Arbeitsrecht

Voraussetzungen für Bewilligung von Baukindergeld

Aktenzeichen  W 8 K 20.330

Datum:
25.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 13722
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3
VwGO § 113 Abs. 5
BayHO Art. 23, Art. 44

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber in der Sache nicht begründet.
Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage zulässig.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da der streitgegenständliche Zuwendungsbescheid vom 17. Dezember 2019 rechtmäßig ist und die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der begehrten höheren Förderung in Höhe von jährlich 900,00 EUR, also jährlich zusätzlich 300,00 EUR hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Freistaates Bayern. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Anspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Förderrichtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zuwendungszweck gebunden, wie ihn der Zuwendungsgeber versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung ist deshalb entscheidend, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 – 19 B 96.3964 – juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 – M 15 K 07.5555 – juris Rn. 30).
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder gegebenenfalls ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – BVerwGE 152, 211 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 17.11.2010 – 4 ZB 10.1689 – juris Rn. 19; BayVGH. B.v. 27.7.2009 – 4 ZB 07.1132 – juris Rn. 13).
Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat demnach nicht daran anzusetzen, wie die maßgeblichen Förderrichtlinien und andere Unterlagen auszulegen wären, sondern daran, welche Förderpraxis des Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag (BayVGH, U.v.11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris). Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie auch grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – BVerwGE 58, 45; BayVGH, U.v.11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris).
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der Fördermittel und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur so weit, wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen von § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – NVwZ-RR 2019, 219; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; HessVGH, U.v. 28.6.2012 – 10 A 1481/11 – ZNER 2012, 436).
Nach diesen rechtlichen Vorgaben hat die Klägerin keinen Rechtsanspruch auf Gewährung von Baukindergeld Plus auch für ihr jüngstes Kind, da nach der maßgeblichen Förderpraxis auf Basis der Richtlinien Kinder, die erst nach dem Zeitpunkt der Beantragung des Baukindergelds des Bundes geboren werden, bei der Höhe der Förderung nicht berücksichtigt werden.
Die Verwaltungspraxis steht auch mit den einschlägigen Förderrichtlinien im Einklang. So wird in Nr. 2 2. Spiegelstrich BayBauKGPR ausdrücklich ausgeführt, dass das Schaffen von Eigenwohnraum zur Selbstnutzung durch den Erwerb von neuen oder bestehenden Ein- oder Zweifamilienhäusern oder Eigentumswohnungen gefördert wird, soweit dafür das Baukindergeld des Bundes gewährt wird. Nach Nr. 3.1 Satz 1 BayBauKGPR ist zuwendungsberechtigt, wer das Baukindergeld des Bundes erhält. Unter Nr. 5 BayBauKGPR ist ausdrücklich vermerkt, dass die Zuwendung mittels eines Zuschusses in Höhe von 300,00 Euro pro Jahr für jedes Kind erfolgt, für das Baukindergeld des Bundes gezahlt wird. Nach dem Merkblatt Baukindergeld der KfW (424 Zuschuss) Teil 2 Antragsteller und Kind ist ausschlaggebend für die Höhe der Förderung die Anzahl der Kinder unter 18 Jahren, die bei Antragstellung im Haushalt leben. Für Kinder, die nach Antragseingang geboren werden beziehungsweise in den Haushalt aufgenommen werden, kann hiernach kein Baukindergeld beantragt werden.
Die Klägerin hat nach alledem keinen Anspruch auf die begehrte Gewährung des Baukindergeldes Plus auch für das jüngste Kind, weil dieses nach dem – nach der an den Förderrichtlinien ausgerichteten Zuwendungspraxis – maßgeblichen Zeitpunkt der Beantragung des Baukindergelds des Bundes für das Förderobjekt geboren wurde. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis. Es ist diesbezüglich weder vorgetragen noch ersichtlich, dass vom Beklagten in vergleichbaren Fällen trotz des klaren Wortlauts der BayBauKGPR eine Förderung gewährt wurde. Auch aus dem Vortrag des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung ist nichts Entsprechendes zu entnehmen.
Vorliegend liegt des Weiteren keine atypische Fallgestaltung aufgrund Besonderheiten des Einzelfalles vor. Ausgangspunkt ist – wie ausgeführt – die ständige Förderpraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 41 ff.).
Die Nichtgewährung einer höheren Zuwendung für die Klägerin ist schließlich auch sonst keine unzulässige Ungleichbehandlung, da keine Willkür vorliegt, sondern sachgerechte, vertretbare Gründe gegeben sind.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v.11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn 32). Dies bedeutet, dass der Kreis der von einer Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt sein muss. Aufgrund des freiwilligen Charakters einer Förderung und dem weiten Ermessen des Förderungsgebers bei der Aufstellung von Förderrichtlinien, ist eine entsprechende Nachprüfung nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Förderungsempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 15 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG; VG München, U.v. 28.8.2019 – M 31 K 19.203 – juris Rn. 15). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (seit U.v. 23.10.1951 – 2 BVG 1/51 – juris) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
Ausgehend hiervon stellt sich die Ungleichbehandlung eines nach der Beantragung des Baukindergelds des Bundes aber vor der Beantragung des Baukindergelds Plus geborenen Kindes gegenüber einem vor der Beantragung des Baukindergelds Plus geborenen Kind in Bezug auf die Höhe des Zuschusses nicht als willkürlich dar. Ausgehend von Nr. 1 Sätze 1 und 2 BayBauKGPR ist Zweck der Förderung, die Bildung von Wohneigentum in Bayern für Familien mit Kindern und Alleinerziehende durch Verstärkung des Baukindergelds des Bundes zu unterstützen, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen und die Eigentumsquote anzuheben. Bereits aus der Bezeichnung der begehrten Förderung mit Baukindergeld „Plus“ wird ausgedrückt, dass dieses nur eine zusätzliche Unterstützung zum Baukindergeld des Bundes darstellt. Die Gewährung des Baukindergelds Plus für Kinder, die nach der Beantragung des Baukindergelds des Bundes geboren werden, liefe auf eine allgemeine Förderung der Beschaffung von Wohneigentum hinaus, läge außerhalb der Zweckbestimmung der Subvention und würde Bezugsfälle schaffen (vgl. hierzu VG Augsburg, U.v. 17.12.2012 – Au 3 K 12.1382 – juris Rn. 39).
Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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