Arbeitsrecht

Versetzung vom Gerichtsvollzieherdienst in den Innendienst, hier: mittlerer Justizfachwirtedienst beim Amtsgericht

Aktenzeichen  AN 1 K 18.00352

Datum:
19.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16788
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
BayBG Art. 48 Abs. 2 S. 1
SGB IX § 84
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Eine Entbindung von den bisherigen Aufgaben als Gerichtsvollzieher durch Versetzung in ein gleichwertiges Amt der Fachlaufbahn Justiz setzt voraus, dass die Funktionsfähigkeit des Gerichtsvollzieherwesens durch in dessen Person liegende Gründe erheblich beeinträchtigt ist und die berechtigte Annahme besteht, dass auch zukünftig aller Voraussicht nach nicht damit zu rechnen ist, dass die obliegenden Aufgaben in wesentlichen Teilen ordnungsgemäß erfüllt werden. (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein erhebliches, die Versetzung vom Gerichtsvollzieherdienst in den Innendienst des Justizfachwirtedienst beim Amtsgericht rechtfertigendes Fehlverhalten liegt in der defizitären Umsetzung des Gesetzes zur Reform der Sachverhaltsausklärung, also Verzögerungen bei der Abnahme der Vermögensauskunft, fehlende Übermittlung von Vermögensverzeichnissen an das zentrale Vollstreckungsgericht, Verzögerungen bei der an die Abnahme der Vermögensauskunft anschließenden Bearbeitung, mangelhafte Einholung von Drittstellen- bzw. Fremdauskünften. (Rn. 61 – 66) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 7. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Der Bescheid vom 7. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2018 stützt sich auf die Rechtsgrundlage des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG). Danach können Beamte und Beamtinnen ohne ihre Zustimmung in ein Amt mit demselben Endgrundgehalt auch einer anderen Fachlaufbahn, auch im Bereich eines anderen Dienstherrn, versetzt werden. Dabei wird als Versetzung grundsätzlich die auf Dauer angelegte Übertragung eines anderen Amtes im funktionellen Sinn bei einer anderen Behörde desselben oder eines anderen Dienstherrn definiert (Eck in: Brinktrine/Voitl, BeckOK BeamtenR Bayern, Art. 48 BayBG Rn. 2).
Die vormals als Gerichtsvollzieherin im Bezirk des Amtsgerichts … tätige Klägerin wurde mit Bescheid vom 7. Dezember 2017 in den mittleren Justizfachwirtedienst beim Amtsgericht … versetzt. Zwar war mit dieser Versetzung kein Behördenwechsel im o.g. Sinne verbunden, da die Klägerin unverändert im Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts … eingesetzt wurde, die Versetzung berührte aber das statusrechtliche Amt der Klägerin. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG (BVerwG, U.v. 29.4.1982 – 2 C 41/80 – juris Rn.16) wird der Klägerin mit dem Einsatz im Innendienst ein Aufgabenbereich übertragen, der nicht ihrem abstrakt-funktionellen Amt als Gerichtsvollzieherin, das gegenüber den Ämtern des mittleren Justizdienstes als eigenständig zu bewerten ist, entspricht. Eine sog. statusberührende Versetzung setzt aber nicht zwingend einen Behördenwechsel voraus (BVerwG, U.v. 29.4.1982 – 2 C 41/80 – juris Rn. 17).
2. Der Bescheid vom 7. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2018 ist formell rechtmäßig erlassen worden. Insbesondere wurde der Klägerin mit Schreiben des gemäß Art. 49 Abs. 2, Art. 18 Abs. 1 Satz 3 BayBG i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über dienstrechtliche Zuständigkeiten im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz (StMJ-Zuständigkeitsverordnung Dienstrecht – ZustV-JM) zuständigen Präsidenten des OLG … vom 27. September 2017 ausreichend Gelegenheit gegeben, sich zu der geplanten Versetzung in den Innendienst zu äußern, Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG.
Nicht zu beanstanden ist insoweit auch die nicht erfolgte Beteiligung der Personalvertretung. Gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes (BayPVG) unterliegen Versetzung und Umsetzung innerhalb der Dienststelle, wenn sie mit einem Wechsel des Dienstortes verbunden sind, der Mitbestimmung des Personalrates. Voraussetzung für eine mitbestimmungspflichtige Versetzung im Sinne des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayPVG ist aber immer ein Dienststellenwechsel (BayVGH, B.v. 23.4.1997 – 17 P 96.1943 – BeckRS 1997, 24034; BAG, B.v. 22.1.2004 – 1 AZR 495/01 – juris Rn. 15; Dirnberger/Henneke/ Meyer/Schliesky/Schwarting/Sponer/Steger/Stubenrauch/Winkel/Klang/Bülow/Dieter/Haßen-kamp/Zimmermann, PdK Bayern, C-17a, Art. 75 BAyPVG Ziff. 2.5; Ballerstedt/Schleicher/ Faber in: Ballerstedt/Schleicher/Faber, Bayerisches Personalvertretungsgesetz mit Wahlordnung, Art. 75 Rn. 105). Bei der hier vorliegenden statusberührenden Versetzung fehlt es aber gerade an einem entsprechenden Dienststellenwechsel.
3. Der Bescheid vom 7. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2018 ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden, da er sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayBG hält.
a) Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayBG lässt eine Versetzung sowohl innerhalb einer Fachlaufbahn als auch in eine andere Fachlaufbahn zu, solange das neue Amt mit demselben Endgrundgehalt versehen ist. Während das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, U.v. 29.4.1982 – 2 C 41/80 – juris Rn.16) von einer Sonderlaufbahn für Gerichtsvollzieher ausgegangen ist, sind Gerichtsvollzieher seit Inkrafttreten des neuen Dienstrechts in Bayern zum 1 Januar 2011 der Fachlaufbahn Justiz in der zweiten Qualifikationsebene zugeordnet (Leihkauff in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Art. 93 BayBesG Rn. 5), sodass streitgegenständlich eine Versetzung innerhalb der Fachlaufbahn ist.
Das Amt der Justizhauptsekretärin ist in der gleichen Besoldungsgruppe (A8) eingeordnet, wie das Amt der Gerichtsvollzieherin. Die Klägerin besitzt auch die erforderliche Befähigung zur Wahrnehmung des Amtes der Justizhauptsekretärin, da sie die Laufbahnprüfung für den mittleren Justizdienst bereits 1980 bestanden hat.
b) Der Beklagte ist auch zutreffend von dem Vorliegen eines dienstlichen Grundes im Sinne des Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayBG ausgegangen.
Bei dem Begriff des „dienstlichen Grundes“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist (Eck in: Brinktrine/Voitl, BeckOK BeamtenR Bayern, Art. 48 BayBG Rn. 23). Der Behörde ist dabei gerade kein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Allerdings kann das „dienstliche Bedürfnis“ i.S.d. Art. 48 Abs. 1 BayBG, das grundsätzlich weiter als der Begriff des „dienstlichen Grundes“ zu verstehen ist, entscheidend durch verwaltungspolitische Entscheidungen oder Eignungsurteile des Dienstherrn geprägt sein, die nur beschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegen (Baßlsperger in: Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 48 BayBG Rn. 32a).
Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG erschließt sich der Bedeutungsgehalt unbestimmter Rechtsbegriffe wie etwa „dienstlicher Belang“, „öffentliches Interesse“ oder „dienstlicher Grund“ aus der Zweckbestimmung und Zielsetzung der jeweiligen gesetzlichen Regelung sowie aus dem systematischen Zusammenhang, in den der Begriff hineingestellt ist. Zu den dienstlichen Belangen zählt dabei das engere öffentliche, d.h. das dienstliche Interesse an der sachgemäßen und reibungslosen Aufgabenerfüllung der Verwaltung (BVerwG, U.v. 25.6.2009 – 2 C 68/08 – juris Rn. 16). Für eine Versetzung eines Beamten kann sich ein dienstliches Bedürfnis grundsätzlich auch aus seinem eigenen Verhalten ergeben, wobei die Versetzung allerdings nicht ausschließlich zu einem Mittel der „Bestrafung“ des Beamten werden darf (BVerwG, U.v. 29.4.1982 – 2 C 41/80 – juris Rn. 20). Dabei werden Personalmaßnahmen aber nicht schon deshalb zu einem Mittel der Bestrafung oder Disziplinierung des Betroffenen, wenn sie im Interesse der Funktionsfähigkeit der Öffentlichen Verwaltung an ein bestimmtes dienstliches Verhalten anknüpfen (BVerwG, B.v. 7.3.2014 – 2 B 94/13 – juris Rn. 6).
Unter Berücksichtigung, dass ein Gerichtsvollzieher die ihm obliegenden Aufgaben in einem örtlich begrenzten Bezirk selbständig und eigenverantwortlich wahrnimmt, liegt ein dienstlicher Grund im Sinne des Art. 48 Abs. 2 BayBG dann vor, wenn eine derartige Maßnahme erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit des Gerichtsvollzieherwesens in einem Bezirk aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Dies gilt auch, wenn die Funktionsfähigkeit durch die Amtsführung des amtierenden Gerichtsvollziehers, d.h. durch Gründe, die in seiner Person liegen, erheblich beeinträchtigt wird. Ist aufgrund der bisherigen Amtsführung die Annahme gerechtfertigt, der amtierende Gerichtsvollzieher sei auch künftig aller Voraussicht nach nicht imstande, die ihm obliegenden Aufgaben in wesentlichen Teilen ordnungsgemäß zu erfüllen, liegt eine dauerhafte organisatorische Schwierigkeit vor, die nur durch eine Entbindung des Gerichtsvollziehers von seinen Aufgaben gelöst werden kann. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit setzt die Versetzung in ein gleichwertiges Amt der Fachlaufbahn Justiz voraus, dass die weitere Verwendung als Gerichtsvollzieher aufgrund der bisherigen Amtsführung objektiv unmöglich erscheint. Auf ein Verschulden kommt es nicht an (BVerwG, B.v. 7.3.2014 – 2 B 94/13 – juris Rn. 8).
Dies berücksichtigend liegt ein dienstlicher Grund für die Versetzung der Klägerin in den Justizfachwirtedienst vor. Der Beklagte hat in den in den Jahren 2013 bis 2017 durchgeführten Geschäftsprüfungen immer wieder Mängel in der Bearbeitung der der Klägerin als Gerichtsvollziehern obliegenden Geschäftsaufgaben festgestellt. So ergibt sich aus den Geschäftsprüfungsberichten für diesen Zeitraum, dass sich insbesondere bei der Umsetzung des Gesetzes zur Reform der Sachverhaltsausklärung erhebliche Defizite ergeben haben. Anfangs ergaben sich Verzögerungen bei der Abnahme der Vermögensauskunft, Vermögensverzeichnisse wurden nicht an das zentrale Vollstreckungsgericht übermittelt, später zeigten sich Verzögerungen bei der sich an die Abnahme der Vermögensauskunft anschließende Bearbeitung, Drittstellen- bzw. Fremdauskünfte wurden nicht im erforderlichen Umfang eingeholt. Insgesamt wurden immer wieder erhebliche Verzögerungen und Rückstände, die die Prüfer zu der Feststellung einer verschlechterten bzw. nicht flüssigen Vollzugssituation veranlasste, bescheinigt. In fast allen Geschäftsprüfungsberichten finden sich Hinweise, dass sich die Klägerin nicht ausreichend in die Reform der Sachaufklärung eingearbeitet oder nicht die für den Vollzug der Reform erforderlichen technischen Anforderungen geschaffen hat, z.B. indem sie nicht ausreichend mit den neuen Formblättern, Protokollen,… vertraut scheint (so Geschäftsführungsbericht vom 9.10.2013), Verfahren bei rechtlichen oder technischen Problemen nicht bearbeitet würden, sie nach eigenen Angaben selbst nicht in der Lage sei, ihren PC den Anforderungen entsprechend zu installieren (so Geschäftsführungsberichte vom 8.1.2016 und vom 17.8.2016). Selbst durch die Prüfungsbeamten getroffene Feststellungen und Aufforderungen (z.B. in Form von Handlungsempfehlungen) wurden nicht umgesetzt (so Geschäftsprüfungsberichte vom 8.1.2016, vom 17.8.2016 und vom 1.2.2017).
Aus den in den Geschäftsprüfungsberichten getroffenen Feststellungen ergibt sich offensichtlich, dass die durch die Klägerin in ihrem Bezirk zu tätigenden Vollstreckungsaufgaben nicht in erforderlichen Umfang bzw. überhaupt nicht erledigt wurden. Insoweit ist die Bewertung der Beklagten, dass es im Bezirk der Klägerin zu einer über mehrere Jahre bestehende Störung der Funktionsfähigkeit des Gerichtsvollzieherwesens gekommen ist, nicht zu beanstanden. Die gestörte Funktionsfähigkeit hat sich entsprechend in einer Zunahme der Beschwerden hinsichtlich der Amtsführung durch die Klägerin gezeigt. So sind im Jahr 2014 acht Beschwerden, im Jahr 2015 neun Beschwerden und im Jahr 2016 14 Beschwerden hinsichtlich der Aufgabenerledigung durch die Klägerin bei der Dienstaufsicht erhoben worden. Allein aufgrund der Verpflichtung des Beklagten, die im öffentlichen Interesse liegende ordnungsgemäße Wahrnehmung der Gerichtsvollzieheraufgaben zu gewährleisten, musste sich dem Beklagten der Bedarf für eine organisatorische Änderung aufdrängen. Denn die bereits seit 2013 ergriffenen Maßnahmen, die Klägerin bei der Organisation ihres Aufgabenbereichs zu unterstützen, haben keinen nachhaltigen Erfolg gezeigt. Trotz Unterstützung zur Anleitung bei der praktischen Umsetzung der Reform der Sachaufklärung und auf EDVtechnischem Gebiet durch eine Gerichtsvollzieherkollegin, die Umverteilung eines Teils des Bezirks der Klägerin auf andere Gerichtsvollzieher sowie weitere zeitweise Entlastungen der Klägerin waren bestenfalls zeitweise Verbesserungen zu erkennen. Die Vorschläge der Prüfungsbeamten, sich zur Beseitigung technischer Problemstellungen an kompetente Gerichtsvollzieherkollegen zu wenden, wurden nicht umgesetzt. Erst nachdem die Prüfungsbeamten aktiv Unterstützung leisteten, z.B. durch Erstellung einer „To-Do-Liste“ oder Durchführung der Installationsarbeiten, konnten Verbesserungen bei der Einrichtung der EDV-Anlage erreicht werden. Dies zeigt nach Überzeugung der Kammer deutlich, dass die Klägerin gerade nicht in der Lage war, ihren Aufgabenbereich eigenverantwortlich und selbständig zu organisieren, sondern Kollegen die Initiative übernehmen mussten, um die Klägerin zu einem Tätigwerden zu motivieren. Denn offensichtlich reichte es nicht aus, die Klägerin mündlich und schriftlich anzuweisen, erforderliche Anstrengungen, z.B. eigenständige Einholung von Hilfe durch Gerichtsvollzieherkollegen oder EDV-Firmen, vorzunehmen, da sie diesen Anweisungen nicht nachgekommen ist. Eine andere Betrachtung drängt sich auch dann nicht auf, wenn es die Klägerin tatsächlich geschafft haben sollte, im Laufe des Jahres 2017 die Situation in ihrem Gerichtsvollzieherbezirk zu verbessern, da diese Verbesserungen in nicht unerheblichem Umfang auf die tatkräftige Unterstützung der Kollegen zurückzuführen sein dürften.
Insgesamt zeigte sich damit nach Überzeugung der Kammer über die Zeit von 2013 bis 2017, dass die Klägerin ohne Unterstützung nicht in der Lage war, die in ihrem Gerichtsvollzieherbezirk anfallenden Aufgaben eigenständig und ordnungsgemäß zu bearbeiten.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der von der Klägerin vorgebrachten Einwände. So berief sich die Klägerin zum einen darauf, dass sich durch eine längere Erkrankung ihres Ehemannes und eine sich daran anschließende eigene Erkrankung im Jahr 2012 Rückstände aufgebaut hätten, bei deren Bewältigung sie keine ausreichende Unterstützung durch den Dienstherrn erhalten habe. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass auf die Erkrankungen der Klägerin und ihres Mannes zurückzuführende, im Jahr 2012 und 2013 entstandene Rückstände keine Auswirkungen bis in das Jahr 2017 entfalten können, insbesondere auch, da der Geschäftsführungsbericht vom 4. Dezember 2014 eine deutlich verbesserte Vollzugssituation festgestellt hat („kann der Vollzug – mit Einschränkungen – als flüssig angesehen werden“). Dies legt den Schluss nahe, dass zumindest ein Großteil der Rückstände durch Eigenleistung und Unterstützungsleistungen der Gerichtsvollzieherkollegen zu diesem Zeitpunkt abgebaut worden war. Damit kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Beklagte die Klägerin nach ihrem krankheitsbedingten Ausfall in ausreichender Form im Wege des Betrieblichen Eingliederungsmanagement unterstützt hat. Allerdings hat die Kammer auch keine Zweifel daran, dass der Beklagte der Klägerin die Durchführung eines Eingliederungsverfahrens angeboten hat, auf welches die Klägerin jedoch mit Formblatt vom 17. Januar 2013 verzichtet hat.
Entgegen steht der Annahme eines dienstlichen Grundes auch nicht die Verletzung der Fürsorgepflicht wegen einer dauerhaften Geschäftsüberlastung der Klägerin. In den Geschäftsprüfungsberichten vom 2. Mai 2014, 4. Dezember 2014 und 1. Februar 2017 wurde auf von der Klägerin geltend gemachte Überlastung Bezug genommen und in den Geschäftsprüfungsberichten vom 8. Januar 2016 und 7. August 2016 eine (starke) Überlastung durch den Prüfungsbeamten festgestellt.
Im Falle einer dauerhaften Geschäftsüberlastung ist der Gerichtsvollzieher gehalten, seine Aufträge nach ihrer Dringlichkeit zu ordnen und im Rahmen des Möglichen planvoll abzuarbeiten. Soweit dies innerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit nicht gelingt, ist der Gerichtsvollzieher berechtigt, seinen Geschäftsbereich anwachsen zu lassen und verpflichtet, dies anzuzeigen. Für die hieraus folgenden Verzögerungen und die sonstigen Erschwernisse für den Dienstbetrieb kann er nicht verantwortlich gemacht werden. Die Folgen der Überlastung dürfen weder zum Anlass für disziplinarische Maßnahmen genommen werden noch dürfen sie sich bei sonstigen dienstlichen Maßnahmen – etwa bei Beurteilungen oder Beförderungen – zum Nachteil des betroffenen Gerichtsvollziehers auswirken. Es ist Sache des Dienstherrn, durch geeignete Organisationsmaßnahmen dafür Sorge zu tragen, dass für die zu bewältigenden Aufgaben in ausreichendem Maße Personal und sachliche Mittel zur Verfügung stehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss v. 11.3.2008 – 2 BvR 263/07 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 7.3.2014 – 2 B 94/13 – juris Rn. 15).
Der Beklagte hat auf die Überlastungsanzeigen der Klägerin durch organisatorische Maßnahmen reagiert und – wie bereits dargelegt – die Klägerin durch Coaching- und Entlastungsmaßnahmen unterstützt. Dabei lag zumindest für das Jahr 2016 eine objektive Überlastung der Klägerin im Vergleich mit den anderen Gerichtsvollziehern im Bezirk des Amtsgerichts … nicht vor. Denn im Geschäftsprüfungsbericht vom 1. Februar 2017 wird für die Klägerin eine Belastung von 1,10 und ein Pensum von 1,08 festgestellt, während für die Gesamtheit der Gerichtsvollzieher im Bereich des Amtsgerichts … durchschnittlich eine Belastung von 1,27 und ein Pensum von 1,23 benannt wurde. Die Feststellung des Beklagten in der Klageerwiderung vom 19. Februar 2019, dass eine Belastung von dauerhaft 120% von einem durchschnittlichen Gerichtsvollzieher gut zu bewältigen sei, wird durch die Klägerin nicht fundiert in Zweifel gezogen. Insoweit kann von der Klägerin verlangt werden, dass sie ihr Bestreiten substantiiert, also Gründe für ihre Zweifel anführt, so dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die von einem Beteiligten angeführten Tatsachen unzutreffend sind (BVerwG, B.v. 25.6.2013 – 4 BN 21/13 – juris Rn. 12). Allein, dass die Belastung über 100% liegt, ergibt nicht automatisch eine Überlastung des Einzelnen, sondern kann – wie hier – Ausfluss einer geänderten Personalberechnung sein. Anhaltspunkte dafür, dass auch die übrigen Gerichtsvollzieher im Bezirk des Amtsgerichts … mit der für sie bestehenden Belastung überlastet sind, liegen dem Gericht nicht vor. Dabei ist aus Sicht des Gerichtes für die Feststellung einer objektiven Überlastung auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin durch die Nichtschaffung der EDVtechnischen Voraussetzungen (hinsichtlich der Installation von elektronischen Schnittstellen und Programmen) eine wesentliche Ursache dafür setzte, dass der Vollzug in angemessener Zeit bzw. z.T. auch überhaupt nicht mehr möglich war.
Soweit die Klägerin während des gerichtlichen Verfahrens vortrug, dass im Rahmen der Fürsorgepflicht erforderlich gewesen wäre, sie durch Zielvereinbarungen und Dienstbesprechungen zu unterstützen, ist festzustellen, dass es dem Organisationsermessen des Dienstherrn unterliegt, welche Maßnahmen er zur Umsetzung seiner Fürsorgepflicht ergreift. Wenn demnach der Beklagte neben Schulungsmaßnahmen zur Umsetzung der Reform der Sachaufklärung im Jahr 2012 und den regelmäßigen Geschäftsprüfungen außerordentliche Geschäftsprüfungen ansetzt, um den Vollzugsstand im Bezirk der Klägerin zu eruieren, ist dies nicht zu beanstanden, da insbesondere die sich an alle Geschäftsprüfungen anschließenden Besprechungen unter Beteiligung des Prüfungsbeamten und der Klägerin zum einen regelmäßig konkrete Handlungsanweisungen enthielten (vgl. z.B. Geschäftsprüfungsbericht vom 4.12.2014: „Die Gerichtsvollzieherin wird aufgefordert, nunmehr ihr Augenmerk auf die ca. 20 zum größten Teil unbearbeiteten Aufträge auf Drittstellenauskunft zu richten.“; Geschäftsprüfungsbericht vom 8.1.2016: „Angeraten wird der Gerichtsvollzieherin sich nunmehr im Besonderen um die vorgenannten Altverfahren zu kümmern.“), zum anderen aber auch die Chance eröffneten, konkrete fachliche Fragen zu klären. Dass ein darüber hinausgehender Schulungsbedarf der Klägerin bestand, wurde durch die Klägerin nicht an die Prüfungsbeamten oder ihren Dienstvorgesetzten herangetragen.
Damit erfüllen bereits die nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung durch die Klägerin die Anforderung eines dienstlichen Grundes im Sinne der Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayBG. Hinzu kommt noch die nach Auffassung der Kammer erheblich schwerer wiegende Vereitelung der Dienstaufsicht durch die Klägerin.
Der Präsident des Amtsgerichts …, der die Dienstaufsicht über die im Bezirk des Amtsgerichts … tätigen Gerichtsvollzieher ausübt, führte dazu bereits in seinem Schreiben an den Präsidenten des Oberlandesgerichts … und auch in der mündlichen Verhandlung aus, dass aufgrund der unzureichenden Sachbehandlung durch die Klägerin vermehrt Beschwerden durch ihn zu bearbeiten waren. Die dazu angeforderten Stellungnahmen der Klägerin erfolgten nur nach mehrmaliger Aufforderung bzw. in einigen Fällen gar nicht. Zum Teil wurden seine Anordnungen nicht beachtet. Akten zur Bearbeitung der Beschwerden oder auch Akten, die im Wege der Umverteilung auf andere Gerichtsvollzieher übertragen wurden, wurden nicht vorgelegt und mussten durch Prüfungsbeamte aus dem Büroräumlichkeiten der Klägerin geholt werden. Auch erschien sie unentschuldigt nicht zu einem vom Präsidenten des Amtsgerichts … festgelegten Gesprächstermin.
Insoweit konnte eine Versetzung der Klägerin auch wegen des Vertrauensverlustes, der aufgrund der Verletzung der Dienstpflichten, die im Übrigen auch bei Überlastung einzuhalten sind (BVerwG, B.v. 7.3.2014 – 2 B 94/13 – juris Rn. 15), ausgesprochen werden. Wegen seiner verhältnismäßig selbständigen Stellung und eigenverantwortlichen Dienstführung (vgl. § 1 der Gerichtsvollzieherordnung) bedarf der Gerichtsvollzieher in besonderem Maße des ständigen uneingeschränkten Vertrauens sowohl des Dienstherrn als auch der Bürger, die sich seiner Hilfe zur Durchsetzung ihrer Ansprüche bedienen müssen (BverwG, U.v. 29.4.1982 – 2 C 41/80 – juris Rn. 20). Ist diese notwendige Vertrauensgrundlage beeinträchtigt, so besteht ein dienstliches Bedürfnis für den Eingriff in die Rechtsstellung des Gerichtsvollziehers. Der Beklagte durfte auch davon ausgehen, dass es diesbezüglich nicht zu Änderungen im Verhalten der Gerichtsvollzieherin kommen würde, da mehrere Disziplinarverfahren wegen dieser Entziehung von der Dienstaufsicht die Klägerin nicht zu einer Verhaltensänderung bewegen konnten.
c) Die angegriffene Versetzungsverfügung erweist sich auch nicht als ermessensfehlerhaft.
Die Entscheidung über eine Versetzung gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayBG ist in das pflichtgemäße Ermessen des Dienstherrn gestellt. Bei der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Ermessensentscheidung haben dienstliche Belange grundsätzlich Vorrang (Eck in: BeckOK BeamtenR Bayern, BayBG Art. 48 Rn. 30).
Der Beklagte verweist im Bescheid vom 7. Dezember 2017 darauf, dass die in der Stellungnahme vom 30. November 2017 durch die Klägerin vorgetragenen Aspekte berücksichtigt worden sind, aber nicht zu einem anderen Ergebnis geführt haben. Die zugegeben knappen Ausführungen lassen noch ausreichend deutlich erkennen, dass eine Ermessenserwägung stattgefunden hat. Durch die Einbeziehung der Ausführungen im behördlichen Anhörungsschreiben vom 27. September 2017 in den Versetzungsbescheid vom 7. Dezember 2017 wird das besondere dienstliche Interesse des Beklagten deutlich, das gegenüber dem Interesse der Klägerin am Verbleib im Gerichtsvollzieherdienst schwerer wiegt. Hinweise auf eine willkürliche Entscheidung liegen nicht vor.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


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