Arbeitsrecht

Verkürzung der Dienstzeit eines Soldaten auf Zeit, hier: verneint mangels dienstlicher Interessen

Aktenzeichen  M 21a K 18.3014

Datum:
29.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 931
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG § 40 Abs. 7 S. 1
ZDv A-1350/64 Nr. 201,  Nr. 202
VwGO § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5, § 124, § 124a Abs. 4, § 154 Abs. 1
RDGEG § 3, § 5

 

Leitsatz

1. Bei der Beurteilung der Frage, ob die Verkürzung der Dienstzeit eines Soldaten auf Zeit nach § 40 Abs. 7 S. 1 SG den dienstlichen Belangen entspricht, steht der zuständigen personalbewirtschaftenden Stelle der Bundeswehr ein Beurteilungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein dienstliches, der Verkürzung der Dienstzeit entgegenstehende Interesse ist jedenfalls dann gegeben, wenn – wie vorliegend – im Bereich der Sanitätsstabsoffiziere Veterinär derzeit und für die Zukunft ein hoher vom Dienstherrn quantitätsmäßig konkret dargelegter Bedarf an qualifizierten Soldaten besteht; dabei ist die bundesweite und nicht die Personalstruktur am konkreten Standort des Zeitsoldaten maßgeblich. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Verkürzung der Dienstzeit des Zeitsoldaten sind nach § 40 Abs. 7 S. 1 SG einzig dienstliche Interessen von Bedeutung; individuelle Interessen des Zeitsoldaten wie familiäre, berufliche und sozialen Belange – hier: Einschulung des Sohnes, Umzug nach Nordbayern mit der Familie, Wechsel zu einem zivilen Arbeitgeber – bleiben für das Vorliegen eines dienstlichen Interesses der Bundeswehr außen vor. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung über den Rechtsstreit entscheiden, da die Beteiligten ihr diesbezügliches Einverständnis erklärten, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verkürzung seiner Dienstzeit, da die Ablehnung seines Antrags nicht rechtswidrig und er durch den Bescheid vom 24. Oktober 2017 in Gestalt des Beschwerdebescheid vom 16. Mai 2018 nicht in seinen Rechten verletzt ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Auch ein Anspruch auf Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO besteht nicht.
Ob die Dienstzeit des Klägers verkürzt werden kann, ist nach § 40 Abs. 7 Satz 1 Soldatengesetz (SG) zu beurteilen. Hiernach kann die Dienstzeit eines Soldaten auf Zeit auf dessen Antrag verkürzt werden, wenn dies im dienstlichen Interesse liegt. Voraussetzung für die Verkürzung der Dienstzeit ist daher ausschließlich, dass diese den Belangen der Bundeswehr dient. Bei der Beurteilung dieser Frage steht der zuständigen personalbewirtschaftenden Stelle der Bundeswehr ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu; denn was im originären dienstlichen Interesse der Bundeswehr liegt, kann letztlich nur diese selbst beurteilen (VG Augsburg, U.v. 13.2.2014 – Au 2 K 13.48 – juris Rn. 17).
Mit der Regelung des § 40 Abs. 7 Satz 1 SG hat der Gesetzgeber die Bundeswehr ermächtigt, auf Antrag des Soldaten und zu ausschließlich dienstlichen Zwecken in das Dienstverhältnis des Soldaten auf Zeit einzugreifen und die festgesetzte Dienstzeit abzukürzen. Die Regelung soll einerseits dem objektiven Interesse an einer Reduzierung der Personalstärke der Streitkräfte dienen, wobei aber eine dienstgrad- und altersgerechte Personalstruktur der Bundeswehr gewahrt bleiben muss; andererseits soll das Ausscheiden qualifizierten Personals verhindert und die Einsatzbereitschaft der Streitkräfte aufrechterhalten werden. Dagegen dient § 40 Abs. 7 Satz 1 SG nicht dem individuellen Interesse des jeweiligen Soldaten und gewährt diesem somit kein subjektiv-öffentliches Recht auf Verkürzung seiner Dienstzeit. In die Entscheidung über den Verkürzungsantrag sind daher die persönlichen Interessen des Zeitsoldaten nicht einzustellen. Nach der Systematik des Soldatengesetzes können persönliche Interessen des Soldaten einem vorzeitigen Ausscheiden aus der Bundeswehr nur im Rahmen einer Entlassung auf eigenen Antrag nach § 55 Abs. 3 SG berücksichtigt werden (vgl. hierzu: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl., § 40 Rn. 44 ff.; BayVGH, B. v. 15.9.2006 – 15 ZB 06.112 – juris Rn. 4; VG Augsburg, U.v. 10.1.2008 – Au 2 K 07.16 – juris Rn. 17; VG Stuttgart, U.v. 3.12.2003 – 17 K 5017/02 – juris Rn. 15).
Weil die hier klagegegenständliche Entscheidung der Bundeswehr jedoch mit einer Umgestaltung des subjektiven Rechtsstatus des Soldaten auf Zeit verbunden wäre, hatte der Kläger jedenfalls Anspruch darauf, dass über seinen Antrag nach allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen in einem ordnungsgemäßen, an den gesetzlichen Vorgaben ausgerichteten Verfahren ohne Willkür entschieden wird. Die Gewährleistung von Rechtsschutz ist daher auf den Schutz vor einer willkürlichen Entscheidung der Bundeswehr beschränkt (VG Augsburg, U.v. 26.6.2015 – Au 2 K 14.563 – juris Rn. 22.)
Zusätzlich unterliegt der Kläger als Soldat auf Zeit der Zentralen Dienstvorschrift “Verkürzung der Dienstzeit, Umwandlung des Dienstverhältnisses” (ZDv A-1350/64). Nach Nr. 201 ZDv A-1350/64 ist Dienstzeitverkürzung oder Umwandlung nur im dienstlichen Interesse möglich. Dieses kann hiernach zum Beispiel vorliegen, wenn der Dienstposten des Antragstellers wegfällt und strukturelle oder sonstige Gesichtspunkte einem Verwendungswechsel entgegenstehen, die bestimmende Qualifikation der bisherigen Verwendung des Soldaten auf Zeit nicht mehr benötigt wird, im jeweiligen Geburtsjahrgang Überhang besteht oder der Soldat auf Zeit auf einer Planstelle z.b.V. geführt wird. Ein Anspruch auf Dienstzeitverkürzung oder Umwandlung besteht nach Nr. 202 ZDv A-1350/64 nicht.
Gemessen an diesen Maßstäben lässt sich im hier zu entscheidenden Fall nicht feststellen, dass die Beklagte ihrer Entscheidung sachfremde Erwägungen zu Grunde gelegt und damit willkürlich entschieden hätte. Vielmehr wird im Ausgangs- bzw. Beschwerdebescheid nachvollziehbar dargelegt, dass im Bereich der Sanitätsstabsoffiziere Veterinär derzeit und für die Zukunft ein hoher Bedarf an qualifizierten Soldaten besteht. Bundesweit sind 40 Dienstposten in gleicher Besoldungsgruppe ausgebracht, von denen momentan drei Dienstposten unbesetzt sind. Prognostisch – und unbestritten – legt die Bundeswehr dar, dass sich der Bedarf in den folgenden Jahren auf letztendlich sieben vakante Dienstposten erhöhen wird.
Für das dienstliche Interesse kommt es hierbei nicht – wie der Kläger meint – auf die Personalstruktur an seinem Standort an, sondern ist das dienstliche Interesse der Bundeswehr, schon aufgrund ihres Verteidigungsauftrages aus Art. 87a GG, bundesweit zu würdigen. Denn ob ein Bedarf an der Dienstleistung einzelner Zeitsoldaten besteht, ist ausschließlich von der hierfür zuständigen Stelle, dem Bundesamt, zu beurteilen, welches allein in der Lage ist, die Gesamtpersonallage einzuschätzen und den zukünftigen Bedarf an Soldaten zu prognostizieren. Nur sie kann die überörtliche Personallage und den Gesamtbedarf an Personal im Blick haben; die jeweilige Personallage am einzelnen Standort ist daher nicht ausschlaggebend (vgl. VG Augsburg, U.v. 26.6.2014 – Au 2 K 14.563 – juris Rn. 25; v. 13.2.2014 – Au 2 K 13.48 – juris Rn. 21).
Das genügt bereits, um ein dienstliches Interesse der Bundeswehr an der Verkürzung der Dienstzeit des Klägers zu verneinen. Denn es liegt auf der Hand, dass die Bundeswehr auf die Dienste eines Zeitsoldaten, dessen Arbeitskraft sie weiterhin benötigt, nur unter Zurückstellung eigener dienstlicher Interessen verzichten könnte. Diese Darstellung der Beklagten hat der Kläger nicht substantiiert angegriffen. Er hat lediglich Ausführungen zur Situation an seinem Standort gemacht. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Beklagte im Ausgangs- bzw. Beschwerdebescheid – wie der Kläger behaupten lässt – von anderer Personalbesetzung als der Tatsächlichen ausgegangen sei, ändert dies folglich nichts daran, dass vorliegend kein dienstliches Interesse für die Dienstzeitverkürzung im Sinne des § 40 Abs. 7 Satz 1 SG erkennbar ist. Schließlich deckt sich die Entscheidung der Beklagten auch mit den in Nr. 201 ZDv A-1350/64 aufgestellten Grundsätzen der Dienstzeitverkürzung. Sämtliche der dort beispielsweise aufgezählten Gründe für das Vorliegen eines dienstlichen Interesses sind vorliegend weder vorgetragen, noch einschlägig.
Da § 40 Abs. 7 Satz 1 SG, wie ausgeführt, nicht dem individuellen Interesse des jeweiligen Soldaten dient, bleiben die familiären, beruflichen und sozialen Belange des Klägers – im Wesentlichen Einschulung des Sohnes, Umzug nach Nordbayern, Wechsel zu einem zivilen Arbeitgeber – für das Vorliegen eines dienstlichen Interesses der Bundeswehr ebenso ohne Belang. Rechtliche Zweifel an der (damaligen) Festsetzung seiner Dienstzeit auf insgesamt 19 Jahre nach Nr. 204 und 206 ZDv A-1420/13 bestehen überdies nicht.
Dass die Beklagte bei ihrer Entscheidung kein Ermessen ausgeübt hat, kann nicht beanstandet werden. Ein Ermessen kann im Rahmen von § 40 Abs. 7 Satz 1 SG erst dann betätigt werden, wenn die tatbestandliche Voraussetzung des dienstlichen Interesses an der Verkürzung der Dienstzeit vorliegt; anderenfalls muss – wie im Fall des Klägers – der Antrag des Soldaten zwingend abgelehnt werden, ohne dass es zu einer Ermessensausübung kommen kann.
Die Klage war somit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben