Arbeitsrecht

Widerruf der Feststellung der Zuverlässigkeit, Zweifel wegen Anhaltspunkten psychischer Erkrankung, Nichterfüllung der obliegenden Mitwirkungspflicht, Fehlende Mitwirkung bei der Ausräumung der Zweifel, Maßgeblicher Entscheidungszeitpunkt

Aktenzeichen  M 24 K 21.5549

Datum:
17.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16093
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 49
LuftSiG § 7 Abs. 1a S. 1
LuftSiG § 7 Abs. 1a S. 3
LuftSiG § 7 Abs. 3 S. 1
LuftSiZÜV § 5 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist für den Beklagten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene Klage hat keinen Erfolg.
1. Da es sich um eine Anfechtungsklage handelt und das einschlägige Recht keine anderweitige Regelung trifft, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des vorliegend streitgegenständlichen Widerrufs der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeitsfeststellung vom … Juli 2017 der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich, vorliegend der … September 2021 (BayVGH, B.v. 30.11.2020 – 8 ZB 19.1757 – juris Rn. 10 mit w.N.z.Rspr.).
2. Unter Zugrundelegung dieses maßgeblichen Zeitpunkts ist der streitgegenständliche Bescheid formell und materiell rechtmäßig.
Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung des streitgegenständlichen Bescheides (§ 117 Abs. 5 VwGO). Zutreffend hat der Beklagte darin ausgeführt, dass mit dem Vorfall am … Januar 2021 und dem Verhalten des Klägers dabei Erkenntnisse auftraten, die Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit begründeten. Entgegen der dem Kläger nach § 7 Abs. 3 LuftSiG obliegenden Mitwirkungspflicht hat dieser die Zweifel an seiner luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht ausgeräumt. Verbleibende Zweifel, wie vorliegend, gehen zu Lasten des Klägers und berechtigten den Beklagten zum rechtmäßigen Widerruf der zuvor mit Entscheidung vom … Juli 2017 getroffenen Feststellung der persönlichen Zuverlässigkeit im Sinne von § 7 LuftSiG. Insbesondere hat der Kläger das berechtigt von ihm geforderte Gutachten eines Facharztes für Psychiatrie nicht im behördlichen Verwaltungsverfahren vorgelegt und ist auch insoweit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
Die seitens des Klägers im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen sind nicht geeignet, die durch die Erkenntnisse zum Vorfall am … Januar 2021 begründeten Zweifel hinsichtlich der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers auszuräumen. Nach dem strengen Ansatz des Gesetzes wäre es aber Sache des Klägers gewesen, (rechtzeitig) im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht (§ 7 Abs. 3 Satz 2 LuftSiG) einen vollständigen Nachweis zu erbringen, dass keinerlei Zweifel an der Zuverlässigkeit (mehr) verbleiben; auch die amtliche Begründung zu § 7 LuftSiG (Gegenäußerung der Bundesregierung – Bundestags-Drucksache 15/2361 – S. 36, zu Nr. 12) betont, dass es dem jeweils Betroffenen obliegt, einen entstandenen Verdacht auszuräumen. Auf Grundlage des Vorfalles vom … Januar 2021 und des Entlassungsberichts des Bezirkskrankenhauses, war es geboten und der Kläger auch verpflichtet, das geforderte Gutachten beizubringen.
3. Die Kammer weist lediglich ergänzend auf Folgendes hin: Selbst wenn unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines ordnungsmäßen Verwaltungsverfahrens (Art. 20 Abs. 3 GG) bei Berücksichtigung der vom Kläger nachgewiesenen und für den Beklagten ersichtlichen Bemühungen des Klägers, innerhalb der vom Beklagten gesetzten (sehr kurzen) Frist einen Gutachter für die Erstellung des geforderten Gutachtens zu finden, der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung von Sach- und Rechtslage ausnahmsweise auf die mündliche Verhandlung verlegt würde, so würde auch dies vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis führen.
Denn ungeachtet des Umstands, dass der Gutachter, wie von dem Beklagten beanstandet, dem vorgelegten Gutachten vom … November 2021 nicht, wie etwa bei der bekannten medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU), auch eine körperliche Untersuchung zugrunde gelegt hat, verblieben auch bei Berücksichtigung des Gutachtens zur Überzeugung der Kammer (§ 108 Abs. 1 VwGO) bei Gesamtwürdigung des Einzelfalles des Klägers (§ 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG) Zweifel an dessen luftsicherheitsrechtlicher Zuverlässigkeit.
Gemäß § 7 Abs. 1a Satz 1 LuftSiG bewertet die Luftsicherheitsbehörde die Zuverlässigkeit des Betroffenen aufgrund einer Gesamtwürdigung des Einzelfalles. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LuftSiZÜV ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn daran Zweifel verbleiben. Es ist also nicht erforderlich, explizit eine Unzuverlässigkeit festzustellen, vielmehr genügen bloße Zweifel an der Zuverlässigkeit, um eine solche nicht (mehr) festzustellen. Umgekehrt folgt daraus, dass zuverlässig im Sinne dieser Normen nur ist, wer die Gewähr dafür bietet, die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehrs, insbesondere vor Flugzeugentführungen und Sabotageakten, jederzeit in vollem Umfang zu erfüllen. Wegen des gerade beim Luftverkehr hohen Gefährdungspotenzials und der Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Daher ist die Zuverlässigkeit bereits dann zu verneinen, wenn an ihr auch nur geringe Zweifel bestehen (BVerwG U.v. 15.7.2004 – 3 C 33/03 – BVerwGE 121, 257, Leitsatz 2, juris).
Die Entscheidung der Sicherheitsbehörde über die Zuverlässigkeit der überprüften Personen unterliegt vollständiger gerichtlicher Kontrolle. Der Behörde steht kein Beurteilungsspielraum zu (Meyer in Grabherr/Reidt/Whysk, Luftverkehrsgesetz Kommentar, Stand Januar 2019, LuftSiG § 7 Rn. 81; BVerwG, U.v. 15.7.2004 – 3 C 33/03 – juris Rn. 16).
Dies zu Grunde gelegt, ist festzuhalten, dass bei dem Kläger nach wie vor eine noch nicht abschließend therapierte psychische Erkrankung vorliegt, für deren Behandlung der Kläger (derzeit noch) Medikamente einnehmen muss, und die in der Vergangenheit unter den besonderen Umständen des … Januar 2021 bereits zu einem Vorfall geführt hat. Das Gericht kann dem Gutachten keine Aussage dahingehend entnehmen, dass diese Krankheit bereits überwunden wäre und der Kläger auch etwa bei Absetzen der Medikation uneingeschränkt die strengen Anforderungen des Luftsicherheitsrecht erfüllen würde. Dabei ist dem Gericht bewusst, dass der Kläger derzeit auf einem guten Weg ist und die Einnahme der Medikamente, wie von der Ehefrau im Rahmen der mündlichen Verhandlung verdeutlicht, langsam verringert wird. Auch verkennt das Gericht nicht, dass der Gutachter die psychische Erkrankung für gut behandelbar erachtet. Sie bleibt aber gleichwohl derzeit noch behandlungsbedürftig und der Kläger muss weiter Medikamente einnehmen, um die Krankheit „im Griff“ zu haben.
Insgesamt lässt sich zur Überzeugung des Gerichts bei Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine Feststellung treffen, dass keinerlei Zweifel an der luftsicherheitsrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers mehr bestehen.
Verbleiben damit aber Zweifel, so ist die Zuverlässigkeit des Klägers nach dem strengen Ansatz des Gesetz- und Verordnungsgebers zu verneinen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 LuSiZÜV).
4. Der unterlegene Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


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