Arbeitsrecht

Vergütungsanspruch einer studentischen Hilfskraft nach dem TV-L

Aktenzeichen  2 Ca 428/18

Datum:
24.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 44387
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
TV-L § 1 Abs. 3 lit. c
BayHSchG Art. 19 Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Die Beschäftigung als studentische Hilfskraft iSv § 1 Abs. 3 lit. c TV-L setzt voraus, dass der mit dem Studenten geschlossene Arbeitsvertrag auf die Erledigung wissenschaftsspezifischer Aufgaben gerichtet ist. Hat der Arbeitsvertrag sowohl wissenschaftliche als auch nicht wissenschaftliche Tätigkeiten zum Gegenstand, so kommt es für den persönlichen Geltungsbereich im Hinblick auf § 1 Abs. 3 lit. c TV-L maßgeblich darauf an, welche Tätigkeiten zeitlich überwiegen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 238,05 € brutto nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.06.2018 zu bezahlen.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 90% und der Beklagte 10%.
IV. Der Streitwert wird auf 2.322,77 € festgesetzt.
V. Die Berufung wird für beide Parteien zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Hinblick auf die Monate November 2017 und Dezember 2017 iHv. jeweils 75,15 € brutto und für den Monat Januar 2018 iHv. 87,75 € brutto, mithin iHv. insgesamt 238,05 € begründet. In diesen Monaten wurde der Kläger nicht als studentische Hilfskraft iSd. § 1 Abs. 3 Buchst c TV-L beschäftigt, so dass er unter den persönlichen Anwendungsbereich des TV-L fiel und ihm Tariflohn nach der Entgeltgruppe 2 Stufe 1 zu zahlen war. Demgegenüber wurde der Kläger in den Monaten Februar und März 2018 als studentische Hilfskraft beschäftigt, so dass er in dieser Zeit gem. § 1 Abs. 3 Buchst c TV-L nicht unter den persönlichen Anwendungsbereich des TV-L fiel. Für diese Zeit stehen ihm daher auch keine Tariflohnansprüche zu, so dass die Klage insoweit abzuweisen war.
Abzuweisen war die Klage auch hinsichtlich der geltend gemachten Verzugskostenpauschale gem. § 288 Abs. 5 BGB. Insoweit schließt § 12 a Abs. 1 S. 1 ArbGG als spezielle arbeitsrechtliche Regelung einen Anspruch auf Kostenerstattung für bis zum Schluss einer eventuellen ersten Instanz entstandene Beitreibungskosten und damit insoweit auch einen Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB aus (vgl. grundlegend BAG vom 25.09.2018 – 8 AZR 26/18)
I.
Der Kläger wurde nur in den Monaten Februar und März 2018 als studentische Hilfskraft iSd. § 1 Abs. 3 Buchst c TV-L beschäftigt, nicht aber in den Monaten November 2017, Dezember 2017 und Januar 2018. In diesen Monaten fiel der Kläger unter den persönlichen Anwendungsbereich des TV-L, so dass ihm Tariflohn nach der Entgeltgruppe 2 Stufe 1 zu zahlen war. Die Klage ist daher im Hinblick auf die Monate November 2017 und Dezember 2017 iHv. jeweils 75,15 € brutto und für den Monat Januar 2018 iHv. 87,75 € brutto, mithin iHv. insgesamt 238,05 € begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet und war abzuweisen.
1. Gem. § 1 Abs. 3 Buchst c TV-L sind studentische Hilfskräfte vom persönlichen Geltungsbereich des TV-L ausgeschlossen. Aus der Niederschriftserklärung zu § 1 Abs. 3 TVL geht hervor, dass die Tarifvertragsparteien davon ausgehen, dass studentische Hilfskräfte Beschäftigte sind, zu deren Aufgabe es gehört, das hauptberufliche wissenschaftliche Personal in Forschung und Lehre sowie bei außeruniversitären Forschungseinrichtungen zu unterstützen. Die Tarifvertragsparteien haben dabei an die befristungsrechtliche Regelung des bis 18.04.2007 gültigen § 57e HRG angeknüpft (vgl. BeckOK TV-L/Gaumann, 44. Ed. 1.3.2015, TV-L § 1 Rn. 40), dem der seit 17.3.2016 gültige § 6 WissZeitVG weitgehend entspricht (vgl. Maschmann/Konertz NZA 2016, 257, 265). Dementsprechend ist Voraussetzung für die Beschäftigung als studentische Hilfskraft, dass der mit dem Studenten geschlossene Arbeitsvertrag die Erbringung wissenschaftlicher Hilfstätigkeiten zum Gegenstand hat. Die vertragsgemäße Beschäftigung muss auf die Erledigung wissenschaftsspezifischer Aufgaben gerichtet sein. Dies ist der Fall, wenn die wissenschaftliche Arbeit eines an einer deutschen Hochschule tätigen Wissenschaftlers unmittelbar unterstützt wird, wobei an die Wissenschaftlichkeit des vorgesehenen Einsatzes keine besonderen Anforderungen zu stellen sind, da nach der Begriffsbezeichnung „Hilfs“-Tätigkeiten genügen. Unter wissenschaftlichen Hilfstätigkeiten sind Tätigkeiten zu verstehen, mit denen der wissenschaftliche Mitarbeiter bei Forschung und Lehre anderen unterstützend zuarbeitet und damit die Aufgabe der jeweiligen Einrichtung, der er zugeordnet ist, zu erfüllen hilft. Als wissenschaftliche Dienstleistung kommt darüber hinaus die Mitarbeit bei allen den Professoren obliegenden Dienstaufgaben in Betracht, etwa bei Unterrichtstätigkeiten, bei Prüfungen oder bei der Zusammenstellung wissenschaftlicher Materialien. Abzugrenzen davon sind die technischen bzw. verwaltungsmäßigen Tätigkeiten wie die Erledigung von Aufgaben im Sekretariat oder in der Bibliothek (vgl. zu § 6 WissZeitVG: LAG Berlin-Brandenburg vom 05.06.2018 – 7 Sa 143/18, BeckRS 2018, 21410, Rn.40; ErfK/Müller-Glöge 19. A. § 6 WissZeitVG, Rn.3; vgl. auch BAG vom 08.06.2005 – 4 AZR 396/04, BeckRS 2005, 43239 zu § 3 Buchst. g BAT). Die Tätigkeit muss zwar einen Bezug zu dem Prozess aufweisen, Erkenntnisse mit den Methoden der Wissenschaft zu gewinnen oder sie zur Vermittlung in eine bestimmte inhaltliche Form zu bringen (vgl. BAG aaO.). Sie muss aber nicht selbst wissenschaftlich sein (vgl. Maschmann/Konertz NZA 2016, 257, 266). Hat der Arbeitsvertrag sowohl wissenschaftliche als auch nicht wissenschaftliche Tätigkeiten zum Gegenstand, so kommt es nach Ansicht der erkennenden Kammer für den persönlichen Geltungsbereich im Hinblick auf § 1 Abs. 3 Buchst c TV-L maßgeblich darauf an, welchen Tätigkeiten zeitlich überwiegen (vgl. zur Bestimmung des betrieblichen Geltungsbereiches bei Mischbetrieben Schaub/Treber ArbR HdB 17. Aufl. § 203 Rn.17 mwN). Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Beklagte, weil es sich bei § 1 Abs. 3 Buchst c TV-L um eine für ihn günstige Ausnahmevorschrift handelt.
2. Nach diesen Grundsätzen hatten nur die Arbeitsverträge der Monate Februar und März 2018 zeitlich überwiegend wissenschaftliche Hilfstätigkeiten zum Gegenstand, nicht aber die Arbeitsverträge der Monate November 2017, Dezember 2017 und Januar 2018. Nach Ansicht der erkennenden Kammer sind nur die Tätigkeiten des Klägers im Rahmen der Projekte GLES und NANO-CATHEDRAL sowie Bürgerbefragung A-Stadt als wissenschaftliche Hilfstätigkeiten zu qualifizieren (vgl. auch LAG Nürnberg vom 06.06.2019 – 3 Sa 435/18), nicht aber die Tätigkeiten im Rahmen des China-Kitchen-Projekts und des Brose-Basketball-Projekts.
a) Hinsichtlich der Arbeitsverträge für die Monate Februar und März 2018 ist der Geltungsbereich des TV-L nicht eröffnet, weil der Kläger in diesen Monaten als studentische Hilfskraft iSd. § 1 Abs. 3 Buchst c TV-L beschäftigt wurde.
aa) In den Monaten Februar und März 2018 hat der Kläger im BACES (nahezu) ausschließlich an den Projekten GLES und NANO-CATHEDRAL mitgearbeitet. Bei beiden Projekten handelt es sich um wissenschaftliche Projekte. Das Projekt GLES ist eine sozialwissenschaftliche Studie unter der Leitung einer Hochschullehrerin der der J.-W.-G.-Universität F. a. M. Das Projekt NANO-CATHEDRAL ist eine Studie ua. im Bereich der Restaurierungswissenschaften und Baudenkmalpflege, die an der Universität A-Stadt federführend von einem Professor auf diesem Gebiet betrieben wurde. Der Kläger hat auch gar nicht in Abrede gestellt, dass es sich bei diesen Projekten um wissenschaftliche Projekte handelt.
bb) Der Kläger hat mit seinen Tätigkeiten den an den Projekten beteiligten Wissenschaftlern unterstützend zugearbeitet. Er hat nicht lediglich technische bzw. verwaltungsmäßige Tätigkeiten ausgeübt. Er hat vielmehr beim Projekt GLES Antworten der Interviewpartner auf offenen Fragen anhand eines Kodeplanes manuell in numerische Kodes umgeschrieben und im Projekt NANO-CATHEDRAL Daten verifiziert und Datensätze gebildet. Die Tätigkeiten weisen damit einen hinreichenden Bezug zu dem wissenschaftlichen Prozess auf, Erkenntnisse mit den Methoden der Wissenschaft zu gewinnen oder sie zur Vermittlung in eine bestimmte inhaltliche Form zu bringen. Das Tätigkeiten dieser Art auch in Zusammenhang mit nicht wissenschaftlichen Dienstleistungen erbracht werden können ist nicht entscheidend. Entscheidend ist insoweit allein, dass der Kläger mit seinen Tätigkeiten in den Monaten Februar und März 2018 die wissenschaftlichen Arbeiten von an deutschen Hochschulen tätigen Wissenschaftlern unterstützt hat.
b) Hinsichtlich der Arbeitsverträge für die Monate November 2017, Dezember 2017 und Januar 2018 ist gem. § 1 Abs. 1 TV-L der tarifliche Geltungsbereich eröffnet, weil sich aus den Darlegungen des Beklagten nicht ergibt, dass der Kläger überwiegend als studentische Hilfskraft iSd. § 1 Abs. 3 Buchst c. TV-L beschäftigt wurde.
aa) Im Rahmen des China-Kitchen-Projekts und des Brose-Basketball-Projekt hat der Kläger keine wissenschaftlichen Hilfstätigkeiten erbracht. Die Tätigkeiten wurden für private, nichtwissenschaftliche Auftraggeber erbracht. Es fehlt der an der erforderlichen Unterstützung von an deutschen Hochschulen tätigen Wissenschaftlern. Der bloße Umstand, dass die Projektaufträge von einer wissenschaftlichen Einrichtung angenommen und bearbeitet wurden, machen die dabei auszuübenden Tätigkeiten nicht zu wissenschaftlichen Hilfstätigkeiten, wenn damit nicht dem hauptberuflichen wissenschaftliche Personal in Forschung und Lehre bzw. bei außeruniversitären Forschungseinrichtungen unterstützend zugearbeitet wird (aA offenbar ArbG Bamberg vom 28.12.2018 – 5 Ca 375/18).
bb) Aus den Angaben des Klägers ergibt sich, dass der Kläger in den Monaten November 2017, Dezember 2017 und Januar 2018 zeitlich überwiegend an diesen Projekten gearbeitet hat. Dem ist der darlegungspflichtige Beklagte nicht hinreichend entgegengetreten. Das bloße Bestreiten war nicht ausreichend. Vielmehr hätte der Beklagte konkret vortragen müssen, in welchem zeitlich überwiegenden Umfang der Kläger im fraglichen Zeitraum an welchen wissenschaftlichen Projekten gearbeitet hat.
3. Dem Kläger war somit in den Monaten November 2017, Dezember 2017 und Januar 2018 Tariflohn zu zahlen. Die Klage ist daher im Hinblick auf die Monate November 2017 und Dezember 2017 iHv. jeweils 75,15 € brutto und für den Monat Januar 2018 iHv. 87,75 € brutto, mithin iHv. insgesamt 238,05 € begründet. Insoweit kann auf die Berechnung des Klägers im Schriftsatz vom 29.04.2019 (Bl. 158 ff d.A.) Bezug genommen werden. Der Beklagte ist der Berechnung nicht entgegengetreten und hat auch nicht in Abrede gestellt, dass die Tätigkeiten des Klägers bei Anwendbarkeit des TV-L eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 2 Stufe 1 zur Folge haben.
II.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
2. Der Streitwert wurde in Höhe des mit dem Klageantrag zu 1 begehrten Zahlungsbetrages festgesetzt.
3. Die Berufungszulassung beruht auf § 64 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ArbGG.


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