Arbeitsrecht

Verwaltungsrechtsweg, Verwaltungsgerichte, Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte, Prozeßkostenhilfeverfahren, Verfassungsrechtlicher Status, Kostenentscheidung, Zulässigkeit Rechtsweg, Facebook-Gruppe, Befähigung zum Richteramt, Rechtsmittelbelehrung, Bürgerliche Rechtsstreitigkeit, Prozeßbevollmächtigter, Rechtswegverweisung, Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten, Mitgliedschaftsrechte, Anhörung der Beteiligten, Klageabweisung, Hinweis auf Vertretungszwang, Prozeßhandlungen, Kosten des Rechtsstreits

Aktenzeichen  RN 3 K 21.223

Datum:
11.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 4101
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 17a
VwGO § 40
GVG § 71 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig.
II. Das Verfahren wird an das zuständige Landgericht München I verwiesen.

Gründe

I.
Der Kläger begehrt als Mitglied einer politischen Partei die Unterlassung geltend gemachter Handlungen und Diskriminierungen durch den Landesverband dieser Partei und verlangt Schadenersatz.
Der beklagte Landesverband einer politischen Partei betreibt nach dem klägerischen Vorbringen auf der Plattform „Facebook“ eine Gruppe für Parteimitglieder. Der Kläger macht geltend, dass er in dieser im Frühjahr 2020 Äußerungen eines Parteimitglieds als antisemitisch angeprangert habe. In der Folge habe es die Führung des Landesverbands zugelassen, dass er in der „Facebook“-Gruppe tagelang gemobbt worden sei, bevor er für zwei Monate für diese Gruppe gesperrt worden sei. Nach seiner Rückkehr in die Gruppe sei es erneut zu unsanktioniertem Mobbing durch andere Mitglieder ihm gegenüber gekommen. Nachdem er über eines dieser Mitglieder Nachforschungen angestellt und in der „Facebook“-Gruppe gefragt habe, warum ein „Neo-Nazi“ in der Partei sein dürfe, sei er erneut für einen Monat aus der Gruppe gesperrt worden. Er habe danach nochmals kurz Zugang zur „Facebook“-Gruppe erhalten und sei seither wieder ausgeschlossen, ohne dass es eine Ordnungsmaßnahme gegen ihn gegeben habe oder ihm eine Information über den Ausschluss zugestellt worden sei. Der Kläger sieht darin einen Verstoß gegen das Parteiengesetz und die Satzung des beklagten Landesverbandes. Da nach dem Grundgesetz die innere Ordnung von Parteien demokratischen Grundsätzen entsprechen müsse, sehe sich der Kläger durch eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen Parteimitgliedern verletzt. Die „Facebook“-Gruppe sei der wichtigste Austauschort mit anderen Parteimitgliedern und ihm werde durch seinen Ausschluss die Möglichkeit zur Teilnahme an internen Diskussionen genommen. Seine im Dezember 2020 erhobene Klage zum Landesschiedsgericht der Partei sei erfolglos geblieben, der innerparteiliche Rechtsweg sei erschöpft. Wegen des – zusätzlich zu den vorherigen Sperren von zwei Monaten und einem Monat – bereits über ein viertel Jahr dauernden weiteren Ausschlusses fordere er außerdem Schadenersatz für die Minderung seiner Rechte als Parteimitglied, zumal er für diese Zeit an die Bundespartei Mitgliedsbeiträge gezahlt und Aufwendungen im Kampf gegen diese Diskriminierungen gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
„Die …-Partei muss die Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen abstellen, die Diskriminierung von mir beenden, desweiteren eine Schadenersatzzahlung von 200 € leisten.“
Die Beklagtenseite beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung macht sie geltend, die Klage sei unzulässig, da ein konkreter Klageantrag fehle.
Das Gericht hörte die Beteiligten mit der Erstzustellung bzw. der Eingangsbestätigung zur beabsichtigten Rechtswegverweisung an das Landgericht München I an. Der Kläger äußerte sich hierzu nicht. Die Beklagtenseite erklärte ihr Einverständnis zu einer Verweisung an das Landgericht München I.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um ein Verfahren, das gemäß § 13 GVG in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fällt. Der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist nicht eröffnet, da keine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG war der Rechtsstreit somit an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Zuständiges Gericht ist vorliegend das Landgericht München I.
Politische Parteien sind organisatorisch privatrechtliche Vereine, denen nicht zuletzt aufgrund Art. 21 GG zwar ein besonderer verfassungsrechtlicher Status zukommt (vgl. Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 40 VwGO Rn. 151). Der gegenständliche Rechtsstreit betrifft aber nicht den verfassungsrechtlichen Status einer politischen Partei, den sie etwa gegenüber staatlichen Institutionen geltend macht. Vielmehr geht es um innerparteiliche Rechtsbeziehungen zwischen dem Kläger als Parteimitglied und (einer Gliederung) einer politischen Partei. Das Mitgliedsverhältnis zu einer politischen Partei ist aber zivilrechtlicher Natur (vgl. Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 40 Rn. 261). Die Parteimitgliedschaft ist ein durch wechselseitige Rechte und Pflichten gekennzeichnetes Rechtsverhältnis, das durch das Parteiengesetz, das Vereinsrecht des BGB und die Satzungen der Parteien näher ausgeformt ist und satzungsmäßige Befugnisse der Parteiorgane und Mitgliedschaftsrechte der Parteimitglieder begründet (vgl. Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 21 Rn. 73). Auch das in Art. 21 Abs. 1 Satz 3 GG enthaltene Gebot innerparteilicher Demokratie ordnet das Mitgliedschaftsverhältnis nicht dem öffentlichen Recht zu (vgl. vonMangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 21 Rn. 157), da politische Parteien als solche nicht zur institutionalisierten Staatlichkeit gehören (vgl. Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Art. 21 Rn. 73 m.w.N.) und insoweit keine öffentliche Gewalt ausüben. Trotz der verfassungsrechtlichen Verankerung politischer Parteien handelt es sich daher vorliegend nicht um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Streitigkeiten zwischen den Parteien und ihren Mitgliedern sind nach allem vielmehr „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“ und gehören somit gemäß § 13 GVG vor die ordentlichen Gerichte (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 40 Rn. 36; BeckOK VwGO, 56. Ed. 1.4.2020, § 40 Rn. 65 m.w.N.)
Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist daher nach erfolgter Anhörung der Beteiligten festzustellen, dass der Verwaltungsrechtsweg unzulässig ist, sowie der Rechtsstreit an das sachlich nach § 1 ZPO i.V.m. § 71 Abs. 1 GVG und örtlich gemäß §§ 12, 17 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. 4 Nr. 14, Art. 5 Abs. 2 Nr. 47 GerOrgG zuständige Landgericht München I zu verweisen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da die Kosten des Rechtsstreits nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wird.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben