Arbeitsrecht

Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

Aktenzeichen  M 21 K 15.680

Datum:
12.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 147402
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BPolBG § 4
BBG § 44 Abs. 7
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124, § 124 a Abs. 4, § 167 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage, deren Antrag in der mündlichen Verhandlung durch den nahe liegenden, erklärten Verzicht auf eine Entscheidung über die Besoldungskürzung unproblematisch lediglich klargestellt worden ist (vgl. Ortloff/Riese in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2017, § 91 Rn. 11 m.w.N.), ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid der Bundespolizeidirektion München vom 31. Oktober 2014 und deren Widerspruchsbescheid vom 30. März 2015 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzung eines Beamten wegen Dienstunfähigkeit ohne seinen Antrag beurteilt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts danach, ob die zuständige Behörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung – gegebenenfalls des Widerspruchsbescheids – nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen hat annehmen dürfen, dass der Betroffene dauernd dienstunfähig ist. Danach eingetretene wesentliche Veränderungen sind nicht zu berücksichtigen (vgl. nur BVerwG, U.v. 16.10.1997 – 2 C 7/97 – juris Leitsatz).
Nach § 4 Abs. 1 BPolBG ist der Polizeivollzugsbeamte dienstunfähig, wenn er den besonderen gesundheitlichen Anforderungen für den Polizeivollzugsdienst nicht mehr genügt und nicht zu erwarten ist, dass er seine volle Verwendungsfähigkeit innerhalb zweier Jahre wiedererlangt (Polizeidienstunfähigkeit), es sei denn, die auszuübende Funktion erfordert bei Beamten auf Lebenszeit diese besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Dauer nicht mehr uneingeschränkt. Nach der allgemeineren (vgl. § 44 Abs. 7 BBG) Vorschrift des § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG ist der Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn er wegen des körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist (§ 44 Abs. 1 Satz 2 BBG). In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist (§ 44 Abs. 1 Satz 3 BBG). Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn ein anderes Amt, auch einer anderen Laufbahn, übertragen werden kann (§ 44 Abs. 2 Satz 1 BBG).
Die Anforderungen der Polizeidienstfähigkeit gehen insofern (konkretisierend) über die allgemeine Regel des § 44 Abs. 1 Satz 1 BBG hinaus, als gefordert wird, dass der Polizeibeamte zu jeder Zeit an jedem Ort und in jeder seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Stellung einsetzbar ist. Die allgemeine Regel, dass zur Dienstfähigkeit die Fähigkeit zur Wahrnehmung wenigstens eines amtsgerechten Dienstpostens in der Beschäftigungsbehörde genügt, gilt also im Polizeivollzugsdienst grundsätzlich nicht, weil bei der Frage nach den für die Beurteilung der Dienstfähigkeit maßgeblichen Dienstpflichten stets auch die Pflichten einzubeziehen sind, die sich aus den besonderen vollzugstypischen Aufgabenstellungen und der dafür erforderlichen physischen und psychischen Belastbarkeit ergeben. Demgemäß wird – wie hier – vielfach zwischen Polizeidienstunfähigkeit und „allgemeiner Dienstunfähigkeit“ unterschieden, womit die Dienstfähigkeit für Tätigkeiten in gleichrangigen Verwaltungslaufbahnen gemeint ist (vgl. nur Plog/Wiedow, BBG Stand April 2017, § 44 Rn. 81 m.w.N.).
Die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand scheidet trotz Polizeidienstunfähigkeit aus, wenn der Polizeivollzugsbeamte in einer Funktion des Polizeidiensts verwendet werden kann, deren Aufgaben er erfüllen kann, ohne polizeidienstfähig zu sein. Die Weiterverwendung im Polizeidienst setzt voraus, dass dort eine Funktion, also ein Dienstposten, zur Verfügung steht, dessen Aufgaben der Beamte dauerhaft, d.h. voraussichtlich bis zum Erreichen der besonderen Altersgrenze, bewältigen kann (vgl. nur Plog/Wiedow, BBG Stand April 2017, § 44 Rn. 81a m.w.N.). Der Dienstherr ist von der Suche nach einer Funktion für die Weiterverwendung im Polizeidienst nur dann entbunden, wenn feststeht, dass der Polizeivollzugsbeamte in dem von § 4 Abs. 1 BPolBG vorgegebenen Zeitraum keinerlei Dienst leisten kann oder erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten zu erwarten sind. Entsprechendes gilt für die Suche nach einer anderweitigen Verwendung außerhalb des Polizeidiensts nach § 44 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BBG. Diese Regelungen finden auch für Polizeivollzugsbeamte Anwendung. Die Suche nach einer anderweitigen Verwendung in deren Sinne setzt allerdings regelmäßig die allgemeine Dienstfähigkeit des Polizeivollzugsbeamten voraus. Eine Suchpflicht besteht nicht, wenn feststeht, dass er generell nicht mehr oder nur mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zur Dienstleistung imstande ist. Besteht auch diese nicht, muss er vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden (vgl. zu all dem nur Plog/Wiedow, BBG Stand April 2017, § 44 Rn. 81c m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Versetzung des Klägers in den Ruhestand mit Ablauf des 30. November 2014 wegen Dienstunfähigkeit rechtens.
Zur näheren Begründung wird zunächst auf die Gründe des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. März 2015 (M 21 E 15.394) Bezug genommen.
Ergänzend ist Folgendes auszuführen.
Der Dienstherr handelt in aller Regel ermessensfehlerfrei, wenn er – wie hier – (ergänzend) von der erleichterten Feststellungsmöglichkeit des § 44 Abs. 1 Satz 2 BBG Gebrauch macht (vgl. nur Plog/Wiedow, BBG Stand April 2017, § 44 Rn. 47).
Der Kläger hat auch das von der Beklagten nach dem … Dezember 2013 veranlasste sozialmedizinische Gutachten des Sozialmedizinischen Diensts der Bundespolizei … vom …. März 2015, das in sich stimmig und auch vor dem Hintergrund der bis dahin vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen schlüssig zu den Ergebnissen einer nicht uneingeschränkten gesundheitlichen Eignung des Klägers für den Polizeivollzugsdienst und für den allgemeinen Verwaltungsdienst des Bundes kommt, nicht substantiiert infrage gestellt. Insbesondere daran, dass das sozialmedizinische Gutachten vom …. März 2015 eine heimatnahe Wiedereingliederung für wünschenswert hält, ist erkennbar, dass auch dieses Gutachten weiterhin vom Fortbestand der Polizeidienstunfähigkeit und der allgemeinen Dienstunfähigkeit des Klägers ausgeht.
Auf das spätere – zu denselben Ergebnissen gelangende – sozialmedizinische Gutachten des Sozialmedizinischen Diensts der Bundespolizei … vom …. März 2016 (Bl. 0h-m des Verwaltungsvorgangs Reaktivierung) kommt es für die Entscheidung nach der Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts nicht an, weil es nach Erlass des Widerspruchsbescheids erstellt worden ist.
Nicht entscheidungserheblich ist auch, ob der Kläger zu reaktivieren ist oder nicht.
Nach all dem war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 709 Sätzen 1 und 2 ZPO.


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