Arbeitsrecht

Vergleichsgruppe für fiktive Laufbahnnachzeichnung für freigestelltes Personalratsmitglied

Aktenzeichen  Au 2 K 17.168

Datum:
6.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 121644
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
LlbG Art. 17a
BayPVG Art. 8

 

Leitsatz

Bei der Bildung der Vergleichsgruppe für die fiktive Laufbahnnachzeichnung für ein freigestelltes Personalratsmitglied ist keine Unterscheidung zwischen Aufstiegsbeamten und Direkteinsteigern in die dritte Qualifikationsebene erforderlich. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die mit Bescheid des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 3. November 2015 für den Kläger erstellte fiktive Laufbahnnachzeichnung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 6. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht der geltend gemachte Anspruch, den Beklagten unter Aufhebung der streitgegenständlichen fiktiven Laufbahnnachzeichnung zu verpflichten, seine fiktive Laufbahnentwicklung für den Beurteilungszeitraum vom 1. Juni 2012 bis 31. Mai 2015 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut fortzuschreiben, nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Nach Art. 17a Abs. 2, Abs. 1 LlbG ist die dienstliche Beurteilung bei einer Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit wegen einer Mitgliedschaft im Personalrat, ausgehend von der letzten periodischen Beurteilung, unter Berücksichtigung des seinerzeit angelegten Maßstabs und der durchschnittlichen Entwicklung vergleichbarer Beamter und Beamtinnen fiktiv fortzuschreiben. Art. 8 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) sieht vor, dass die Freistellung eines Personalratsmitglieds vom Dienst nicht zu einer Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs führen darf. Das Benachteiligungsverbot soll sicherstellen, dass die Mitglieder des Personalrats ihre Tätigkeit unabhängig wahrnehmen können. Darüber hinaus soll es verhindern, dass Bedienstete von einer Mitarbeit im Personalrat, insbesondere von einer Freistellung vom Dienst, aus Sorge um ihre beruflichen Perspektiven Abstand nehmen (Faber in Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Stand März 2017, Art. 8 Rn. 17 ff.). Daher folgt aus dem personalvertretungsrechtlichen Benachteiligungsverbot, dass der Dienstherr freigestellten Personalratsmitgliedern diejenige berufliche Entwicklung ermöglichen muss, die sie ohne die Freistellung voraussichtlich genommen hätten (Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand Dezember 2016, Art. 17a LlbG Rn. 9). Die Freistellung darf die Chancen, sich in einem Auswahlverfahren um ein höheres Amt nach Art. 33 Abs. 2 GG durchzusetzen, nicht verbessern, aber auch nicht beeinträchtigen (BVerwG, U.v. 21.9.2006 – 2 C 13.05 – BVerwGE 126, 333)
Um diese gesetzliche Verpflichtung zu erfüllen, muss der Dienstherr mit der fiktiven Nachzeichnung der Laufbahn eine Prognose darüber erstellen, wie der berufliche Werdegang ohne die Freistellung verlaufen wäre. Hierbei kommt ihm ein Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Methode und des Verfahrens zur Erstellung der Prognose zu. Das Regelungskonzept für die fiktive Nachzeichnung ist geeignet, eine Benachteiligung zu vermeiden, wenn seine Anwendung zu nachvollziehbaren, weil durch Tatsachen fundierten Aussagen über die fiktive Leistungsentwicklung und den sich daraus ergebenden Werdegang führt (BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 2 B 11.14 – juris Rn. 12; U.v. 16.12.2010 – BVerwG 2 C 11.09 – BayVBl. 2011, 508; BayVGH, B.v. 24.5.2017 – 3 CE 17.465 – juris Rn. 25; B.v. 25.1.2016 – 3 CE 15.2014 – RiA 2016, 78).
Die fiktive Fortschreibung fingiert nicht nur eine tatsächlich im Beurteilungszeitraum nicht erbrachte Leistung, sie unterstellt auch eine Fortentwicklung der Leistungen des Beamten entsprechend dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang einer Gruppe vergleichbarer Beamter (BVerwG, U.v. 16.12.2010 – 2 C 11.09 – Rn. 9). Die Bildung einer solchen Vergleichsgruppe stellt deshalb ein geeignetes Mittel zur fiktiven Nachzeichnung dar (BVerwG, B.v. 21.7.2016 – 1 WB 8.16 – juris Rn. 36; B.v. 11.12.2014 – 1 WB 6.13 – juris Rn. 35, BayVGH, B.v. 24.5.2017 a.a.O. Rn. 26). Der Dienstherr darf eine Gruppe aus Personen zusammenstellen, deren beruflicher Werdegang und Leistungsbild mit denjenigen des freigestellten Personalratsmitglieds vergleichbar sind.
Entscheidet sich der Dienstherr für die fiktive Nachzeichnung durch Bildung einer Vergleichsgruppe, muss er sicherstellen, dass sowohl die generellen Kriterien für die Gruppenbildung als auch deren personelle Zusammensetzung im Einzelfall dem gesetzlichen Benachteiligungsverbot Rechnung tragen. Von der Zusammensetzung der konkreten Vergleichsgruppe hängt entscheidend ab, wie groß die Chancen des freigestellten Personalratsmitglieds sind, aufgrund der Vergleichsbetrachtung mit den anderen Gruppenmitgliedern befördert zu werden. Daher darf der Dienstherr die Vergleichsgruppe nicht so zusammenstellen, dass eine Beförderung des freigestellten Personalratsmitglieds unabhängig von dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang der anderen Gruppenmitglieder ausgeschlossen ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 2 B 11.14 – ZfPR 2014, 98; BayVGH, B.v. 25.1.2016 – 3 CE 15.2014 – RiA 2016, 78).
Die durch den Dienstherrn auf der Grundlage der im IMS vom 20. September 2015 (IC3-0384-26) hierzu geregelten Verwaltungsvorschriften gebildete Vergleichsgruppe ist rechtlich nicht zu beanstanden. Ausgehend von einem Gesamturteil von 11 Punkten in der letzten periodischen Beurteilung des Klägers zum Stichtag 31. Mai 2012 hat der Dienstherr die Vergleichsgruppe aus solchen Beamten gebildet, die zum selben Stichtag im gleichen Statusamt (Besoldungsgruppe A 11) derselben Fachlaufbahn ebenfalls mit 11 Punkten bewertet worden sind. Insgesamt entstand hierdurch eine Vergleichsgruppe von 122 Beamtinnen und Beamten, die im Durchschnitt zum Stichtag 31. Mai 2015 mit einem Wert von 11,32 Punkten beurteilt wurden (Ab-) Gerundet ergibt dies für den Kläger ein Gesamturteil von 11 Punkten (s. Nr. 2 Unterpunkt 3, IMS v. 20.9.2015).
Überzeugende Gründe dafür, dass der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, bei der Zusammenstellung der Vergleichsgruppe zwischen Beamtinnen und Beamten, die – wie der Kläger – im Wege der Ausbildungsqualifizierung von der zweiten in die dritte Qualifikationsebene aufgestiegen sind und solchen, die ihren Dienst direkt in der dritten Qualifikationsebene begonnen haben, zu differenzieren, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Das gewählte Vorgehen des Dienstherrn unterliegt seiner Organisationsfreiheit und bewegt sich im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums hinsichtlich der Wahl der Methode und des Verfahrens zur Erstellung der fiktiven Laufbahnnachzeichnung (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 2 B 11.14 – ZfPR 2014, 98). Er ist nicht verpflichtet, (noch) homogenere Vergleichsgruppen zu bilden. Derartige Vorgaben lassen sich dem Gesetz (Art. 17a LlbG, Art. 8 BayPVG) nicht entnehmen. Art. 17a Abs. 2 LlbG verlangt die Fortschreibung der „letzten dienstlichen Beurteilung gemäß Abs. 1“, d.h. es sind der seinerzeit angelegte Maßstab und die durchschnittliche Entwicklung vergleichbarer Beamten und Beamtinnen zu berücksichtigten. Diesen Anforderungen wird die der fiktiven Laufbahnnachzeichnung zugrunde gelegte Vergleichsgruppe gerecht. Die vom Kläger verlangte Unterscheidung zwischen Aufstiegsbeamten und Direkteinsteigern in die dritte Qualifikationsebene findet im Gesetz keine Stütze. Die Vergleichbarkeit ist dadurch nicht in Frage gestellt, zumal bei der Erstellung der periodischen Beurteilung ebenfalls keine entsprechende Differenzierung erfolgt (Art. 58 Abs. 2 LlbG i.V.m. Nr. 2.1 der Beurteilungsrichtlinie). Außerdem bergen dementsprechend kleinere, noch weiter ausdifferenzierte Vergleichsgruppen – zumindest in manchen Fallkonstellationen –, die Gefahr, dass die Maßgaben zum Mindestumfang der Vergleichsgruppe nicht eingehalten werden können (BVerwG, B.v. 11.12.2014 – 1 WB 6.13 – Rn. 40; B.v. 21.7.2016 – 1 WB 8.16 – Rn. 38). Eine Benachteiligung im Sinn von Art. 8 BayPVG ist in der Vergleichsgruppenbildung nicht zu sehen. Eine solche wurde substantiiert nicht dargetan und ist – wie gerade die zum 1. Februar 2017 erfolgte Beförderung des Klägers in ein Amt der Besoldungsgruppe A 12 zeigt – auch sonst nicht ersichtlich.
Auch die übrigen vom Kläger angeführten Gesichtspunkte können der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Insbesondere ist – abgesehen davon, dass der Kläger auch bei Heranziehung des Gesamturteils des sich in der Mitte der Vergleichsgruppe befindlichen Beamten (Median bzw. Zentralwert) kein besseres Ergebnis erzielen würde – die vom Beklagten angewendete Berechnungsmethode des arithmetischen Mittels nicht zu beanstanden. Jedenfalls kommt der Dienstherr damit der gesetzlichen Vorgabe des § 17a Abs. 1 LlbG die „durchschnittliche Entwicklung“ fortzuschreiben im Rahmen seiner Einschätzungsprärogative in rechtlich nicht zu beanstandender Art und Weise nach.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124, § 124a VwGO).


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