Arbeitsrecht

Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz – fiktive Einbeziehung -betriebliche Voraussetzung – Betriebsumwandlung eines VEB in eine GmbH – Stichtag – Produktionsmittelübergang – “leere Hülle”

Aktenzeichen  B 5 RS 17/09 R

Datum:
15.6.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2010:150610UB5RS1709R0
Normen:
§ 1 AAÜG
§ 8 AAÜG
Art 9 EinigVtr
Art 17 EinigVtr
Art 19 EinigVtr
Anlage II Kap VIII H EinigVtr
Anlage II Kap VIII H III Nr 9 EinigVtr
§ 7 VoEigUmwV
§ 1 TreuhG
§ 11 TreuhG
§ 22 RAnglG
Art 3 Abs 1 GG
§ 31 VoEigKombV
§ 37 VoEigKombV
§ 19 ZGB DDR
§ 1 RVInkrsG
§ 8 RVInkrsG
§ 1 GmbHG
§§ 1ff GmbHG
ZAVtIV
Anl 1 Nr 1 AAÜG
§ 5 AAÜG
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Dresden, 9. Oktober 2006, Az: S 24 R 1088/06, Gerichtsbescheidvorgehend Sächsisches Landessozialgericht, 8. September 2009, Az: L 4 R 90/08, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. September 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeiten vom 1.9.1964 bis 31.10.1967 sowie vom 1.5.1969 bis 30.6.1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie die dabei erzielten Entgelte festzustellen.
2
Der im Mai 1941 geborene Kläger ist seit dem 1.8.1964 berechtigt, den Titel eines Ingenieurs zu führen. Vom 1.9.1964 bis 31.10.1967 war er beim Volkseigenen Betrieb (VEB) E. als Konstrukteur beschäftigt. Vom 1.5.1969 bis 31.8.1969 war der Kläger beim I.-Forschungszentrum als Konstrukteur tätig. Anschließend war er dort bzw beim Großforschungszentrum C. bzw VEB C. L. , Großforschungszentrum bzw dem VEB F. D. bzw dem VEB K. D. bis zum 31.12.1975 als technisch-wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Von 1976 bis Ende 1980 war der Kläger beim VEB K. D. als Gruppenleiter Schutzgüte und auf Grund des Überleitungsvertrages vom 30.12.1980/20.1.1981 im Jahre 1981 als Gruppenleiter Schutzgüte beim VEB C. L. Stammbetrieb G. tätig. Auf Grund des Änderungsvertrages zum Arbeitsvertrag vom 14.4.1983 war der Kläger mit Wirkung vom 1.1.1982 bis 30.6.1990 beim VEB C. Stammbetrieb G. Außenstelle D. als Schutzgütebeauftragter beschäftigt.
3
Am 9.6.1990 erklärten der VEB C. L. Stammbetrieb und die Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums (Treuhandanstalt), den VEB in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) umzuwandeln. Gleichzeitig übertrugen sie die Fondsmittel des VEB rückwirkend zum 1.4.1990 auf die neu gegründete C. GmbH L., die am 28.7.1990 ins Handelsregister eingetragen wurde.
4
Den Antrag des Klägers, seine Zusatzversorgungsanwartschaften festzustellen und zu überführen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.3.2006 ab. Während der Widerspruch erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 23.6.2006), hat das Sozialgericht Dresden (SG) die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 9.10.2006 verurteilt, die streitigen Zeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der Nr 1 der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) anzuerkennen und die während dieser Zeiten tatsächlich erzielten Bruttoentgelte festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Sächsische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 8.9.2009 den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt, für einen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in die AVItech fehle am 30.6.1990 (Stichtag) die betriebliche Voraussetzung. Der Kläger sei an diesem Tag weder in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch in einem gleichgestellten Betrieb tätig gewesen. Der VEB C. L. sei am 30.6.1990 auf Grund der Umwandungserklärung und der rückwirkenden Übertragung seiner Fonds auf die teilrechtsfähige und nach außen handlungsfähige Vor-GmbH vermögenslos gewesen. Als “leere Hülle” habe er am Stichtag nicht mehr aktiv am Produktionsprozess teilnehmen können. Ein volkseigener Produktionsbetrieb habe nur dann industrielle Sachgüter produzieren können, wenn ihm entsprechende Fonds des einheitlichen staatlichen Volkseigentums zur Verfügung gestanden hätten. Nicht maßgeblich sei, dass die Eintragung der Kapitalgesellschaft erst nach dem 30.6.1990 in das Handelsregister erfolgt sei.
5
Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts: Die Umwandlung und Übertragung von Fondsanteilen nach der “Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften” (UmwVO) vom 1.3.1990 (GBl DDR I 107) sei am 30.6.1990 mangels Eintragung der GmbH in das Handelsregister noch nicht vollendet gewesen, so dass sich die Umwandlung am 1.7.1990 nach dem Treuhandgesetz (TreuhG) vom 17.6.1990 (GBl DDR I 300) vollzogen habe. Der VEB C. L. habe am 30.6.1990 noch existiert und seine Produktionsmittel noch nicht an eine Vor-GmbH verloren. Im Übrigen gefährde die Auffassung des LSG die Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung.
6
Der Kläger beantragt,das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. September 2009 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 9. Oktober 2006 zurückzuweisen.
7
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
8
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.


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