Arbeitsrecht

Widerruf einer Nebentätigkeitserlaubnis, Keine vorherige Beteiligung des Personalrats, Unbeachtlichkeit, Offensichtlichkeit, Dauernde Dienstunfähigkeit

Aktenzeichen  3 CS 21.798

Datum:
9.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 9498
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146
BayVwVfG Art. 46
BayBG Art. 81

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 5 S 20.6269 2021-02-19 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.100 € festgesetzt.

Gründe

1. Der 1965 geborene Antragsteller steht als Technischer Amtsrat (Besoldungsgruppe A 12) in den Diensten des Antragsgegners. Er war vom 11. Juli 2014 bis 1. November 2020 dienstunfähig erkrankt. Seit dem 4. November 2020 ist er erneut dienstunfähig erkrankt. In der Sache geht es um den Widerruf einer am 23. März 2018 (bis zum 14. März 2023) erteilten Nebentätigkeit als wissenschaftlich-technischer Berater von privaten Unternehmen und Stiftungen mit einem Arbeitsumfang von vier Stunden wöchentlich und einer Vergütung von 350,00 € pro Monat. Die Nebentätigkeit war genehmigt worden, um die Genesung des Antragstellers zu fördern.
2. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Recht abgelehnt. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine andere Entscheidung.
a. Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg auf eine Verletzung der Vorschriften über das personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsverfahren berufen. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Rechtsgedanke des Art. 46 BayVwVfG auf Maßnahmen, für die die Beteiligung des Personalrates vorgeschrieben sind, jedenfalls auf (wie hier) gebundene Entscheidungen entsprechende Anwendung findet. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, B.v. 13.11.2019 – 2 C 24.18 – juris Rn. 3; B.v. 16.7.2012 – 2 B 16.12 – juris Rn. 21; U.v. 9.12.1999 – 2 C 4.99 – juris Rn. 30), der sich auch der Senat angeschlossen hat (B.v. 30.1.2018 – 3 ZB 15.148 – juris Rn. 12; vgl. auch B.v. 10.9.2018 – 6 ZB 18.653 – juris Rn. 9; B.v. 26.9.2016 – 6 ZB 16.249 – juris Rn. 11). Der Antragsteller wendet hiergegen unter Berufung auf von Roetteken (ZBR 2021, 16 ff./22) ein, Regelungen wie § 46 VwVfG bzw. die entsprechenden Vorschriften der Länder könnten bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Beteiligung des Personalrats weder unmittelbar noch dem Rechtsgedanken nach angewandt werden. Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die Argumentation erschöpft sich letztlich darin, dass die eine Beteiligung des Personalrats verlangenden Regelungen keine Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit sind. Das ist zweifellos richtig, trifft aber nicht den Kern der vorzitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass in (hier) Art. 46 BayVwVfG ein allgemeiner Rechtsgedanke zum Ausdruck kommt (Hermann in Quaas/Zuck/Funke-Kaiser, Prozesse in Verwaltungssachen, 3. Aufl. 2018, § 2 Rn. 191), der auch außerhalb seines unmittelbaren Anwendungsbereichs heranzuziehen ist (Meermagen in Foerster/Jäde/Meermagen, Verwaltungsverfahrensgesetz, Stand: April 2014, § 46 Erl. 1 Seite 312).
2. Die vorherige Beteiligung des Personalrats ist hier nach dem Rechtsgedanken des Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich, weil offensichtlich ist, dass die unterbliebene Beteiligung des Personalrats die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Davon ist das Verwaltungsgericht zutreffend (unter Bezugnahme auf Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 46 Rn. 82 und BVerwG, B.v. 15.2.1999 – 1 WB 36.88 – juris Rn. 34) wegen der nunmehr (vorliegenden) nachträglichen Zustimmung des Personalrats vom 9. Dezember 2020 ausgegangen. Ausgeschlossen ist die Annahme der Offensichtlichkeit, wenn nach den Umständen des Falles die konkrete Möglichkeit (vgl. BVerwG, B.v. 5.11.2013 – 2 B 60.13 – juris Rn. 11; Schemmer in BeckOK VwVfG, Stand: Jan. 2021, § 46 Rn. 42) besteht, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre. Eine solche konkrete Möglichkeit zeigt die Beschwerdebegründung aber nicht auf, sondern beschränkt sich auf abstrakte Überlegungen.
3. Der Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung ist materiell rechtmäßig.
Gemäß Art. 81 Abs. 3 Satz 7 BayBG ist eine erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung zu widerrufen, wenn sich nach der Erteilung der Genehmigung eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ergibt. Fälle der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen sind in Art. 81 Abs. 3 Satz 2 BayBG – wie sich aus der Formulierung „insbesondere“ ergibt – beispielhaft aufgezählt. So sind gemäß Art. 81 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 BayBG dienstliche Interessen dann beeinträchtigt, wenn die Nebentätigkeit dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein kann. So verhält es sich hier.
Nach der gesetzlichen Formulierung reicht schon die Möglichkeit, also die Besorgnis einer Ansehensbeeinträchtigung aus. Es kommt darauf an, ob es bei verständiger Würdigung ernsthaft möglich ist, dass die Nebentätigkeit ansehensmindernde Auswirkungen hat, mithin geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Dienstes zu beeinträchtigen. Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Dienstes ist in besonderem Maße dann beeinträchtigt, wenn ein Beamter, der aufgrund einer Erkrankung außerstande ist, Dienst zu verrichten, dennoch in dieser Zeit der Dienstunfähigkeit, in der er von seinem Dienstherrn alimentiert wird, einer privaten Erwerbstätigkeit nachgeht. Denn damit zeigt er nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig ein Verhalten, das auf Unverständnis stößt und geeignet ist, das Vertrauen in die Loyalität der Beamtenschaft zu beeinträchtigen. Gerade durch die Alimentierung auch während der Dienstunfähigkeit wird sichergestellt, dass sich ein Beamter schonen kann, um seine Genesung bestmöglich zu fördern, und nicht gezwungen ist, eine anderweitige Tätigkeit aufzunehmen, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. Wenn der Beamte ohne zwingende Notwendigkeit aus Eigennutz einer privaten Nebentätigkeit nachgeht, erweckt er den Eindruck, nicht so krank zu sein, dass er zur Dienstleistung außerstande ist, dass er also seine Dienstbezüge erhält, ohne zugleich seine wiederhergestellte Arbeitskraft seinem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen (BayVGH, B.v. 27.4.2020 – 3 CS 20.535 – juris Rn. 6 m.w.N.). Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass die Nebentätigkeit des Antragstellers in Anbetracht der derzeit bei ihm vorliegenden krankheitsbedingten Dienstunfähigkeit geeignet ist, eine Beeinträchtigung des Ansehens der Verwaltung zur begründen.
Der Antragsteller gibt zu bedenken, dass er zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung bereits seit vier Jahren dienstunfähig erkrankt gewesen sei und diese Erkrankung dann auch während der nachfolgenden dreieinhalb Jahre angedauert habe. Dass sich nach Erteilung der Genehmigung tatsächlich eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen ergeben habe, sei nicht ersichtlich. Die Nebentätigkeit habe den Gesundungsprozess gefördert, wie die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit am 2. November 2020 gezeigt habe. Der Umfang seiner während der Dienstunfähigkeit ausgeübten Nebentätigkeit sei nicht geeignet, das Ansehen der Verwaltung in der Öffentlichkeit zu beeinträchtigen.
Dies rechtfertigt nicht die Abänderung des angefochtenen Beschlusses. Zum einen entfällt eine mögliche Ansehensbeeinträchtigung der öffentlichen Verwaltung nicht etwa deshalb, weil die Nebentätigkeit der Gesundheit und Genesung förderlich wäre. Denn für das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität des öffentlichen Dienstes kommt es nicht darauf an, ob die Tätigkeit für den Beamten gesundheitsfördernd ist (BayVGH, B.v. 27.4.2020 a.a.O. Rn. 8). Zum anderen ist der Hinweis des Antragstellers auf seine Jahreseinkünfte (2017: 1.496,35 €; 2018: 480,17 € und 2019: -190,86 €) nicht geeignet, auf den tatsächlich ausgeübten Umfang seiner Nebentätigkeit zu schließen. Im Übrigen vermag auch ein geringer zeitlicher Umfang der ausgeübten Nebentätigkeit die Ansehensschädigung nicht zu relativieren, wobei hier insbesondere auch zu berücksichtigen war, dass sich der Antragsteller zwar außerstande sieht, seinen Dienst zu verrichten, gleichzeitig aber in der Lage ist, private Fachberatung zu Aufgabenfeldern anzubieten, die zu seinen Dienstaufgaben zählen.
4. Die Beschwerde des Antragsstellers war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 VwGO (und Nr. 1.5, 10.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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