Arbeitsrecht

vertragliches Wettbewerbsverbot eines Einkaufsleiters

Aktenzeichen  3 SaGa 3/19

Datum:
28.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 36092
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB  § 307
HGB § 60, § 74a Abs. 1 S. 3
AktG § 15
BGB§ 157, § 622 Abs. 6
BGB § 310 Abs. 3 Nr. 3
TzBfG § 15 Abs. 4

 

Leitsatz

Einem Einkaufsleiter ist die Tätigkeit in ähnlicher Stellung für einen Mitbewerber während des Bestands des Arbeitsverhältnisses nicht gestattet. Dies gilt bei unwiderruflicher Freistellung und Fortzahlung des Entgelts auch während des Laufs einer einzelvertraglich vereinbarten zweijährigen Kündigungsfrist.

Verfahrensgang

3 Ga 1/19 2019-02-27 Endurteil ARBGWEIDEN ArbG Weiden

Tenor

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 27. Februar 2019, Az.: 3 Ga 1/19, wird geändert.
2. Dem Antragsgegner wird untersagt, bis zur Verkündung eines erstinstanzlichen Urteils in der Hauptsache, längstens bis zum 31. März 2020 für die M… Großhandels Ltd. & Co. KG, vertreten durch die M… Management Ltd., diese vertreten durch den Geschäftsführer, Herrn E… M…, A…straße xx, … U…, sowie alle mit dieser im Sinne von
§ 15 AktG verbundenen Unternehmen auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland tätig zu werden.
3. Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 € oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht.
4. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

I.
Die Berufung ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 64 Abs. 1, Abs. 2 b, 2 c ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
II.
Die Berufung ist sachlich begründet.
Der Verfügungsklägerin (Klägerin) steht ein Verfügungsanspruch auf Unterlassung von Wettbewerb zu. Die Klägerin hat auch einen Verfügungsgrund.
Im laufenden Arbeitsverhältnis besteht ein Wettbewerbsverbot schon aufgrund des Arbeitsvertrages. Nach herrschender Meinung gilt der in § 60 HGB kodifizierte Grundgedanke ohne besondere vertragliche Abrede für alle Arbeitsverhältnisse. § 60 HGB konkretisiert lediglich den allgemeinen Rechtsgedanken, der bereits in der Treuepflicht des Arbeitnehmers seine Grundlage hat. Deshalb schließt der Arbeitsvertrag für die Dauer seines Bestehens über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus ein Wettbewerbsverbot ein (Erfurter Kommentar/Preis, 19. Auflage 2019, BGB § 611a Rn. 720 m.w.N.).
Mit dem Erstgericht nimmt auch das Berufungsgericht einen Verstoß gegen das bestehende Wettbewerbsverbot durch ein Tätigwerden für die im Tenor genannte Firma M… bzw. ein damit verbundenes Unternehmen an.
Nach dem BAG soll mit der Wettbewerbsenthaltung des Arbeitnehmers im Marktbereich des Arbeitsgebers erreicht werden, dass dem Arbeitgeber der Marktbereich voll und ohne die Gefahr der nachteiligen, zweifelhaften oder zwielichtigen Beeinflussung durch den Arbeitnehmer offensteht (vgl. BAG vom 16.06.1976, 3 AZR 73/75).
Der Verbotstatbestand fasst damit bereits die bloße Gefährdung der Arbeitgeberinteressen. Bezüglich der Konkurrenzsituation gilt, dass die Geschäftsbereiche anerkanntermaßen nicht vollständig und nicht einmal überwiegend deckungsgleich sein müssen. Selbst eine nur geringfügige Überschneidung der jeweiligen Geschäftsbereiche führt bei Großunternehmen zu einer von § 60 Absatz 1 HGB verbotenen Wettbewerbssituation jedenfalls dann, wenn der sich überschneidende Bereich ein großes finanzielles Volumen hat (Arbeitsgericht Weiden, Urteil vom 27.02.2019, 3 Ga 1/19 m.w.N.). Bei Tätigkeit für die Firma M… liegt eine verbotene Wettbewerbstätigkeit vor. Die Geschäftsbereiche überschneiden sich jedenfalls in den Bereichen Drogerieartikel, Tee, Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, die der Beklagte jeweils verantwortet (hat) und hierzu betreffend die Klägerin über potenziell hochrelevantes Insiderwissen verfügt bzw. verfügte. Auch bei Zugrundelegen der Angaben des Beklagten handelt es sich beim überschneidenden Bereich Drogerie bereits um einen solchen, der immerhin ca. 8 Prozent des Jahresumsatzes der Klägerin und damit einen Umsatz von über eine Milliarde Euro und somit ein absolut sehr hohes Volumen ausmacht. Eine verbotene Konkurrenzsituation liegt damit auch zur Überzeugung des Berufungsgerichts vor.
Unstreitig ist der Beklagte jedenfalls ab dem 01.02.2019 bis zur Untersagung durch das Erstgericht für die Firma M… tätig geworden. Die Klägerin hat auch nicht durch die Formulierung im Schreiben vom 27.03.2018 – auch nicht konkludent – auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes verzichtet. Zwar hat sie den Beklagten unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung und Anrechnung anderweitigen Verdienstes freigestellt. Hierzu hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass bei einer unwiderruflichen Freistellung unter dem Vorbehalt der Anrechnung etwaigen anderweitigen Verdienstes der Arbeitnehmer gemäß § 157 BGB in der Regel davon ausgehen könne, in der Verwertung seiner Arbeitskraft frei und nicht mehr an das Wettbewerbsverbot gebunden zu sein.
Dies ergebe die Auslegung. Einen abweichenden Willen habe der Arbeitgeber in der Freistellungserklärung zum Ausdruck zu bringen (vgl. BAG vom 06.09.2006, 5 AZR 703/05).
Auch hier folgt das Berufungsgericht der Einschätzung des Erstgerichtes, das wohlbegründet davon ausgeht, dass mit dem Schreiben vom 27.03.2018 die Klägerin nicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes verzichtet habe.
In der Erklärung (Bl. 57 d.A.) wird ausdrücklich Bezug auf den Arbeitsvertrag vom 23.08.2015 zur Begründung der Freistellung genommen.
In § 10 Nr. 7 dieses Arbeitsvertrages ist der Klägerin die Möglichkeit eingeräumt, den Arbeitnehmer im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Arbeit freizustellen. Diese Regelung begegnet keinen Bedenken, sondern eine Suspendierung der Arbeitspflicht kraft individueller Vereinbarung ist angesichts der Dispositivität des Beschäftigungsanspruchs grundsätzlich zulässig.
Jedenfalls wird im gekündigten Arbeitsverhältnis überwiegend von einem berechtigten Arbeitgeber zur sofortigen Freistellung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ausgegangen. Zwar ist die Beschäftigungspflicht eine aus Grundrechten abgeleitete Kardinalpflicht des Arbeitgebers. Eine AGB-Klausel, die ein Freistellungsrecht des Arbeitgebers nach dem Ausspruch einer Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist vorsieht, ist jedenfalls dann nicht offensichtlich unwirksam, wenn es sich bei dem freigestellten Arbeitnehmer um einen Mitarbeiter in leitender herausgehobener Stellung handelt (LAG Hamm, Urteil vom 10.02.2015 – 18 SaGa 1/15; juris). Freistellungsklauseln im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung entsprechen einer weit verbreiteten Übung in der arbeitsvertraglichen Praxis. Die Klausel ist weder überraschend noch an einer versteckten Stelle zu finden, sondern befindet sich bei den Regelungen im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Weil zwischen den Parteien auch unstreitig ist, dass die Freistellung unter Fortzahlung der Vergütung erfolgt (vgl. Absatz 1 Satz 2 des Schreibens vom 27.03.2018), tritt eine Gefährdung des Vertragszwecks gemäß § 307 Absatz 2 Nr. 2 BGB nicht ein. Denn der Hauptvertragszweck, die Sicherung der Existenzgrundlage durch die Vergütungszahlung, wird durch die Freistellung nicht tangiert (LAG Hamm a.a.O. m.w.N.).
Gerade im Hinblick auf die herausgehobene Stellung des Beklagten, der nach den Angaben in dem Zwischenzeugnis eine Umsatzverantwortlichkeit für 3,9 Milliarden Euro hat, geht das Berufungsgericht von der Zulässigkeit und Wirksamkeit der Freistellungsklausel aus.
Ausdrücklich festgehalten wird im Schreiben vom 27.03.2018, dass im Übrigen die Vereinbarungen im Arbeitsvertrag vom 23.08.2012 sowie der Zusatz zum Arbeitsvertrag vom 01.07.2013 gelten sollen. Damit ist auch „§ 8 Nebenbeschäftigung“ des Arbeitsvertrages in Bezug genommen. Es ist also klar, dass nach dem Willen der Klägerin ein Nebenerwerb während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung des Arbeitgebers übernommen werden darf.
Es handelt sich hier um einen arbeitsvertraglich vereinbarten „Genehmigungsvorbehalt“. Eine Nebenbeschäftigung bedarf der Zustimmung der Klägerin. Dem Beklagten ist mithin nicht jede Nebentätigkeit verboten, sondern er hat lediglich zuvor die Zustimmung der Klägerin einzuholen. Ein solcher Erlaubnisvorbehalt berechtigt den Arbeitgeber nicht, die Aufnahme einer Nebentätigkeit willkürlich zu verwehren. Sofern keine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu erwarten ist, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Erteilung der Zustimmung. Ein Erlaubnisvorbehalt ist somit nicht einem Nebentätigkeitsverbot gleichzusetzen. Er dient nur dazu, dem Arbeitgeber bereits vor Aufnahme der Nebentätigkeit die Überprüfung zu ermöglichen, ob seine Interessen beeinträchtigt werden. Er verstößt daher nicht gegen Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz, der auch die Freiheit schützt, eine nebenberufliche Tätigkeit zu ergreifen. Die mögliche Beschränkung der Freiheitsrechte aus Artikel 12 Absatz 1 GG hält sich in Grenzen. Im Ergebnis wird dem Arbeitnehmer nichts anderes angesonnen, als dass er vor Aufnahme einer Nebenbeschäftigung den Arbeitgeber unterrichtet (BAG, Urteil vom 11.12.2001, 9 AZR 464/00; juris).
Aus dem Hinweis auf dem Arbeitsvertrag und damit der Weitergeltung dieses Genehmigungsvorbehaltes ergibt sich klar, dass dem Beklagten während der Freistellung nicht jede beliebige Tätigkeit gestattet sein soll. Die Klägerin hat sich eine Prüfung der Nebentätigkeit weiterhin vorbehalten. Daraus ergibt sich eindeutig, dass sie gerade nicht auf die Einhaltung des Wettbewerbsverbotes verzichtet habe.
Dass dies auch der Beklagte so verstanden hat, ergibt sich aus dem Schreiben vom 31.01.2018, wie das Erstgericht fehlerfrei festgestellt hat. Sinn und Zweck der langen Kündigungsfrist im Zusammenhang mit der Freistellung ist gerade, Wettbewerb zu verhindern.
Anders als das Erstgericht geht das Berufungsgericht aber nicht davon aus, dass ein Verfügungsanspruch deshalb entfalle, weil das Arbeitsverhältnis durch die Eigenkündigung des Beklagten mit Ablauf des 31.03.2019 enden werde.
Eine Entscheidung im Eilverfahren der einstweiligen Verfügung ist nicht geeignet, schwierige und grundsätzliche Rechtsfragen zu klären. Die Entscheidung im Eilverfahren dient nur der vorläufigen Sicherung von Rechten, ist auf eine summarische Prüfung beschränkt und unterliegt nicht der Revision (§ 72 Absatz 4 ArbGG). Im Rahmen dieser Prüfung hält das Berufungsgericht die Verlängerungsvereinbarung vom 01.07.2013 für wirksam.
Es bestehen schon Zweifel, ob diese Verlängerungsvereinbarung einer AGB-Kontrolle zu unterziehen ist. Denn es handelt sich hier um die Hauptabrede (einzige Regelung) des Zusatzes des Arbeitsvertrages vom 01.07.2013.
Auch nach dem Vortrag des Beklagten sollte hier der Arbeitsvertrag gerade nicht ergänzt werden, sondern mit der Klausel sollte der Arbeitsvertrag in einem entscheidenden Punkt abgeändert werden.
Über diese Abrede ist auch verhandelt worden. Der Beklagte hat versucht, die Verlängerung der Kündigungsfrist, gegen die er keine grundsätzlichen Einwände hatte, auf den Zeitpunkt der in Aussicht gestellten Beförderung zu verschieben.
Weil Herr L… ihm aber „eindringlich signalisierte“, dass das „Zeichen“ bereits zum damaligen Zeitpunkt erforderlich sei, hat sich der Beklagte nach eigenem Vortrag in der Hoffnung auf eine baldige Beförderung gefügt und die Vereinbarung vom 01.07.2013 unterzeichnet. Es kann sich also hier durchaus um eine ausgehandelte Abrede handeln.
Hierfür sprechen die herausgehobene Stellung des Beklagten und die Signale des Geschäftsführers, aus deren Beachtung der Beklagte sich Vorteile erhoffte.
Denn hier kann es bei einem „Aushandeln“ nicht nur um die Verkürzung der Verlängerung der Kündigungsfrist um X-Monate gehen.
Ersichtlich kommt es der Klägerin darauf an, mit der Verlängerung der Kündigungsfrist eine weitere Verhandlungsrunde bei der Preisgestaltung abzudecken. Dies war dem Beklagten aufgrund seiner Tätigkeit auch bekannt. Dem Vortrag der Klägerin, dass eine solche Vertragsgestaltung in der Position des Beklagten und darüber üblich sei, und der Beklagte eine ähnliche Kündigungsfrist auch in seinem neuen Arbeitsvertrag habe, ist der Beklagte nicht entgegengetreten.
Er hat sich also im Rahmen der Verhandlungen für eine vorzeitige Verlängerung der Kündigungsfrist entschieden, um seine Aufstiegschancen zu wahren.
Eine intransparente Abrede liegt nicht vor.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Abrede auch bei Anwendung von AGB-Recht nicht unangemessen benachteiligend. Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB liegt nach der maßgebenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vorneherein auch dessen Belange zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Um eine unangemessene Benachteiligung handelt es sich nicht nur dann, wenn der Arbeitnehmer einer Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist in einer vorformulierten Erklärung ohne jegliche Gegenleistung zustimmt. Die Klausel benachteiligt den Arbeitnehmer auch dann unangemessen im Sinne von § 307 Absatz 1 Satz 1 BGB, wenn die Verlängerung der Kündigungsfrist nicht angemessen kompensiert wird (vgl. BAG vom 26.10.2017, 6 AZR 158/16; juris).
Weiter geht das BAG davon aus, dass bei einer vom Arbeitgeber vorformulierten Kündigungsfrist, die die Grenzen des § 622 Absatz 6 BGB und des § 15 Absatz 4 TzBfG einhält, aber wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Absatz 1 BGB, nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles unter Beachtung von Artikel 12 Absatz 1 GG zu prüfen ist, ob die verlängerte Frist eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit darstellt (vgl. BAG a.a.O.).
Dieser Rechtsprechung tritt auch das Berufungsgericht vollständig bei.
Die vorliegende Verlängerung hält sich deutlich im Rahmen der §§ 624 BGB, 15 Absatz 6 TzBfG, auch wurde § 622 Absatz 6 BGB beachtet. Allerdings weicht die Regelung wesentlich von der gesetzlichen Regelfrist für Arbeitnehmerkündigungen gemäß § 622 Absatz 1 BGB ab.
Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der Umstände des Einzelfalles waren wichtige Arbeitgeberinteressen zu beachten.
Es geht um den Wettbewerbsschutz in einem für ein Handelsunternehmen besonders wichtigen und sensiblen Bereich – Einkauf – und um einen herausgehobenen wichtigen Arbeitnehmer, der die Klägerin potenziell massiv schädigen kann. Daher wurde die Kündigungsfrist auch auf Betreiben der Arbeitgeberseite und zur Wahrung deren Interessen vereinbart. Ein eigenes Interesse an der Verlängerung hatte der Beklagte nicht, nach seinem Vortrag hatte er deshalb auch zunächst versucht, die Verlängerung der Kündigungsfrist auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Allerdings resultiert aus dieser Vereinbarung auch ein erheblich verstärkter Schutz des Arbeitnehmers bei einer Arbeitgeberkündigung. Im Falle einer Arbeitgeberkündigung hätte die Klägerin den Beklagten ebenso unter Fortzahlung der Vergütung für zwei Jahre freigestellt, was jedenfalls eine materielle Sicherung für zwei Jahre für den Arbeitnehmer bedeutet.
Zusätzlich liegt nach Auffassung des Berufungsgerichts auch eine hinreichende Kompensation der Verlängerung der Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer vor. Unstreitig hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass bei einer Tätigkeit auf der nächsten Karrierestufe eine zweijährige Kündigungsfrist im Unternehmen üblich ist und gefordert wird.
Dies ergibt sich auch aus dem Vortrag des Beklagten, der insoweit dem Vorschlag der Klägerin entgegengehalten hat, eine Verlängerung der Kündigungsfrist mit dem Antreten der gehobenen Position zu vereinbaren. Wie bereits ausgeführt, hat der Beklagte die Signale der Klägerin befolgt. Diesem Argument „Verstärkung der Vertrauensbasis“ hat sich der Beklagte schließlich gebeugt, er wollte die Voraussetzungen schaffen, später Einkaufsleiter zu werden.
Selbst wenn hierin nicht ein Aushandeln liegen sollte, wäre jedenfalls die Wahrung der Aufstiegschance „Einkaufsleiter“ (Gehaltshorizont nach dem Vortrag der Klägerin für die neue Tätigkeit des Beklagten bei der Firma M… 400.000 bis 700.000 Euro) gegeben. Vor- und Nachteile müssen in einem inneren Zusammenhang stehen.
Der gewährte Vorteil muss das durch die benachteiligende Vertragsbestimmung beeinträchtigte Interesse stärken. Er muss außerdem von solchem Gewicht sein, dass er einen angemessenen Ausgleich für die Beeinträchtigung darstellt. Der Nachteil und die gewährten Vorteile sind gegeneinander abzuwägen (BAG, Urteil vom 26.10.2017, Rn. 37 m.w.N.).
Bei einer Beurteilung der unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Absatz 1 und 2 BGB sind auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen (§ 310 Absatz 3 Nr. 3 BGB).
Aufgrund der Einordnung von Arbeitnehmern als Verbraucher ist dieser generalisierende Prüfungsmaßstab nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB aber durch konkrete individuelle Umstände des Vertragsschlusses zu ergänzen. Es kommt also an auf die persönlichen Eigenschaften, die Geschäftserfahrung und Verhandlungsstärke, die Beurteilungsfähigkeit, das Angewiesensein auf die Leistung, auf intellektuelle Stärken und Schwächen sowie auf die konkrete Situation des Vertragsschlusses, d.h., ob der Verwender seinen Vertragspartner überrascht, überrumpelt oder den wahren Vertragsinhalt verschleiert (ErfK/Preis §§ 305 – 310 BGB, Rn. 42 m.w.N.).
Bei der Anwendung auf Arbeitsverträge sind die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen, § 310 Absatz 4 Satz 2 BGB.
Dem Beklagten kann schon aufgrund seiner Position Geschäftserfahrung und Verhandlungsstärke unterstellt werden. Zweifel an der intellektuellen Stärke hat das Gericht ebenfalls nicht. Die konkrete Situation des Vertragsschlusses hat nichts Überraschendes, der Vertragsinhalt ist offensichtlich.
Hier war der Beklagte bereits in einem Arbeitsverhältnis. Die Klägerin hat ihm die Änderung einer Vertragsbedingung vorgeschlagen. Er hätte diese Änderung ohne Gefährdung des bisherigen Vertrages ablehnen können. Insoweit liegen schon besondere, den Vertragsschluss begleitende Umstände vor.
Darüber hinaus hat der Beklagte bereits zu Beginn seines Vertragsverhältnisses eine deutlich herausgehobene Stellung im Unternehmen der Klägerin innegehabt, wie sich an der Vergütung und den im Zwischenzeugnis beschriebenen Umständen, wie der Tätigkeit und der Umsatzverantwortung von 3,9 Milliarden Euro, ergibt. In diesem Bereich spielt das gegenseitige Vertrauen eine herausragende Rolle.
Es ist weithin üblich, Mitarbeiter, die eine Eigenkündigung aussprechen oder gekündigt werden, sofort unter Fortzahlung der Vergütung freizustellen. Dies ist auch bei der Klägerin unstreitig üblich und im Falle des Beklagten geschehen. Es ist daher nach Ansicht des Gerichtes nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass dem Beklagten die Beförderung nicht sofort vertraglich zugesagt wurde. Als Kompensation reicht hier die Wahrung der Aufstiegsmöglichkeit durch Aufbau der Vertrauensbasis aus.
Die Verlängerung der Kündigungsfrist auf zwei Jahre zum Quartalsende verstößt nach Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht gegen anderweitige gesetzliche Wertungen. Zwar kann aus § 74a Absatz 1 Satz 3 HGB geschlossen werden, dass das Gesetz davon ausgeht, dass ein Wettbewerbsverbot nicht länger als zwei Jahre bestehen soll. Dem Erstgericht ist zuzugeben, dass aufgrund der Kombination der zweijährigen Kündigungsfrist mit einem Kündigungstermin zum Quartalsende eine Bindung von annähernd zwei Jahren und drei Monaten erreicht wird.
Dies geschieht hier allein durch die vertragliche Kündigungsfrist, während der das allgemeine Wettbewerbsverbot während des Arbeitsverhältnisses gilt.
Doch auch im Zusammenhang mit § 74a Absatz 1 Satz 3 HGB kann eine längere Bindung aufgrund der Kombination von Kündigungsfrist und vereinbartem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot erreicht werden. Die Vereinbarung einer dreimonatigen Kündigungsfrist, Kündigungstermin zum Quartalsende, wäre gerade beim vorliegenden Arbeitsverhältnis unproblematisch möglich gewesen. Es wäre auch möglich gewesen, daran ein zweijähriges vertragliches Wettbewerbsverbot gemäß § 74 Absatz 1 HGB anzuschließen.
Damit wäre eine exakt gleichlange Bindung des Beklagten gegeben gewesen, an deren Rechtmäßigkeit keinerlei Bedenken bestehen können. Diese Bindung hätte ebenfalls die Aufnahme der (Konkurrenz)-Tätigkeit bei der Firma M… verhindert. Die vorliegende Gestaltung bietet für den Arbeitgeber Vorteile bei der Durchsetzung des Wettbewerbsverbotes, die er sich dadurch erkauft, dass er nicht 50% des Gehaltes, sondern das gesamte Gehalt während der Freistellung bezahlt.
Die Bindungswirkung für den Beklagten ist dieselbe wie bei einer zulässigen Kombination aus Kündigungsfrist und vertraglichem Wettbewerbsverbot gemäß § 74 HGB, er hat aber den Vorteil, vollständige Bezahlung zu erhalten.
Selbst wenn dennoch Zweifel an der Wirksamkeit der Verlängerung der Kündigungsfrist verblieben, wäre das Interesse der Klägerin am Erlass der einstweiligen Verfügung höher zu bewerten, als das Interesse des Beklagten an deren Abweisung. Zu Recht hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass selbst bei Zugrundelegung der Angaben des Beklagten im Bereich der Drogerie 8% Prozent des Umsatzes der Klägerin erzielt würden, was 1,048 Milliarden Euro entspricht. Für das Gericht ist das Sicherungsbedürfnis über zwei Jahre auch nachvollziehbar. Es ist verständlich, wenn die Klägerin es für erforderlich erachtet, dass mindestens zwei Verhandlungsrunden ohne den ausscheidenden Arbeitnehmer stattfinden.
Der Kläger hat die Einkaufsrunde 2017/2018 praktisch vollständig miterlebt, da er erst ab dem 27.03.2018 freigestellt wurde. Nach seinem eigenen Wunsch wollte er schon zum 01.02.2019, also noch vor Abschluss der nächsten Verhandlungsrunde, bei der Firma M… seine Tätigkeit beginnen.
In diesem für das Unternehmen essentiellen Bereich des Einkaufs ist die beabsichtigte Sicherheit einer zweiten Verhandlungsrunde aufgrund der großen wirtschaftlichen Auswirkungen gut verständlich. Das Gericht unterstellt der Klägerin ökonomisch vernünftiges Verhalten, wenn sie für die zweijährige Freistellung des Klägers mindestens 720.000 Euro aufwendet.
Demgegenüber tritt das Interesse des Beklagten zurück, relativ zeitnah eine Stelle bei einem Konkurrenten in einer gehobenen Position als Einkaufsleiter anzutreten.
Daher geht das Berufungsgericht jedenfalls im vorliegenden summarischen Verfahren davon aus, dass die Verlängerung der Kündigungsfrist wirksam ist, der Beklagte ist bis zum 31.03.2020 an den Arbeitsvertrag gebunden und darf nicht als Einkaufsleiter für die Firma M… tätig werden. Der Klägerin steht damit ein Verfügungsanspruch zu.
Der Anspruch ist auch den Umständen des Einzelfalles entsprechend auf die Tätigkeit bei der Firma M… beschränkt, unstreitig hat der Beklagte mit dieser einen Arbeitsvertrag abgeschlossen, den er ab dem 01.02.2019 erfüllen wollte und für einige Tage auch erfüllt hat.
Unproblematisch ergibt sich daraus auch ein Verfügungsgrund, eine Eilbedürftigkeit besteht, da der Beklagte nach wie vor davon ausgeht, für die Firma M… tätig werden zu dürfen und zu können.
Einzuschränken war der Antrag für den Fall der Einleitung eines Hauptsacheverfahrens.
III.
Der unterlegene Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.


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