rahmen eines Schadensersatzprozesses gegenüber dem Beklagten rückführen müsste. In diesem Punkt greift der Einwand, der in der Rechtsprechung anerkannt ist, ein.
Damit steht dem Kläger eine Berufung auf die Unwirksamkeit der einseitigen Kündigungsmöglichkeit der Beklagten entgegen, dass er sich selber schadensersatzpflichtig gemacht hat, indem er nicht auf die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung hingewiesen hat, bzw. was diesen Umstand noch deutlicher macht, diese Kündigungsmöglichkeit positiv festgehalten und gegenüber der Beklagten bestätigt hat.
Es kommt daher gar nicht mehr streitentscheidend darauf an, ob das Bestätigungsschreiben vom 18.09.2015 eine Abänderung des Arbeitsvertrages darstellen kann und ob die Schriftformklausel im Arbeitsvertrag unwirksam ist oder nicht.
Denn jedenfalls kann sich der Kläger auf eine fehlende Kündigungsmöglichkeit, wie oben dargestellt, nicht berufen.
c. Der Kündigung steht auch nicht die Zurückweisung nach § 174 BGB entgegen.
Die Kammer ist nach der Einvernahme der Zeugin, Frau G., zu der Überzeugung gelangt, dass diese glaubwürdig nachweisen konnte, dass dem Kläger nicht nur die Kündigung, sondern auch die entsprechenden Vollmachtsunterlagen zugegangen sind. Die Zeugin G. schilderte die Ereignisse im Zusammenhang mit der Zustellung zwar lückenhaft, aber in sich überzeugend und schlüssig. Im Rahmen ihrer Aussage gab es zwar Unsicherheiten und – plausible – Erinnerungslücken, es war aber für die Kammer wesentlich, dass gerade mit Blick auf die Situation der Zustellung die wesentlichen Darstellungen schlüssig und glaubwürdig erfolgten.
Zwar steht die Zeugin G. im Lager der Beklagten. Das Gericht konnte jedoch keine Anzeichen dafür erkennen, dass sie gezwungenermaßen eine Aussage zugunsten der Beklagten haben sollte. Für die Darstellung der Beklagten und die Glaubwürdigkeit der Zeugin G. spricht auch der Umstand, dass sich die Zeugin gerade nicht gut vorbereitet und eingelesen in den Sachverhalt zu den Vorgängen äußerte. Im Gegenteil, merkte man sehr deutlich, dass die Zeugin über einen Vorgang, der sehr lange zurückliegt berichtet und sich ganz offensichtlich mit den zuvor schriftsätzlich geäußerten Einlassungen nicht noch einmal befasst hatte. Das erklärt auch die Widersprüchlichkeiten im Rahmen der Zeugenaussage betreffend die Unterschriften. Allein der Umstand, dass sich die Zeugin hier im Detail in ihrer Erinnerung widersprach und eine genaue Erinnerung nicht wiedergeben konnte, lässt sie nicht weniger glaubwürdig erscheinen in Bezug auf den Umstand, dass zwei Umschläge mit Vollmachtsurkunde und Kündigung von ihr eingeworfen wurden.
Die ergänzende Parteieinvernahme des Klägers führte zu keinem anderen Ergebnis. Nach der Überzeugung der Kammer ist der Zugang der Vollmachtsurkunden nachgewiesen. Die Aussage des Klägers, er habe lediglich einen Umschlag dem Briefkasten entnommen, lässt zumindest die Möglichkeit offen, dass entweder seine Frau vorab versehentlich auch den Umschlag mit den Vollmachtsurkunden mitgenommen hat, oder eine andere denkbare Alternative bestanden hat. Jedenfalls ist die Aussage der Zeugin G. durch die Parteieinvernahme nicht erschüttert. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Beweis vollständig erbracht ist.
III.
Als unterlegene Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreites zu tragen. Im Verhältnis zu den Gesamtkosten war eine geteilte Kostentragungspflicht nicht angezeigt. Der Streitwert ergibt sich aus § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO.


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