Arbeitsrecht

Vietnamesische Staatsangehörige, Tschechischer Aufenthaltstitel, Sicherung des Lebensunterhalts, Prognose, Glaubhaftigkeit der Einkommensverhältnisse (verneint)

Aktenzeichen  B 6 S 20.1507

Datum:
15.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 7556
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 38a
AufenthG § 30
AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 1
Daueraufenthaltsrichtlinie

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer gegen die Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug sowie eine Abschiebungsandrohung gerichteten Klage.
Die Antragstellerin ist vietnamesische Staatsangehörige und verfügt über einen gültigen Aufenthaltstitel für die Tschechische Republik. Sie reiste am 01.06.2020 zusammen mit ihrer am … geborenen Tochter P. aus Tschechien in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sie lebt seitdem mit ihrem Ehemann …N., der ebenfalls vietnamesischer Staatsangehöriger ist und der über eine bis 20.09.2021 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG verfügt, der gemeinsamen Tochter P. sowie nunmehr auch mit der weiteren, am … im Bundesgebiet geborenen gemeinsamen Tochter Y. in häuslicher Gemeinschaft.
Am 28.07.2020 ließ die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten beim Landratsamt … die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Ehegattennachzug unter Bezugnahme auf § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. f AufenthG beantragen. Zum Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts wurden hierbei vorgelegt:
– eine Arbeitgeberbestätigung vom 20.07.2020, wonach der Ehemann der Antragstellerin im Restaurant …S. in … als „Kocher“ beschäftigt sei und bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ein monatliches Bruttogehalt von 2.800 EUR erhalte,
– ein Arbeitsvertrag vom 30.05.2018, wonach das Arbeitsverhältnis „als Kocher“ im Restaurant …S. am 01.06.2018 beginne und der Ehemann der Antragstellerin einen monatlichen Bruttolohn von 2.800 EUR bei einem derzeitigen Stundenlohn von 11 EUR erhalte. Eine Angabe zur wöchentlichen Arbeitszeit enthielt dieser Vertrag nicht.
– Eine Gehaltsabrechnung des Ehemanns für den Monat Juli 2020, die ein Gesamt-Brutto von 2.982,40 EUR, davon 2.800 EUR Festlohn ausweist.
– Gehaltsabrechnungen für die Monate Mai und Juni 2020, die ein Gesamt-Brutto von jeweils 1.323,19 EUR (davon 882, 66 EUR Festlohn und 294,51 EUR Kurzarbeitergeld) ausweisen.
Mit E-Mail vom 29.07.2020 bat die Ausländerbehörde den Bevollmächtigten der Antragstellerin um Nachreichung von Gehaltsnachweisen des Ehemanns für August 2019 bis März 2020 sowie um Erläuterung der unterschiedlich hohen Gehaltszahlungen in den einzelnen Monaten. Noch in den Monaten Juni bis August 2019 sei dem Ehemann der Antragstellerin nach Kenntnis der Ausländerbehörde ein Festlohn von 1.200 EUR gezahlt worden, obwohl ihm gemäß dem nunmehr vorgelegten Arbeitsvertrag vom 30.05.2018 ein Bruttolohn von 2.800 EUR zugestanden hätte.
Mit E-Mail ihres Bevollmächtigten an die Ausländerbehörde vom 31.07.2020 ließ die Antragstellerin verschiedene Gehaltsabrechnungen des Ehemanns ab August 2019 vorlegen. Zugleich wurde ausgeführt, dass zwischen August 2019 und März 2020 flexible Arbeitszeiten „aus betrieblichen Gründen und aufgrund der Corona-Krise“ bei einem Stundenlohn von 11 EUR praktiziert worden seien. Ab dem 25.06.2020 hätten sich der Ehemann und sein Arbeitgeber auf ein monatliches Bruttogehalt von 2.800 EUR bei einer 40-Stunden-Woche geeinigt. Vorgelegt wurden:
– eine „Änderung des bisherigen Arbeitsvertrags vom 01.06.2018“ vom 25.06.2020: Der Ehemann werde ab 01.07.2020 unbefristet als „Küchenhilfe“ zu einem monatlichen Bruttolohn von 2.800 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Stundenlohn von 16,09 EUR beschäftigt.
– Gehaltsabrechnungen für August, September und November 2019 mit einem Gesamt-Brutto von jeweils 1.378,20 EUR,
– Gehaltsabrechnung für Dezember 2019 mit Gesamt-Brutto 2.178,20 EUR,
– Gehaltsabrechnung für Januar 2020 mit Gesamt-Brutto 2.182,40 EUR,
– Gehaltsabrechnung für Februar 2020 mit Gesamt-Brutto 1.682,40 EUR,
– Gehaltsabrechnung für März 2020 mit Gesamt-Brutto 1.411,52 EUR.
Mit E-Mail ebenfalls vom 31.07.2020 bat die Ausländerbehörde um weitere Nachweise und Erläuterungen. Die Corona-Krise könne sich erst ab März 2020 ausgewirkt haben. Es sei unklar, weshalb der Arbeitsvertrag zum 25.06.2020 geändert worden sei, wo doch bereits der ursprüngliche Arbeitsvertrag ein Festgehalt von 2.800 EUR vorgesehen habe.
Mit weiterem Schreiben des Bevollmächtigten vom 04.08.2020 wurden sodann vorgelegt:
– eine „Bestätigung des Arbeitgebers über die Reduzierung der Arbeitsstunden“ vom 02.08.2020. Danach seien die monatlichen Arbeitsstunden zwischen Februar 2019 und Juni 2020 wegen häufiger Familienbesuche des Ehemanns in Tschechien erheblich reduziert worden. Zudem habe der Arbeitgeber „anderen Arbeitnehmern aus betrieblichen Gründen mehr Arbeitsstunden“ einräumen wollen.
– Eine weitere „Bestätigung des Arbeitgebers“ vom 02.08.2020, wonach dem Ehemann der Antragstellerin die Löhne bis einschließlich Juni 2020 immer bar ausgezahlt und erst ab Juli 2020 überwiesen worden seien.
Unter dem 24.09.2020 erteilte die Ausländerbehörde der Antragstellerin eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 3 AufenthG.
Mit Schreiben vom 19.10.2020 teilte das Hauptzollamt … dem Arbeitgeber des Ehemanns der Antragstellerin mit, dass eine Prüfung der Geschäftsunterlagen gemäß §§ 2 ff. des Schwarzarbeits-Bekämpfungsgesetzes keine Beanstandungen ergeben habe und die Prüfung beendet sei.
Mit E-Mail vom 04.12.2020 forderte die Ausländerbehörde den Antragstellerbevollmächtigen auf zu erklären, warum der Ehemann der Antragstellerin als Küchenhilfe einen Stundenlohn erhalte, der über den im Betrieb an andere Beschäftigte gezahlten Stundenlöhnen von 9,50 EUR bis 11 EUR und zudem über der ortsüblichen Lohngrenze von 13 EUR liege. Es wurde zudem um Vorlage der weiteren Gehaltsabrechnungen ab Juli 2020 gebeten.
Mit Antwortschreiben ebenfalls vom 04.12.2020 führte der Antragstellerbevollmächtigte aus, dass es innerhalb der Berufsgruppe der Köche große Lohnunterschiede gebe, da es bei diesem Beruf maßgeblich auf die handwerklichen Fähigkeiten des einzelnen Arbeitnehmers ankomme. Der aktuelle Tarifvertrag sehe zudem für Köche ein Gehalt von 2.718 EUR vor. Auch sei die Anpassung der Gehaltshöhe im Rahmen eines laufenden Verwaltungsverfahrens ein völlig normaler Vorgang. Nach anwaltlicher Berechnung des Lebensunterhalts der Familie der Antragstellerin bestehe ein monatlicher Überschuss von 570,84 EUR. Es wurden weitere Gehaltsabrechnungen vorgelegt, wonach der Ehemann der Antragstellerin im August, September und Oktober 2020 ein Gesamt-Brutto von 2.982,40 EUR und im November 2020 ein Gesamt-Brutto von 2.447,31 EUR bezogen habe.
Mit E-Mail vom 07.12.2020 teilte die Ausländerbehörde dem Antragstellerbevollmächtigten mit, dass der Vergleich mit den für Köche gezahlten Tariflöhnen nicht statthaft sei, da der Ehemann der Antragstellerin laut dem erst am 25.06.2020 aktualisierten Arbeitsvertrag als „Küchenhilfe“ angestellt sei. Das Landratsamt beabsichtige, die Aufenthaltserlaubnis abzulehnen.
Mit Antwortschreiben ebenfalls vom 07.12.2020 legte der Antragstellerbevollmächtigte einen an ebendiesem Tag geänderten Arbeitsvertrag vor: Dort wurde handschriftlich das Wort „Küchenhilfe“ gestrichen und durch das Wort „Koch“ ersetzt.
Zudem wurde eine weitere Stellungnahme des Arbeitsgebers vom 07.12.2020 vorgelegt, in der die Lohnerhöhung für den Ehemann der Antragstellerin mit dessen vierjähriger Berufserfahrung und seinen hervorragenden Kenntnissen bei der Zubereitung verschiedener Gerichte begründet wurde. Es wurde zudem eine vom Ehemann der Antragstellerin unterzeichnete „unwiderrufliche Verpflichtungserklärung gemäß §§ 68, 66 AufenthG gegenüber dem Landratsamt … – Ausländerbehörde“ für den Lebensunterhalt der Ehefrau und Kinder für einen Zeitraum von fünf Jahren vorgelegt.
Mit Bescheid vom 23.12.2020 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer 1) und forderte die Antragstellerin auf, das Bundesgebiet einen Monat nach Vollziehbarkeit des Bescheids zu verlassen (Ziffer 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung in die Tschechische Republik angedroht (Ziffer 3). Es wurde ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung festgesetzt (Ziffer 4).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragstellerin erfülle die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht, da der Lebensunterhalt nicht i.S.d. § 2 Abs. 3 AufenthG gesichert sei. Bei der Beurteilung und Prognose der dauerhaften Lebensunterhaltsabsicherung berücksichtige die Ausländerbehörde auch die Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit der Angaben im Verwaltungsverfahren. Bei dem zuerst vorgelegten Arbeitsvertrag des Ehemanns der Antragstellerin vom 30.05.2018 ergebe sich bei Zugrundelegung des dort angegebenen Stundenlohns eine monatliche Arbeitszeit von 254 Stunden. Aus der Ausländerakte des Ehemanns gehe zudem hervor, dass dieser gemäß einem Arbeitsvertrag vom 25.05.2017 ein Bruttogehalt von 1.200 EUR beziehe. Dieses Gehalt sei ihm auch noch im Jahr 2019 gezahlt worden. Es sei daher naheliegend, dass der Ehemann der Antragstellerin weiterhin einen Stundenlohn von 11 EUR erhalte und der mit dem Antrag der Antragstellerin auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorgelegte, auf den 30.05.2018 datierte Arbeitsvertrag nachträglich erstellt worden sei. Die Begründungen für die in der Vergangenheit erfolgte vorübergehende Arbeitsstundenreduzierung widersprächen sich. Die Aussage, dass die Löhne bis Juni 2020 bar ausgezahlt worden seien, stehe im Widerspruch zu den vorgelegten Gehaltsabrechnungen für Mai und Juni 2020, wonach der Nettoverdienst dem Ehemann der Antragstellerin auf ein dort angegebenes Konto überwiesen werde. Als die Ausländerbehörde am 07.12.2020 darauf hingewiesen habe, dass der Ehemann der Antragstellerin laut Arbeitsvertrag nicht als Koch, sondern als Küchenhilfe beschäftigt sei, sei am gleichen Tag die Tätigkeitsbezeichnung im Vertrag geändert worden. Das ständige Nachjustieren bei den Angaben zur Tätigkeit und zum Stundenlohn, das Fehlen von Einkommensnachweisen, die sich widersprechenden und verzögert vorgebrachten Begründungen stellten ein angepasstes Verhalten dar, das zielgerichtet auf die Herbeiführung des Lebensunterhaltsnachweises gerichtet sei. Bei der von dem Antragstellerbevollmächtigten vorgelegten Berechnung des Lebensunterhalts fehle im Übrigen das zweite Kind der Antragstellerin. Ein atypischer Sachverhalt, der ein Abweichen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG rechtfertige, liege nicht vor. Duldungsgründe seien nicht ersichtlich, zumal es dem Ehemann der Antragstellerin zumutbar sei, zur Fortführung der familiären Beziehungen in die Tschechische Republik zurückzukehren.
Am 29.12.2020 ließ die Antragstellerin Klage (B 6 K 20.1508) gegen den Bescheid vom 23.12.2020 erheben mit dem Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin die beantragte Aufenthaltserlaubnis sowie eine Fiktionsbescheinigung zu erteilen. Zugleich ließ sie beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei zulässig, weil durch die Versagung der Aufenthaltserlaubnis die Fiktionswirkung beendet worden sei. Der Antrag sei auch begründet, weil die Erfolgsaussichten der Hauptsache zumindest offen seien. Der Bescheid vom 23.12.2020 sei weder offensichtlich rechtmäßig noch evident rechtswidrig. Die maßgebliche Frage der Sicherung des Lebensunterhalts müsse daher im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Die daher vorzunehmende Interessenabwägung falle auch im Hinblick auf die von der Antragstellerin zu leistende Kinderbetreuung zu ihren Gunsten aus. Im Übrigen wurde auf die Klagebegründung im Verfahren B 6 K 20.1508 Bezug genommen. Dort wurde insbesondere ausgeführt, dass alle Voraussetzungen für einen Ehegattennachzug nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. f AufenthG vorlägen. Die Begründung im angegriffenen Bescheid, wonach der Lebensunterhalt nicht gesichert sei, sei spekulativ, sachfremd und deutlich verfehlt. Der Arbeitgeber des Ehemanns der Antragstellerin habe die Gehaltserhöhung fundiert und glaubhaft erklärt. Die zielgerichtete Anpassung der Gehaltshöhe durch Erhöhung der Arbeitsstunden und Aufwertung der Qualifikation, um die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG zu erfüllen, sei nicht verwerflich, sondern lobenswert. Anhaltspunkte für eine Rückgängigmachung der Gehaltserhöhung nach Erteilung der Aufenthaltserlaubnis lägen nicht vor. Bei verbleibenden Zweifeln könne die Ausländerbehörde die Aufenthaltserlaubnis auf ein Jahr befristen. Bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag müsse grundsätzlich von einer positiven Prognose hinsichtlich der Lebensunterhaltssicherung ausgegangen werden. Auch durch die vom Ehemann der Antragstellerin abgegebene Verpflichtungserklärung sei der Lebensunterhalt nachweislich gesichert.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass in der Antragsschrift keine neuen Aspekte vorgebracht worden seien, so dass auf die Begründung des Bescheids vom 23.12.2020 verwiesen werden könne. Selbst wenn das Gericht die Erfolgsaussichten der Hauptsache als offen ansehen sollte, falle die gebotene Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin aus. Die Betreuung der Kinder könne unbenommen der derzeit für den Ehemann bestehenden, befristeten Aufenthaltserlaubnis durch eine gemeinsame Ausreise wie bisher im Herkunftsland erfolgen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Die Zulässigkeit des Antrags erscheint zweifelhaft. Zwar kann nach den im Grundsatz zutreffenden Ausführungen des Antragstellerbevollmächtigten im Falle der behördlichen Versagung einer Aufenthaltserlaubnis der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trotz einer in der Hauptsache statthaften Verpflichtungsklage zulässig sein (vgl. allgemein z.B. Dietz, Ausländer- und Asylrecht, 3. Aufl. 2020, Rn. 210; Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 81 AufenthG Rn. 47). Voraussetzung ist allerdings, dass durch die Ablehnung der beantragten Aufenthaltserlaubnis eine zuvor kraft Gesetzes (§ 81 Abs. 3 oder Abs. 4 AufenthG) bestehende Fiktionswirkung beseitigt wird (Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 80 Rn. 338; Kluth in BeckOK AuslR, Stand Oktober 2020, § 81 AufenthG Rn. 48 m.w.N.). Kam dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kraft Gesetzes keine solche Fiktionswirkung zu, ist allein der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO statthaft (Schoch, a.a.O.).
Im vorliegenden Fall ist es zwar im Grundsatz nachvollziehbar, dass der Antragstellerbevollmächtigte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt hat, da die Ausländerbehörde der Antragstellerin tatsächlich eine Fiktionsbescheinigung erteilt hat. Allerdings hat diese lediglich deklaratorische Wirkung und kann als solche die Fiktionswirkung nicht herbeiführen (BVerwG, B.v. 21.01.2010 – 1 B 17/09 – NVwZ-RR 2010, 330; BayVGH, B.v. 22.03.2006 – 24 ZB 06.165 – BeckRS 2009, 40751; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand Oktober 2020, § 81 AufenthG Rn. 42).
Ob dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hier kraft Gesetzes die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG zukam, erscheint indes zweifelhaft. Zwar sind Ausländer, die dem Anwendungsbereich der Daueraufenthaltsrichtlinie (RL 2003/109/EG) unterfallen, im Grundsatz berechtigt, einen Aufenthaltstitel im Inland einzuholen. Die Antragstellerin dürfte auch zu dem in Art. 16 RL 2003/109/EG genannten Personenkreis zählen, da sie zuvor – nach eigenen Angaben von Juli bis Dezember 2017 (Bl. 4 d. Behördenakte) – bereits in der Tschechischen Republik mit ihrem Ehemann zusammengelebt hatte. Auf Ebene des nationalen Rechts ist die Berechtigung zur Einholung des Aufenthaltstitels im Inland durch richtlinienkonforme Anwendung des § 39 Satz 1 Nr. 6 AufenthV oder jedenfalls durch ein Absehen vom Visumserfordernis nach § 5 Abs. 2 Satz 2 AufenthG umzusetzen (vgl. zuletzt VG Bayreuth, B.v. 19.01.2021 – B 6 S 20.1353; B.v. 22.01.2021 – B 6 S 21.13 sowie BayVGH, B.v. 13.04.2015 – 19 CS 14.2847 – juris Rn. 18 f.). Bei Anwendung des § 39 Satz 1 Nr. 6 AufenthV stellt sich dann wiederum die Frage, ob die Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs auf einen Aufenthaltstitel vorliegen (siehe letzter Halbsatz der vorgenannten Rechtsvorschrift sowie BayVGH, a.a.O.). Ein solcher Rechtsanspruch besteht, wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, nach der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung jedoch nicht.
Die Zulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO muss jedoch letztlich ebenso wenig geklärt werden wie die Frage, ob aufgrund der im Ausländerrecht bisweilen schwierigen Abgrenzung der Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und § 123 VwGO im Einzelfall eine Umdeutung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO in einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht kommt (vgl. zu letzterem ablehnend NdsOVG, B.v. 04.08.2010 – 11 ME 279/10 – NVwZ-RR 2010, 902; bejahend Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth, von Albedyll, VwGO, 7. Aufl. 2017, § 80 Rn. 76). Denn der Antrag ist, wie im Folgenden ausgeführt, jedenfalls unbegründet.
2. Der Antrag ist unbegründet.
Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung, bei der die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage maßgeblich zu berücksichtigen sind, fällt zulasten der Antragstellerin aus. Denn die in der Hauptsache erhobene Verpflichtungsklage wird nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg haben.
2.1. Entgegen der Auffassung des Antragstellerbevollmächtigten können die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage nicht zumindest als offen angesehen werden. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung im vorliegenden Verfahren ist der Lebensunterhalt vielmehr nicht gesichert, so dass die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht erfüllt ist.
Ob der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert i.S.d. §§ 5 Abs. 1 Nr. 1, 2 Abs. 3 AufenthG ist, bedarf einer prognostischen Würdigung der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls. Die Sicherung des Lebensunterhalts kann nur dann bejaht werden, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen (BVerwG, U.v. 07.04.2009 – 1 C 17/08 – NVwZ 2010, 262 Rn. 33; Huber in Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016, § 5 Rn. 14). Der Lebensunterhalt muss nicht nur zu Beginn des Aufenthalts, sondern prognostisch dauerhaft gesichert sein. Bei dieser Prognose ist neben dem aktuellen Beschäftigungsverhältnis auch der Verlauf der bisherigen Erwerbstätigkeit des Ausländers zu berücksichtigen (Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, § 5 AufenthG Rn. 28; Huber, a.a.O., Rn. 15 m.w.N.).
Die Kammer teilt die Auffassung des Antragsgegners, dass bei der gebotenen Prognose die Glaubhaftigkeit und Verlässlichkeit der Angaben des Ehemanns der Antragstellerin maßgeblich berücksichtigt werden müssen. Gleiches gilt für das Vorbringen des Arbeitsgebers des Ehemanns. Denn nur eine nachvollziehbare Darlegung der aktuellen Einkommenssituation und der jüngeren Erwerbsbiografie kann die Tatsachengrundlage für eine verlässliche Prognose bilden. Erscheint die geschilderte Einkommenssituation bzw. -entwicklung hingegen völlig unglaubhaft, kann auch ein „auf dem Papier“ auskömmliches Einkommen keine positive Prognose der Lebensunterhaltssicherung rechtfertigen. An einer verlässlichen Tatsachengrundlage für die Annahme, der Ehemann der Antragstellerin beziehe längerfristig ein Bruttogehalt von 2.800 EUR aus einem unbefristeten Arbeitsverhältnis, fehlt es indessen im vorliegenden Fall. Die Kammer nimmt zunächst entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO auf die detaillierte Darstellung und Würdigung der unterschiedlichen und im Laufe des Verwaltungsverfahrens mehrfach angepassten Angaben der Antragstellerin zur Einkommenssituation ihres Ehemanns im angegriffenen Bescheid Bezug und folgt diesen behördlichen Ausführungen. Zudem ist Folgendes auszuführen:
Die Schilderung der behaupteten Einkommensentwicklung ist in solchem Maße unplausibel und von Ungereimtheiten und Widersprüchen gekennzeichnet, dass bei lebensnaher Betrachtung nicht lediglich von zufälligem Zusammentreffen verschiedener Umstände ausgegangen werden kann. Im Einzelnen:
Gemäß den vorgelegten Gehaltsabrechnungen ist das gegenüber dem angeblichen ursprünglichen Gehalt wesentlich erhöhte Gehalt von 2.982,40 EUR (davon 2.800 EUR Festlohn) erstmals im Juli 2020 gezahlt worden, also im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vom 28.07.2020. Obwohl dem Ehemann der Antragstellerin vorgeblich bereits laut Arbeitsvertrag vom 30.05.2018 ein Bruttogehalt von 2.800 EUR zugestanden haben soll, konnte die Antragstellerin keinerlei Nachweis dafür vorlegen, dass ihrem Ehemann dieses Gehalt vor Juli 2020 einmal tatsächlich gezahlt worden ist. Sofern dies damit gerechtfertigt wird, dass der Ehemann der Antragstellerin das Gehalt bis einschließlich Juni 2020 bar erhalten habe, fällt wiederum der unmittelbare zeitliche Zusammenhang zwischen der angeblichen Änderung der Auszahlungsmodalitäten und der Beantragung des Aufenthaltstitels auf. Ohnehin ist die Behauptung der Barauszahlung schon deshalb nicht glaubhaft, weil auf allen vorliegenden Gehaltsabrechnungen, die mit einer verbreitet verwendeten Gehaltsabrechnungssoftware der Fa. Datev erstellt wurden, jeweils ein Empfängerkonto bei der Sparkasse … angegeben ist. Ein Vergleich der dort angegebenen IBAN mit den der Antragsschrift als Anlage 27 beigefügten Buchungsbelegen (Bl. 52 ff. d.A.) zeigt, dass es sich hierbei offensichtlich um ein Girokonto des Ehemanns der Antragstellerin bei der Sparkasse … handelt. Zudem wäre im Fall der Barauszahlung zumindest zu erwarten, dass entsprechende Quittungen über die Auszahlungen vorgelegt werden könnten.
Hinzu kommt, dass der Antragsgegner dem Gericht Dokumente aus der Ausländerakte des Ehemanns vorgelegt hat, woraus hervorgeht, dass der Ehemann noch Mitte 2019 einen Bruttolohn von 1.200 EUR bezogen hat. Dass dem Ehemann seit Mitte 2018 ein Bruttogehalt von 2.800 EUR vertraglich zugestanden habe, er sich aber zwei Jahre lang mit einem wesentlich geringeren Lohn begnügt habe, bzw. dass es für die gesamte Zeit keinen Nachweis über eine Gehaltszahlung entsprechend dem vertraglich geschuldeten Lohn gibt, erscheint dem Gericht nicht realistisch.
Schließlich fällt auf, dass der vorgeblich am 30.05.2018 geschlossene Arbeitsvertrag keinerlei Bezugnahme auf den offenkundig vorangegangenen Arbeitsvertrag vom 25.05.2017 enthält. Unklar erscheint insbesondere, weshalb im Vertrag vom 30.05.2018 erneut eine Probezeit festgelegt wurde.
Sofern die Antragstellerin sodann versucht, die behauptete Lohnerhöhung ab Juli 2020 zu erklären, fällt zum einen auf, dass dies erst erfolgte, nachdem die Ausländerbehörde die ursprüngliche Behauptung, dass bereits seit Mitte 2018 gemäß dem Arbeitsvertrag vom 30.05.2018 ein Gehalt von 2.800 EUR gezahlt werde, in Zweifel gezogen hatte. Mag eine vorübergehende Lohnminderung ab März 2020 im Hinblick auf die Corona-Pandemie noch erklärbar sein, so ist die geringere Lohnzahlung in den Monaten vor Beginn der Pandemie nicht hinreichend nachvollziehbar. Sofern zur Begründung u.a. vorgebracht wurde, dass der Ehemann „ab August 2019“ vermehrt Familienbesuche in Tschechien unternommen habe (Bl. 53R d. Behördenakte), widerspricht dies den vom Antragsgegner vorgelegten Gehaltsabrechnungen, wonach der Ehemann bereits vor August 2019 das geringere Gehalt von 1.200,00 EUR erhalten hat (vgl. Gehaltsabrechnungen für Juni und Juli 2019, Bl. 103 f. d. A.). Wie sich der ursprüngliche Vortrag dann zu dem späteren Vorbringen in der „Arbeitgeberbestätigung“ vom 02.08.2020 (Bl. 76 d. Behördenakte) verhält, wonach die häufigen Familienbesuche bereits ab Februar 2019 stattgefunden hätten, bleibt völlig unklar. Die zudem angeführten „betrieblichen Gründe“, wonach anderen Arbeitnehmern (als dem Ehemann der Antragstellerin) im Betrieb Mehrarbeit ermöglicht werden sollte, werden nicht substantiiert. Es bleibt auch offen, wie diese behauptete Praxis in Einklang mit den Betriebsabläufen zu bringen war, wo doch der Ehemann der Antragstellerin nach dem Vorbringen seines Arbeitsgebers über solch herausragende Fähigkeiten verfüge, dass ihm ein Stundenlohn, der deutlich über dem der anderen Arbeitnehmer im Betrieb liegt, gewährt werde.
Äußerst unglaubhaft erscheint schließlich, dass dem Ehemann der Antragstellerin gerade ab Juli 2020 eine erhebliche Gehaltserhöhung gewährt worden sein soll. Dass ein Betrieb der von der Corona-Krise hart getroffenen Gastronomie-Branche während der noch anhaltenden Pandemie und angesichts der deswegen ungesicherten Zukunftsperspektive eine solche Gehaltserhöhung gewährt, erscheint dem Gericht alles andere als lebensnah. Ausweislich der vorliegenden Gehaltsabrechnungen hat der Ehemann der Antragstellerin noch im Mai und Juni 2020 Kurzarbeitergeld bezogen. Dass die behauptete Gehaltserhöhung zeitlich mit dem Antrag der Ehefrau auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zusammentrifft, lässt den Sachvortrag noch unwahrscheinlicher erscheinen. Die hierfür vorgebrachte Begründung, wonach die „Anpassung/Erhöhung des monatlichen Gehalts“ auf ein „Nettogehalt zwischen 1818,01 EUR und 1979,58 EUR“ betriebswirtschaftlich aufgrund der vierjährigen Berufserfahrung und der hervorragenden Kenntnisse bei der Zubereitung von Speisen gerechtfertigt sei (Bl. 168 d. Behördenakte), erscheint gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie nicht überzeugend. Auch an dieser Stelle bleibt im Übrigen unklar, weshalb das monatliche Gehalt „erhöht“ werden musste, wo doch vorgeblich bereits im Arbeitsvertrag vom 30.05.2018 ein Bruttogehalt von 2.800 EUR vereinbart war (zum damaligen Zeitpunkt konnte die Gehaltshöhe jedenfalls nicht mit der vierjährigen Berufserfahrung gerechtfertigt werden).
Insgesamt ist das Vorbringen der Antragstellerin auch nach Auffassung des Gerichts von zielgerichteter Anpassung an die jeweils von der Ausländerbehörde im Verwaltungsverfahren geäußerten Zweifel und Gegenargumente gekennzeichnet. Der oben unter I. chronologisch dargestellte Verfahrensgang belegt dies anschaulich. Eindrucksvoll kommt die Anpassung und Steigerung des Vortrags etwa in der Korrespondenz der Beteiligten vom 07.12.2020 zum Ausdruck: Nachdem die Ausländerbehörde argumentierte, dass ein Vergleich des von dem Ehemann der Antragstellerin angeblich bezogenen Gehalts mit den für Köche gezahlten Tariflöhnen nicht statthaft sei, weil der Ehemann laut aktuellem Arbeitsvertrag als Küchenhilfe beschäftigt sei, wurde noch am gleichen Tag ein handschriftlich geänderter Arbeitsvertrag vorgelegt, bei dem die Tätigkeitsbezeichnung von „Küchenhilfe“ in „Koch“ geändert worden war.
Sofern der Antragstellerbevollmächtigte vorbringt, dass „Anpassungen“ der Gehaltshöhe ein „völlig normaler Vorgang“ im ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahren seien, so teilt die erkennende Kammer, die ausschließlich mit ausländerrechtlichen Streitverfahren befasst ist, dies nicht. Selbstverständlich ist es zulässig, im Rahmen eines auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gerichteten Verwaltungsverfahrens auch eine Einkommenssteigerung nachzuweisen. Dies muss jedoch durch entsprechend plausible und glaubhafte Angaben bzw. Nachweise erfolgen, woran es im vorliegenden Fall fehlt.
Unter Berücksichtigung dessen kommt auch der Feststellung des Hauptzollamts …, dass eine Betriebsprüfung nach den Vorschriften des Schwarzarbeits-Bekämpfungsgesetzes bei dem Arbeitgeber des Ehemanns der Antragstellerin zu keinen Beanstandungen geführt habe, keine maßgebliche Bedeutung zu. Bei der Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG geht es um die Frage, ob der Lebensunterhalt eines Ausländers prognostisch gesichert ist, nicht aber darum, ob dessen Arbeitgeber Verstöße gegen arbeitsrechtliche Vorschriften zur Last fallen.
Die vorgelegte Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG kann die Sicherung des Lebensunterhalts im vorliegenden Fall ebenfalls nicht gewährleisten. Die vollständige Inanspruchnahme des Pflichtigen aus einer ausländerrechtlichen Verpflichtungserklärung setzt regelmäßig voraus, dass sich die Ausländerbehörde bei Abgabe der Verpflichtungserklärung von der Leistungsfähigkeit des Verpflichtungsgebers überzeugt hat. Dies ist, wie der Kammer aus zahlreichen anderen Verfahren bekannt ist, im Falle der Inanspruchnahme des Pflichtigen regelmäßig ein Hauptstreitpunkt zwischen den Beteiligten. Im vorliegenden Fall hat die Ausländerbehörde die Leistungsfähigkeit des Ehemanns der Antragstellerin aus den vorgenannten Gründen jedoch gerade zurecht verneint, so dass die Verpflichtungserklärung als solche nicht die Sicherung des Lebensunterhalts bewirken kann. Das Bundesverwaltungsgericht führt im Übrigen in der vom Antragstellerbevollmächtigten zitierten Entscheidung vom 18.04.2013 (10 C 10/12 – NVwZ 2013, 1339 Rn. 32) selbst aus, dass es der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall obliegt, ob und in welchem Umfang eine Verpflichtungserklärung ausreicht, um von einem gesicherten Lebensunterhalt ausgehen zu können.
Die Kammer verkennt schließlich nicht, dass im Anwendungsbereich der Daueraufenthaltsrichtlinie die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG europarechtlich dahingehend modifiziert ist, dass die Nichterfüllung der Voraussetzungen dieser Norm allein nicht regelhaft zur Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis führt, sondern dem Ausländer stets ein Anspruch auf eine Einzelfallprüfung unter Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Interessen zusteht (vgl. Huber in Huber, AufenthG, § 2 Rn. 12 unter Verweis auf die Rspr. des BVerwG zur RL 2003/86/EG, z.B. BVerwG, U.v. 13.06.2013 – 10 C 16/12 – NVwZ 2013, 1493 Rn. 20; vgl. auch BayVGH, B.v. 28.02.2014 – 10 ZB 13.2410 – BeckRS 2014, 49133). Ist jedoch, wie hier, aufgrund nicht glaubhafter Angaben zur Einkommenssituation völlig unklar, welches Einkommen der Familie der Antragstellerin überhaupt zur Verfügung steht, fehlt es nach Auffassung des Gerichts an einer ausreichenden Grundlage, eine solche einzelfallbezogene Interessenabwägung vorzunehmen. Den „Nachweis“ der Einkünfte zur Sicherung des Lebensunterhalts setzt die Daueraufenthaltsrichtlinie selbst in Art. 16 Abs. 4 Buchst. c ausdrücklich voraus.
2.2. Die sonstigen im Bescheid vom 23.12.2020 getroffenen Regelungen begegnen ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Etwaige (in den Bescheidsgründen verneinte) Duldungsgründe, hinsichtlich welcher bisher auch nichts Substantiiertes vorgetragen wäre, bedürfen vorliegend keiner gerichtlichen Prüfung, weil diese der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nicht entgegenstehen (§ 59 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Die Kammer weist allerdings darauf hin, dass gemäß Ziffer 3 des Bescheidstenors – entgegen den Ausführungen auf Seite 2 der Antragserwiderung vom 18.01.2021 – ausschließlich die Abschiebung in die Tschechische Republik (und nicht nach Vietnam) angedroht wurde.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 8.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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